Lobbying als spezifische Form der Politikberatung: Möglichkeiten und Risiken am Beispiel der Gesundheitspolitik


Hausarbeit, 2011

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Korruption, Hinterzimmer, Mauscheleien - das Bild des Lobbyismus in der Gesellschaft

2. Klärung grundlegender Begrifflichkeiten
2.1 Politikberatung: Definition, Aufgaben, Erscheinungsformen und Akteure
2.2 Verbände und Interessengruppen als Akteure des Lobbying
2.2 Lobbying: Ursprung, Durchführung, Adressaten und Methoden

3. Lobbying am Beispiel der Gesundheitspolitik
3.1 Gründe für den starken Einfluss von Lobbygruppen in der Gesundheitspolitik
3.2 Die Gesundheitsreform 2011 (CDU/FDP)
3.2.1 Ausgewählte Kernpunkte der Reform
3.2.2 Der Einfluss ausgewählter Lobbygruppen

4. Möglichkeiten und Risiken des Lobbying: Fazit und Diskussion

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Korruption, Hinterzimmer, Mauscheleien - das Bild des Lobbyismus in der Gesellschaft

Lobbyisten treiben die Regierung “, „ Pharmalobby erringt erneuten Sieg “, „ Lobby bremst Regierung aus “, „ Sieg der Lobbyisten “, „ Geld erhält die Freundschaft1 - die- se Schlagzeilen der vergangenen Monate illustrieren anschaulich, dass das Ansehen von Lobbyisten und Lobbygruppen in Deutschland nicht sehr hoch ist. Einige politi- sche Ereignisse der jüngeren Vergangenheit, die in Zusammenhang mit der Regie- rungsarbeit der seit 2009 regierenden schwarz-gelben Bundesregierung stehen, ha- ben den ohnehin schon schlechten Ruf der Lobbyisten weiter beschädigt.

So war beispielsweise im Herbst 2010 im Zuge der Verhandlungen um die Laufzeit- verlängerungen für Atomkraftwerke von einer „ nächtlichen Kungelrunde2 mit den Vertretern der Energiekonzerne im Kanzleramt zu lesen und der Regierungskoalition wurde anschließend vorgeworfen, sie sei vor der Atomlobby eingeknickt und habe das Gemeinwohl der Gesellschaft zugunsten der Lobbyinteressen vernachlässigt. Al- lein dieses Ereignis scheint sofort all jene zu bestätigen, die den Lobbyismus schon seit jeher mit Korruption, Hinterzimmern oder Patronage assoziiert haben und der Meinung sind, dass Lobbyismus den demokratischen politischen Prozess verfälscht, weil bei dieser Form der Einflussnahme nur jene Gruppen ihre partikularen Interes- sen im politischen Prozess vertreten und durchsetzen können, die über eine starke Lobby und genügend - zumeist materielle - Ressourcen verfügen.

Die Befürworter des Lobbyismus sind hingegen ganz anderer Meinung. Sie argu- mentieren, dass es beim Lobbying gerade nicht darum ginge, den Gesprächs- und Verhandlungspartner zu überrumpeln oder ihn gar mit Geld gefügig zu machen, vielmehr ginge es dabei um eine solide, kompetente und inhaltsreiche Politikbera- tung (vgl. Lösche 2006: 339), bei der die Politik von der Sachkenntnis der verschie- denen Interessengruppen profitieren könne. Insbesondere in Zeiten schneller Ent- scheidungen auf oft unsicherer Basis sei es für die Politik daher unmöglich, auf Lobbying zu verzichten, zumal es Lobbys und Lobbyisten bereits geben würde, seit Gesetze existierten. Aus diesem Grund sei der Lobbyismus ein elementares, legitimes Mittel in einer Demokratie (vgl. Leif/Speth 2003: 24) und das negative Image der Lobbyisten entspräche nicht der Realität.

Ziel dieser Hausarbeit ist es, das Lobbying in den Kontext der schillernden Politikbe- ratungslandschaft einzuordnen sowie seine spezifischen Aufgaben, Akteure, Mög- lichkeiten und Risiken herauszuarbeiten. In Kapitel 2 werden mit den Begriffen Poli- tikberatung, Verband und Lobbying zunächst einige grundlegende Begrifflichkeiten geklärt, bevor Kapitel 3 mit der Gesundheitspolitik ein spezielles Feld der Sozialpoli- tik in den Mittelpunkt rückt. Hier wird zunächst der Frage nachgegangen, warum ge- rade dieses Politikfeld besonders stark von Lobbygruppen und Lobbyisten dominiert wird. Anschließend wird anhand der Gesundheitsreform 2011 - zumindest in Ansät- zen - der Versuch unternommen, den vermuteten, möglichen oder offensichtlichen Einfluss von verschiedenen Lobbygruppen auf einige Kernpunkte der Reform zu identifizieren. In Kapitel 4 werden die gewonnenen Erkenntnisse kritisch betrachtet und diskutiert, bevor schließlich die Frage beantwortet wird, worin die Möglichkeiten und Risiken des Lobbying liegen und wie das überwiegend negative Ansehen der Lobbyisten in der Gesellschaft verbessert werden könnte.

2. Klärung grundlegender Begrifflichkeiten

Wer sich mit dem Thema Politikberatung beschäftigt, stellt schnell fest, dass es sich dabei um einen Untersuchungsgegenstand von beträchtlicher Variationsbreite und -tiefe handelt. So kommt beispielsweise auch Kuhne (2008: 27) zu dem Schluss: „ Politikberatung istäu ß erst facettenreich; ihre Funktionen, Bedeutungen und Anwen- dungsbereiche sind breit. “Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, in diesem Kapitel zunächst den Begriff der Politikberatung näher zu definieren sowie auf die verschie- denen Aufgaben, Erscheinungsformen und Akteure der Politikberatung einzugehen (Kapitel 2.1). In den Mittelpunkt wird dabei das Lobbying als spezifische, interessen- orientierte Form der Politikberatung gerückt (Kapitel 2.3). Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Interessenverbände, da sie die Hauptakteure des Lobbying darstel- len - auch auf sie wird deshalb genauer eingegangen (Kapitel 2.2).

2.1 Politikberatung: Definition, Aufgaben, Erscheinungsformen und Akteure

Ganz allgemein kann unter Politikberatung aus soziologischer und politikwissen- schaftlicher Sicht zunächst einmal „ eine Rollendifferenzierung “verstanden werden, „ in der dem Politiker ein Berater gegenübertritt, von dem jener Entscheidungshilfe erwartet “(Nohlen/Schultze 2010: 747). Unabhängig vom jeweiligen Beratungsver- hältnis vollzieht sich bei der Politikberatung somit ein Informations- und Wissens- transfer vom Beratungsakteur zum Beratungsnachfrager, wobei der Berater im Nor- malfall über Informations- und Wissensressourcen verfügt, die der Beratende nicht besitzt; deshalb fragt dieser aktiv nach jenen Informationen nach (vgl. Kuhne 2008: 27).

Schmidt (2010: 606) präzisiert diese erste, sehr grobe Definition, indem er als Poli- tikberatung „ alle Institutionen und Bestrebungen “bezeichnet, „ die darauf gerichtet sind, die an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen verantwortlich Beteiligten, insbesondere die Entscheidungsträger, durch Bereitstellung und Bewer- tung von Informationen zu den zu erörternden oder zu entscheidenden politischen Materien zu beraten.“Dabei können drei Formen der Politikberatung unterschieden werden: die wissenschaftliche Politikberatung, das Lobbying und die professionelle Politikberatung. Alle drei Formen werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Die wissenschaftliche Politikberatung ist der allgemein mit Politikberatung in Verbin- dung gebrachte Bereich und kann somit getrost als die klassische Form der Politik- beratung bezeichnet werden. Sie beschreibt ein Kooperations- und Interaktionsver- hältnis zwischen Politik und Wissenschaft, in dem die Politik, ihre Institutionen und Akteure als Adressaten und die Wissenschaft - repräsentiert durch Universitäten, wissenschaftliche Think Tanks, advokatische Denkfabriken, aber auch durch einzel- ne Personen aus diesen Institutionen - als Berater auftreten (vgl. Kuhne 2008: 28 und 76). Die Beratung erfolgt beispielsweise in Form von wissenschaftlichen Exper- tengutachten, die ein bestimmtes Politikressort in Auftrag gibt, um die Ergebnisse dieses Gutachtens bei der Formulierung eines Gesetzes berücksichtigen zu können. Da sich bei diesem Beratungsverhältnis die Sichtweisen „Geist“und „Wissen“auf der Seite der Wissenschaft sowie die Sichtweisen „Macht“und „Handeln“auf der Seite der Politik gegenüberstehen, ist es nicht immer spannungsfrei (vgl. Kuhne 2008: 28).

Von der wissenschaftlichen Politikberatung ist das Lobbying als zweite Beratungsart abzugrenzen. Da diese Form der Politikberatung im Zentrum der vorliegenden Arbeit steht und in den folgenden Kapiteln noch näher behandelt wird, sollen hier zunächst nur ihre wichtigsten Eigenschaften grob skizziert werden. Beim Lobbying, das in der Regel von Verbänden und Interessengruppen betrieben wird, steht die Interessenar- tikulation und -durchsetzung im Vordergrund. Das Lobbying erfolgt hierbei durch ge- zielte Kommunikationsstrategien in Form von Fachinformationen, der Verbreitung von Unterlagen und Argumenten oder der Kontaktpflege mit Parlamentariern und Entscheidungsträgern (vgl. Kuhne 2008: 33). Dabei ist das Lobbying deutlich von der wissenschaftlichen Politikberatung zu unterscheiden, „ da es hier nicht primär um sachliche Entscheidungshilfen geht, nicht einmal um normative, wertgebundene Be- ratung, sondern um reine Interessenvertretung “(vgl. Kuhne 2008: 34).

Die professionelle Politikberatung, die in Deutschland erst in den vergangenen Jah- ren an Relevanz gewonnen hat, stellt als dritte Beratungsform schließlich Dienstleis- tungen für bestimmte Aufgaben bereit, die politische Akteure immer weniger selbst erfüllen können. Anbieter dieser Beratungsebene sind meist Meinungsforschungsin- stitute sowie Wahlkampf-, PR- und Politikberatungsagenturen, wobei sich ihre Bera- tung hauptsächlich in der politischen Kommunikation, im politischen Management und in Wahlkämpfen anbietet. So kann von professioneller Politikberatung beispiels- weise gesprochen werden, wenn eine Partei einer PR-Agentur den Auftrag erteilt, den Wahlkampf ihres Kanzlerkandidaten mit einer gezielten Anzeigenkampagne oder Plakataktion zu gestalten und zu unterstützen. Im Unterschied zur wissenschaftlichen Politikberatung benötigt die professionelle Politikberatung als Dienstleistung einen Auftraggeber, wodurch ein offensichtliches Auftragsverhältnis besteht. Dies muss bei der wissenschaftlichen Beratung nicht zwangsläufig der Fall sein (vgl. Kuhne 2008: 35).

Ihren steilen Aufstieg und zugleich bisherigen Höhepunkt erlebte die (wissenschaftliche) Politikberatung in Deutschland in den frühen 1970er-Jahren, also in einer Politikphase, in der wesentliche Teile der politischen und akademischen Elite tiefgreifende gesellschaftliche und soziale Reformen für machbar und den Beitrag der Sozialwissenschaft hierzu für relevant und erstrebenswert hielten (vgl. Nohlen/Schultze 2010: 750). Seitdem ist die Politikberatung aus dem politischen Prozess in Deutschland nicht mehr wegzudenken, wobei sich gerade in der jüngeren Vergangenheit dem Beobachter der Eindruck aufdrängt, dass die wissenschaftliche Politikberatung zunehmend von der Politikberatung durch Lobbygruppen sowie durch professionelle Meinungsforschungs- und PR-Agenturen verdrängt wird.

2.2 Verbände und Interessengruppen als Akteure des Lobbying

Wenn man über Lobbyismus schreibt, kommt man nicht daran vorbei, auch über Verbände und Interessengruppen zu schreiben, denn diese stellen den zentralen Ausgangs- und Mittelpunkt des Lobbying dar. Ursprünglich und bis heute geht Lobbyismus primär von Verbänden aus und so ist Lösche (2006: 335) zuzustimmen, wenn er zu der treffenden Schlussfolgerung gelangt: „ Lobbyismus und Verbände ge- hören zusammen wie Kolben und Zylinder “. Da dies so ist, soll zum besseren Ver- ständnis an dieser Stelle zunächst kurz definiert werden, was die charakteristischen Merkmale eines Verbandes sind und welche wichtigen Verbände in Deutschland existieren, bevor sich Kapitel 2.3 schließlich ausführlicher dem Lobbying widmet.

Sehr allgemein kann ein Verband als „ auf Dauer angelegte Vereinigung “bezeichnet werden, „ die sich darum bemüht, staatliche Entscheidungen in ihrem Sinne zu beein- flussen“ (Schütt-Wetschky 1997: 9) bzw. „die Interessen ihrer Mitglieder und ggf. die ihrer sonstigen Anhänger im politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess zu vertreten“ (Schmidt 2010: 826). Weiter gefasst gelten als Verband all jene dauerhaften Vereinigungen, die (vgl. Nohlen/Schultze 2010: 424, Triesch/Ockenfels 1995: 21)

[...]


1 Die Schlagzeilen - in der Reihenfolge ihrer Nennung - stammen aus folgenden Publikationen: Berliner Zeitung vom 11.09.2010, Stern Online vom 27.09.2010, taz vom 28.09.2010, Frankfurter Rundschau vom 12.11.2010 und Berliner Zeitung vom 09.12.2010. Die Internet-Links zu den Artikeln sind im Literaturverzeichnis angegeben.

2 Berliner Zeitung vom 27.11.2010: „Merkels Laufzeitverlängerung“(online verfügbar unter: http://www.berlinonli- ne.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2010/1127/meinung/0121/index.html, letzter Zugriff: 20.02.2011).

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Lobbying als spezifische Form der Politikberatung: Möglichkeiten und Risiken am Beispiel der Gesundheitspolitik
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Max-Weber-Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Seminar: Die Zukunft des Sozialstaats
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
22
Katalognummer
V205015
ISBN (eBook)
9783656313847
ISBN (Buch)
9783656314745
Dateigröße
485 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Literaturverzeichnis mit 15 Literaturangaben und mehreren Internetquellen.
Schlagworte
Soziologie, Politische Wissenschaft, Politik, Wissenschaft, Politikberatung, Lobbyismus, Lobbying, Gesundheitspolitik, Gesundheitsreform, Möglichkeiten, Risiken
Arbeit zitieren
Christian Rohm (Autor:in), 2011, Lobbying als spezifische Form der Politikberatung: Möglichkeiten und Risiken am Beispiel der Gesundheitspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/205015

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