Frauenhandel und Gegenmaßnahmen in Europa

Mit besonderem Fokus auf Prostitutionshandel


Diplomarbeit, 2012

102 Seiten, Note: 3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2.. Einleitung
2.1 Erkenntnisinteresse
2.2. Aufbau der Diplomarbeit

3 Frauenhandel - ein Überblick
3.1 Historisches
3.1.1 Krieg und Sklaverei
3.1.2 Prostitution in Polen in der NS-Besatzungszeit
3.1.3 Ethisch-religiöse Wurzeln der Prostitutionspolitik in Europa
3.2 Frauenhandel im Kontext der Migration
3.2.1 Das Bild der Frau im Kontext der Migration
3.2.2 Migrantinnen in Österreich
3.2.3 Migration und Sexarbeit
3.2.4 Frauenhandelsströme aus Osteuropa
3.3 Freiwillige vs. gezwungene Prostitution
3.3.1 Prostitution und das Verhältnis der Geschlechter ..
3.3.2 Das Bild der Gesellschaft von Sexarbeit
3.3.3 Das Phänomen „Freier“
3.3.4 Rechtliche Situation
3.3.5 Politische Diskussion über Prostitution und Menschenhandel am Beispiel Slowenien
3.3.6 Die Situation in den Zielländern

4.. Frauenhandel in Europa
4.1 Russland als Beispiel für ein osteuropäisches Land
4.2 Deutschland als Beispiel für ein westeuropäisches Land
4.3 Frauenhandel in Österreich
4.3.1 Geschichte
4.3.2 Frauenhandel heute - ein Überblick
4.3.3 Mediendarstellung - ein Fallbeispiel anhand von Kärntner Printmedien

5.. Politische Strategien zur Bekämpfung von Frauenhandel
5.1 Möglichkeiten der Prävention in Europa
5.2 Aktuelle, internationale Maßnahmen zur Bekämpfung des Frauenhandels und zum Schutz der Betroffenen
5.2.1 Vereinte Nationen
5.2.2 Europäische Union
5.2.3 Europarat
5.3 Rechtspraxis zu Menschenhandel am Beispiel Österreich

6 Interventionsstellen im deutschsprachigem Europa
6.1 Der Verein LEFÖ - Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels
6.1.1 Ziele der Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels
6.1.2 Kontaktherstellung zur Interventionsstelle
6.1.3 Beratung und Betreuungsablauf.
6.1.4 Notwohnung und Übergangswohnung
6.1.5 Rechtliche und psychosoziale Begleitung
6.1.6 Rückkehrvorbereitung
6.1.7 Rahmenbedingungen für die Arbeit von LEFÖ/IBF
6.1.8 Kooperationsarbeit
6.1.9 Öffentlichkeitsarbeit
6.1.10 Personalschlüssel
6.2 FIZ - Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration
6.2.1 Zielgruppe
6.2.2 Ziele der Interventionsstelle
6.2.3 Beratung und Betreuung
6.2.4 Projekt Schutzwohnung
6.2.5 Bildungsangebote für die Öffentlichkeit
6.2.6 Kooperationsarbeit
6.3 Jadwiga - Fachberatungsstelle
6.3.1 Zielgruppe
6.3.2 Beratungs- und Betreuungsablauf
6.3.3 Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit

7. Die sozialpädagogische Arbeit der Interventionsstellen
7.1 Theorie zur multiperspektivischen Fallarbeit
7.2 Fallbeispiel 1
7.3 Selbstfürsorge des Beraters

8.. Resumee

9. Literaturverzeichnis
9.1 Bücher
9.2 Internetquellen

1. Vorwort

Bis vor ca. 1,5 Jahren habe ich über die Frauenhandelsproblematik in Österreich noch nie nachgedacht. Als ich dann zufällig ein Seminar über „Menschenrechte - Frauenhandel“ bei Frau Probst gefunden habe, wusste ich, mein Diplomarbeitsthema ist gefunden. Ich habe sie gleich im Laufe des Seminars gefragt, ob es denn möglich wäre, die Interventionsstelle, in der sie tätig ist, zu interviewen, da ich gerne einen praktischen Teil auch einarbeiten würde. Sie hat mir gleich zugestimmt und ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie ich einen empirischen Teil am besten aufarbeite und wollte eigentlich zwei Interventionsstellen aus Kärnten und Wien miteinander vergleichen. Leider wurde ich bei der Interventionsstelle aus Kärnten und auch anderen Anlaufstellen in Kärnten immer wieder vertröstet oder an falsche Stellen weitergeleitet. Somit habe ich mich entschieden, in meinem empirischen Teil auch internationale Institutionen miteinzubeziehen.

An dieser Stelle möchte ich mich bei den Expertinnen der Institutionen für die große Unterstützung, die Bereitschaft ein Interview zu geben und die Fülle an Material bedanken, denn nur dadurch konnte ich einen guten praktischen Einblick in die Interventionsarbeit bekommen.

Des Weiteren bedanke ich mich bei Ass.Prof.Mag.Dr. Ulrike Loch für ihre große Geduld und die ständige Unterstützung beim Erstellen meiner Diplomarbeit.

Ein letzter Dank gilt noch meinen lieben Eltern, die mir während meines Studiums immer wieder mit Rat und Tat zur Seite standen, mir viele Sorgen abgenommen haben, so dass ich mich voll auf mein Studium konzentrieren konnte.

2. Einleitung

2.1 Erkenntnisinteresse

Im Rahmen meines Studiums besuchte ich bei Frau Evelyn Probst die Lehrveranstaltung „Frauenhandel-Menschenrechte“. Das Schwerpunktthema dieser Lehrveranstaltung war Frauenhandel im Kontext von Migration. Da Frau Probst schon seit vielen Jahren im Bereich Frauenhandel tätig ist, sie arbeitet bei der Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels in Wien, konnte sie dieses globale Problem sehr praxisnahe erläutern und weckte so mein Interesse.

Wie schon vor 100e Jahren so ist auch heute diese Art der Menschenrechtsverletzung ein aktuelles Problem, welches nur schwer zu kontrollieren und einzugrenzen ist. Männer, Frauen und auch Kinder werden tagtäglich auf menschenunwürdige Weise sexuell, psychisch und auch physisch ausgebeutet.

Vor allem in Europa, mit Öffnung der Grenzen hat der Frauenhandel wieder kontinuierlich zugenommen und mit der zunehmenden Globalisierung müssen immer neue und verstärkte Maßnahmen getroffen werden. Viele Frauen haben die Hoffnung ihrer Arbeitslosigkeit in ihrem Heimatland zu entkommen und sehen so keine andere Möglichkeit, als ins Ausland zu gehen. Nur zu oft wird diese Hoffnung von Menschenhändlerinnen erkannt und sie werden in einem fremden Land zur Prostitution gezwungen. Der Handel in die Prostitution ist jenes Ziel, welches am häufigsten von Menschenhändlern verfolgt wird. Aus diesem Grund habe ich meinen Fokus auf Frauenhandel in Europa gelegt und der Schwerpunkt liegt hauptsächlich auf den Prostitutionshandel, der innereuropäisch stattfindet.

Meiner Meinung nach ist es unbedingt notwendig, diese menschenverachtende Form von Gewalt und Sklaverei zu unterbinden.

Dadurch gilt mein hauptsächliches Erkenntnisinteresse der Bekämpfung des Frauenhandels, welche Maßnahmen werden getroffen, wie wird den Opfern geholfen. Um diese Maßnahmen nachvollziehen zu können, ist natürlich auch wichtig, dass ich die Ursachen für dieses Geschäft kenne. Weiters hat auch für mich der Studienbezug eine große Relevanz. Ich werde versuchen, die Herausforderung für die soziale Arbeit, herauszuarbeiten, also inwieweit die Sozialpädagogik Opfer des Frauenhandels unterstützen kann.

2.2. Aufbau der Diplomarbeit

Meine Diplomarbeit basiert hauptsächlich auf Literaturrecherche. Bei der verwendeten Literatur handelt es sich um Fachbüchern von Experten, welche ihre Erkenntnisse aus sämtlichen Studien und Praxiserfahrungen gesammelt haben. Ich habe versucht viele Autorinnen einzuarbeiten, die in verschiedenen Ländern unterschiedliche Berufe ausüben.

Einen weiteren Teil habe ich empirisch behandelt. Ich habe mich mit drei verschiedenen Institutionen beschäftigt und möchte hier meine Erkenntnisse anbringen. Weiters werde ich auch noch anonymisierte, typische Fallbeispiele bearbeiten. Hierbei möchte ich speziell auf die pädagogische Arbeit eingehen, die geleistet werden sollte. Vor welchen Aufgaben die Interventionsstellen tagtäglich stehen, wie ein Beratungs­und Begleitungsprozess ablaufen soll, werde ich anhand dieser praktischen Beispiele herausarbeiten.

Im ersten Teil meiner Diplomarbeit werde ich das Phänomen Frauenhandel im Allgemeinen vorstellen, um leichter zu verstehen, warum, welche Maßnahmen getroffen werden. Hierzu müssen Begrifflichkeiten und Hintergründe zu den Themen Frauenmigration, Prostitution, Freiwilligkeit und Nachfrage geklärt werden. Im nächsten Teil soll auf drei repräsentative Beispiele Europas eingegangen werden.

Inwieweit zeigt sich dieses Problem in Russland, Österreich und Deutschland, sind sie Zielländer oder Herkunftsländer, welche Größenordnungen gibt es.

Der zweite große Teil beschäftigt sich dann mit den Maßnahmen, die international und national gegen den Frauenhandel ergriffen werden. Auch hier werde ich mich auf Europa spezialisieren und vor allem innereuropäische Präventionsmaßnahmen und EU-weite Projekte vorstellen. In den nächsten Kapiteln möchte ich dann drei Interventionsstellen im deutschen Sprachraum vorstellen, die Betroffene des Frauenhandels unterstützen. Ein wichtiger Teil hierbei ist auch immer die Psychohygiene für jene Personen, die in so einer Interventionsstelle tätig sind. Tagtäglich sind sie mit Ausnahmesituationen konfrontiert, sie unterstützen Frauen, die massivster psychischer oder/und physischer Gewalt ausgesetzt sind. Um das selbst zu verarbeiten, sind auch außerordentliche Maßnahmen gefragt. Deshalb widme ich auch diesem Teil ein Kapitel.

Zum Schluss werde ich noch die Fallbeispiele bearbeiten. Hierbei möchte ich speziell auf die multiperspektivische Fallarbeit eingehen und auch die wichtigsten Maßnahmen im Bereich der Beratung und Begleitung anhand praktischen Beispielen herausfiltern.

Am Ende möchte ich noch ein kurzen Resümee mit den wichtigsten Erkenntnissen ziehen.

Ich möchte auch vorab noch anmerken, dass ich Frauen, die ich als Opfer bezeichne, nicht ihre Eigenständigkeit absprechen möchte. Den Mut, in ein fremdes Land zu gehen und sich für die Familie aufzuopfern, zeigt für mich persönlich von großem Stolz und Verantwortungsbewusstsein. Diese Bereitschaft wird leider zu oft ausgenutzt und deshalb werde ich trotzdem, aufgrund von fehlenden Alternativen, die Frauen, die von Handel betroffen sind, ab und zu als „Opfer“ bezeichnen.

3. Frauenhandel - ein Überblick

Wenn es um Menschenhandel, Zwangsprostitution oder gar Gebrauch von Kindern geht, so ist dies immer ein emotionales Thema. Dieses Thema ist aber in den Medien nicht weit verbreitet. Nur selten gelangt es in die Öffentlichkeit, wie zum Beispiel bei der Fußballweltmeisterschaft 2006. Amnesty International warnte vor dem rasanten Wachstum des Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung während dieser Meisterschaft. Dies war aber nur eine Ausnahme der öffentlichen Publikmachung dieses brisanten Themas. Trotzdem existieren bereits viele wissenschaftliche Untersuchungen und literarische Verarbeitungen zu diesem Thema. Menschenhandel wird oft mit sexueller Gewalt oder Kinderprostitution in Verbindung gebracht. Er ist aber mehr. Es gibt unzählige Erscheinungsformen und auch Ausmaße. Als Definition hat sich nach Plassa folgende Begriffsbestimmung durchgesetzt:

„Danach ist Menschenhandel die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Mißbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über eine andere Person hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfaßt mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen von Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Organen.“ (Plassa 2006, S.140)

Das Ausmaß des Menschenhandels, vor allem jenen, zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung ist aufgrund von seltenen Anzeigen, schwer zu erfassen. Aufgrund dessen kann nur spekuliert werden. Weiters ist es oft auch schwer zu erfassen, ob Prostitution freiwillig oder unfreiwillig geschieht. Dies ist eine schwierige Gratwanderung. Oft wird von den Frauen behauptet, sie arbeiten freiwillig in diesem Milieu, allerdings haben sie selten eine andere Chance. (vgl. ebd. 2006, S. 140f) Auf die schwierige Frage der Freiwilligkeit, werde ich später noch weiter eingehen, zunächst möchte ich das Thema Frauenhandel aber noch kurz historisch behandeln.

3.1 Historisches

3.1.1 Krieg und Sklaverei

„Sklaverei ist die vollständige Verknechtung des Menschen mit dem Ziel, ihn auf vielfältige Art auszubeuten. Als eine spezifische Art des Parasitentums begegnen wir ihr im Wirtschaftsleben, im Verhältnis der Geschlechter zueinander wie in der Psychologie und Ethik der zwischenmenschlichen Beziehungen. Ihre Basis ist nackte Gewalt: Das Opfer verliert jedwede Verfügung über sich selbst und gerät unter die absolute Herrschaft eines anderen.“ (Arlacchi 2000, S. 13)

Das Phänomen Sklaverei und Menschenhandel geht bis in die Antike zurück. Die Gleichsetzung von Haustier und Sklave zieht sich durch die gesamte Geschichte. Ein Beispiel hierfür ist der Tauschhandel, so wurden Tiere gegen Menschen gehandelt. Es zeigt sich nur ein Fortschritt, nämlich jener, dass die Sklaverei nicht mehr etwas Natürliches ist. Heute trauen sich nicht einmal mehr die Führungspositionen totalitärer Regime die Menschenrechtserklärung in Frage zu stellen. Das heißt aber nicht, dass es Versklavung nicht mehr gibt. Durch die immer zunehmende Globalisierung ist sie präsenter denn je. Die zeitgenössische Versklavung bringt auch keine neuen Formen herbei, sondern es gibt sie schon seit tausenden von Jahren. Die häufigsten Formen sind hierbei die erzwungene Prostitution, die Zwangsarbeit und die Schuldknechtschaft. Aber heute, so wie seit der Antike und auch später wird die Sklaverei hauptsächlich durch Gewalt aufrechterhalten. Niemand will freiwillig niedere Arbeiten verrichten. Immer wieder haben sich die Betroffenen zur Wehr gesetzt. Die afrikanischen Sklaven (während der Kolonialisierung) waren meist Kriegsgefangene. Viele von ihnen sprangen bei der Überreise lieber vom Schiff und ertranken oder sie verweigerten Essen und Medikamente. Das traurigste Kapitel dieser Geschichte nimmt aber die Eroberung Amerikas ein. Einige Indianer nahmen lieber den Tod in Kauf, als dass sie sich von den Europäern versklaven ließen. Indianer zu Arbeit zu zwingen, bedeutete für viele, ihnen den Sinn des Lebens zu rauben.

Bei anderen außereuropäischen Völkern zeigt sich ähnliches. Sie starben oft nicht aufgrund der Sklaverei, sondern aufgrund der Auflösung ihrer Kultur und ihrer sozialen Umwelt. Ein Sklave ist also ein lebendiger Toter, weil er sozial tot ist. Im römischen Recht, galt das Versklavtsein schon als todesähnlicher Zustand. Der Sklave lebt ohne Existenz und ohne Hoffnung jemals zu seiner Existenz zurückzukehren. Die Sklaverei ist also folglich ein tiefer sozialer Absturz. Im Mittelalter wurde dies folgendermaßen gerechtfertigt: Ein Ungläubiger, der die Bekehrung ablehnte, sei selbst schuld, dass er den sozialen Tod erfahren musste, da er ja vorher auch nicht zur Sozialisation bereit war. Sklaven sind auch im heutigen Verständnis noch ehrlos. Sie werden ausgebeutet und zu sittlich verwerflichen Arbeiten gezwungen. Niemals sind mehr Menschen versklavt worden, als gegen Ende des 20. Jahrhunderts. (vgl. Arlacchi 2000, S.13ff)

3.1.2 Prostitution in Polen in der NS-Besatzungszeit

Schon 1939 erließ der Chef der nationalsozialistischen Sicherheitspolizei einen Beschluss, demnach sich Frauen, die der Prostitution nachgingen, registrieren lassen müssen und sich regelmäßig einer gynäkologischen Untersuchung unterziehen müssen. Wenn im besetzten Polen ein Deutscher mit Geschlechtskrankheiten angesteckt wurde, so wurde die Todesstrafe an die Prostituierte verhängt. Wie viele Verurteilungen es gab, ist nicht bekannt. Es entstanden offizielle Bordelle für deutsche Soldaten, ansonsten waren aber Beziehungen zu Polinnen verboten. Auch wurden viele junge Frauen nach Deutschland zwangsverschickt, um da in Bordellen zu arbeiten. Die Zahl der Prostituierten in den besetzten Gebieten ist nicht bekannt, allerdings kam es zu einem rasanten Anstieg der registrierten Sexarbeiterinnen. Die lässt sich wahrscheinlich auf die zunehmende Verarmung der östlichen Besetzungsgebiete zurückführen. Was sich aber beweisen lässt, ist der Anstieg der Prostituierten nach 1945. Dafür gibt es folgende Ursachen. Hunderttausende Frauen, Deutsche, aber auch Polinnen, wurden von den Soldaten der Roten Armee vergewaltigt. In Polen entstanden viele informelle Bordelle, in denen Frauen arbeiteten, für die diese Tätigkeit das einzige Mittel zum Überleben war. Viele Frauen verloren ihre Männer, da diese entweder weit entfernt an der Front kämpften oder in Kriegsgefangenschaft waren. Dadurch verloren sie auch ihre Ernährer und sie waren gezwungen, eine andere Einkommensquelle zu suchen. Weiters kam es zu immer mehr Unsicherheit und einem Sittenverfall in dieser Zeit. Viele Frauen verfielen aufgrund von Prostitution dem Alkohol. Durch den Krieg verarmte Polen, und dies bleibt die wichtigste Ursache für die Zunahme des Prostitutionsgeschäftes. Aber auch für die Nachkriegszeit gibt es wenig genaue und viel zu niedrige Zahlen, die Deutschen Prostituierten werden zudem auch nicht berücksichtigt. Am Beginn der Kriegszeit sind 1482 Prostituierte in Polen registriert, zu Kriegsende waren es bereits 6000. Dies hatte aber auch eine unangenehme Begleiterscheinung: Geschlechtskrankheiten. In manchen Gebieten waren um die 80% der Frauen infiziert. Dies hatte zur Folge, dass Heime entstanden, in denen diese Frauen unterkommen konnten. Man wollte den Frauen bei der Arbeitssuche helfen. Bald schlug diese Unterstützungspolitik aber in eine Strafpolitik um. Dies zeigt, dass die Regierung die Prostitution nicht mehr im Griff hatte. An der Wende zu den 1950er Jahren hörte man langsam auf, gegen die Prostitution zu kämpfen. Man glaubte, dass der Aufbau des Sozialismus dazu beiträgt, dass das Problem verschwindet. Das Thema Prostitution wurde zum Tabuthema, das soll aber nicht heißen, dass es nicht weiterbestand. Ein Grund hierfür war die große Arbeitslosigkeit unter den Frauen, die zur Kriminalität, nämlich der Prostitution, führten. Da aber auch hier Zahlen fehlen, können auch keine genauen Fakten aufgezeigt werden. Eine weitere Kategorie bildeten jene Frauen, die in Restaurants und Cafés in den großen Städten arbeiteten. Sie waren meist gepflegt und gut gekleidet und zählten deshalb zu der Elite, die diesen Dienst anbietet. In der stalinistischen Zeit wurde die Grauzone der Prostitution größer. Es entstand auch ein Verhältnis zwischen den Prostituierten und Kellnern, Taxifahrern und Direktoren. Es kam immer mehr zu Verurteilungen wegen Kupplerei und Zuhälterei. Dann gab es auch noch jene Frauen, die der Prostitution nur als Gelegenheitsjob nachgingen, um ihren Lohn aufzubessern. Seit 1955 kam es landesweit zu immer mehr Protesten.

Eine Reihe von Artikeln zum Thema wurden publiziert. Nun musste die kommunistische Partei handeln. Eine Sonderkommission wurde eingerichtet, um die Versäumnisse zur Zeit des Stalinismus aufzuarbeiten. Es wurde eine Legalisierung der Prostitution in Betracht gezogen. Jene Frauen, die aussteigen wollten, sollen von nun an unter der Fürsorge des Staates stehen. (vgl. Zaremba 2006, S. 318ff)

3.1.3 Ethisch-religiöse Wurzeln der Prostitutionspolitik in Europa

Hier möchte ich jetzt die religiösen Einstellungen zum Thema Prostitution herausarbeiten. Beginnen wir zunächst mit dem christlichen Menschenbild. Das christliche Menschenbild besagt, dass der Mensch ein Ebenbild Gottes ist. Erst in der zeitgenössische christlichen Kirchen wird Prostitution in Frage gestellt und damit in Verbindung auch die Würde der Frau als Gottes Ebenbild. Im alten Israel war es ganz normal, Dirnen zu empfangen. In der Bibel werden einige Huren als Gerechte gepriesen, so zum Beispiel die Hure Rahab. Anerkannt wurde der Beruf nur dann nicht, wenn die Prostituierte verheiratet war. Auch Jesus scheint die Prostituierten nicht verurteilt zu haben. Paulus hingegen hatte eine eigene Interpretation, was Prostitution angeht. Er sagt, dass ab dem Zeitpunkt der Taufe, man nicht mehr Herr von sich selbst ist, sondern der Leib Gott gehört. Hurerei würde den Leib beschmutzen. Um diesem zu entgehen, sollte man entweder enthaltsam leben oder, wenn dies nicht möglich ist, eine Ehe eingehen, um sich vor Prostituierten zu schützen. Trotz dieser Grundlage haben sich die drei europäischen Konfessionen, auf welche ich nachfolgend genauer eingehe, in Bezug auf Prostitution in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Zusätzlich kommt in Europa noch die sowjetische Sozialethik hinzu. (vgl. Schmitt 2006, S. 33ff) Ich möchte auf diese vier wichtigsten Position jetzt eingehen.

Die katholische Sozialethik

Die katholische Sozialethik orientiert sich stark an Paulus' Interpretation von Prostitution. Es wird von Sünde am eigenen Leib gesprochen. Es widerspricht der Achtung vor dem menschlichen Leibe. Der Mensch verliert dadurch seine Größe, da er den Körper nur noch als Mittel zum Zweck und als Materie sieht. Laut der katholischen Sozialethik sind jene Gott näher, die enthaltsam leben, das heißt, sie verzichten auf ihre Geschlechtlichkeit. Daraus lässt sich schließen, dass die gesamte Sexualität abgewertet wird, am meisten aber die außereheliche. (vgl. ebd., S. 36ff)

Orthodoxe Sozialethik

Die orthodoxe Sozialethik besagt, dass alle diejenigen, die Geist und Körper in Einklang bringen wollen, zunächst einmal keusch leben müssen. Unzucht zerstört die Harmonie des menschlichen Lebens und führt zur Verhärtung des Herzens, so dass man nicht mehr bedingungslos lieben kann. Unzucht tötet also die Seele. Am schlimmsten ist es aber, wenn der eigene Körper zu einem Mittel wird, um egoistische, unpersönliche und lieblose Befriedigung herbeizuführen. Darum verurteilt die orthodoxe Sozialethik jegliche Form von außerehelichem Geschlechtsverkehr. Was aber ein großer und interessanter Unterschied zur katholischen Sozialethik ist, ist die Sorge um den Schaden in der Seele. Diese Sorge wird im Vergleich zu den anderen Konfessionen besonders betont. (vgl. ebd., S. 38f)

Evangelische Sozialethik

Das reformistische Menschenbild geht von einer besonderen Verdorbenheit des Menschen aus. Es entspricht einem intensiven Sündenverständnis. Es unterstreicht aber auch das Gebot der Liebe zwischen Mann und Frau. Nach evangelischen Verständnis soll es eine Intimisierung menschlicher Beziehungen geben. Die evangelische Sozialethik beruft sich also immer auf das Gesetz der Liebe, zum einen, dass Liebe etwas intimes im Rahmen der Familie sein soll und zum anderen, dass Nachsicht mit Sündern zu üben sei. Prostitution ist nicht zulässig, da es nur Befriedigung des Triebes sei. Da immer wieder auf die Ehe und die Familie verwiesen wird, wird auch die Frau physisch aufgewertet. Die Ehe stellt aber eine strikte Norm in der evangelischen Sozialethik dar und Prostitution kann es in diesem Gefüge nicht geben. (vgl. ebd., S. 40f)

Sowjetische Sozialethik

Das sowjetische Menschenbild zeichnet sich vor allem durch den persönlichen Verzicht zugunsten der Gemeinschaft aus. Durch die Abschaffung des Privateigentums glaubte man, dass man eine neue Moral hervorbringen kann. Das Kollektive bildet hierbei die Grundlage, dass individuelle Leben sollte zugunsten des Kollektives eingegrenzt werden. Dadurch braucht man auch nicht mehr aufgrund von ökonomischen Absichten heiraten, sondern wirklich nur noch aus Zuneigung. Durch eigenes Einkommen beider Ehepartner glaubte man das Problem mit der Prostitution in den Griff zu bekommen, da ja die Ursachen oft Verarmung waren. Die Emanzipation der Frau soll also zu einem Verschwinden von Prostitution führen. Prostitution durfte es also im Sowjetstaat nicht geben, war es doch der Fall, wurde es aber nur als Ordnungswidrigkeit geahndet, nicht als Straftat. (vgl. ebd., S. 42ff)

3.2 Frauenhandel im Kontext der Migration

3.2.1 Das Bild der Frau im Kontext der Migration

Wird von Migration gesprochen, so tauchen oft Bilder von jungen Männer auf, die sich alleine auf den Weg in ein besseres Leben machen. Die männliche Symbolik dominiert auch noch heute in der Migrationsforschung. Auch wird davon ausgegangen, dass die Entscheidung oft im Familienkollektiv getroffen wird. Allerdings ist es aber auch oft so, dass Frauen alleine die Entscheidung treffen und sich über die Köpfe ihrer Männer und Väter hinwegsetzen. Es haben sich mittlerweile gute Frauennetzwerke etabliert. Wie aber in der Literatur von Frauenmigration gesprochen, so tauchen oft Bilder von unterdrückten Frauen auf, die von ihren Männern in eine neue Kultur hineingezwungen werden, um sich da sexuell ausbeuten zu lassen. Insgesamt zeigen sich nach Aufhauser drei Phasen der Frauenmigrationsforschung: Als erstes geht es einmal um das Sichtbarmachen der Frauen. Wichtig hierbei ist es aufzuzeigen, dass Frauen genauso am Migrationsprozess beteiligt sind, wie Männer. In der zweiten Phasen geht es darum, den Standpunkt der Frau einzunehmen und nicht jene des Unterdrückers. Hier muss die Rolle der Frau hervorgehoben werden. In der dritten Phase geht es dann um die Konstruktionen und Beziehungen der Geschlechter. Bis in die 70er Jahren bleiben Frauen weitgehend unsichtbar in der Migrationsforschung. Sie wurden meistens als abhängige Migranten wahrgenommen. Erst gegen Ende der 70er Jahre wird auch die Frau zum Thema. Hier steht aber immer noch ihre Rolle als Mutter in Verbindung mit der Sozialisation der Kinder im Mittelpunkt. Aufgrund der immer stärker werdenden Meinung, dass Migration mit Illegalität in Zusammenhang steht, wird Frauenmigration oft mit Prostitution in Verbindung gebracht. Frauen werden also entweder als abhängige Migrantinnen oder Prostituierte gesehen. In der realen Situation leben Frauen oft unter zwielichtigen Verhältnissen, doch die Entscheidung zur Migration haben sie oftmals selbst getroffen. Dadurch fühlen sie sich oftmals nicht als Opfer und lassen Ausbeutungen eher über sich ergehen. Es kann also gesagt werden, dass Frauen in der Migrationsforschung entweder gar nicht oder als Opfer dargestellt werden, was aber oftmals nicht der Fall ist. Frauen waren allerdings bisher tatsächlich an der offiziellen Arbeitsmigration selten beteiligt, aber sie fehlten nie. Insgesamt zeigt sich aber folgende Tendenz: Frauen migrieren häufiger ohne Rückkehrabsichten. In Neuseeland, Brasilien oder auch Venezuela überwiegt die männliche Migration, wohingegen in den USA und Israel die Frauenmigration überwiegt. In Europa ist die Zuwanderung der Gastarbeiter noch immer von Männern dominiert. Zugenommen hat hingegen die Migration nicht­europäischer Frauen zur Hausarbeit und Kindererziehung. In den arabischen Staaten nimmt nach Ende des Baubooms die Nachfrage nach männlichen Bauarbeitern ab und nach Haushälterinnen zu. (vgl. Aufhauser 2000, S. 95ff)

3.2.2 Migrantinnen in Österreich

Was aber unterscheidet eine Migrantin von einer Frau, die nicht migriert ist? Warum soll man sich überhaupt speziell mit Migrantinnen beschäftigen? Warum sollen wir uns überhaupt mit dem Thema jenseits der Kopftuchthematik beschäftigen? Die Migrantin ist eine Frau, die das alte, vertraute hinter sich gelassen hat und sich aufmacht in ein neues Leben, um meistens neu anzufangen. Sie ist hoffnungsvoll, zuversichtlich und optimistisch. Migration ist immer ein Neubeginn, eine Chance, aber auch eine Krise zugleich. Sie ist meistens mit einer neuen Sprache und einer neuen Sozialisation, ja sogar einem neuen Status, nämlich den der Migrantin, verbunden. Wie es ihr während des Migrationsprozesses ergeht, ist von vielerlei Dingen abhängig, wie zum Beispiel von ihrer Persönlichkeit, von den Hintergründen und auch von dem Aufnahmeland. In Österreich wird Migrantinnen fast keine Unterstützung geboten und oftmals eine feindliche Einstellung gegenüber gebracht. Es wird also jeder selbst überlassen, wie sie mit feindlichen Verletzungen umgeht. Lediglich ihre Kulturdefizite stehen im Mittelpunkt der Diskussionen. Ein großer Anteil der Migrantinnen kommt im Sinne der Familienzusammenführung nach Österreich. Die Ehe ist aber noch lange keine Zulassung um in Österreich zu leben. Zuerst muss die finanzielle Absicherung bestätigt werden, dieses Verfahren zieht sich oft über Jahre. Wenn die Partner sich dann noch nicht auseinandergelebt haben und alle Kriterien erfüllt sind, dann darf die Frau nachkommen. Allerdings ist sie dann auch noch immer benachteiligt. So darf sie zum Beispiel fünf Jahre lang nicht arbeiten. Sie ist also mehr oder weniger von ihrem Mann abhängig. Eine Scheidung würde also ihre Existenz in Österreich kosten. Die Frauen werden also per Gesetz in Österreich von ihren Männern abhängig gemacht. In der öffentlichen Diskussion wird es dann oft als kulturelles Problem dargestellt, da in dieser anderen Kultur ein anderes Geschlechterverständnis besteht und die Emanzipation der Frauen nicht erwünscht sei. Nach fünf Jahren darf die Frau dann theoretisch arbeiten. Allerdings gibt es auch hier eine Quote, wie viele Migrantinnen arbeiten dürfen und die darf nicht überschritten werden. Weiteres muss die Beschäftigungserlaubnis von der Firma erteilt werden. Das heißt, nicht die Frau darf vor dem Gesetz arbeiten, sondern die Firma darf sie beschäftigen. Erst nachdem sie ein Jahr beschäftigt war, besteht ein Anspruch auf eine Arbeitsgenehmigung, sollte sie vorher ihre Arbeit verlieren, beginnt der ganze Prozess von vorne. So kommt es auch leicht zu Ausbeutungen. Wenn die Frau aber nach fünf Jahren, in denen sie arbeiten durfte, die Hälfte der Zeit nicht beschäftigt war, so verliert sie diese Genehmigung wieder. Da der Zugang zum Arbeitsmarkt so streng geregelt ist, ist Privates und Arbeit nicht zu trennen und zeigt sich oft in psychischen Problemen. Migrantinnen sind dadurch oft bereit längere Arbeitszeiten und schlechtere Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen. Auch Migrantinnen mit hohen Ausbildungsniveau bekommen oft nur Hilfsarbeiterjobs. (vgl. Ongan 2003, S.27ff)

Bis heute hat sich die Situation nicht wirklich verbessert, zwar ist man ständig an einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen interessiert, aber generell eine Arbeitsgenehmigung zu bekommen, erweist sich in Österreich schon als sehr schwierig. Generell kann gesagt werden, dass zwar ständig an einer Weiterentwicklung gearbeitet wird, diese aber sehr schleppend bis gar nicht vorangeht.

3.2.3 Migration und Sexarbeit

Da für Frauen die legale Migration und vor allem der Erhalt einer Arbeitsbewilligung oft schwierig ist, zwingt dieser Umstand sie auch am illegalen Arbeitsmarkt nach Jobs zu suchen. Unter den Prostituierten stellen illegale Migrantinnen mittlerweile schon die Mehrheit, was aber nicht heißt, dass jede ein Opfer von Frauenhandel ist. Deshalb soll auch das Bild der Bekämpfung des Frauenhandels nicht zu einem Bild der Bekämpfung der Prostitution führen. Vielmehr ist es notwendig, dass es zu einer Verbesserung der Rechte der illegalen Sexarbeiterinnen kommt. (vgl. Munk2006, S. 55)

Aufgrund der globalen ökonomischen Entwicklungen wird auch von den Frauen immer mehr Mobilität verlangt. Frauen migrieren also häufig um in einem anderen Land nach Arbeit zu suchen. Da aber ihre Bildungsabschlüsse, ihr Aufenthaltsstatus oder die unzureichende Ausbildung es schwer machen, Arbeit zu finden, müssen sie meist unter schlechteren Arbeitsbedingungen arbeiten, wie Einheimische. DerZustand zwingt sie in Haushalten, Fabriken oder auch in der Prostitution zu arbeiten, (vgl. ebd., S. 55f)

Frauen sind immer stärker an der internationalen Arbeitsmigration beteiligt. Dies kann auf der eine Seite neue Chancen und Perspektiven für Frauen auftun, auf der anderen Seite sind sie aber auch oft extremen Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Es besteht das Risiko, dass sie ökonomisch oder auch sexuell benutzt werden. Durch die immer strenger werdenden Einreisebestimmungen in die reichen Industrienationen, werden Menschenhändlerinnen begünstigt. Die Frauen sind von Mittlern abhängig, um an ein Visum zu kommen und nicht selten werden sie vor diesem Hintergrund Gewalt- und Abhängigkeitsverhältnissen ausgesetzt. Frauen reisen häufig als Touristinnen, Studentinnen oder Flüchtlingsfrauen ein. Ihre Aufenthaltsgenehmigung ist aber gefährdet, wenn sie beispielsweise ihr Studium abbrechen oder das Asylverfahren erfolglos bleibt. Ein Rückkehr ist dann aber oft nicht mehr möglich. Also droht ihr die Illegalität, also ein rechtloser Status. Vor diesem Hintergrund ist es nicht schwer eine Frau gefügig zu machen und sie auszubeuten. Die UN­Wanderarbeiterkonvention von 1990 sichert Migrantinnen unabhängig von ihrem Status fundamentale Rechte. Über 30 Statten haben diese Konvention bejaht, allerdings haben alle europäischen Länder eine Ratifizierung abgelehnt, mit der Begründung, den irreguläre Migration nicht in Gang zu setzen. Auch wenn man das beachtet, so sehen Frauen immer wieder den illegalen Arbeitsmarkt als letzten Ausweg, so müssen Frauen oft am informellen Sektor, unter anderem auch in der Prostitution, tätig werden. (vgl. Najafi 2008, 25ff)

3.2.4 Frauenhandelsströme aus Osteuropa

In den letzten Jahrzehnten hat sich in Osteuropa, also den Balkanregionen und der ehemaligen Sowjetunion, ein sozialer, wirtschaftlicher und politischer Wandel vollzogen. Die Menschen wollten selbst über ihre materiellen und zivilen Angelegenheiten entscheiden und setzten sich für Freiheit und Demokratie ein. Dabei waren jene Modelle im Westen die großen Vorbilder. Durch die rapide Umgestaltung des Systems ergab sich eine Wirklichkeit, die mit dem Traum von Freiheit und Wohlstand nicht mehr viel gemeinsam hatte. Die Arbeitslosenrate und die Armut vieler Menschen stieg. Dadurch entstand eine bis heute andauernde politische, soziale und wirtschaftliche Instabilität. Viele Menschen sahen und sehen auch heute noch den letzten Ausweg aus der Armut in der Auswanderung und Migration in den Westen. Da aber eine legale Migration in den Westen immer mit hohen Hürden verbunden ist, sahen kriminelle Gruppen einen Vorteil darin, Kapital zu schlagen. Den größten Vorteil, den diese Gruppen haben: Sie sind trotz einer allgemeinen Unsicherheit und einem allgemeinen Chaos organisiert und sie können zweierlei Nachfragen abdecken: Einerseits die nach billigen Arbeitspotenzial, andererseits die nach der Chance zum Auswandern. Die organisierten Gruppen haben die Tendenzen und die Prozesse der Globalisierung berücksichtigt und diese zu ihrem Vorteil genutzt. Dabei wurde auch erkannt, dass der organisierte Handel mit Menschen ein geringeres Risiko darstellt, als andere illegalen Aktivitäten. Er vollzieht sich transnational, verschiedene Gruppen in verschiedenen Ländern bieten emigrationswilligen Menschen sämtliche Dienstleistungen wie Transport, Dokumente, Unterkunft an. (vgl. Romani 2008, S. 49ff)

Im weiteren Verlauf möchte ich die Routen des Handels aus den Ländern Mittel- und Osteuropa aufzeigen. Hierbei werden die Staaten in die Balkanregion (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Mazedonien, Serbien, Montenegro und Kosovo) und zentrales Osteuropa (Bulgarien, Ungarn, Tschechien, Polen, Rumänien, Moldawien, Ukraine, Weißrussland, Litauen, Estland, Lettland und Russland) unterteilt. Die Hauptquelle für Opfer des Menschenhandels ist das zentrale Osteuropa, von hier aus werden sie in Richtung Zielländer gebracht. Unter welchen Umständen sie die Reise auf sich nehmen, hängt von verschiedenen Faktoren wie der Entfernung, den Wetterkonditionen oder den Arten der Grenzkontrolle ab. Die Reiserouten sind jene, die schon jahrelang für verschiedenste Schmuggelaktivitäten genutzt werden.

Menschenhändlerinnen gehen dabei wie Unternehmer vor, sie profitieren von jenen Staaten, von denen sie am wenigsten Risiko und am meisten Profit erwarten. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Kooperation der verschiedensten Menschenhandelsorganisationen in Herkunfts- Transit- und Bestimmungsländern. Es wird sich illegalen, aber auch legalen Reisedokumenten bedient, zum Beispiel Gruppentourismusdokumenten. Die Betroffenen werden ständig von einem Mitglied der Händlerbande begleitet. Man muss auch noch zwischen direkten und indirekten Handelsrouten unterscheiden. Direkte Handelsrouten verbinden das Herkunfts- und Zielland direkt. Indirekte Handelsrouten sind durch verschiedene Zwischenstopps und einen Mix der Transportmittel gekennzeichnet. Man kann auch hier noch einmal zwischen Seewegen, Luftwegen und Landwegen differenzieren. Seewege werden mit kleinen Booten oder Fähren bewältigt, Luftwege mit dem Flugzeug und Landwege mit Bussen, PKWs, Bahnen oder auch zu Fuß. Auch kann man hierbei noch die Rolle des jeweiligen Landes unterscheiden, wobei ein Land zugleich Herkunfts-, Transit- oder Zielland sein kann. (vgl. ebd., S. 52ff)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle: „Osteuropäische Herkunfts- Transit und Bestimmungsländer. Erläuterung: SH-sehr hoch, H-hoch, M-mittel, N-niedrig, SN-sehr niedrig, K.A.-Keine Angaben,, (UNODC Report 2006, zit. In: Romani 2008, S. 55)

Man sieht, dass manche dieser Länder, wie Albanien oder Bulgarien wichtige Herkunfts- und Transitländer sind. Andere bedeutende Transitländer in den Westen von Europa sind Polen und Ungarn, aber auch Bosnien-Herzegowina, Serbien und Montenegro oder Tschechien. Einige Staaten aus der Balkanregion haben sich aber auch zu gefragten Zielländern entwickelt, da die Nachfrage nach Sexdienstleistungen gestiegen ist, so zum Beispiel Bosnien-Herzegowina. Bei den westeuropäischen Ländern sind Belgien, Deutschland, Griechenland, Italien und die Niederlande gefragte Zielländer. Italien ist auch zugleich ein bedeutendes Transitland für den Menschenhandel. (vgl. ebd., S. 55f)

3.3 Freiwillige vs. gezwungene Prostitution

3.3.1 Prostitution und das Verhältnis der Geschlechter

Eine zentrale Frage, die auftritt, wenn man von Prostitution spricht, ist die Frage, warum hauptsächlich Männer Sex nachfragen. Warum es nur wenige Frauen interessiert, Sex für Geld zu kaufen. Und warum wird der Großteil der Sexdienstleistungen von Frauen angeboten, während die Organisation der Sexindustrie größtenteils von Männern dominiert wird? Prostitution an sich ist eigentlich nur eine soziale Konstruktion, welche von der Gesellschaft erzeugt wird. Die gelebte Sexualität wird von der Mehrheitsgesellschaft konstruiert und die Prostitution hat nur am Rande dieser Gesellschaft ihren Platz gefunden, dadurch hat es auch was geheimnisvolles, es steht für das Ungesetzliches und Unsittliche, woran Männer und Frauen gleichermaßen beteiligt sind. Frauen und Männern werden dabei Rollen zugeschrieben, man hat negative Vorstellungen von brutalen Machenschaften, Faustrecht, Frauenhandel, kriminellen Milliardengeschäften, Dauer-Sexualität, also Geld, Sex und Gewalt. Es gibt aber auch positive Assoziationen wie Freiheit, ausgelebte Sexualität, Macht. Aber nicht nur die Gesellschaft hegt ein Bild über die Prostitution, auch die Gegenseite hat ihre Bilder, welche vom spießigen Leben bis hin zum angstfreien Leben reichen können. Also auch auf der anderen Seite wird abgewertet und idealisiert. Allerdings sind diese gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auch von einem Wandel geprägt. In diesem Wandel können sich auch geschlechtsbezogene Sicherheiten auflösen. (vgl. Howe 2006, S. 67ff) Meuser beschreibt dies folgendermaßen:

„Männer scheinen in einer radikalen Weise mit den Ambivalenzen der Moderne konfrontiert zu sein. Gefangen in einem Netz von Konfusion, Zweifeln, Unsicherheiten und Ängsten, scheint es nur wenige Hoffnungen und positive Erwartungen zu geben. Folgt man dieser Diagnose, finden sich die Männer gegenwärtig auf der Schattenseite gesellschaftlicher Modernisierung wieder, sind sie nicht mehr die Protagonisten von Modernisierung, sondern der Opfer. - Das mag eine überzeichnete Beschreibung des Krisendiskurses sein, beschreibt aber dessen Essenz.“ (Meuser 2001, S. 2)

Das Männerbild wird also immer unklarer und das betrifft natürlich auch die Sexualität. Sexualität stellt eine Vergesellschaftung von Geschlecht dar. Sie entwickelt sich im Laufe des Lebens und dabei haben die kulturellen Begebenheiten auch großen Einfluss. Sexualität hat also nicht nur mit dem Körper zu tun, sondern auch mit der Psyche. Sexuelle Phantasien und Bilderwirken stimulierend. Auch die Verbindung zwischen Sexualität und Verbotenem kann anregen. Genau diese Produktionen sind die Grundlage von Prostitution. Wir können also daraus schließen, das Sexualität unter anderem gesellschaftlich konstruiert ist. Und auch die Geschlechterrollen werden zugeordnet. Die Frau steht für das Unschuldige, der Mann steht für Macht. (vgl. Howe 2006, S. 73ff)

Die Männer „werden damit zu denen, die die Beziehungen bestimmen und ihre Bedürfnisse ausleben. Damit verfestigt dieses Bild die Vorstellung von der selbstlosen Frau, die kein eigenes Begehren kennt“ (Rommelspacher 1995, S.126)

Frauen hingegen befinden sich in einem Spannungsfeld was ihre Sexualität angeht. Einerseits sollten sie den Mythos von der angeblich untrennbaren Verknüpfung von Liebe und Sexualität aufrechterhalten, andererseits sollte ihr Lustempfinden gar nicht existieren. Sie hat also wenig Freiheitsgrade, was ihre Sexualität angeht. (vgl. Gerstendörfer, S. 104)

Der prostitutive Kontext

Wie hoch der Freieranteil der sexuell aktiven männlichen Bevölkerung ist, kann man schwer sagen. Schätzungen gehen von 20-30% aus, andere Schätzungen gehen wiederum von 75% aus. Männer suchen Prostituierte aus vielfältigen Gründen auf, zum einen kann es Beziehungsstress sein, oder eine Trennungssituation oder auch der Wunsch nach speziellen Dienstleistungen. Sie haben die Möglichkeit zu schnellen, unkomplizierten Sex ohne weitere Verpflichtungen oder Leistungsdruck. Die Gesellschaft konstruiert oft das Bild eines Mannes, der Macht ausüben will. Das ist aber nicht häufig der Fall. Oft ist der Mann eher von eine Unsicherheit als von einem Machtgefühl geprägt. In einem späteren Kapitel werde ich noch genauer aufdas Bild des Freiers eingehen. (vgl. Howe 2006, S. 80ff)

3.3.2 Das Bild der Gesellschaft von Sexarbeit

Das Bild der Gesellschaft von Sexarbeit ist einerseits durch Mythen, andererseits durch eine Doppelmoral geprägt. Es fällt oft schwer Zwangsprostitution von Sexarbeit zu unterscheiden. Sexarbeit als Dienstleistung anzusehen, fällt überhaupt der Mehrheit schwer. Dass es bei manchen Frauen vor allem um von Gewalt gekennzeichneten Partnerschaften aber auch um Sexarbeit geht, wird dabei außer Acht gelassen. Nicht selten kommt es in solchen Beziehungen zu Drohungen oder körperlicher Gewalt, wenn die Frau sich nicht zur Verfügung steht. Eine Frau in der professionellen Sexarbeit hingegen bekommt für ihre Leistung eine Vergütung. Es ist also ein Gegensatz. Wenn eine Ehefrau etwas nicht tut, dann bekommt sie etwas, beispielsweise Prügel. Wenn eine Prostituierte etwas tut, dann bekommt sie etwas, beispielsweise Geld. Hierbei handelt es sich um eine zuvor getroffene Vereinbarung. Wenn ein Mann sich dann etwas nimmt, was nicht vereinbart war, so handelt es sich um Diebstahl. Wenn sich die Frau jetzt gegen den Diebstahl wehrt und dafür Gewalt, sei sie physisch oder psychisch ernten, so ist das Erpressung, was mit freiwilliger Sexarbeit nichts mehr zu tun hat. Wie schon zwei Kapitel vorher erwähnt, so sollen Frauen Liebe und Sexualität miteinander verknüpfen. Eine Prostituierte demonstriert aber, dass dies nicht so sein muss und damit macht sie aus der Sicht der Gesellschaft etwas Schreckliches und das Bild ist bedroht. Reagiert wird darauf mit Verachtung und Diskriminierung. Auch werden männliche Sexarbeiter nicht so verpönt, wie weibliche. Den Männer können ja Sexualität und Gefühle trennen. Dadurch haben Männer auch in der Prostitution mehr Freiheit. Prostituierte hingegen nehmen sich einfach das Recht ihrer freien Sexualität heraus und profitieren auch noch davon. (vgl. Gerstendörfer2001, S. 103ff)

Hurenbewegung

1973 schlossen sich Prostituierte in Schweden, Italien und der USA zusammen, um gegen die soziale und rechtliche Diskriminierung von Prostituierten zu demonstrieren. Es entstand die Organisation COYOTE und organisierte internationale Prostitutiertenkongresse. Inzwischen setzten sich auch französische und englische Sexarbeiterinnen für ihre Rechte ein. Weltweit schlossen sich Organisationen zusammen. 1975 wurde dann ein Meilenstein gesetzt, französische Prostituierte besetzten Kirchen und gewannen so die Aufmerksamkeit weit über ihre Landesgrenze hinaus. Sie forderten die sofortige Freilassung von Prostituierten und die Aufhebung sämtlicher Bußgeldbescheide. Die erste Kirche wurde in Lyon besetzt und viele Städte folgten. Journalisten aus der ganzen Welt berichteten über diesen Aufstand. Das erste Mal traten Prostituierte mit der Bevölkerung in Kontakt und sie wollten solange die Kirche besetzen, bis der Staat ihren Forderungen nachgeht. (vgl. Schmackpfeffer1999, o.S.)

Diese waren:

- Abschaffung aller kriminalisierenden Gesetze und dementsprechend einen Stop der Bußgelder und Gefängnisstrafen;
- Abschaffung der Kontrollhefte und Vernichtung aller Karteien;
- keine Sperrbezirke und Wiedereröffnung von Bordellen und Eros­Centern;
- Besteuerung nach demselben Verfahren wie bei den freien Berufen, also

[...]

Ende der Leseprobe aus 102 Seiten

Details

Titel
Frauenhandel und Gegenmaßnahmen in Europa
Untertitel
Mit besonderem Fokus auf Prostitutionshandel
Hochschule
Alpen-Adria-Universität Klagenfurt  (Erziehungs- und Bildungswissenschaft)
Note
3
Autor
Jahr
2012
Seiten
102
Katalognummer
V204834
ISBN (eBook)
9783656317432
ISBN (Buch)
9783656318194
Dateigröße
795 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Frauenhandel, Prostitution, Menschenhandel
Arbeit zitieren
Marina Jelovcan (Autor:in), 2012, Frauenhandel und Gegenmaßnahmen in Europa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204834

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Blick ins Buch
Titel: Frauenhandel und Gegenmaßnahmen in Europa



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