Schönheitsbilder in Frauenzeitschriften

Eine soziologische Analyse


Masterarbeit, 2012

112 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2.. Theoretischer Rahmen
2.1. Schönheitsideale
2.1.1. Ein kurzer historischer Abriss
2.1.2. Die Supermoderne
2.1.3... Figuren aus Medien und Werbung
2.1.4. Bild des Alltagsmenschen
2.1.5. Virtuelle Kreationen
2.1.6. Die Vor- und Nachteile von Schönheit
2.1.6.1. Schönheit = Begehrt sein
2.1.6.2 .Schönheit macht Schweres leicht
2.1.6.3 Schönheit als Verwindung des Schweren
2.1.6.4. Schönheit als Versuchung zu Hochmut und Kälte
2.2. Ein Paar Worte zur Mode
2.3.. Sinus-Milieus, Lebensstil und soziale Ungleichheit
2.3.1. Die feinenUnterschiede
2.3.2... Drei Geschmäcker
2.3.2.1 Selbstdarstellung und Repräsentation
2.3.2.2. Ernährung
2.3.2.3. Kultur.
2.4. Eine illegitime Kunst

3. Methode und Empirie
3.1. Der Verlag
3.2. Die Auswahl der Zeitschriften
3.2.1. Vorstellung der Zeitschriften
3.2.1.1. „Elle“
3.2.1.2. „Freundin“
3.2.1.3. „Frau im Trend“
3.3. Bildertypen
3.3.1. Kriterienkatalog
3.3.1.1. Der Gesamteindruck
3.3.1.2 Der Hintergrund
3.3.1.3 Zur Person
3.3.1.4 Der Blick
3.3.1.5 Der Gesichtsausdruck
3.3.1.6 Die Pose
3.3.1.7 Lichtund Schatten; Kontraste
3.3.1.8 Farbe
3.3.2. Folgende Bildertypen wurden ermittelt
3.4. Verteilung der Bildertypen
3.4.1. Verteilung der Bildertypen in „Elle“
3.4.2. Verteilung der Bildertypen in „Freundin“
3.4.3. Verteilung der Bildertypen in „Frau im Trend“
3.4.4. Zusammenfassung Verteilung Bildertypen
3.5. Bildertypen
3.5.1... Das geometrische Bild
3.5.2... Das disharmonische Bild - der Bruch
3.5.3... Die Prinzessin
3.5.4. Das erotisch-sinnliche Bild
3.5.5... Das nostalgische beziehungsweise Retrobild
3.5.6... Das erstarrte Bild
3.5.7... Das alltagsweltliche Bild
3.5.8... Die Modefotografie
3.6.. Das Problem der Multidimensionalität
3.7. Diskussion und Interpretation der Befunde

4... Zusammenfassung
4.1. Fazit
4.2. Ausblick

5 Literaturliste
5.1. Nichtwissenschaftliche Quellen
5.2. Ausgewertete Zeitschriften
5.3. Internetquellen

6 Abbildungsverzeichnis

7 Anhang
7.1. Bildertypen Elle November 2011
7.2. Bildertypen „Elle“ Februar 2012
7.3. Bildertypen „Elle“ Juli 2012
7.4. Bildertypen „Frau im Trend“ 24.02.2012
7.5. Bildertypen „Frau im Trend“ 18.05.2012
7.6. Bildertypen „Frau im Trend“ 15.06.2012
7.7. Bildertypen „Freundin“ 16.11.2011
7.8. Bildertypen „Freundin“ 22.02.2012
7.9. Bildertypen „Freundin“ 13.06.2012
7.10... Tabelle Titelstruktur MA Reichweiten Axel Springer

Gewänder

„Eines Tages trafen sich die Schönheit und die Hässlichkeit am Ufer eines Meeres. Und sie sagten zueinander: ,Baden wir im Meer. 'Dann entkleideten sie sich und tauchten in die Fluten. Nach einer Weile kam die Hässlichkeit wieder ans Ufer, legte das Gewand der Schönheit an und ging ihres Weges.Und auch die Schönheit stieg aus dem Wasser, doch siefand ihr Gewand nicht, und da sie sich scheute, nackt zu gehen, legte sie die Kleider der Hässlichkeit an. Und die Schönheit ging ihres Weges. Bis zum heutigen Tag verwechseln die Menschen die eine mit der anderen.

Doch manche gibt ’s, die das Angesicht der Schönheit geschaut haben, und die erkennen sie ungeachtet ihres Gewandes. Und manche gibt’s, die das Antlitz der Hässlichkeit kennen, und das Tuch verbirgt sie nicht vor ihren Augen.“

(Gibran 2012: 10)

1. Einleitung

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Abbildung unterschiedlicher Frauenbilder in drei verschiedenen Frauenzeitschriften. Diese Zeitschriften sind unterschiedlichen so­zialen Milieus zugeordnet und erlauben so einen Milieuvergleich im Hinblick auf die Ästhetik und die Darstellung von Frauen. Die Methode ist eine Medienanalyse auf der Basis der Grounded Theory. Die Klassifizierung der Schönheitsbilder erfolgte erst nach Erhebung und Auswertung des Datenmaterials. Untersucht wurden nur Bilder von Frau - en. Verwendet wurdenje drei Ausgaben von „Elle“, „Freundin“ und „Frau im Trend“. Die Analyse unterschied zwischen redaktionell eingefügten und Werbebildern. Die Un­tersuchung sollte zeigen, dass weibliche Schönheit, Ästhetik und Fotografie in den drei nach Bourdieu skizzierten Schichten unterschiedlich dimensioniert sind, begründet auf die ebenfalls von Bourdieu eruierten drei Geschmäcker - der legitime, mittlere und po­puläre Geschmack1.

Zur theoretischen Herleitung des Themas wurde zunächst die Entwicklung des weibli­chen Schönheitsideals vom Altertum bis heute dargelegt, denn dieses ist nicht konstant, sondern wandelbar und dem jeweils vorherrschenden Frauenbild unterworfen. Die Su­permoderne als aktuelles Thema und für die Auswertung der Ergebnisse unerlässlich, wird dabei ausführlicher behandelt. Die Schönheitsbilder unserer Zeit setzen sich aus verschiedenen Facetten zusammen: Figuren aus Medien und Werbung, Alltagsmenschen und virtuellen Kreationen. Vor allem virtuelle Kreationen verschieben die Skalen der Artgenossenschönheit2 in eine unnatürliche Dimension.

Wer schön ist, genießt im sozialen Umgang mit anderen Vorteile. Da Frauen sich von ei­nem schöneren Äußeren persönlichen Erfolg versprechen, nehmen sie einiges auf sich, um sich dem heutigen Schönheitsideal: schlank, straff, symmetrisch und von harmoni­scher Farbgebung, weiter anzunähern. Doch auch die Nachteile von Schönheit werden dargelegt. Auch die Folgen des Konsums solcher Schönheitsbilder sollen nicht uner­wähnt bleiben.

Obwohl sich diese Arbeit nicht mit Mode, im Sinne von Kleidung, beschäftigt, kann eine Abhandlung über weibliche Schönheitsideale in Frauenzeitschriften nicht ohne ein erläuterndes Kapitel zum Thema „Mode“ auskommen.

Es folgt eine Darstellung der von Bourdieu skizzierten sozialen Klassen und, da sie für Deutschland 2012 nur bedingt geeignet sind, eine Darstellung der Sinus-Milieus in Be­zug auf Schichten und soziale Ungleichheit in Deutschland. Milieus differenzieren im Hinblick auf Einkommensniveau, Werte und Grundhaltungen und werden durch „feine Unterschiede“ charakterisiert. Die Darstellung der sozialen Ungleichheit in Deutsch­land ist unerlässlich, um die ausgewählten Zeitschriften den Milieus der Oberschicht und oberen Mittelschicht („Elle“), der Mittelschicht („Freundin“) und der unteren Mit­telschicht und Unterschicht zuzuordnen („Frau im Trend“). Die unterschiedlichen Schönheitsbilder sollen einen Milieuvergleich abbilden und Differenzen in der Schön­heit von Frauen in unterschiedlichen sozialen Milieus aufzeigen.

Da es sich um Fotografien handelt, wird die Fotografie mittels Bourdieus Werk „Eine il­legitime Kunst“ in das Alltagshandeln der drei bereits genannten Schichten eingeglie­dert.

Im Methoden- und Empirieteil wird die Auswahl der Medien ausführlich erläutert und die drei Zeitschriften werden vorgestellt und in Bezug auf verschiedene Determinanten verglichen. Anschließend wird die Methode der Bildanalyse mittels des von der Autorin zum Zwecke diese Arbeit entwickelten Kriterienkatalogs vorgestellt. Das Ergebnis wa­ren acht verschiedene Typen von Schönheitsbildern. Diese werden im Anschluss aus­führlich beschrieben und anhand von Beispielbildern illustriert. Diese Ergebnisse wer­den in der Diskussion interpretiert, in den theoretischen Kontext eingegliedert und kri­tisch hinterfragt.

Am Ende dieser Arbeit werden die zentralen Punkte der Arbeit noch einmal zusammen­fassend erläutert und ein Ausblick gegeben auf mögliche anschließende Forschungsfra­gen.

2. Theoretischer Rahmen

2.1. Schönheitsideale

Im alltäglichen Sprachgebrauch und dem sozialen Umgang mit andern Menschen ist oft von innerer Schönheit die Rede, jedoch beschäftigt sich diese Arbeit mit der Betrach­tung von rein äußerlichen, exklusiven und weiblichen Schönheitsbildern. Da das Schön­heitsideal im Laufe der Zeit gravierenden Veränderungen und Moden unterlaufen war, soll im folgenden Kapitel ein kurzer geschichtlicher Abriss über den Wandel und die Entwicklung des weiblichen Schönheitsideals vom Altertum bis heute erfolgen. Inter­essant ist, dass Frauen als agierende Personen in der Geschichte kaum eine Rolle spiel­ten. Über ihr Alltagsleben gibt es kaum schriftliche Belege, aber es gibt bildliche Dar­stellungen, welche vornehmlich freizügiger Natur waren. Besonders oft mussten mytho­logische Gestalten als „Ausrede“ herhalten, Frauen spärlich bekleidet abzubilden. Eine „echte“ Frau nackt darzustellen, wurde als Frivolität angesehen und nicht gestattet. Als Beispiel seien die „Venus“ und die „Geburt der Venus“ von Botticelli genannt.3

2.1.1. Ein kurzer historischer Abriss

Schönheitsideale waren in allen Zeiten einer gewis­sen Mode unterworfen und entsprachen demjewei- ligen vorherrschenden Frauenbild. Also eine Ent­wicklung eher von innen heraus nach außen. Je nachdem wie Frauen sich verhalten sollten, spiegel­te sich dies in ihrem Äußeren wider. Sollte die idea­le Frau keusch und devot sein, war das Ideal mager und kindlich; im sinnenfreudigen Barock durften Frauen wieder volle Kurven haben und ihre Sinnes­lust nach außen tragen. In der Vorgeschichte sei als Beispiel die „Venus von Willendorf “ genannt. Eine übergewichtige, nackte Frau, die dem Bild einer

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: http://willendorf.info/verkauf.htm. am 16.07.2012

Fruchtbarkeitsgöttin, einer Urmutter, einer Frau, die gebiert und bereits geboren hat, ge­recht wird. Und ausnahmsweise kein junges Mädchen in der Blüte der Jugend. An den sehr realistisch dargestellten Fettpölsterchen ist überdies erkennbar, dass die kleine Skulptur nach menschlichem Vorbild erschaffen worden ist, und nicht nach einem idea­lisierten gedanklichen Abbild. Den Theorien nach, handelte es sich offensichtlich um eine matriarchalische Gesellschaft, in der die Frauen den Ton angeben und das Erbrecht in der weiblichen Linie lag. Nicht zuletzt deshalb, weil sie die alleinige Fähigkeit zur Fortpflanzung besaßen. Frauen wussten zu allen Zeiten, welches ihre Kinder sind, da sie sie selbst geboren hatten. Die Vorstellungen davon, wie die biologischen Vorgänge der Fortpflanzung im inneren des Körpers nun genau funktioniert, waren in der Vorzeit noch begrenzt und basierten auf Vermutungen. Im Mittelalter, einer patriarchalischen Gesell­schaft, herrschte die „Idee“, dass Männer ihren Samen in der Frau pflanzen, die Fort­pflanzung eine allein männliche Angelegenheit ist (ungefähr so, wie man einen Kern in die Erde steckt, der dann im Medium Erde keimt).4 In der Antike beginnend mit den Vorsokratikern - und übrigens bis heute andauern - setzte sich immer mehr die Vorstel­lung der perfekten Proportionen durch, welche sich mit Hilfe mathematischer Formeln errechnen lassen. Weniger also die Maße an sich, wobei große und schlanke Körper be­vorzugt wurden, als das richtige Verhältnis der Teile zueinander machten eine schöne Frau (oder auch Mann) aus. Symmetrie war - und ist - der ausschlaggebende Wert. Die­ses mathematische und universelle Schönheitsideal findet auch in der Architektur oder Geometrie Verwendung. Nach dieser Lehre ist ein Quadrat schöner, da noch symmetri­scher, als ein gleichseitiges Dreieck. Am schönsten von allen aber gilt der Kreis.5 Die Griechen wiederum entwickelten daraus ein kompliziertes System, um die perfek­ten weiblichen (auch männlichen) Proportionen zu errechnen. So mussten verschiedene Abstände am Körper immer genau gleich sein und diese wiederum genau der Länge des Kopfes entsprechen. Da die erhaltenen antiken Statuen scheinbar zeitlos schön sind, und immer noch die Kraft haben, uns zu berühren, beweist dies die Richtigkeit der helleni­schen Logik. Symmetrie und Jugend sind einfach zeitlos schön.6

„Das beste, so ist man dann versuchtzu meinen, sei noch ein skurril gefaßter Identitäts­satz: Schönheit ist haltSchönheit.“ (Haecker 1953: 13)

Mit dem Durchbruch des Christentums im Mittelalter entstand ein duales Bild der Frau - Eva und Maria - die Heilige, Reine und vor allem Jungfräuliche, und die verderbte Sünderin. Körperliche Schönheit, Lust und Begehren wurden bei „Evas Töchtern“ ver­dammt, Askese, Jungfräulichkeit und Verzicht als „rein“ gelobt. Entsprechend un­schuldig wurden Frauen dargestellt: mit kindlichen Körpern und Gesichtern, schmäch­tig, zart und ohne Kurven. Freilich lies sich eine kindlich hohe Stirn, unter der die Au - gen besonders puppenhaft groß wirkten, zum Beispiel durch Enthaaren derselben modi­fizieren. Diskretes Augen-Make-Up tat damals wie heute sein Übriges.7 Erst mit der Renaissance wandelte sich das Schönheitsideal vom kindlich unschuldigen hin zu großzügigeren Proportionen. Im Barock galten besonders üppige „Rubensdamen“ als attraktiv. Leibesfülle war außerdem ein Statussymbol, denn Nahrungsmittel waren knapp und deshalb auch teuer. Die Romantik wollte nach dem injeder Hinsicht üppigen Barock die Natürlichkeit und Schlichtheit zurückbringen. Das schlanke Ideal sollte nun diese Natürlichkeit und jugendliche Anmut zum Ausdruck bringen, keine Askese und keinen Verzicht. Im Zuge der Industrialisierung wandelte sich das Frauenbild erneut von schlank und natürlich zu drall und üppig. Reifröcke, später abgelöst von den Tournü- ren8, erlebten eine Renaissance. Frauen galten im 19. Jahrhundert als Statussymbol und eine luxuriös ausstaffierte und selbstverständlich nicht arbeitende Frau musste „Mann“ sich erst mal leisten können.9

In den „Golden Twenties“ des vergangenen Jahrhunderts wandelte sich die Einstellung zu „Molligen“ erstmals dramatisch. Galt eine gewisse Leibesfülle vormals als ein Zei­chen von strotzender Gesundheit, Wohlstand und Tatkraft, galten „Dicke“ plötzlich als charakterschwach, disziplinlos und träge. Das Bewusstsein für das eigene Körperge­wicht wurde durch öffentliche Waagen und die ersten privaten Badezimmerwaagen sen­sibilisiert. Auch die Einstellung zu Nahrungsmitteln und Nährwerten wandelte sich. Mit der Erfindung des Büstenhalters um 1900 revolutionierte sich der Komfort weiblicher Kleidung. Mit dem vormals getragenen Korsett oder Mieder waren Bewegungsfreiheit und Atmung stark eingeschränkt, Sport oder schwere körperliche Arbeit kaum möglich. Mit dem Büstenhalter begann eine neue weibliche Sportlichkeit, aufgrund derer auch die viele Jahrhunderte hochgelobte Blässe einer natürlichen und gesunden10 Bräune zum Opfer fiel. Dies ist ein bezeichnendes Beispiel, dass Schönheit ein exklusives Gut ist und Modeerscheinungen von den oberen Schichten nach unten „weitergereicht“ werden und ihre Gültigkeit verlieren, wenn sie fürjeden zugänglich, somit nicht mehr exklusiv, sind. In früheren Jahrhunderten war ein blasser Teint den Vornehmen und Reichen Men­schen vorbehalten. Bauern und allen anderen sich natürlicherweise oft im Freien Auf­haltenden war dies nicht gegönnt. Sonnenschutz gab es nicht, und so war Bräune etwas Allgegenwärtiges und blasse, zarte Haut selten, exklusiv und galt als schön. In der Neu­zeit (Erwerbstätigkeit und Alltagsleben in der Stadt finden jetzt zum größten Teil in Häusern oder Fabriken statt) ist Bräune ein Zeichen von Aufenthalt im Freien, sportli­chem Müßiggang und Urlaub in fernen Ländern - blass kann jetzt jeder, deshalb wird „braun“ zum Luxusgut.11

Eine weitere vorher absolut uneinnehmbare Festung fiel - Frauen schnitten sich die Haare kurz! In den vergnügungssüchtigen Zwanziger Jahren waren Frauen idealerweise knabenhaft schlank, hatten keinen Busen, kurzes Haar, waren stark geschminkt und sie rauchten. Die Kleider waren unerhört kurz und wurden oft nur von hauchdünnen Trä­gern gehalten. Kleidung verhüllt in diesem Falle nicht mehr, sie enthüllt den Körper, der plötzlich schonungslos den Blicken Dritter preisgegeben war. Aufgrund des extremen Schlankheitsideals und dem Druck durch die enthüllende Mode, breitete sich eine neue Krankheit aus - Anorexia Nervosa, die Magersucht.12

Die Erfindung des Kinos trug einen großen Teil zur Verbreitung von Make Up- und Mo­detrends bei. Außerdem Erschuf der Tonfilm eine neue „Gattung“, die Leinwandsexgöt­tin. Greta Garbo, Marlene Dietrich, Marilyn Monroe - platinblonde, zeitlose Diven mit gezupften Brauen, hohlen Wangen undjeder Menge provokativer Erotik.13 Erst Twiggy, die Ikone der 70er-Jahre wich gänzlich von diesem sehr weiblichen Ideal ab. Sie trug einen kurzen Jungenhaarschnitt, hatte ein Puppengesicht mit extrem beton­ten Augen und einen kindlichen Körper ohne Kurven und ohne Busen. Mit ihr setzte sich nun endgültig das sehr schlanke Körperideal durch. Der Wunsch, Fett abzubauen um möglichst dünn zu sein, nahm absurde Formen an. Immer mehr Diäten von zweifel­hafter Wirkung - vor allem für die Gesundheit - kamen in Mode. Der Wunsch derart dünn zu sein, widerspricht dem körperlichen Schönheitsideal der letzten 400 Jahre. Au­ßer im Mittelalter, in dem das sündige „Fleisch“ verteufelt wurde, und deshalb einem asketischen Leib durchaus Gutes nachgesagt wurde, da er für eine asketische, also gott­gefällige, Lebensweise stand, riefen sehr dünne Körper stets negative Assoziationen nach Krankheit, Alter, Hunger, Entbehren und Krieg hervor. Etwas kräftigere Menschen galten, wie oben bereits erwähnt, als tatkräftig und injeder Hinsicht sinnenfreudig.14 Ob nun die offenherzigen Hippies, oder die radikalen Punks, der schlanke Körper blieb. Durch den endgültigen Durchbruch der „Pille“ als Verhütungsmittel und die Legalisie­rung des Schwangerschaftsabbruchs verliert Sexualität seine Exklusivität in der Ehe. Die weibliche Sexualität wird befreit. Die Familie verliert an Stellenwert. Aufgrund in­stabiler Beziehungen und dem gleichzeitigen Wunsch nach Familie und Sicherheit be­kommt bei der Partnersuche und dem Erhalt bestehender Partnerschaften der weibliche Körper und sein stets perfekt gepflegtes Erscheinungsbild einen immer höheren Stellen­wert. Attraktivitätsmuster gewinnen bei der Partnerwahl und dem Erhalt bereits beste­hender Partnerschaften immer mehr an Bedeutung.15

In den 80er Jahren beginnt die Postmoderne. Natürlichkeit hat ausgedient. „Zuviel“ ist jetzt angesagt - zu viel Make Up und zu viel Haarspray. Im Businessanzug erobern die Damen den Arbeitsmarkt. Von Saison zu Saison ändern sich die Moden. Der Frauentyp istjetzt sportlich. Aufgrund geschlechtsspezifischer Kleidung ist der weibliche Körper sehr viel sichtbarer als der des Mannes; muss straff, jugendlich, muskulös und athle­tisch sein. Wem Gymnastik (Aerobic und Jogging waren sehr beliebt) nicht genügte, konnte noch auf die sich immer mehr entwickelnde Schönheitschirurgie zurückgreifen. Laut Weiß und Lackinger Karger begann in den 80er Jahren die weitreichende Kommer­zialisierung von Schönheit, vermittelt durch Werbung. Mit Hilfe bestimmter Konsumgü­ter16 und Verhaltensweisen sollte esjeder Frau undjedem Mann gelingen, schön zu wer­den und zu bleiben.17

Die 90er Jahre waren die Ära der Supermodels. Gab es in den 80er Jahren bereits „The Body“ Elle Macpherson, gab es nun Cindy Crawford, Naomi Cambell und Linda Evan- gelista. Diese Models entsprachen dem sehr schlanken und groß gewachsenen Ideal. Kate Moss, das neue Supermodel, erschütterte mit ihrer dekadenten Lebensweise, ihrem Elfengesicht und ihrem abgemagerten Körper. „Heroin Chic“ kam in Mode - ein Look, dessen ungesunder Habitus Junkies ähneln sollte. Androgyne Männer und Frauen mit abgezehrtem Äußeren, knochigen Körpern und hohlwangigen Gesichtern. Diese Mode löste heftige Debatten aus. Die „normalen“ Supermodels beteiligten sich aufgrund im­mer dünnerer Models an Anti-Magersucht-Kampagnen.18

In den 90ern wurde die Haut geschmückt. Tätowierungen, Henna-Tattoos, aufgeklebte Schmucksteinchen und bei den Teenagern der Technobewegung die Piercings, wurden, in einem gewissen Rahmen, gesellschaftsfähig. Ein weiteres Mittel der Bodymodifikati- on ist das Bodybuilding, oder, die mildere Form, das Bodystyling (das ist der Fachter­minus für die Art der sportlichen Betätigung, die die meisten mit „ins Fitnessstudio ge­hen“ beschreiben). Das äußere Erscheinungsbild ist, vor allem mit dem Hilfsmittel der plastischen Chirurgie, immer weniger naturgegeben und „Schicksal“. Niemand muss sich mehr mit einem flachen Po oder kräftigen Schenkeln abfinden. Aktiv kann „frau“ daran arbeiten. Ein extremes Mittel wie Bodybuilding ist nur unter sehr hohem persönli­chen Aufwand zu erreichen - das tägliche, harte, oft schmerzhafte Training, der Zeitauf­wand und die spezifische Ernährungsweise sind ein hoher Preis für dieses Figurtraining und erfordern strenge Disziplin. Aufgrund dieses sehr hohen persönlichen wie fi­nanziellen Aufwandes (Fitnessstudio, Trainer, Spezialnahrung) erschließt sich die Tatsa­che, dass für die Umgestaltung des Körpers die Schönheitschirurgie immer mehr in den Fokus rückt. Sie ist zwar ebenfalls teuer und schmerzhaft, aber halt nur unmittelbar nach dem Eingriff, dessen Ergebnis unter Umständen ein Leben lang anhält. Zumal etli­che als essentiell betrachtete Körperpartien, wie das Gesicht und die weiblichen Brüste, sowieso nicht durch Training verändert werden können. Diese ganzen Prozeduren des Sich-schön-Machens definiert Degele als Schönheitshandeln.19

Der Körper und ein schönes, gepflegtes Gesicht bestimmen immer mehr das Image, viel mehr als teure Kleidung, und versprechen Erfolg. Natürlich sollte die Kleidung schon „passen“, nur drückt sich Erfolg nicht mehr ausschließlich durch teure Modellkleider aus, ein tolles Kleid „von der Stange“ erfüllt jetzt ebenso seinen Zweck und rückt den tollen Körper ins rechte Licht. Im immer größer werdenden tertiären Wirtschaftssektor, dem Dienstleitungsbereich, wird das Aussehen, vor allem da, wo Kundenkontakt statt­findet, immer essentieller. Besonders „Display-Professions“ wie Moderatoren, Models, Fernsehansager ist das extrem gepflegte und makellose Äußere, welches einen perma­nenten hohen Pflegeaufwand mit sich bringt, wie manikürte Hände, haarlose Haut, per­fekt frisierte und immer top gepflegte und ansatzlos gefärbte Haare, eine hegemoniale Norm. Die Zähne müssen von geradezu künstlichem Weiß sein und absolut gerade ste­hen - leider hat die Natur nur sehr wenigen Menschen solch ein makelloses Gebiss ge­geben und so hilft der Zahnarzt weiter: mit kostspieligen Bleachings, Verneers oder Kronen. Bei Filmproduktionen werden verstärkt Körperdoubles eingesetzt, besonders bei Nahaufnahmen oder Sexszenen (Busen, Beine, Bauch, Po) aber auch, wenn die Filmbraut dem Filmbräutigam mit schlanken Fingern und top Nägeln einen Ring an die makellosen Hände steckt. Die also sowieso schon besonders gelungenen Exemplare der menschlichen Gattung (die Filmstars) werden nochmals „verbessert“.20 Mit der postindustriellen Gesellschaft kommt es zu einer Ausdifferenzierung und Plura- lisierung von Lebensstilen (siehe auch das Kapitel „Sinusmilieus“ dieser Arbeit), Ge­schmäcker können also durchaus verschieden sein und die Freizeitgestaltung gewinnt zunehmend an Wichtigkeit gegenüber dem Beruf. Diese Individualisierung gibt zwar mehr Freiraum, aber es gehen dadurch auch Sicherheit gebende Komponenten verloren. Zum Beispiel bei Geschmacks- und Stilfragen. Simmel beschrieb bereits 1986 die duale Funktion von Modeerscheinungen - sie sollen auf der einen Seite Abgrenzen, damit der Einzelne als Individuum heraus sticht, gleichzeitig soll die Mode sich auch einordnen, denn unangenehm auffallen will niemand. Jetzt kannjeder nach den Regeln der eigenen Subkultur glücklich werden. Das noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts recht homogene Bild von Mode und Schönheit splittet sich immer mehr auf. Jedes Individu­um versucht auf seine Weise in der eigenen Subkultur unterzukommen, sich trotzdem abzuheben, sexuell anziehend zu sein und gleichzeitig intelligent zu erscheinen. Um dies alles zu erreichen können die diversen Produkte der Kosmetikindustrie, Sport und Diäten, Schönheitschirurgie und Bodymodifikation eingesetzt werden.21

2.1.2. Die Supermoderne

Wie bereits im vorangegangenen Kapitel erläutert, haben Menschen stets eine - wenn auch ganz unterschiedliche - Vorstellung von der idealen Frau, ihrem Verhalten und ih­rem Erscheinungsbild gehabt.

In der Supermoderne setzt sich diese Idealbild aus vielen Ebenen zusammen, da sehr diiFerenzierte Bilder von Frauen durch diverse Medien vermittelt werden. Überall wer­den wir mit Bildern konfrontiert: auf der Straße mit Werbeplakaten, im Fernsehen mit Moderatoren und Filmstars, mit Models in Zeitschriften, mit virtuellen Figuren in Com­puterspielen und - natürlich - auch mit echten Menschen. Schönheit ist exklusiv, nach außen erkennbar und steht im Gegensatz zum Hässlichen. Umgekehrt bedeutet das aber nicht, dass alles, was nicht hässlich ist, schön ist. Vor allem aus folgenden drei Berei­chen setzt sich nach Reinhart unser Frauenbild zusammen:

1. Figuren aus Medien und Werbung
2. Bild des Alltagsmenschen
3. Virtuelle Kreationen22

2.1.3. Figuren aus Medien und Werbung

In Medien und Werbung spielen zumeist ungewöhnlich schöne Menschen, Frauen wie auch Männer, die Hauptrolle - injeder Hinsicht. Kinder sind von untergeordneter Be­deutung. Diese Medienschönheiten rufen unterschiedliche Empfindungen und Sehn­süchte in den Betrachtenden hervor. Bei Frauen rufen solche „Traumfrauen“ Empfin­dungen hervor, wie: wie „sie“ zu sein, auch so auszusehen und was wäre, wenn sie SO aussehen würden... dann wäre alles wunderbar in der Liebe und im Job, sie wären end­lich glücklich. Männer bestaunen deren Körper und wünschen sich auch solch eine Frau. Das Problem ist, dass die allermeisten Frauen doch „viel eher den Darstellungen aus Rubens' Zeiten ähneln und das Gefühl haben, sie wären im falschen Jahrhundert geboren. Sie und ihre Körper werden von der Gesellschaft abgelehnt.“ (Reinhart 2011: 64-65) Anzumerken sei hier, dass der umgangssprachliche Gebrauch von „Rubensda­me“ auf geradezu adipöse Frauen anspielt, Rubens aber zwar wohlgenährte, aber kei­neswegs fette Frauen gemalt hat. Und natürlich sehen auch die Männer in Film und Fernsehen ganz anders aus und haben ganz andere Fähigkeiten, als die allermeisten Ex­emplare, die uns im Alltag begegnen. Guggenberger spricht in diesem Zusammenhang vom Begriff der „überrepräsentierten Artenschönheit“. Diese in den Medien dargestell­ten und vorgeführten Musterexemplare bilden in keiner Weise die Realität ab.23 Seit der Antike gibt es den Versuch, ein, wenn auch unterschiedlich gestaltetes, Schön­heitsideal in Zahlen und Proportionen auszudrücken. Entscheidend sind hierbei „die Elemente der Klarheit, Symmetrie, Harmonie und intensive Farbgebung.“ (Reinhart 2011: 65) Symmetrie ist hier weniger als zwei spiegelbildliche Seiten zu verstehen, als die gleichmäßigen Anordnung der verschiedenen Teile als ein harmonisches Ganzes. Nach Otto Penz ist Schönheit durch ihre Differenz zum Hässlichen geprägt. „Hässlich“ sind hierbei Attribute wie fettleibig, behaart, welk, Cellulitis um nur einige zu nennen. Also alles Merkmale die im Gegensatz zu jugendlich, schlank und straff stehen. Aber nur, weil „frau“ nicht hässlich ist, ist sie auch lange noch nicht schön. Nach Menning­haus bedeutet Schönheit vor allem Merkmallosigkeit, denn Schönheit korreliert negativ mit Unverwechselbarkeit. Diese Merkmale der reinen Schönheit sind im übrigen für alle Dinge gleich - egal ob Blume oder Gebäude.24

Aus evolutionsbiologischer Sicht ist die Sensibilität für Schönheit in den Schaltkreisen unseres Gehirns auf die natürliche Auslese zurückzuführen, denn unsere Vorfahren mit diesen Eigenschaften reproduzierten sich erfolgreicher. Der „Sinn“ von Schönheit liegt laut Freud in der sexuellen Erregung. Mit dem Unterschied, dass unsere Vorfahren reelle und natürliche Menschen als schön bewerteten und die Konkurrenz „nur“ aus anderen natürlich schönen Menschen bestand. Evolutionsbiologisch korreliert Symmetrie und Schönheit in der Natur mit einem gesunden Körper und hoher Reproduktion, deswegen empfinden wir beispielsweise das Taille-Hüfte-Verhältnis 60-90 oder 70-100 oder auch 80-110 als schön. Heute werden die Idealbilder der Artenschönheit beim Schönheitsran- king (eine Art virtueller Skala auf derjeder Mensch sich selbst und seine Mitmenschen automatisch in Schönheitskategorien einordnet), nicht mehr aus dem „Durchschnitt“ re­eller Menschen gebildet, sondern es fließen bei der Einteilung der Skala automatisch auchjene Bilder ein, die wir durch Medienkonsum und Werbung in uns aufnehmen. Un­ser Schönheitsranking wird also unter anderem durch Bilder beeinflusst, welche stark retuschierte, ideal ausgeleuchtete und meisterhaft geschminkte ganz besonders attrakti-ve, straffe, schlanke, blutjunge und langbeinige Frauen abbilden. Plakatwerbung strömt vollkommen ungefiltert aufjede Person, auch auf Kinder, ein, die den Weg des Plakates kreuzt, es wird keinerlei Vorauswahl bei den Betrachtern getroffen. Werbung in Medien hingegen erreicht immer „vorsortierte“ Konsumenten, da sie die Zeitschrift zur Hand genommen oder eine Sendung eingeschaltet haben müssen. Der Wunsch, schön zu sein, wird durch Medien und Werbung bestärkt, denn Schönheit wird mit Reichtum und Er­folg verknüpft. Das Schönheitsideal „schlank“ ist in allen Schichten gleich. Da schönen (schlanken) Frauen große Bewunderung entgegengebracht wird, wächst der Druck auf die „realen“ Frauen, ebenfalls so schlank zu sein. Durch die von ihnen konsumierten Medien (Fernsehsendungen, Zeitschriften) fortwährend bestärkt, eigenen sie sich die dort propagierten Lebensstile an. Die Images, die in der Werbung kreiert und mit Hilfe der Produkte quasi fürjedermann zum Kauf angeboten werden, zielen ebenfalls auf die­se Lebensstile ab.25

Es ist anzumerken, dass die westliche Gesellschaft patriarchalisch strukturiert und phal- lokratisch aufgebaut ist und Schönheitsbilder und Körpervorstellungen stets auf den Lustgewinn der Männer abzielen.

2.1.4. Bild des Alltagsmenschen

in der realen Welt kollidiert der Mythos der Schönheit rasch mit der Wirklichkeit.“ (Reinhart 2011: 72)

Die Gesichter, denen Menschen im Alltag begegnen werden automatisch erfasst und eingeordnet, zum Beispiel, ob das Gesicht bekannt ist. Genauso wird erfasst, ob und in wie weit ein Gesicht schön ist. Beim sozialen Umgang wird Schönheit zu einer „kon­kurrenzlosen Größe“. Sie erleichtert das Kennenlernen neuer Leute („der erste Ein­druck“), hilft weiter bei der Jobsuche und bringt Anerkennung und Aufmerksamkeit beim anderen Geschlecht. Aus diesem Grunde ist das Erlangen von Schönheit ein ganz rationales Kalkül. Schönheit ist gleich Schlankheit, doch in der Realität halten sich viele Frauen für noch nicht schlank genug, um wirklich schön zu sein26. Um dies zu ändern werden die Strapazen von Fitnessstudios, ständiges Hungern und sogar die Kosten und Schmerzen von Schönheitsoperationen nicht gescheut. Die Diätindustrie verdient „rich­tig dick“ an Frauen, die gerne richtig dünn wären. Seien es nun Ernährungsratgeber, Diätbücher, Diätkurse, Nahrungsergänzungsmittel und so weiter. Auch vor radikal ge­sundheitsschädlichen Mitteln wird nicht halt gemacht - Bandwürmer, Amphetamine, stundenlanges Saunieren, Einläufe, Abführmittel, schmerzhafte Operationen - keine Rosskur und keine Nebenwirkung ist den Diätwilligen zu schlimm. Aufgrund dieses Diätwahns breiten sich zwei Krankheiten - leider sogar schon bei Kindern - immer mehr aus: Anorexia nervosa, die Magersucht und Bulimie, die Ess-Brech-Sucht27. Bei der Ma­gersucht wird das Essen so gut wie ganz aufgegeben und bei der Bulimie wird erst eine sättigenden Mahlzeit verspeist, worauf unwillkürlich das schlechte Gewissen folgt und deshalb würgen die Betroffenen das Essen wieder hoch.28 Im Internet gibt es so genann­te Pro-Ana (Magersucht) oder Pro-Mia (Bulimie) Websites, auf denen sich die mager­süchtigen/ bulemischen Frauen gegenseitig Tipps geben (zum Beispiel wie sie das Hun­gern durchhalten oder welche Nahrungsmittel leicht wieder hochzuwürgen sind) und in ihrem Essverhalten gegenseitig unterstützen. Man könnte es auch so ausdrücken: „Anorexia is aLifestyle Choice, notaDisease“. (Conrad/ Rondini 2010: 109)29

1. Das Schönheitsideal „sehr schlank“, eigentlich: „zu dünn“, ist in allen Gesell­schaftsschichten im westlichen Kulturkreis gleich und man kann anhand dessen nicht auf das soziale Milieu einer Frau schließen. Da schönen (also schlanken) Menschen po­sitivere Eigenschaften nachgesagt werden, ist der Wunsch, ebenfalls schön zu sein oder zu werden, groß. Vor allem Medien wie Zeitschriften und das Fernsehen überfluten die Konsumentinnen mit einer Unzahl Bildern, wie „frau“ auszusehen hat und wie sie dies erreichen könnte (Ernährungstipps, Sportvorschläge). Umgedreht bestärken diese Medi­en den Konsumentinnen fortwährend die Richtigkeit ihres Tuns. Die Anerkennung und positive Bestätigung die die Frauen aus ihrem sozialen Umfeld durch die Hilfe der Diät­mittel erhalten, lässt sie diese in einem positiven Licht betrachten.30

2. Obwohl das Schönheitsideal in allen Milieus gleich ist, ist trotzdem ein deutli­cher Zusammenhang zwischen Milieuzugehörigkeit und Anteil der Schlanken zu erken­nen. Sowohl bei Reinhart aktuell für die USA als auch bereits bei Bourdieu in Frank­reich Anfang der achtziger Jahre. Mit sinkender Klassen- beziehungsweise Milieuzuge­hörigkeit steigt der Anteil der „Dicken“ signifikant an. Wobei es keineswegs so ist, dass in den unteren Milieuschichten „Dicke“ mehr toleriert werden, sondern es eher so ist, dass Dicksein zu einem Abstieg auf der sozialen Leiter fährt. Weniger schöne, oder hässliche (dicke) Menschen werden weniger oft eingestellt und weniger oft befördert. Vor allem natürlich in den Berufen mit Kundenkontakt und Repräsentationsfunktion - Sekretärin, Verkäuferin, Arbeit in der Gastronomie, Vorzimmerdame - zum Teil klassi­sche Frauenberufe, aber auch in allen anderen Berufsgruppen werden Dicke benachtei­ligt. Wie bereits oben angeführt, werden in der Supermoderne mit dem Dicksein negati­ve Assoziationen verknüpft, wie zum Beispiel: keine Selbstdisziplin, ungepflegt, faul. Aber nicht nur Dicke sind auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt, auch alle anderen, die vom Schönheitskanon jung, schlank und straff abweichen. Heute machen keine Kleider mehr Leute, sondern die, von möglichst wenig Kleidern verhüllten, Körper.' 31

2.1.5. Virtuelle Kreationen

„Was bedeutet denn ein einigermaßen , verbessertes " Gesicht oder eine eigentlich gar nicht so schlechte Figur in Vergleich zu diesen perfekten, fehlerlosen Gestalten?“

(Reinhart 2011: 85)

Die Parodie der Artenschönheit sind virtuelle Krea­tionen aus Computerspielen oder Comics für Er­wachsene wie zum Beispiel Lara Croft. Diese ist nicht nur ungeheuer attraktiv mit einer Figur jen­seits des tatsächlich Möglichen, sie ist reich, intelli­gent, gebildet, eine Meisterschützin, Kampfsport­profi, Sportass... und älter wird sie auch nicht. Sie steht damit weit über den natürlichen Wesen. Trotz-dem versucht die Schönheitschirurgie32 diesem Ideal nachzueifem, was im Hinblick dar­auf absurd ist,dass das „Ideal“ja eigentlich gar keines ist, es ist nur eine Comicfigur! 33 Nach einer der berühmtesten virtuellen Schönheitskreationen wurde sogar eine psychi­sche Krankheit benannt: das Barbie-Syndrom. Es betrifft Frauen, die unbedingt so aus­sehen wollen wie die Modepuppe. Laut Wikipedia34 ist eine Frau mit den übertragenen Maßen der Puppe übrigens nicht lebensfähig - kein Platz für lebenswichtige Organe - trotzdem gilt sie (die Plastikpuppe) bei vielen Erwachsenen und Kindern als Idealbild einer Frau. Früher hatte Barbie noch Utensilien wie Doktorhut und Astronautenanzug, heute ist die Ausstattung deutlich mehr auf Fashion, Shoppen und Freizeit orientiert (Es ist ein Unterschied, ob die Vorbilder kleiner Kinder - wenn auch perfekt gestylte - Dok­torinnen sind, oder einfach nur dem Müßiggang nachgehende Shoppingqueens!) Im Bild zu sehen ist die deutsche selbsternannte „Miss Barbie“ Angela Vollrath. Sie arbeitet praktisch als Double der Puppe und verdient so ihr Geld mit diversen Auftritten.35 „Wenn Sie heute ein Spielzeuggeschäft betreten und Tausende dieser leicht nuttig ausse­henden Puppen strecken Ihnen ihren Kussmund entgegen, dann merken Sie, dass sich etwas Grundlegendes geändert hat.“ (Walter 2012: 15)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: „Miss Barbie Angela

2.1.6. Die Vor- und Nachteile von Schönheit

Einige Vorteile der Schönheit wurden bereits im obigen Text erläutert. So bringt Schön­heit im Berufsleben mehr Erfolg - attraktive Frauen werden eher eingestellt und eher befördert. Sehr schlanken Frauen haften eher positive Attribute an: wie fleißig und (selbst-) diszipliniert, liebenswürdig und selbstbewusst. Schönheit ist im sozialen Um­gang mit anderen Menschen eine hegemoniale Komponente: das Kennenlernen neuer Menschen fallt viel leichter.36

2.1.6.1. Schönheit = Begehrt sein

Schöne Frauen, und Männer, wecken (sexuelles) Begehren, weil sie so schön sind. Weil sie etwas Besonderes sind. Wir alle möchten Schönes und Besonderes um uns haben. Schöne Partner sind eine Zierde und ein Schmuck für den anderen und lassen ihn ein wenig an der Schönheit teilhaben.37

Beim Rational Choice Ansatz38 ist sie ein mögliches Attribut, was beispielsweise Armut ausgleichen kann. (Reicher, eventuell auch alter, nicht schöner Mann heiratet junge, schöne, aber arme Frau.) Dieses Schema wird traditionell in den Märchen verschiedener Epochen und Kulturen verwendet und findet sich noch heute in einer Vielzahl Liebesfil­me wieder („Pretty Woman“39 ). Die, die begehrt werden befinden sich in der „strukturell schwächeren Objektrolle“. Das heißt, das „Gut“, welches die strukturell schwächeren mitbringen ist immer auch Schönheit. Die strukturell Stärkeren brauchen diese „Krücke“ nicht, da sie andere Güter besitzen, begehren aber die strukturell schwächeren Personen ob ihrer Schönheit.40

2.1.6.2. Schönheit macht Schweres leicht

Ob nun im Berufsleben oder als Retterin in der Not, gutes Aussehen hilft oftmals weiter. Wie bereits oben genannt, erleichtert Schönheit den sozialen Aufstieg, in dem es als eine Art Gut in der Sozialökonomie eingesetzt werden kann, sie ist gewissermaßen die Ware, um die gefeilscht wird.41

2.1.6.?. Schönheit als Verwindung des Schweren

Das Ergebnis, die Schönheit, lässt vergessen, was alles nötig war und ist, um sie zu er­reichen (Diäten, Operationen, Sport...). Sie entschädigt quasi für die Mühen, die zum Erreichen derselben notwendig waren.42

2.1.6.4.Schönheit als Versuchung zu Hochmut und Kälte

Schönheit hat nicht nur Vorteile. Die - erstaunlich vielen - Nachteile vor allem der ganz besonders Schönen sollen nicht unerwähnt bleiben.

In Märchen kommen nicht nur die strukturell schwächeren und „guten“ Schönen vor, sondern es gibt stets eine negative „Gegenkraft“, oft in Form von Stiefmüttern oder He­xen. Diese „bösen“ Frauen werden manchmal als abstoßend hässlich, oder aber als küh­le, um nicht zu sagen kalte, und wunderschöne Frauen dargestellt (Eiskönigin). Gefühls­kalt, asozial, grausam, herrschsüchtig, neidisch und missgünstig lauten die wenig schmeichelhaften Attribute. Gut aussehende Frauen genießen die oben genannten Vor­teile der Schönheit und werden sogar oft besser eingeschätzt, als sie tatsächlich sind; bei den extrem schönen Frauen kehrt sich vieles davon ins Negative um. So haben sie es aufgrund von Neid und Eifersucht schwer, Freundschaften mit Frauen zu schließen und zu erhalten, aber mit Männern ist es auch prekär. Die Frauen haben das Gefühl, nur we­gen ihres Aussehens begehrt und nicht um ihrer selbst willen geliebt zu werden. Ebenso ist es mit beruflichem Erfolg, er wird von Dritten oft nur dem Aussehen der Frau zuge­sprochen, nicht ihrer Kompetenz. Zumal besonders den schönen Frauen eher unter­durchschnittliche Intelligenz nachgesagt wird. Wenn die Beauties altern und ihre Schön­heit trotz Gegenmaßnahmen irgendwann nachlässt, kann ein regelrechter Zusammen­bruch des sozialen Umfeldes erfolgen. Denn dieses war nur auf deren gutes Aussehen gerichtet, und nicht auf ihre Persönlichkeit.43

„Gerade das gute Aussehen entwertet so alle persönlichen und alle professionellen Er­folge.“ (Reinhart 2011: 90)

2.2. Ein Paar Worte zur Mode

Mit Mode, also im engeren Sinne, mit Kleidung, oder neudeutsch: Fashion, beschäftigt sich diese Arbeit nicht. Nichtsdestotrotz kann dieses Thema nicht außen vor gelassen werden, denn Schönheitsideale beziehen sich nicht nur auf einen nackten Körper und ein hübsches Gesicht. Auch oder ganz besonders der „Rahmen“ oder die Präsentation des Ganzen spielen eine wichtige, sogar sehr wichtige Rolle. So gilt im herkömmlichen Sinn nur als „schön“, wer passende Kleidung und eine vorteilhafte Frisur trägt. Dabei sind besonders im Berufsleben Stichworte wie klassisch, typgerecht, dem Anlass ent­sprechend und schmeichelhaft in aller Regel, supermodern, flippig aber auch dem ande­ren Extrem: altbacken und langweilig, vorzuziehen. In der Freizeit ist erlaubt, was ge­fällt.44

Mode und Moden hat es immer schon gegeben, wie im Kapitel der geschichtlichen Ent­wicklung von Schönheit dargelegt worden ist. Diese Kleidermoden orientieren sich am geläufigen Frauenbild - ist die Idealfrau keusch und asketisch, sollte ihr Körper nicht nur kindlich mager sein, sondern auch die Kleidung schlicht und streng verhüllen. Im Barock waren nicht nur die Hintern und Frisuren ausladend, sondern auch die Gardero­be; bunt geschmückt, opulent, ausufernd und mit Spitzen dekoriert.45 Trotzdem war in allen Zeiten eines gleich: Mode diente der Verhüllung des Körpers. Mit Kleidung ließ sich „schummeln“. Mit Kleidung wurde der Gesellschaftsstatus klar nach außen getragen. Die Moden aller Epochen hatten die Absicht, die Frau zu einer Kunstfi­gur zu gestalten (bis heute), und sie nicht nur vor Witterungseinflüssen zu schützen. Mode dient anderen Zwecken. Reifrock und Korsett, hohe Absätze, auf dem Boden schleifende Röcke, oder Röcke die so kurz sind, das beim Sich Setzen oder Bücken al­lerlei zu beachten ist, will man nicht jedem seine Unterwäsche präsentieren, sind denk­bar ungeeignete Kleidungsstücke, um Frauen im Arbeits- und Lebensalltag praktisch, geschützt und warm anzuziehen. Aber wenn Frauen in Reifrock und Korsett und mit himmelhohen Absätzen nicht irgendwie WUNDERbar wären, gäbe es wohl keinen Grund, warum sich Bräute bis heute damit abmühen.46

Mode folgt niemals wirklich „praktischen“ Aspekten, sondern ringt täglich mit ihren beiden widersprüchlichen Tendenzen: Abgrenzung und Nachahmung. Praktikabilität ge­hört nicht dazu. Mode soll zum Einen das Dazugehören kennzeichnen (Subkultur, Klas­se, Milieu): jeder will sich eingliedern, nicht unangenehm auffallen. Dies geschieht, in­dem man den Style (umfasst Kleidung, Haare, Make Up) der mit einem erstrebenswer­ten Status versehenen Person oder Personengruppe nachahmt. Denn der Style ist eng verknüpft mit dem erstrebenswerten, damit unmittelbar verbundenen Lifestyle. Modeer­scheinungen werden von oben nach unten weitergereicht, oder von unten nachgemacht. Die nachgeahmte Mode ist meist verbunden mit einem höheren Lifestyle (der als erstre­benswert gilt). Ist die Mode „weiter unten“ angekommen, wechselt sie auch schon. Die Oberschicht möchte sichja weiterhin deutlich abgrenzen, dies funktioniert nur mit im­mer neuen, teureren und exklusiveren Moden47.

Die Abgrenzung findet sowohl in einer senkrechten Weise, als auch auf einer horizonta­len Ebene statt (innerhalb der eigenen Schicht/ Subkultur). Nach oben, findet eine Nach­ahmung statt, nach unten eine scharfe Abgrenzung. Innerhalb der eigenen Subkultur/ Schicht/ Milieu findet sowohl Nachahmung statt, um die Zugehörigkeit auszudrücken, als auch eine Abgrenzung, dennjedes Individuum möchte bis zu einem gewissen Grad aus der Masse herausstechen, um als Individuum mit einem eigenen Stil anerkannt und erkannt zu werden.48

Da wo die Struktur der Gesellschaft kein Oben und kein Unten kennt, erfolgt die Ab­grenzung nur auf der horizontalen Linie. Bei Naturvölkern zum Beispiel findet eine strikte Abgrenzung zum anderen Stamm mittels strenger Differenzierung der Moden statt. So wird zum Einen scharf umrissen, wer zu welchem Stamm gehört und gleichzei­tig innerhalb des eigenen die Zusammengehörigkeit gestärkt. Diese Moden sind dauer­hafter als in unserer westlichen Welt. Zwar wandeln sie sich mit der Zeit, aber langsa­mer und weniger extrem. Solche Anstöße zum Wandel kommen häufig von Außen. „Fremde“ Mode scheint auf alle Menschen und zu allen Zeiten eine besondere Faszina­tion auszuüben.49

Fällt eine dieser Funktionen der Mode, Abgrenzung und Nachahmung, weg, kann Mode nicht mehr existieren. Dann gäbe es nur noch Kleidung und Haare, keine Mode und kei­ne Frisuren mehr. Mode wird in den oberen Milieus „gemacht“. So erfinden die diver­sen Designer meistens zwei Mal im Jahr (Frühling/ Sommer und Herbst/ Winter) neue Moden und Kollektionen. Die Haute Couture wird maßgeschneidert und ist handgenäht,im Gegensatz zur fertig konfektionierten Prêt-à-Porter Mode, die in den Designerläden und Luxuskaufhäusern „von der Stange“ verkauft wird, aber nur in sehr begrenzter Stückzahl für die exklusive Kundschaft. Die aktuellsten Moden, frisch vom Laufsteg, tragen vor allem „Prominente“, nicht nur, weil sie es sich leisten können, sondern weil sie die Kleider mit Erscheinen der Kollektionen von den Designern geschenkt, oder auch für besondere Anlässe geliehen bekommen - dies gilt besonders für Haute Couture Abendroben für Auftritte auf dem roten Teppich. (Diese sind auch viel zu wertvoll zum „verschenken“, zumal die Damen solche Roben auch nur ein einziges Mal tragen.) „Die Oscar-Nacht in Hollywood ist nicht nur das -wichtigste Spektakelfür die gesamte Unter­haltungsindustrie, sondern auch die größte Modenschau jenseits der Schauen. Interna­tionale Blätter von Gala bis New Zealand Womens 's Day zehren das ganze Jahr mit im­mer neuen Kommentaren davon, wer was trug. Wer für den Oscar nominiert ist, wird von den Designern umworben - und wer ihn gewinnt sichert dem dazu getragenen „ Sieger-Label “ Prestige und mehr. So wurde z.B. das maßgeschneiderte, lindgrüne Sei­denkleid von Escada Couture, in dem Kim Basinger 1998 ihren Oscar abholte, in allen Escada-Boutiquen von München bis Hollywood zum meistgefragten Abendkleid.“ (Be­cker 1999: 95) Die Ausstaffierung beinhaltet auch Juwelen, Handtaschen und andere Accessoires. Diese Prominenten werden dann wiederum von Paparazzi oder auch „nor­malen“ Reportern fotografiert und in Frauenzeitschriften abgebildet und als mustergülti­ges Beispiel der allgemeinen Damenwelt präsentiert und sind somit eine ausgezeichnete Werbung für die Designer und ihre Trends, die sie selber setzen. Ein Teil dieser Promi­nenten sind wiederum Supermodels wie Kate Moss (eine der Stilikonen unserer Zeit), die ihrerseits durch die Designer berühmt geworden sind (bei Kate Moss kam der Durchbruch mit Calvin Klein). Somit ist sogar der „Star“ selber eine Erfindung der Mo­dedesigner, nicht nur deren Mode! Simmel schrieb darüber bereits in den achtziger Jah­ren und es ist bis heute so. Es gibt direkte Sparten in den Frauenzeitschriften über die sogenannten Runway Looks. Also immer dann, wenn große (oder auch kleine) Moden­schauen, wie die berühmte Haute Couture in Paris oder die Berliner Fashionweek, statt­gefunden haben, berichten die Frauenzeitschriften darüber, parallel kommen die Artikel über die Personen, vorwiegend Frauen, die diese Kleider bereist während der Schauen oder unmittelbar danach tragen könnenn. Damit soll gezeigt werden, wie man diese auf den Runways extrem präsentierten Looks im Alltag, oder zumindest in der Öffentlich­keit, tragen kann. Die Models auf dem Laufsteg sind zum Teil mit Masken oder Helmen bewehrt, das Gesicht schwarz geschmiert, der Busen ist komplett zu sehen oder der Hin­tern nackt - so geht keine Frau „auf die Straße“. Die Mode vom Laufsteg kann nicht oder nur sehr bedingt 1:1 übernommen werden (gilt auch als einfallslos), sondern muss erst modifiziert, tragbar gemacht, werden.50

Die Abbildung zeigt einen Loold vom Laufsteg (links mit Kettenhau­be) und rechts von einer Frau, Flo­rence Welch, getragen, welche als Musikerin und Modemuse dekla­riert wird. Das Kleid hat in der Tail­le eine interessante Raffung, die die schlanke Taille verdeckt und (zu­mindest auf dem Bild) an eine „Speckrolle“ erinnert und somit dem herrschenden Schlankheitsbild vollkommen widerspricht! Solche Phänomene beschreibt Sinmiel wie' folgt: „So häßliche und widrige' Dinge sind manchmal modern, als wollte die Mode ihre Macht gerade' dadurch zeigen, daß wir ihretw’egen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

"Abbildung 3: Runway look. Elle " Februar 2012: 89

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

"Abbildung 4: Florence Welch. Elle " Februar 2012: 89

das Abscheulichste auf uns neh-men; gerade ihre Zufälligkeit, mit der sie einmal das

Zweckmäßige, ein andermal das Abstruse, ein drittes Mal das sachlich und ästhetisch ganz Indifferente anbefiehlt, zeigt ihre völlige Gleichgültigkeit gegen die sachlichen Normen des Lebens, womit sie eben auf andere Motivierungen, nämlich die typisch­sozialen als die einzig übrigbleibenden hinweist.“ (Simmel 1986: 182-183)

Es gibt - mittlerweile sehr berühmte - Modeketten wie H&M oder Zara, die sich darauf spezialisiert haben, diese plakativen neuen Looks preiswert und unheimlich schnell in leicht abgewandelter Form und auf Kosten der Qualität zu imitieren. Wenn diese preis­werte Mode in den Läden hängt, ist sie damit einer breiten Masse zugänglich geworden und hat für privilegierte Fashionistas keine Bedeutung mehr, da diese schon dem nächs-ten Trend auf der Spur sind, um sich weiterhin gegen die weniger gut gestellte Bevölke­rung abzugrenzen. Um so hektischer eine Zeit ist, um so schneller Wandeln sich Moden, da stets ein neuer Kick gesucht wird. Bei dem Kapitel über den geschichtlichen Wandel von Schönheitsidealen wird dieser Umstand ebenfalls noch einmal deutlich. So wandel­te sich das Schönheitsideal in den vergangenen Jahrhunderten nur selten. Spätestens seit den Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren Modeerscheinungen rastlo­ser und sind einem immer schnelleren Wandel unterworfen.51

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass Mode und Schönheit Hand in Hand gehen. Auch eine wunderschöne Frau kann durch eine unvorteilhafte Frisur, eine unschöne Brille und unmoderne Kleidung entstellt werden. Umgekehrt gilt für alle Frauen und Männer: zur Figur und zum Typ passende, Vorteile betonende und Nachteile kaschieren­de Kleidung52, eine vorteilhafte Frisur mit einer leuchtenden Farbe und gesundem Glanz und eine, wenn sie denn nötig ist, ebenso vorteilhafte Brille, und dezentes Make Up ver­helfen auch dem weniger schönen Menschen zumindest ein Paar Stufen höher auf der Attraktivitätsskala hinauf. Jeder Mensch hat schöne Seiten und passende Mode rückt sie ins rechte Licht und überspielt weniger Schönes.

[...]


1 vgl. Bourdieu 1987: 40ff.

2 vgl. Guggenberger 1995: 104ff.

3 vgl. Sagner2011: 9ff. und 18f.

4 vgl. Reinhart 2011: 12f.

5 vgl. ebd. 2011: 14ff. Siehe dazu auch folgende Seite: http://malen-malerei.de/proportionsregel- menschen-zeichnen (Stand: 03.09.2012). Hier wird die Lehre von den Proportionen gut veranschaulicht.

6 vgl. Guggenberger 1995: 183ff. und Reinhart 2011: 14ff. und Sagner 2011: 16

7 vgl. Reinhart 2011: 17ff. und Sagner 2011: 16

8 Tournüren erleben heute, in neuer Form, eine kleine Renaissance. So werden gelegentlich „Push Up“ Slips propagiert. Diese heben den Po einerseits an und bringen ihn so in jugendlichere Form (straff), an­dererseits vergrößert ein eingebautes Kissen den Po. Vertrieben werden solche Slips zum Beispiel über OVC:http://www.qvc.de/Push-up-Hose.product.197513.html?orisc=DRIL&sc=197513- DRIL&cm sp-VIEWPOSITION- -2- -197513 (31.7.2012) Natürlich gibt es auch operative Möglich­keiten (Eigenfetteinspritzung u. ä.). Ausgelöst wurde diese Mode durch den runden Hintern von Jennifer Lopez, einer us-amerikanischen Sängerin. Mit der enormen Schlankheit als Ideal, gingen auch die weibli­chen Kurven dahin. Sie vereint Schlankheit und Kurven - eine neue Modeerscheinung.

9 vgl. Reinhart 2011: 19ff. und Sagner 2011: 13ff.

10 Heute ist bekannt, dass übermäßiges Sonnen die Haut schädigt, aber es ist auch für die körpereigene Bildung von Vitamin D und Serotoninen wichtig.

11 vgl. Reinhart 2011: 32ff. und Simmel 1986: 181f.

12 vgl. Reinhart 2011: 32ff. und Sagner 2011: 13 und 17

13 vgl. Reinhart 2011: 38ff. und Sagner 2011: 17

14 vgl. Reinhart 2011: 48ff. und Sagner 2011: 17

15 vgl. Guggenberger 1995: 101ff. und Posch 2009: 45 ff. und Reinhart 2011: 49ff.

16 Beispielsweise die Aerobicvideos, -bücher und -kurse von Jane Fonda.

17 vgl. Reinhart2011: 53ff. und Weiß/LackingerKarger2011: 12f.

18 vgl. Reinhart 2011: 55ff.

19 vgl. Degele 2004: 9ff. und Reinhart 2011: 57ff.

20 vgl. Guggenberger 1995: 111ff. und Reinhart 2011: 57ff.

21 vgl. Reinhart2011: 60ff. und Simmel 1986: 179ff.

22 vgl. Reinhart 2011: 63 f.

23 vgl. Guggenberger 1995: 104ff

24 vgl. Menninghaus 2007: 15 und vgl. Penz 2001: 7

25 vgl. Guggenberger 1995: 101ff. undvgl. Lagneau2006: 164 ff. undvgl. Reinhart 2011: 67ff.

26 Zu diesem Thema ist die charmante Einleitung von Sabine Asgodom's Buch „Das Leben ist zu kurz für Knäckebrot. Selbstbewusst in allen Kleidergrößen“ von 2010 empfehlenswert.

27 Für weiterführende Informationen zu Essstörungen sei hier die Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung http://www.bzga-essstoerungen.de/ empfohlen. Stand: 03.08.2012

28 vgl. Asgodom (2010):4f. und vgl. Reinhart 2011: 72ff.

29 vgl. Conrad/ Rondini (2010): 109ff.

30 vgl. Reinhart 2011: 80f.

31 Vollrath. „Freundin“November 2011: 117

32 Über die merkwürdigen Auswüchse, Risiken, Kosten, Nebenwirkungen und vor allem den tatsächlichen NUTZEN von Schönheitschirurgie und rabiaten Anti-Aging-Methoden informiert das Buch: Schönheit. Die Versprechen der Beauty-Industrie. Nutzen - Risiken - Kosten. von Weiß und Lackinger Karger von 2011. Viele dieser Methoden haben gar keinen wissenschaftlich fundierten Nutzen (beim Abnehmen und Verjüngen), aber zum Teil schwere Nebenwirkungen. So können schon relativ „harmlose“ Entwässerungstees und Abführmittel zwar nicht beim Abnehmen helfen, aber soviel Wasser aus dem Körper schwemmen, das damit der ganze Elektrolythaushalt durcheinander gebracht wird! (vgl. ebd. 263ff.)

33 vgl. Reinhart 2011: 84ff.

34 http://de.wikipedia.org/wiki/Barbie (Stand: 04.08.2012)

35 vgl: Walter 2012: 11ff. undvgl. „Freundin“ 25/2011: 117f. undvgl. Homepage von „Miss Barbie“ http://www.bambolina-angela.de/ (Stand: 04.08.2012)

36 vgl. Reinhart 2011: 87f.

37 vgl. Reinhart 2011: 88

38 Rational Choice ist die Nutzenmaximierung injeder Lebenslage, genutzt vor allem als Familienökono­mie in der Familiensoziologie. Es gibt viele Kritiker, die der Meinung sind, so rational könne man die faktoren des familiären Zusammenspiels nicht betrachten. Ergänzt wird der Rational Choice Ansatz daher durch die Framingansätze (Begriff geht zurück auf Erving Goffman). Solange also alles „im Rahmen“ bleibt, die Beziehung glücklich ist, bezahlt, zum Beispiel, der eine Partner gerne für den anderen mit. Im Rahmen der glücklichen Beziehung wird nicht alles so genau abgewogen. Im Falle eines aufgedeckten Betruges hingegen zerbricht der Frame der glücklichen Beziehung und die Kosten-Nutzen-Kalkulierung gewinnt die Oberhand. Vgl. dazu Becker 1993 a) und b) und Esser 2001: 103 ff. und Esser 2002: 27ff. und Esser 2003: 153ff. und Etzrodt 2000: 761ff. und Hill/ Kopp 2006: 144f. und Kroneberg 2005: 344ff.

39 „Pretty Woman“ von 1989, der Film in dem ein reicher Mann eine Prostituierte vom Straßenstrich heiratet, siehe dazu Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Pretty Woman (Stand: 24.08.2012)

40 vgl. Reinhart 2011: 88f.

41 vgl. Reinhart2011: 89

42 vgl. Reinhart 2011: 89

43 vgl. Guggenberger 1995: 149ff. undvgl. Reinhart2011: 89f.

44 vgl. Simmel 1986: 182ff.

45 vgl. Sagner2011: 10ff.

46 vgl. Barnard 2002: 49ff. und vgl. Reinhart 2011: 148ff.

47 vgl. König 1967: 67ff. undvgl. Simmel 1986: 183ff.

48 vgl. König 1967: 70ff. undvgl. Simmel 1986: 184f.

49 vgl. Simmel 1986: 185f.

50 vgl. Schütte 1999: 30 und 96f. und vgl. Simmel 1986: 184ff. und vgl. „Elle“ Februar 2012: 88f.

51 vgl. Müller 1999: 128ff. undvgl. Simmel 1986: 184ff.

52 Diese Kleidung sollte zwar in einem gewissen Rahmen der Mode entsprechen und nicht aus diesem herausfallen, aber in erster Linie sollte sie zur Person passen. Nichtjeder neue Modeschrei betont die ei­gene Schönheit vorteilhaft.

Ende der Leseprobe aus 112 Seiten

Details

Titel
Schönheitsbilder in Frauenzeitschriften
Untertitel
Eine soziologische Analyse
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Soziologie)
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
112
Katalognummer
V204648
ISBN (eBook)
9783656317517
ISBN (Buch)
9783656319474
Dateigröße
4388 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schönheitsideal, Medienanalyse, Bildanalyse
Arbeit zitieren
Theresa Manitz (Autor:in), 2012, Schönheitsbilder in Frauenzeitschriften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204648

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