Zu Lessings Laokoon


Hausarbeit, 2012

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

Einleitung

Zu Lessings Laokoon

Entstehungsgeschichte der Laokoon- Gruppe
- Eine Kunst ahmt die andere nach

Die Differenzierung der Malerei und der Poesie
- Das Schreien des Laokoon
- Die unterschiedlichen Zeichen der Künste

Freiheit und Schranken
- Das höchte Gesetz der Malerei ist die Schönheit
- Der fruchtbare Augenblick
- Die Malerei kann Hässlichkeit darstellen, will es aber nicht
- Warum darf die Poesie dann Hässlichkeit darstellen?
- Der Ausdruck der Schönheit ist alleinig der Malerei zuteil
- Schilderungssucht
- Die Religion
- Allegorie

Fazit

Kritik

Schluss

Literaturverzeichnis

Einleitung

Am 14.01.1506 stieß Felice de Fredis in seinen Weinbergen auf dem Oppiushügel in Rom auf eine verschüttete spätantike Hausanlage.[1] In ihr befand sich ein Kunstwerk, welches Anlass für zahlreiche Abhandlungen und Aufsätze bot. Die Rede ist von der Laokoon- Gruppe, über die bereits der antike Schriftsteller Plinius in seiner Naturalis Historia 36,37 schrieb.[2]

In der virgilischen Version[3] war Laokoon ein trojanischer Priester der griechischen und römischen Mythologie. Im Krieg der gegen die Trojaner bedienten sich die Griechen einer Kriegslist. Sie gaben vor Troja zu verlassen und der Stadt zur Ehrung der Götter ein hölzernes Pferd zu schenken. Dieses war in Wirklichkeit mit griechischen Kämpfern gefüllt. Als Einziger erkannte Laokoon diese List und warf ein Speer nach dem Pferd, welcher aber abprallte. Die Götter, die Troja dem Untergang geweiht hatten, um an dieser Stelle Rom zu errichten, erzürnte das. Athene schickte daraufhin zwei Schlangen, die Laokoon zusammen mit beiden Söhnen töteten. Die Trojaner sahen darin jedoch eine Strafe der Götter für die Entweihung des Geschenkes und zogen dieses zu ihrem Unglück in die Stadt hinein. Eben diese Tötungsszene ist Thema der Laokoon- Gruppe.

Im 17. Jahrhundert fungierte die Gruppe, die heute zur Vatikanischen Sammlung in Rom gehört, als „leitendes Exemplum in den Debatten über Proportionen, Angemessenheit und vor allem Ausdruck“[4]. Durch Reiseberichte, Stichwerke und (Teil-) Abgüsse verbreitete sich dieses Meisterwerk auch nördlich der Alpen. Es entstand ein umfassenden Fundus zu diesem Thema, was zu einer regelrechten „Laokoon- Konjunktur“[5] führte.

Aus der heutigen Sicht ist der Name Laokoon untrennbar mit den Namen Winkelmann und Lessing verbunden. Diese beiden Autoren stehen im Zentrum eines Paradigmenwechsels, der die Wahrnehmung der Gruppe nachhaltig prägte. Bis 1755 stand der auf kanonische Weise dargestellte Schmerz im Mittelpunkt der Forschung. Ab 1755 änderte sich diese Sichtweise mit den Werken Winkelmanns und Lessings. Nun stand nicht mehr der Ausdruck des Affekts, sondern dessen Kontrolle im Vordergrund.[6]

Des weiteren bot die Untersuchung der Laokoon- Gruppe weitere Forschungspunkte. Lessing beispielsweise erörtert die Schranken der Poesie und der Malerei anhand der Gruppe. Da die Geschichte des Laokoon sowohl in der Malerei, als auch in der Poesie rezipiert wird und zum damligen Wissenskanon gehörte, eignete sie sich für seine Untersuchung hervorragend. Der folgende Aufsatz wird sich mit Lessings Grenzsetzungen der Künste und seinen vorgeschlagenen Regeln auseinander setzen.

Zu Lessings Laokoon

Gotthold Ephraim Lessing begann 1763 mit seiner Aufsatzsammlung Laokoon , die er 1766 veröffentlichte. Seine Aufsätze, so erklärt er selbst, entstanden durch die Folge seiner Lektüre und nicht durch die methodische Entwicklung allgemeiner Grundsätze, für ihn handelt es sich um ein Raisonnement.[7] Es ist eine der wichtigesten Schriften zur Differenzierung der Künste im 18. Jahrhundert.

Lessing, der als `Fürsprecher´ der Poesie gilt, wendet sich in seinem Laokoon gegen die “unreflektierte Gleichsetzung von Malerei[8] und Dichtung.”[9] Bereits zu Beginn seiner Aufsätze kritisiert er die Kunstrichter seiner Zeit. Diese setzten zwischen der Dichtkunst und der bildende Kunst keine, bzw. kaum Schranken, als gäbe es keine Unterschiede zwischen ihnen. “Bald zwingen sie die Poesie in die engern Schranken der Malerei; bald lassen sie die Malerei die ganze weite Sphäre der Poesie füllen.”[10] Diese Gleichsetzung führt, laut Lessing, zur Schilderungssucht in der Poesie und zur Allegoristerei in der Malerei. Mittels der Differenzierung der Zeichen von Bild und Wort, sowie den Begriffen “Handlung” und “Täuschung”, versucht er den Künsten Schranken zu setzen, um somit die Allegoristerei und Schilderungssucht zu bekämpfen.[11] Auf der anderen Seite erkennt man auch eine andere Absicht in seinem Raisonnement. Lessing versucht nicht nur die Kunst seiner Zeit zu polemisieren, sondern auch das, wofür diese Kunst steht.

Entstehungsgeschichte der Laokoon- Gruppe

Wann genau dieses herausragende Kunstwerk gemacht wurde ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Die neuere Forschung geht davon aus, dass es sich bei der Skulpturengruppe um ein späthellenistisches Werk handelt und ca. 30 v.Chr. geschaffen wurde.[12] Aus der einzige schriftliche Quelle[13] der Antike über den Laokoon erfahren wir zwar wo dieses Kunstwerk zur Zeit des Plinius stand (im Palast des Titus) und wer es gemacht hat (die Rhodier Hagesander, Polydorus und Athenedorus), eine Zeitangabe der Erschaffung fehlt leider. Dafür erkennt man Plinius Bewunderung für die Laokoongruppe (sie sei allen Werken der Malerei und Bildhauerei vorzuzuiehen) und erfährt, dass er annahm, dass sie aus einem Steinblock gemeißelt wurde. (“Nec deinde multo plurium fama est, quorundam claritati in operibus eximiis obstante numero artificum, quoniam nec unus occupat gloriam nec plures pariter nuncupari possunt, sicut in Laocoonte qui est in Titi imeratoris domo, opus omnibus et picturae et statuariae artis praeferendum. Ex uno lapide eum ac liberos draconumque mirabiles nexus de consilii sentitia fecere summi artifices Hagesander et Polydorus et Athenodorus Rhodii.”[14])

Lessing versucht, wie viele andere Wissenschaftler, die Frage der Datierung[15] zu klären.

Als Winckelmanns Werk “Geschichte der Kunst des Altertums” erscheint, untersucht Lessing das Werk Winckelmanns auf eben diese Frage und widmet ihr das XXVI. Kapitel. Winckelmann ordnet die Laokoon- Gruppe in die Zeit Alexander des Großen ein.[16] Lessing hingegen ist der Annahme, wie er schon in Kapitel V. schreibt, dass Plinius in seinem Bericht von neueren Artisten spricht, obwohl es keine deutliche Zeitangabe gibt. Denn hätte die Gruppe in Griechenland gestanden, warum gebe es dann keine Berichte der Griechen über diese vortreffliche Skulptur? In Rom konnte sie indes im Verborgenen bleiben. Dabei zitiert er Plinius: `[...] Romae quidem magnitudo operum eam obliterat, ac magni officiorum negotiorumque acervi omnes a contemplatione talium abducunt [...]`. Er übersetzt es wie folgt: “[...] In Rom aber verschwindet sie unter der Menge der Kunstwerke, und die Fülle der Verpflichtungen und Geschäfte lenkt alle von der Betrachtung solcher Dinge ab [...]”[17]

Seine Annahme bestärkt er mit dem Fund einer Vase, welche 1717 gefunden wurde. Auf ihr stand ´Athanodorus, des Agesanders Sohn, aus Rhodus, hat es gemacht.`[18] Zwar berichtet Plinius von dieser Art Inschrift bei den älteren Künstlern, doch gab es von ihnen, laut Plinius, nur drei Stück. Das des Athenodorus gehört allerdings nicht dazu, weswegen Lessing ihn in eine spätere Zeit einordnen will- in die Zeit kurz vor oder unter den Kaisern, also lange nach der Zeit des Alexanders.[19]

Als Ausgangspunkt seiner Untersuchung zur Datierung steht die Annahme, dass der Laokoon-Gruppe die Aeneis des Virgil als Vorbild gedient habe. In diesem Zusammenhang versucht er das Problem der Nachahmung zu lösen.

Eine Kunst ahmt die andere nach

Auf Grund der Übereinstimmung der Laokoon- Gruppe mit der Dichtung der Aeneis vermuteten, bzw. vermuten Wissenschaftler, dass eine Kunst die andere nachgeahmt habe. Einige halten die Annahme wahrscheinlicher, dass der Dichter den ersten Gedanke hatte und die Malerei somit die Poesie nachgeahmt habe.[20]

Lessing führt eine weitere Möglichkeit an. Statt der gegenseitigen Nachahmung der Künste, können sich beide einer älteren Quelle bedient haben.[21] Nach Macrobio wäre Pisander diese Quelle. Diese ist allerdings verloren gegegangen.[22]

Lessing vergleicht nun in seinem V. Kapitel die Textvorlage des Virgils- der einzige und erste Dichter, der den Vater und die Söhne von den Schlangen töten lässt- mit dem ausgeführten Kunstwerk.

Lessing fragt sich, wer den Knoten der Schlangen erfunden habe. Seine erste Hypothese: Es könnten beide gewesen sein. Die Schlangen des Virgil schnüren sich aber doppelt um den Hals und Leib des tojanischen Priesters. Dieses Bild ist für den bildenden Künstler ungeeignet, da so der Schmerz des Körpers nicht mehr sichtbar wäre. Aus diesem Grund lässt der Maler auch die priesterlichen Ornate, wie sie in der virgilischen Dichtung vorkommen, weg und zeigt den Laokoon nackt. Der Dichter hingegen versteckt durch die Bekleidung nichts, die Einbildungskraft kann trotzdem durch alles hindurch sehen. In der Malerei würde die Schmerzensdarstellung stark an Wirkung verlieren oder gänzlich unkenntlich werden. Sogar die Binde des Laokoons lässt der bildende Künstler weg, um den Verlust des Ausdrucks zu vermeiden. Lessing geht noch weiter und stellt eine rhetorische Frage: “Not erfand die Kleider, und was hat die Kunst mit der Not zu tun?”[23]

In Kapitel VI. stellt Lessing die These auf, dass die Malerei die Poesie nachgeahmt habe. Damit denunziert er die bildende Kunst aber nicht, sondern gesteht ihr eine gewisse Weisheit zu, da sie die Poesie “in schönsten Lichte”[24] nachahme. Die Maler hatten zwar ein Vorbild, konnten aber durch die Übersetzung in eine andere Kunst selber denken und genug von ihrem Können beweisen.

Warum kam Lessing zu diesem Schluss?[25] Die Annahme, die Dichtkunst habe die Malerei nachgeahmt, scheint Lessing unwahrscheinlich. Er konnte sich nicht vorstellen, warum die Poesie in ihrer Nachahmung vom Original abweichen solle. Immerhin will und kann sie in ihrer Nachahmung ähnlich bleiben. Warum also sollte der Knoten in der Poesie anders geschildert werden und warum solle er das Seufzen in ein Schreien abändern? Gleichermaßen hätte der Dichter die Windungen der Schlangen nicht verändern müssen.

[...]


[1] Schmälzle, Christoph (Hrsg.): Mamor in Bewegung. Ansichten der Laokoon-Gruppe. Frankfurt am Mein, Basel. 2006. S. 6.

[2] Plinius: Naturalis Historia 36, 37.

[3] Virgil: Aeneis. Buch 2.

[4] Schmälzle: Mamor in Bewegung. S. 10.

[5] Ebd. S. 11.

[6] Ebd.

[7] Lessing, Gotthold Ephraim: Laokoon. Oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. Hrsg. u. mit e. Nachw. vers. von Kurt Wölfel. Frankfurt am Main. 1988. S. 11.

[8] Mit “ Malerei” meint Lessing alle Arten der bildende Kunst, insbesondere die Bildhauerei

[9] Mookyu, Kim: Mediale Konfigurationen. Ein Beitrag zur Theorie der Intermedialität. Diss. Universität Konstanz. 2002. S.22.

[10] Ebd. S.10.

[11] Vgl.: Mookyu: Mediale Konfigurationen. S.22.

[12] Stocka, Volker Michael: Zur Datierung der Sperlonga-Gruppen und des Laokoon. Gedenkschrift für Andreas Linfert: hellenistische Gruppen. Mainz. 1999. S.307.

[13] Plinius: Naturalis Historia 36, 37.

[14] Plinius: Naturalis Historia 36, 37.

[15] Lessing: Laokoon. S.40-51.

[16] Ebd. S.176.

[17] Ebd. S.183. (Die Kürzungen der Zitate wurde von mir vorgenommen)

[18] Ebd. S.184.

[19] Ebd. S.184-190.

[20] Lessing: Laokoon. S.40f.

[21] Ebd. S.40.

[22] Ebd. S.40.

[23] Ebd. S.51.

[24] Ebd. S.52.

[25] Ebd. S.52-58.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Zu Lessings Laokoon
Hochschule
Universität Stuttgart  (Kunstgeschichte)
Veranstaltung
Die Kunst der Goethezeit
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
22
Katalognummer
V204504
ISBN (eBook)
9783656304692
ISBN (Buch)
9783656306627
Dateigröße
1261 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gotthold Ephraim Lessing, Laokoon, Kunsttheorie, Paragone, Goethezeit, Lessing, Kunstgeschichte, Kunststreit, Kunstwettbewerb
Arbeit zitieren
Tamara Volgger (Autor:in), 2012, Zu Lessings Laokoon , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204504

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