Leseprobe
INHALT
1 Einleitung
2 Kontrastiver Vergleich der deutschen und der türkischen Sprache
2.1 Phonographematik
2.1.1 Alphabet
2.1.2 Betonung
2.1.3 Silbenstruktur
2.2 Morphosyntax
2.2.1 Wortbildung
2.2.2 Wortarten
2.2.3 Groß- und Kleinschreibung
2.2.4 Syntax
2.2.5 Zeichensetzung
2.3 Lexik und Semantik
3 Fehleranalyse eines Schülertextes
3.1 Abschrift des Schülertextes
3.2 Fehleranalyse
4 Mögliche Sprachfördermaßnahmen
5 Fazit
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG
1 Einleitung
Jede neue Sprache ist wie ein offenes Fenster,
das einen neuen Ausblick auf die Welt eröffnet
und die Lebensauffassung weitet.“
Frank Harris[1]
Während die Zahl der Migranten in der BRD im Jahre 1998 noch bei 7,32 Mio. lag, was 8,9f% der Gesamtbevölkerung entsprach (vgl. Ünsal & Fox 2002, S. 10), ist sie innerhalb von nur 12 Jahren auf 15,6 Mio. Personen und somit 19 % der Bürger Deutschlands angestiegen (vgl. Bundesregierung 2010, S. 37). Von diesen sprechen etwa zwei Millionen in erster, zweiter oder dritter Generation Türkisch. Laut Sirim 2008 halten die türkischen Einwanderer in hohem Maße an ihrer Herkunftssprache fest, was sich darin zeigt, dass mehr als drei Viertel der Hamburger Grundschüler[2] aus dieser Migrationsgruppe zuhause primär diese Sprache sprechen (vgl. Sirim 2008, S. 227). Die Daten verdeutlichen anschaulich die Notwendigkeit einer Sensibilisierung von Lehrkräften für den Umgang mit den spezifischen Problemen, welche die immer größer werdende Sprachheterogenität in ihren Klassen mit sich bringt. Um für alle Kinder gleichermaßen ein erfolgreiches Lernen ermöglichen zu können, ist es unerlässlich, dass sich Lehrer auch mit den Strukturen der Erstsprachen ihrer Schüler auseinandersetzen, da diese den Erwerb des Deutschen als Zweitsprache beeinflussen (vgl. Edmondson & House 2006, S. 218). „Die Textproduktionen von DaZ-Lernern weisen oft eine große Zahl an orthografischen Fehlern auf, deren Herkunft für Lehrende manchmal schwer nachvollziehbar ist“ (Dahmen i.D., S. 1). Lehrer müssen dazu in der Lage sein, diese Fehler korrekt klassifizieren zu können, um so die Leistungen ihrer Schüler einschätzen und bewerten zu können (vgl. ebd., S. 1). Nur auf diese Weise kann es ihnen gelingen, alle Kinder in ihrem Entwicklungsstand gezielt zu unterstützen.
„Uns Lehrenden erlauben die Fehler - im Vergleich auch mit den richtigen Schreibungen - Aufschlüsse über die sich differenzierende Vorstellung de [s] Lernenden von Schrift und seine Orientierung beim Schreiben“ (Dehn & Hüttis-Graff 2000, S. 23).
Im Rahmen des Seminars ‘Sprachen im Kontrast‘ von Magdalena Michalak an der Leuphana Universität Lüneburg war es Aufgabe einiger Studierender exemplarische Sprachen zu untersuchen, mit der deutschen Sprache zu vergleichen und ihre Ergebnisse in Form von Referaten dem Plenum zu präsentieren. Darauf aufbauend wurden gemeinsam Fehleranalysen an Texten von Schülern nicht-deutscher Erstsprache durchgeführt und anschließend Fördermaßnahmen entwickelt. Eine mögliche Form des Leistungsnachweises im Modul bestand darin, die eigene Präsentation inklusive der Workshopergebnisse zu einer Hausarbeit auszubauen. Dies haben wir in der vorliegenden schriftlichen Ausarbeitung durchgeführt.
Im Folgenden werden nun zunächst die türkische und die deutsche Sprache auf ihre Unterschiede hin verglichen. Im Anschluss daran wird der Text einer türkischstämmigen Schülerin nach Kleppin 1998 und Kniffka 2010 analysiert und abschließend ein individueller Förderplan für das Kind entwickelt.
2 Kontrastiver Vergleich der deutschen und der türkischen Sprache
Sowohl das Deutsche als auch das Türkische wird zu den synthetischen Sprachen gezählt. Die Erstgenannte gehört hierbei innerhalb der sogenannten indogermanischen Sprachfamilie der germanischen Untergruppe an, zu welcher unter anderem ebenfalls das Englische, Holländische und Dänische gezählt werden (vgl. Bodmer 1997, S. 181). Zusätzlich lässt sich die deutsche Sprache als flektierend (wobei das Flexionssystem sich erheblich von dem anderer flektierender Sprachen unterscheidet) und auch als agglutinierend bezeichnen, da sowohl von Wurzelveränderungen als auch Affixen grammatikalische Funktionen übernommen werden (vgl. Rieder 2000, S. 21).
Die türkische Sprache gehört dahingegen der turko-tartarischen Sprachfamilie an, zu welcher auch das Tartarische, Kirgisische und das Aserbaidschanische zu zählen sind (vgl. Bodmer 1997, S. 182) und stellt dort die wichtigste und größte Sprache dar. Darüber hinaus ist diese Sprache von agglutinierendem Typus mit stark polysynthetischer Komponente und gilt als deren reinste Verkörperung. Agglutination bedeutet, dass Wurzwurzeln durch Suffixe erweitert werden. Hierbei werden jedoch nicht grundsätzlich kleinere, selbstständige Wortgruppen gebildet, sondern mitunter ein einziges, kompliziert zusammengesetztes Wortganzes, welches mit abschließendem Zeitsuffix zu einem kompletten Satz wird (vgl. Rieder 2000, S. 51):
İyileştiremediklerimizden = Weil wir ihn/sie nicht gesund machen konnten.
2.1 Phonographematik
Seit der von Kemal Atatürk im Jahre 1928 durchgeführten Schriftreform verwenden beide Sprachen das lateinische Alphabet (vgl. Rieder 2000, S. 50).
2.1.1 Alphabet
Das deutsche Alphabet besteht aus insgesamt 30 Buchstaben, wobei jeder jeweils groß- und kleingeschrieben existiert[3]
a ä b c d e f g h i j k l m n o ö p q u r s ß t u ü v w x y z
Hiervon sind fünf Zeichen Vokale mit insgesamt 16 verschiedenen Qualitäten und drei Umlaute. Generell existiert im Deutschen zwischen den Graphemen und Phonemen keine eindeutige Zuordnung, da den Schriftzeichen insgesamt 40 Laute zugeordnet werden können, was dazu führt, dass zum Beispiel das Phonem [f] auf Schriftebene sowohl den Repräsentanten <f>, als auch <v> haben kann. Zudem kennt die deutsche Sprache drei Diphtonge, welche in fünf geschriebenen Formen auftreten können. Dieses Phänomen taucht in der türkischen Sprache jedoch nicht auf (vgl. Rieder 2000, S. 22 ff.).
Das unten aufgeführte türkische Alphabet weist im ganzen 29 Schriftzeichen auf, die im Gegensatz zum Deutschen eine absolut eindeutige Phonem-Graphem-Korrespondenz aufweisen. Von den Buchstaben sind sechs Vokale und zwei Umlaute, die wiederum hell (<e> <i> <ö> <ü>) oder dunkel (<a> <ı> <o> <u>) sein können. Die Vokale werden zudem grundsätzlich kurz gesprochen und weisen daher nicht wie im Deutschen eine bedeutungsunterscheidende Länge auf:
a b c ç d e f g ğ h ı i j k l m n o ö p r s ş t u ü v y z (vgl. Rieder 2000, S. 54 ff.)
Folgende in beiden Sprachen verwendeten Konsonantengrapheme weisen deutliche Unterschiede in ihrer Zuordnung zu Phonemen auf und sollen daher hier gesondert aufgeführt werden:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Identische Konsonantengrapheme mit unterschiedlicher Lautung
2.1.2 Betonung
In der deutschen Sprache konzentriert sich die Schallfülle bei mehrsilbigen Wörtern in der Regel auf eine Silbe, weil innerhalb eines Wortes ein Betonungsgefälle existiert. Jedes deutsche Wort kann nur eine Betonung haben und betonbar sind potenziell alle Silben, die keinen Schwa enthalten. Hierbei weisen über 90% der deutschen Wörter eine trochäische Struktur auf (betonte Silbe + unbetonte Silbe) (vgl. Röber-Siekmeyer 2002, S. 339 ff.), der Wortakzent kann jedoch auch distinktiv sein (vgl. Huneke & Steinig 2005, S. 52):
umfahren vs. umfahren
Auch im Türkischen kann sich die Betonung auf eine Silbe konzentrieren und dem deutschen Hörer mag so unter Umständen insbesondere die letzte Wortsilbe auffallen, an sich verteilt sich der Akzent relativ gleichmäßig über alle Silben und der Unterschied zwischen betonten und unbetonten ist daher geringer als im Deutschen (vgl. Ersen-Rasch 2004, S. 14 und Rieder 2000, S. 58).
2.1.3 Silbenstruktur
Deutsche Silben erlauben Cluster von bis zu drei Konsonanten hintereinander im Anfangs- sowie bis zu fünf im Endrand (vgl. Huneke & Steinig 2005, S. 52). Die türkische Sprache kennt Konsonantenverbindungen im Anlaut dahingegen nicht und auch im Auslaut sind ihr mehr als zwei Konsonanten hintereinander fremd (vgl. Rieder 2000, S. 60). Ähnlich ist es mit Doppelvokalen, die im Gegensatz zum Deutschen hier nur in zusammengesetzten Wörtern oder Lehnwörtern vorkommen. Tauchen sie auf, so werden auch beide Vokale voll artikuliert (vgl. Ersen-Rasch 2004, S. 5).
2.2 Morphosyntax
2.2.1 Wortbildung
Die deutsche Sprache verfügt mit der Komposition, Derivation, Konversion und Kurzwortbildung über insgesamt vier Möglichkeiten zur Bildung neuer Wörter (vgl. Huneke & Steinig 2005, S. 55), während das Türkische hier nur die beiden erstgenannten kennt. Türkische Komposita bestehen, anders als deutsche, maximal aus zwei Wörtern und werden zumeist getrennt geschrieben (vgl. Ersen-Rasch 2004, S. 261). Die Derivation in der türkischen Sprache unterliegt den Regeln der sogenannten Vokalharmonie. Diese besagt, dass die erste Silbe eines Wortes festlegt, ob der Vokal der folgenden Silben ein heller oder dunkler sein wird (vgl. ebd., S. 2), da alle Vokale eines Wortes sich einander angleichen (vgl. Ünsal & Fox 2002, S. 11).
Wie oben bereits erwähnt, werden die Wörter im Türkischen aufgrund der agglutinierenden Wort- und Satzbildung durch Aneinanderreihung einzelner Morpheme konstruiert:
Uyumuyacaksınız = Sie werden nicht einschlafen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der türkischen Sprache stehen zur Wortbildung und als Beziehungsmittel ausschließlich Suffixe zur Verfügung, während das Deutsche Präfixe (un-, ...), Suffixe (-er, ...) und Zirkumfixe (ge- -e, ...) für Wortbildung und Flexion aufweist (vgl. Rieder 2000, S. 32).
2.2.2 Wortarten
Im Deutschen existieren für die Nomen drei Genera sowie bestimmte und unbestimmte Artikel (vgl. Huneke & Steinig 2005, S. 53), wohingegen die türkische Sprache allenfalls den unbestimmten Artikel in Form des Zahlwortes „bir“ kennt, welches gelegentlich als solcher Verwendung findet. Es wird hierbei jedoch nie dekliniert und auch nicht verneint. Das Geschlecht bleibt auch bei Lebewesen in der Regel unbezeichnet und wird höchstens durch vorangestellte Wörter wie „kadın“ (Frau) oder „erkek“ (Mann) markiert (vgl. Rieder 2000, S. 62).
Die Deklination ist in der deutschen Sprache recht unregelmäßig und kann auch Änderungen des Wortstammes mit sich bringen. Im Türkischen gibt es neben Nominativ, Genitiv, Dativ und Akkusativ zusätzlich noch den sogenannten Lokativ und Ablativ. Hier erfolgt die Deklinierung der Nomen für alle Wörter identisch über Suffigierung, wobei lediglich auf die schon genannte Vokalharmonie geachtet werden muss. Auch die Pluralbildung erfolgt dort wesentlich einfacher und übersichtlicher ausschließlich über die Suffixe -ler bzw. -lar:
[...]
[1] VNR Verlag für die Deutsche Wirtschaft AG 2010
[2] Im Folgenden wird zur erhöhten Leserfreundlichkeit ausschließlich das generische Maskulinum verwendet.
[3] Der Übersichtlichkeit halber werden an dieser Stelle lediglich die kleinen Repräsentanten aufgelistet.
- Arbeit zitieren
- Nicola Hengels (Autor:in)Nina Kuchenbecker (Autor:in), 2010, Vergleich der deutschen und der türkischen Sprache mit anschließender Fehleranalyse eines Schülertextes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204415
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