Von Meditation begleitetes Leben

Eine qualitative Forschung zu subjektiven Erfahrungen mit meditativer Praxis


Diplomarbeit, 1999

171 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG

2 MEDITATION - EINE ANNÄHERUNG
2.1 Zustand oder Technik?
2.2 „Mind culture” - Schulung des Geistes mittels anderer Bewubtseinszustände?
2.2.1 Meditation strebt Ziele jenseits der Entspannung an
2.2.2 Wozu ein Bewußtseinstraining dieser Art?
2.3 Systematisierungsversuche
2.3.1 Am Fortschreiten der Meditation orientierte Einteilungsversuche
2.3.2 Beispiel eines, an der Erkenntnis-, bzw. der Einsichtsebene orientierten, Klassifikationsversuches
2.4 Meditation und verwandte Praktiken
2.5 Anthropologisch, religiöser Rückblick
2.6 Meditation als Gegenstand psychologischer Forschung
2.7 Stabilisierendes Potential - Entwicklungspotential
2.7.1 Mit Meditation Defizite ausgleichen
2.7.2 Entwicklungspotential für das Selbst
2.7.3 Entwicklungspsychologische Perspektiven? - Ein Exkurs in die Transpersonale Psychologie
2.8 Psychotherapeutische Potentiale
2.8.1 Therapeutische Nutzung des meditativen Bilderlebens
2.9 Risiken
2.10 Bewertung in Hinblick auf unser Forschungsvorhaben

3 METHODIK
3.1 Vorüberlegungen zur Methodik
3.1.1 Die Grounded Theory (Strauß & Corbin, 1996)
3.2 Datenerhebung
3.2.1 Auswahl einer angemessenen Datenerhebungsmethode
3.2.2 Das Problemzentrierte Interview
3.2.3 Auswahl der Gesprächspartner
3.2.4 Methodisch-technische Umsetzung der Interviews
3.2.5 Unsere Grundhaltung im Interview
3.2.6 DerInterviewverlauf
3.2.7 Transkription der Interviews
3.3 Datenanalyse
3.3.1 Offenes Kodieren
3.3.2 Versuch des axialen Kodierens
3.3.3 Analyse auf Gemeinsamkeiten
3.3.4 Dimensionalisierung der zentralen Aspekte des Forschungsgegenstandes
3.3.5 Theoriebildung

4 FORSCHUNGSERGEBNISSE
4.1 Herangehensweise an Meditation
4.1.1 Die spontane, unverbindliche Annäherung an Meditation
4.1.2 Geplante, aktive Annäherung
4.1.3 Zusammenfas sung
4.2 Zunehmendes Verstehen meditativer Erlebnisse
4.2.1 Gegenstandslos-diffuse Meditationserlebnisse
4.2.2 Für die Meditierenden werden Erlebnisse fassbarer, konkreter und persönlich bedeutsamer
4.2.3 Erkenntnisartig, komplex-begreifende meditative Erlebnisse
4.3 Wahrgenommene Auswirkungen von Meditation (auf Körper und Alltag) und deren Verarbeitung
4.3.1 (diffuse) Empfindungen
4.3.2 Konkret benennbare, veränderte Selbstwahrnehmung
4.3.3 Bearbeitete Wahrnehmung
4.3.4 Konzeptualisierte Erfahrungen
4.4 Zunehmende, an der subjektiven Bedürfnislage orientierte, Verfügbarmachung meditativer Praktiken
4.4.1 Anfänglich, relativ unreflektiertes, formal-rituelles Ausüben einer Meditationspraxis
4.4.2 Von persönlicher/intellektueller Auseinandersetzung gekennzeichnete Praxis
4.4.3 Subjektdominierte Praxis
4.4.4 Praxis nach subjektgeleiteten Methodenkreationen
4.5 Intellekt versus Glauben
4.5.1 Aneignung von Welt durch Verstehen
4.5.2 Aneignung von Welt durch Glauben
4.5.3 Zusammenfas sung
4.6 Verunsicherungen, Zweifel und klare Distanzierung von der Meditation und der dazugehörigen Lehre
4.6.1 Irritationen und Verunsicherungen
4.6.2 Eindeutige Distanzierungen und Ablehnung von Glaubensinhalten
4.6.3 Umgang mit Zweifel und Distanzierungen
4.7 Meditation nimmt Einflub auf die Gestaltung von sozialen Kontakten
4.7.1 Individualistisch-impulsive Herangehensweise mit sporadischen Kontakten zu anderen Meditierenden
4.7.2 „Einbettet Sein“ in neuen Strukturen
4.7.3 Vernetzung bietet Unterstützung durch andere Meditierende
4.7.4 Meditativ-buddhistisch dominierter Lebensweg
4.8 Weitergabe von Wissen, Erfahrungen und Erlebnissen an Aubenstehende
4.8.1 Spontane Begeisterung
4.8.2 Intentionale Weitergabe von Erfahrungen und Inhalten der Lehre
4.8.3 Die partnerzentrierte Weitergabe
4.9 Kognitive Merkmale einer (buddhistischen) Meditationsbiographie
4.9.1 Verortung von Vergangenem
4.9.2 Zukunftsbezogene Verortung - Vertagen auf später
4.9.3 Wiedergabe der Lehre / Übernahme der Terminologie
4.9.4 Aktuelle Einstellungen/Meinungen bezüglich Meditation/Buddhismus
4.9.5 Ansprüche

5 ZUSAMMENFASSUNG UND DISKUSSION
5.1 Interpretation und Zusammenfassung unserer Ergebnisse
5.1.1 Die anfängliche Meditationsbiographie lebt von einer relativ unreflektierten, gefühlsdominierten Aneignung von meditativer Praxis
5.1.2 Selbstwahrnehmung und Bewußtwerdung
5.1.3 Resümee und Ausblick
5.2 SCHLUßBETRACHTUNGEN - BERÜHRUNGSPUNKTE MIT BESTEHENDEN ABHANDLUNGEN UND Forschungsarbeiten über Meditation

6 GLOSSAR

LITERATURVERZEICHNIS

Vorbemerkungen

Danksagung

Mit den ersten Zeilen unserer Arbeit wollen wir uns zunächst bei unseren Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern für ihre Bereitschaft bedanken, an den Forschungsinterviews teilzunehmen. Gefreut haben wir uns über die Offenheit, die uns entgegengebracht wurde. Die einzelnen Interviews haben wir als spannend und als persönlich bereichernd erlebt.

Hinweise

Verwendung von geschlechtsbezogenen Begriffen

Bei dem Verfassen unserer Diplomarbeit haben wir, der besseren Lesbarkeit wegen, auf die parallele Verwendung von männlichen und weiblichen Bezeichnungen verzichtet. Wenn es nicht darum ging einen Begriff geschlechtsspezifisch einzuengen, haben wir die, im allgemeinen Sprachgebrauch üblichere Form der männlichen Bezeichnung verwendet. Es ist uns wichtig darauf hinzuweisen, daß wir damit in keinem Falle eine Ab- oder Aufwertung eines Geschlechtes vornehmen wollen.

Abkürzungen und Zeichen

Begriffe ,die mit einem Stern (Begriff*) versehen sind, werden im Glossar näher erläutert.

1 Einleitung

Den ersten persönlichen Kontakt mit Meditation hatten wir vor einigen Jahren, auf einer Reise durch Südostasien. Vor allem in Thailand faszinierte uns, wie sehr Spiritualität, Buddhismus und Meditation im Leben der Menschen eine noch immer bedeutsame Rolle spielt. Trotz fortschreitender Industrialisierung, die sich in chaotischen Bauvorhaben, glitzernden Shopping-malls und steigendem Verkehrsaufkommen zeigt, finden sich - selbst in einer Millionenstadt wie Bangkok - Orte, an denen Menschen in Tempeln mit enormer Ruhe und Gelassenheit meditieren. Es schien uns, als ob der in der Kultur tief verwurzelte Buddhismus den Auswüchsen der modernen, kapitalistischen Gesellschaft etwas entgegenzusetzen vermag.

In geringerem Umfang meinen wir auch in unserer, westlichen Gesellschaft Strömungen wahrzunehmen, die unserer zunehmend rationaler werdenden, entspiritualisierten Welt begegnen wollen. In dem Maße wie das allgemeine Interesse an tradierten, christlichen Glaubensformen abnimmt[1], scheinen andere spirituelle Wege Zulauf zu finden. Neben zahlreichen spirituellen und „esoterischen“ Schulen[2] kommt den traditionellen, südostasiatischen Methoden, wie Meditation oder Yoga eine besondere Bedeutung zu. Sie genießen auch bei uns eine hohe Akzeptanz: Das Erlernen dieser Methoden wird nicht nur in Esoterischen Magazinen angeboten, sondern hat Einzug genommen in Volkshochschulen, sozialpsychiatrischen Einrichtungen und vereinzelt sogar in christlichen Kirchengemeinden.

Die psychologische Monatszeitschrift „Psychologie Heute“ widmete sich in ihrer Juni­Ausgabe 1999 ausführlich diesem Trend zu „fernöstlichen“ Methoden. In seinem Beitrag „Wege und Irrwege der Spiritualität“ sucht Christian Scharfetter nach Erklärungen für das wachsende Interesse des Westens an Spiritualität und meditativen Praktiken: „Das für die westliche Kultur der Aufklärungs- und Nachaufklärungszeit charakteristische Denken und Fühlen ist eindimensional. Dem rationalen, logisch orientierten Bewußtsein fehlt vor allem die spirituelle Tiefendimension: So ist die Öffnung für ein anderes, weiteres Wahrnehmen, Spüren, Sichberührenlassen verkümmert oder verlorengegangen. Diese ,Ander-Welt‘ ist aber ein kulturelles Menschheitserbe - wir müssen respektieren, daß die menschenmöglichen Erfahrungs­und Bewußtseinsbereiche umfassender sind, als es das Tageswachbewußtsein unserer technisierten Zivilisation ahnt und erkennt“ (Scharfetter, 1999, S.21-22).

Die Idee, unsere Diplomarbeit über Meditation zu schreiben entstand letztlich auf Grund eigener Erfahrungen mit Meditation, angeregt durch die Teilnahme an einem zehntägigen Meditationskurs (Vipassana-Retreat*) in Thailand. An uns selber spürten wir, welche Kraft die Methode der Meditation besitzen kann: Eine vermeintlich einfache Übung, die Betrachtung des Atems, entwickelte sich zum Tor, für innere Erkenntnisse und Erfahrungen. Durch nichtbewertendes Betrachten von aufsteigenden Bildern, Gefühlen und Gedanken erreichten wir eine Art der Selbstexploration, die uns in vielem an Psychotherapie erinnerte.

In der Tat haben sich in den letzten Jahren im „Westen“ neue Richtungen im Buddhismus entwickelt, die traditionelle fernöstlich-buddhistische Meditation mit Psychotherapie verbinden.[3] Umgekehrt gibt es auch eine Hinwendung der westlichen Therapien zum Feld der Meditation. Als Beispiel seien hier angeführt: Yoga gegen Rückenschmerzen, Atemübungen zur Streßbewältigung und Schmerzbehandlung sowie Traumreisen (geleitete Meditationen) als psychotherapeutische Methode zur Herstellung eines Kontakts zum Un- und Vorbewußten. Auf die Ähnlichkeiten und Unterschiede von Psychotherapie und Meditation werden wir in Kapitel 2 näher eingehen.

Wenn westliche Psychologen oder Mediziner die Auswirkungen von Meditation wissenschaftlich erforschen, stehen oft körperliche oder psychische Phänomene im Vordergrund, wie beispielsweise Auswirkungen auf Ängste, Bewußtsein oder körperlicher Gesundheit [4]. Meßbare Veränderungen einzelner Phänomene werden dabei jedoch oft isoliert vom Leben des Praktizierenden betrachtet. Untersuchungen, die das komplexe Wechselspiel, zwischen Meditierendem, seiner spezifischen Biographie, der Meditationsmethode sowie den theoretischen Konzepten (z.B. dem buddhistischen Glauben) in Betracht ziehen, gibt es kaum.

Wir bemühten uns einen Forschungsweg einzuschlagen, der dieses Wechselspiel berücksichtigt. Ziel war, die von den Praktizierenden wahrgenommenen Auswirkungen von Meditation auf ihr Leben zu studieren und dabei auch Erfahrungen Raum zu geben, die nicht in vorab konstruierte psychologische, medizinische oder religiöse Parameter passen.

So entstand unsere Forschungsfrage, mit der wir den subjektiven Erfahrungen von Meditierenden nachgehen und nach zentralen Gemeinsamkeiten suchen wollten. In den Interviews wurde dabei deutlich, daß die von uns befragten Meditierenden keine klare Trennung von Meditation und der sie umgebenden Theorie/Religion machen; wir konnten also die Auswirkungen von Meditation nur im Zusammenhang mit ihrem Glauben, dem Buddhismus beforschen. Aus diesem Grund entwickelten wir den Begriff des „meditativ-buddhistischen Feldes“.

Zunächst werden wir uns im Kapitel 2 unserer Arbeit dem Begriff „Meditation“ annähern. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels geben wir einen Überblick über relevante Forschungen und Theorien zu Meditation. Im darauf folgendem Kapitel 3 beschreiben wir die von uns verwandten Forschungsmethoden. Neben den theoretischen Konzepten, erläutern wir die Instrumente der Datenerhebung, vor allem das Interviewverfahren sowie unsere Methoden der Datenanalyse.

Im vierten Kapitel legen wir unsere Forschungsergebnisse dar. Die Überschriften, die das Kapitel untergliedern, repräsentieren die von uns herausgearbeiteten, zentralen Phänomene, die wir als „zentrale Aspekte unseres Forschungsgegenstandes“ bezeichnet haben. In den Unterpunkten werden diese Forschungsaspekte näher erläutert. Als Belege dienen Textstellen aus den durchgeführten Interviews.

Im fünften und letzten Kapitel betrachten wir Zusammenhänge und Parallelen zwischen den Einzelergebnissen und vergleichen diese mit aktuellen Theorien und anderen Forschungsergebnissen.

Der Diplomarbeit angefügt ist ein Glossar, das Begriffe erläutert, die weniger geläufig sind und im Zusammenhang mit unserer Arbeit auftauchen. Zum Großteil sind dies buddhistische Begriffe, zum Teil aus dem Pali, Sanskrit oder Japanischen. Anzumerken ist dabei, daß das Glossar, die in religionswissenschaftlichen Zusammenhängen oft kontrovers geführten Diskussionen über die Bedeutung und „richtige“ Übersetzung von religiösen Begriffen weder ersetzen noch ausreichend wiedergeben kann. Die von uns zusammengestellten Begriffsdefinitionen sollen dem Leser lediglich eine erste Orientierung bieten und so zum Verständnis unserer Arbeit beitragen.

Der unserer Diplomarbeit beigefügte Band 2 enthält die transkribierten Interviews, Forschungsdiagramme (insbesondere jene, die die Grundlage für das vierte Kapitel darstellten), den Interviewleitfaden sowie die von uns verteilte Datenschutzerklärung.

2 Meditation - eine Annäherung

Mit den Ausführungen in diesem Kapitel wollen wir uns unserem

Forschungsgegenstand „Meditation“ annähern.

Zunächst soll dies über die Klärung des Begriffes geschehen. Danach werden wir in einem Überblick gebräuchliche Einteilungsversuche sowie die Geschichte der Meditation skizzieren. Hierbei soll es auch um die psychologisch, bzw. psychotherapeutisch relevanten Potentiale der Meditation und um die Forschung darüber gehen.

Schließlich heben wir kurz hervor, was von dem Referierten für uns und unser Vorhaben von Bedeutung ist.

2.1 Zustand oder Technik?

Was ist Meditation? Wenn man von jemand mitgeteilt bekommt, daß er oder sie sich mit Meditation beschäftigt, so bedarf es der Nachfrage. Nie ist spontan klar, was der Betreffende genau macht. Die Gedanken kreisen möglicherweise um asiatische Philosophien, Buddhismus oder christliche Kontemplation. Vielleicht denken wir auch nur an Entspannung und Ruhe?

Im Allgemeinen ist Meditation eher ein metaphorischer als rational-operationaler Begriff. Die Definition infolge schwierig: „Meditation ist ein sehr unscharf und variabel gebrauchterBegriff’ (Scharfetter, 1979, S. 79).

Der etymologische Erklärungsversuch, Meditation als Ableitung von lat. „meditati”, also „üben”, „nachsinnen” zu definieren (vgl. Lotz 1994, S.1340), ist sehr vage und steht, nach Scharfetter, eher für die westliche Tradition. Er dagegen bevorzugt die, seiner Meinung nach, engere Begriffsfassung der Meditationstraditionen des Ostens und formuliert: „Danach bedeutet Meditieren die durch regelmäßiges Üben erreichte, temporäre, willentliche, selbstgesteuerte Einstellung eines besonderen, das heißt vom durchschnittlichen Wachbewußtsein unterschiedenen Bewußtseinszustandes” (Scharfetter, 1979, S. 79). In einer später erschienenen Abhandlung äußert er etwas geheimnisvoller: „Als Meditation bezeichnen wir die Bewußtseinsentfaltung, in der das eigene Selbst als eins mit dem überindividuellen Einen erfahren wird” (Scharfetter, 1992, S. 40).

Nach Scharfetter scheint Meditation, vereinfacht gesagt, in der Hauptsache, mit einem sich einstellenden, außergewöhnlichen Bewußtseinszustand, bzw. mit der Erfahrung desselben, zu tun zu haben.

Auch Shapiro (1980) und Ornstein (1974) erwähnen die Bedeutung der Bewußtseinsveränderung in ihren Definitionen. Der Begriff „Meditation” fungiert bei ihnen aber eher als Sammelbegriff für eine Reihe von Techniken, die dazu geeignet sind, diese herbeizuführen: „Meditation refers to a family of techniques which have in common a conscious attempt to focus attention in a non-analytical way...” (Shapiro, 1980, S. 14).

„Der Begriff der ,Meditation’ bezieht sich auf eine Reihe von Techniken, die das Produkt einer anderen Art von Psychologie sind, einer Psychologie, die auf ein persönliches und nicht auf ein intellektuelles Wissen abzielt. Deshalb sind die Übungen dazu bestimmt, eine Veränderung im Bewußtsein herbeizuführen...” (Ornstein, 1974, S. 145).

Carrington (1996) erläutert hierzu, daß es sich bei Meditationstechniken, wie der stillen Wiederholung eines Mantras* oder bei der Konzentration auf den Atem*, im strengen Sinne spiritueller Traditionen, nicht um Meditation, sondern um „Aufwärmübungen” handelt (vgl. Carrington, 1996, S. 27): „Da dem Westen nur ein begrenztes Vokabular zur Verfügung steht, bezeichnet er die einfachen psychologischen Mittel zur Zentrierung, d.h. die vorbereitenden Schritte, ebenfalls als ,Meditation’. Nach den großen uns überlieferten Traditionen sind die Zentrierungstechniken jedoch keine Meditation. Sie sind nur Mittel zu einem Ziel, nämlich der Meditation. Diese Techniken sind daher mehr oder weniger austauschbar. Wer in der Meditation bereits erfahren ist, wird schließlich auf alle verzichten, sobald er sich unmittelbar in den Meditationszustand versetzen kann” (Carrington, 1996, S. 27). Ayya Khema, eine bedeutende buddhistische Nonne schreibt: „Wir können aber die gewöhnliche Bewußtseinsebene noch zu Lebzeiten verlassen und Zufriedenheit finden. Das geschieht, wenn wir mittels wirklicher Konzentration von der ,Methode’ ... zur ,Meditation’ kommen. Keiner wird sich je mit Methoden zufriedengeben. Sie sind ja nichts weiter als ein Schlüssel” (Ayya Khema, 1998, S. 182f).

Die Schwierigkeit, eine eindeutige Definition für Meditation zu finden, zeigte sich auch während unserer Forschungsarbeit. Letztendlich folgten wir, im Rahmen dieser Arbeit, den diesbezüglichen Vorstellungen unserer Interviewpartner, und haben das als Meditation anerkannt, was für sie Meditation ist. Das heißt, daß im Grunde genommen der BergriffMeditation durch unserejeweiligen Befragten definiert wurde.

2.2 „Mind culture” - Schulung des Geistes mittels anderer Bewußtseinszustände?

2.2.1 Meditation strebt Ziele jenseits der Entspannung an

Es mag sein, daß Menschen aus profanen Gründen[5] meditieren. Carrington meint, daß die meisten Menschen im Westen aus praktischen Erwägungen zum Meditieren finden, um sich das Leben angenehmer und erträglicher zu gestalten (vgl. Carrington, 1996, S. 26). Meditation ist sicherlich oft zum Bestandteil manch eines „ganzheitlichen” Lebensentwurfes geworden, in denen es lediglich darum ging, unseren aktuellen, zivilisatorischen Anforderungen besser gewachsen zu sein. Meditation scheint zur Streßbekämpfung geeignet zu sein. So gibt es „eine Reihe von empirischen Studien über die Gesundheitsvorteile meditativer Betätigung. Sie lassen erkennen, daß die Reaktion des menschlichen Organismus auf Meditation seiner Reaktion auf Streß entgegengesetzt ist, weshalb meditative Techniken in Zukunft wahrscheinlich klinisch stärker angewendetwerden dürften” (Capra, 1992, S. 393).

Dennoch, Meditation scheint mehr zu sein. Mit den meisten Menschen, die über längere Zeit meditieren, geschieht etwas. Für sie ist Meditation mehr als ein reines Entspannungsverfahren.

In der Darstellung über seine umfangreiche, empirische Feldstudie mit Meditierenden unterschiedlichster Schulen, schreibt Engel (1998): „Unsere Frage nach der Bedeutung der Meditation als Entspannungstechnik ... wurde von unseren Gruppen durchgängig mit gering ... eingestuft” (Engel, 1998, Teil B, S. 11).

Meditation mag mit dem Empfinden von Entspannung und Erholung einhergehen. Doch ihr eigentliches Ziel, die Bewußtseinsveränderung, macht Meditation zu etwas, was über die rekreierenden Bestrebungen reiner Entspannungsverfahren hinausgeht. Somit ist sie auch als solches kaum einzuordnen.

Präziser ausgedrückt, sind, laut Pfeiffer (1992), die Ziele der großen Anzahl meditativer Zentrierungstechniken:

- die Bindungen an die Umwelt (besonders in Gestalt von Wahrnehmung und Motorik) zu lösen,
- Abstand gegenüber den Reizen zu schaffen, die der eigenen Körpersphäre entspringen,
- das Bewußtseinsfeld von all den Gedanken, Bildern, Gefühlen zu entleeren, welche die Umwelt sowie die eigene Vergangenheit und Zukunft repräsentieren” (Pfeiffer, 1992, S. 428).

Wobei auf bestimmte äußere wie innere Umstände zu achten ist, z.B.: „ein Ort, der Ruhe verspricht, eine angenehme Raumtemperatur und das Wissen, nicht gestört zu werden“ (Linden, 1993, S. 207), sowie „die Akzeptierung des Prinzips des ,Gehen- Lassens’, der passiven Grundstimmung. Der meditative Zustand kann nicht erzwungen werden, sondern es muß ihm Raum gegeben werden” (ebd.).

Ornstein beschreibt die angestrebte Bewußtseinsveränderung als „eine Verlagerung weg vom aktiven, nach außen orientierten, linearen Modus hin zum rezeptiven und stillen Modus...” (Ornstein, 1974, S. 145). Er meint Meditation als Technik „stellt einen bewußten Versuch dar, sich für eine kurze Zeit aus dem Fluß des täglichen Lebens zu lösen und den aktiven Modus des normalen Bewußtseins ,abzuschalten’, um in den komplementären Modus der ,Dunkelheit’ und Empfänglichkeit einzutreten” (ebd., S. 146). 5

2.2.2 Wozu ein Bewußtseinstraining dieser Art?

Wir haben nun erfahren, daß Meditation Ziele, jenseits reiner Entspannung, anstrebt, und eine erste Ahnung von der eigentlichen Intention meditativer Techniken erhalten. Zum besseren Verständnis, scheint es günstig zu sein, diesen Pfad noch etwas zu verfolgen.

Die buddhistische Tradition, die wir in diesem Zusammenhang für entscheidend halten, meint dazu folgendes: „Meditation wird man erst dann vollständig verstehen, wenn man in ihr eine Möglichkeit sieht, die völlige Befreiung aus dem Leidenszusammenhang zu erlangen und aus diesem Daseinstraum zu erwachen. Und das allein ist, wozu der Buddha letztlich gelehrt hat” (Weil, 1998, S. 9).

(Vgl. die I. und II. der sogenannten vier Edlen Wahrheiten* [auszugsweise].)

„I. Die Wahrheit vom ,Leiden’ besagt im Kurzen, daß die das sog. individuelle Dasein ausmachenden fünf Daseinsgruppen, wie Körperlichkeit, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen und Bewußtsein, alle dem Gesetz des Leidens ... unterworfen, vergänglich, elend und unpersönlich sind.

II. Die Wahrheit von der ,Leidensentstehung’ lehrt, daß alles Dasein, und damit alles Leiden, in eigennützigem Begehren ... und Nichtwissen ... wurzelt” (Nyanatiloka, 1995, S. 13).

Ayya Khema hierzu: „Der gewöhnliche Geist, der sich mit den gewöhnlichen Geschäften des Alltags abgibt, ist nicht in der Lage, die absolute Wirklichkeit hinter der Relativität zu erkennen. Der Geist muß also ganz neue Fähigkeiten lernen“ (Ayya Khema, 1988, S. 19).

Auch Weil sieht in der Meditation dieses Potential zur Entfaltung geistiger Fähigkeiten: Fähigkeiten, „über die wir alle verfügen, die wir aber in den seltensten Fällen näher kennen und tatsächlich nutzen” (Weil, 1998, S. 9).

Es geht um spirituelle Entwicklung, durch die Arbeit am eigenen Geist. Man kann auch von der Kultivierung des eigenen Geistes sprechen. Die Beschäftigung mit dem Geist ist unabdingbar: „Wir müssen ... die Beschaffenheit des Geistes eingehend erforschen” (Geshe Rabten, 1998, S. 53). Es geht darum, „Macht über unseren Geist zu erlangen” (ebd.). Den Geist, mittels Meditation zu beruhigen und zu kontrollieren: „Calming and controlling the mind could be done by meditation” (Ediriweera, 1990, S. 37). Denn: „Dieser Geist ... ist auch nicht frei” (Geshe Rabten, ebd.). „Wir sind nicht in der Lage, die Dinge unverschleiert und unverzerrt wahrzunehmen. Was uns daran hindert, sind ,Gier, Haß und Verblendung’, wie es der Buddha drastisch formuliert. Sie sind es, die den Geist in Bewegung halten und nie rasten lassen. Sie sind es auch, die unserem Leben seine Färbung geben. Wir sind es gewohnt, alle Menschen, Gegenstände und Situationen nach (subjektiven) Maßstäben von Mögen und Nichtmögen zu beurteilen. In allen unseren Erlebnissen spiegeln sich Verlangen und Abneigung wider. Zuneigung und Abneigung lassen uns alles wie durch eine gefärbte Brille sehen - verlockend oder abstoßend, schön oder häßlich, angenehm oder unangenehm; aber nie so, wie die Dinge wirklich sind” (Weil, 1998, S. 10).

Es geht darum, über die Abkehr von unserem „weltlichen” Bewußtseinszustand „Einsicht”, bzw. „Klarblick” zu ermöglichen: „Das heißt, wir müssen uns darin üben, den Geist zur Ruhe zu bringen und Klarblick zu schaffen...” (Ayya Khema, 1988, S. 22).

„Die absolute Reinheit, d.h. Versiegung von Gier, Haß und Verblendung und damit die Erlösung von der Runde der Wiedergeburt und allem Leiden ist das letzte und endgültige Ziel ... der Entfaltung. ... Nur die Einsicht also besitzt die Fähigkeit, den Menschen dauernd vom Samsara[6] zu erlösen. Die Gemütsruhe aber bildet die nötige Grundlage für Einsicht und Erkenntnis” (Nyanatiloka, 1995, S. 94f).

Die Schulung des Geistes, mithin der veränderte Bewußtseinszustand, ist notwendig um erleuchtet zu werden, oder anders gesagt um das Leiden im buddhistischen Sinn zu überwinden. „Er (der Geist, Anm. d. Verf.) muß also benutzt werden, und zwar in einer Art und Weise, die ihn so präpariert, daß er eines Tages wirklich erleuchtet werden kann. Meditation hat nur diesen einen Zweck: die Erleuchtung” (Ayya Khema, 1988, S. 19f).

2.3 Systematisierungsversuche

„Die Derwische drehen sich noch sehr zaghaft. Als kreisten sie auf einer rotierenden Scheibe, suchen sie vergeblich die Mitte. Es ist ein Wechsel-Walzer-Schritt, den sie mit möglichst zusammengehaltenen Füßen vollführen. In immer engeren Kreisen strebt jeder tanzend dem Zentrum zu. Die weißen Unterkleider blähen sich in ruhigem Schwung und werden zu glockenförmig gebauschten Balettröcken. In ihrem weißen Gewand tanzt jede Seele wie ein Stern um die beiden Achsen des Universums, um sich selbst und um die unbekannte Mitte” (Werfel, 1990, S. 41).

Die tanzenden Derwische, der über Stunden sich in Zazen[7] übende Zen-Meister - beides sind Formen von Meditation.

Die Anzahl verschiedener Meditationstechniken scheinen Legion zu sein. Schon die Zahl, mehr oder weniger, in fernöstlicher Tradition stehender Techniken ist groß. Bezieht man andere Traditionen, wie Sufismus, christliche Meditationsformen, Mysterientraditionen etc. mit ein, so ist der Meditationsreigen kaum mehr zu überblicken.

Man kann Meditation nach den jeweiligen Bestrebungen, die man damit in Verbindung bringt, einteilen.

Carrington unterteilt zwischen „spiritueller Meditation”, die spirituelle Entwicklung angestrebt, und „praktischer Meditation”, die zwar in den großen Meditationsüberlieferungen ihre Wurzeln hat, aber eher „westliche”, begrenzte Zielsetzungen verfolgt (vgl. Carrington, 1996, S. 14). Da man im „Westen” nicht zwangsläufig einer Tradition verpflichtet ist, ist das experimentieren mit Meditation, gar die Kombination mit ärztlichen oder psychologischen Behandlungen, weit verbreitet (vgl. ebd., S. 26), wobei spirituelle Auswirkungen aber nicht auszuschließen sind (vgl. ebd., S. 14).

Scharfetter (1987) weist, etwas allgemein gehalten, daraufhin, daß die Techniken, je nach weltanschaulich-religiösem Hintergrund, Schule, Persönlichkeit des Meisters, und des Schülers, verschieden sind (vgl. Scharfetter, 1987, S.216).

Nach der Auswertung einer Anzahl von Meditationstagebüchern kam Carrington, an anderer Stelle, zu dem Schluß: „Jeder Meditierende scheint auch seinen eigenen charakteristischenMeditationsstilzuhaben“ (Carrington, 1996, S. 107).

Dies nur als kleiner, vorausgeschickter Verweis darauf hin, daß das Unterfangen die verschiedenen Meditationstechniken, wonach auch immer, einzuteilen, zwar einen ordnenden Überblick geben mag, aber auch an Grenzen stößt.

2.3.1 Am Fortschreiten der Meditation orientierte Einteilungsversuche

In der Hauptsache beziehen wir uns hierbei auf Pfeiffer (1992). Er untergliedert wie folgt:

a) Die vorbereitenden Übungen der Sammlung und des Sich-Versenkens[8]

Der Fokus liegt hier auf den Meditationstechniken, die dem eigentlichen Ziel der Sammlung, bzw. der Bewußtseinsveränderung dienen sollen.

Diesem Ziel nähere man sich, in dem man sein Gewahrsein auf ein Objekt gleichsam punktförmig zentriere. Dieses Objekt kann optischer Art sein. Damit ist beispielsweise das Fixieren einer Kerzenflamme, oder eines Farbkasinas*, zur Vertiefung, gemeint.

Zentrierungsobjekt akustischer Art ist im Buddhismus hauptsächlich das immer wiederkehrende Wiederholen eines Mantras*. Für das Christentum wird das fortwährende Wiederholen eines Gebetes, beispielsweise: das „Herzensgebet [9] ” der Ostkirche, genannt.

Körperempfindungen stellen für Pfeiffer die dritte Möglichkeit der Zentrierung dar. Er nennt unter anderem die Betrachtung der Atmung* sowie die Betrachtung langsamer Körperbewegungen, wie sie beim meditativen Gehen* oder beim Tai Chi Vorkommen (vgl. Pfeiffer, 1992, S. 428).

Der oben angeführte Untergliederungspunkt entspricht in etwa dem Unterpunkt, „konzentrierende Meditation”, in Ornstein‘s Einteilungsversuch (vgl. Ornstein, 1974, S. 148ff). „Das Entscheidende ... scheint der Versuch zu sein, das Bewußtsein für eine bestimmte Zeitspanne auf eine einzelne, unveränderliche Reizquelle zu beschränken. Gelingt diese Beschränkung, sprechen viele Traditionen von der ,Einspitzigkeit des Geistes’. Geht es bei der Übung um das Sehen, starrt der Meditiernde fortwährend auf den Meditationsgegenstand. Geht es bei der Meditation um das Hören, wird der Ton, der Gesang oder das Gebet ständig wiederholt, ... Geht es bei der Meditation um körperliche Bewegung, wird die Bewegung ständig wiederholt. In allen Fällen, wird das Bewußtsein vollkommen auf die Bewegung, den Sehgegenstand oder den Ton gerichtet” (Ornstein, 1974, S. 148).

Linden (1993) unterteilt in „konzentrative” und „rezeptive” Meditation: „Die im Westen bekanntere und therapeutisch häufiger praktizierte Form allerdings ist die konzentrative Meditation, bei der sich die Trainierenden auf ein Objekt, einen Klang, oder ein Wort konzentrieren” (Linden, 1993, S. 208).

b) Obiektbezogene Meditation

Bei dieser Untergruppe liegt der Fokus nicht mehr auf dem Akt der Zentrierung, sondern auf dem bereits erreichten Bewußtseinszustand der Sammlung und seiner Ausgestaltung. „Die vorbereitende Ausrichtung auf ein Objekt ... leitet über zu den objektbezogenen Meditationen” (Pfeiffer, 1992, S. 429). Ein, im Westen, weit verbreitetes Beispiel hierfür sei die buddhistische Metta-Meditation* (Liebende-Güte­Meditation). Hier wird, so Pfeiffer, nach dem Erreichen des Sammlungszustandes, das Gefühl liebevoller Zuwendung nacheinander vier Personen entgegengebracht, nämlich (1) der eigenen Person, (2) einem geliebten Menschen, (3) einem gleichgültigen Menschen und (4) einem Feinde. Danach soll das Gefühl von Liebe allen vier Personen so gleichmäßig zugewandt werden, als ob sie eine einzige Person wären. Letztendlich folgt die Ausweitung der Metta auf alle lebenden Wesen.

Weitere „objektbezogene Meditationen” auf dem Wege zum buddhistischen Ziel des indifferenten Gleichmuts (upekkha) sind die Meditationen zur Erweckung von Mitleid (Karuna) und Mitfreude (mudita) (vgl. ebd.).

Im Zusammenhang mit den objektbezogenen Meditationen verweist Pfeiffer auf ihr großes therapeutisches Potential. Sogenannte Sterbe-Meditationen[10] oder speziell für chronisch Erkrankte entwickelte meditative Übungen, die die körperliche Therapie durch Visualisierung des Krankheitherdes und der darauf einwirkenden Heilungsvorgänge unterstützen, seien gerade unter psychischen Gesichtspunkten von

Bedeutung. Die Beziehung zum eigenen Körper bessere sich und das Gefühl des hilflosenAusgeliefertseins trete zurück (vgl. Pfeiffer, 1992, S. 429).

Ferner rechnet er zu den objektbezogenen Meditationen auch jene Übungen, bei denen Bewegungsabläufe Gegenstand der Achtsamkeit sind. Er erwähnt nochmals die Tai Chi Übungen. Hier aber unter dem entscheidenden Gesichtspunkt, daß der Wechsel von Lösung und Spannung, von Rückzug und Ausgriff, von Entweichen und Aufnahme des Atems mit der Zielsetzung des Einschwingens in den Strom der Lebensenergie, betrachtet werde (vgl. ebd., S.430).

Die auch bei uns sehr bekannte Vipassana-Meditation* steht, so Pfeiffer, am Rande der objektbezogenen Meditationen. Bei ihr sind es weniger bestimmte Inhalte die ins Feld des Gewahrseins treten. Gegenstand der Betrachtung ist vielmehr ihr ständiger Wechsel (vgl. ebd., S. 429f).

c) Obiektlose Meditation

Nach Pfeiffer kann man von „objektloser Meditation” sprechen, wenn im fortgeschrittenen meditativen Zustand die Gegenstände, die Objekte, mehr und mehr ihre Bedeutung, letztendlich, auch im Sinne des zuvor beschriebenen

Kristallisationspunktes, verlieren. Das zu erstrebende Ziel im Buddhismus sei der Zustand der „gestaltlosen Meditation”* (arupa-jhana), entsprechend der „bildlosen Schau” der christlichen Mystik (vgl. ebd., S. 430).

»Zusammenfassung und Vergleich«

Mit den auszugsweise angeführten Untergliederungen liefert Pfeiffer eine

Differenzierung von Meditation, die die Fokussierung der Techniken, die (a) zur Sammlung führen sollen, von (b) den Objekten über die im Zustand der Sammlung meditiert werden kann trennt, und letztendlich (c) die, im fortgeschrittenen Sammlungszustand, eintretende „objektlose Meditation” ebenfalls gesondert anführt.

Linden (1993) führt, neben der bereits erläuterten „konzentrativen” Form, welche Meditation als Konzentration auf ein Objekt, Wort etc. meint, die von ihm so bezeichnete „rezeptive” Form der Meditation an. Diese hebt zwar, wie bei Pfeiffer unter (b) und (c) auf einen, erstmal zu erreichenden, veränderten Bewußtseinszustand ab, wirkt aber wesentlich weniger restriktiv formuliert: „In der rezeptiven Meditation akzeptiert der Trainierende einen Zustand der Ziellosigkeit und erlaubtjedem Gedanken undjedem Bild zum inneren Bewußtsein zu gelangen” (Linden, 1993, S. 208).

Ornstein (1974) erwähnt neben der, ebenfalls bereits kurz erläuterten, „konzentrierenden” Meditation, die sogenannten „entfaltenden” Meditationsübungen (Ornstein, 1974, S. 170ff). Er bezeichnet dies auch als das „aktive Praktizieren der Bewußtseinsentfaltung” (ebd., S. 172).

In Anlehnung an das Einüben „rechter Achtsamkeit”*, als Teil des „Achtgliederigen Pfades”* Buddhas, ist die Intension dieser Übungen: „...daß man sich jeder Tätigkeit (bewußt’ ist, daß man ein gegenwart-orientiertes Bewußtsein entwickelt, daß man sein Bewußtsein von den täglichen Handlungen ,entfaltet’...” (ebd.). Als Beispiel erwähnt er eine Form der Selbstbeobachtung im Yoga die sich „der Zeuge” nennt: „Dabei versucht man, sich selbst so zu beobachten, als sei man eine andere Person. Man versucht, genau auf das zu achten, was man tut - gewöhnliche Aktivität mit Aufmerksamkeit auszustatten“ (ebd., S. 173).

Auch im Zen und Sufismus sind ähnliche Praktiken zum Teil sehr weit entwickelt: „Ein Beispiel findet sich in der Zen-Tradition; in den fortgeschritteneren Zen-Formen ... übt man, wenn erst mal die konzentrierende Übung des Zählens der Atemzüge beherrscht wird, die zweite Form der Meditationsübungen, das Shikantaza, das ,Nur-Sitzen’ ... Somit ist Shikantaza also eine Übung, bei der die Aufmerksamkeit vom Sitzen allein beansprucht wird ... So ist Shikantaza ein Zustand erhöhter, konzentrierter Geistes­Gegenwart, in dem man weder überspannt noch in Eile und natürlich niemals schlaff ist“ (ebd., S. 171).

Auch wenn Ornstein eigene Akzente setzt, ist in diesen Ausführungen deutlich eine Nähe zu der von Pfeiffer als „objektbezogene Meditation” bezeichneten Unterteilung festzustellen.

2.3.2 Beispiel eines, an der Erkenntnis-, bzw. der Einsichtsebene orientierten, Klassifikationsversuches

Kurz sei noch auf einen Zuordnungsversuch verwiesen, der sich eher an den unterschiedlichen Traditionen orientiert. Fontana (1997) hat, in Anlehnung an Claudio Naranjo[11], folgendes Klassifikationssystem entwickelt:

Vorauszuschicken ist, daß es sich hirbe um einen Klassifikationsversuch auf der Einsichts- bzw. Erkenntnisebene handelt.

Fontana geht von zwei bipolaren Dimensionen aus (zwei Dimensionen mitjeweils zwei Extremen). Die eine nennt er Ruhend-Fließend-Dimension, die andere Subjektiv­Objektiv-Dimension (vgl. Fontana, 1997, S. 67ff).

Die Ruhend-Fließend-Dimension: Sie umfaßt an ihrem „Ruhend“-Extrem folgende Vorstellung: „Der Geist bleibt auf den ursprünglichen Gegenstand gesammelt und verweilt nur dort, während sich die Einsicht eigenständig entwickelt” (Fontana, 1997, S. 67).

Am „Fließend”-Extrem beobachtet der Meditierende die aufkommenden Gedanken und folgt mit seiner Aufmerksamkeit den Einsichten und Offenbarungen, die ihm möglicherweise zuteil werden. Als Beispiel wird, unter anderem, das Belauschen der Geisterstimmen im Schamamismus angeführt (vgl. ebd.).

Das „Subjektiv”-Extrem der Subjektiv-Objektiv-Dimension bezieht sich auf die Einsicht, die durch bewußte Wahrnehmung des unmittelbar Erfahrenen gewonnen wird, etwa durch die Wahrnehmung der Körperempfindungen, der Gefühle oder der Gedanken, die kommen und gehen.

Am „Objektiv”-Extrem erlangen die Meditierenden Einsicht durch die Sammlung auf ein äußeres Symbol (z.B. ein Mantra, die Attribute Gottes, eine Kerzenflamme). Dieses Symbol läßt der Meditierende dann als Schlüssel wirken, zu dem Teil der inneren Welt, derjenseits derunmittelbaren Erfahrung liegt (vgl. Fontana, 1997, S. 67f).

Leider hat Fontana nur die Extrempole mit Beispielen besetzt, weshalb seine Systematik eher dualistisch als dimensional wirkt. Dennoch gibt er im folgenden zumindest eine knappe Beschreibung dessen, was eine derartige Kartographierung von Meditationssystemen abzubilden vermag. „Diese beiden bipolaren Dimensionen schließen sich nicht gegenseitig aus. Man kann zum Beispiel am ,Ruhend’-Pol der Ruhend-fließend-Dimension beginnen und zum ,Objektiv’-Pol der Subjektiv-objektiv­Dimension übergehen. Oder man beginnt am ,Subjektiv’-Pol der Subjektiv-objektiv­Dimension und geht über zum ,Fließend’-Pol der Ruhend-fließend-Dimension. Man kann diese Dimensionen sogar miteinander kombinieren und sich gleichzeitig im Bereich des Objektiv-Pols und des Fließend-Pols befinden (dies geschieht, wenn wir über ein Symbol Gottes meditieren und dann Gottes Stimme hören, wie dies gläubige Hindus erleben). Aber man kann sich nicht gleichzeitig an den entgegengesetzten Enden derselben Dimensionen befinden, also sowohl am Ruhend-Pol als auch am Fließend-Pol oder sowohl am Subjektiv-Pol als auch am Objektiv-Pol, denn damit würde man die eins-gerichtete Sammlung, ohne die ein Vorankommen unmöglich ist, aufsplittern” (Fontana, 1997, S. 68).

Auch Fontana merkt an: „Meine Zuordnung ist lediglich ein Versuch, unser Denken zu klären. Je mehr wir uns um eine solche Klarstellung bemühen, desto besser erkennen wir ein allen Techniken zugrunde liegendes Muster, und wir sehen, daß das Verbindende weitaus wichtiger ist als das Trennende” (ebd., S. 70).

2.4 Meditation und verwandte Praktiken

Was unterscheidet Meditation vom christlichen Gebet? Wo sind die Gemeinsamkeiten mit dem Autogenen Training? Ist Meditation mit Selbsthypnose oder anderen Methoden der Selbstentfaltung zu vergleichen? Diesen Fragen soll nun, mit hauptsächlicher Bezugnahme auf Carrington (1996), nachgegangen werden.

a) Meditation und Gebet

Die ursprünglich religiöse Bedeutung von Meditation wird von vielen Autoren betont, beispielsweise von Scharfetter (vgl. 1987, S. 215), oder Fontana (1997, S. 13): „Über Meditation zu schreiben bedeutet, auch über Religion zu schreiben...”.

Dennoch oder vielleicht gerade deshalb ist das Verhältnis von Gebet und Meditation schwer zu definieren.

Während ein tiefes Gebet wahrscheinlich nicht ohne „meditative Stimmung” möglich ist, erfordert die mechanische Wiederholung von Gebeten, wie sie meist vom Laien praktiziert wird, diese besondere Stimmung nicht, so Carrington (vgl. 1996, S. 42). Trotzdem ist das Gebet in vieler Hinsicht eng mit der Meditation verwandt. „Es ist gewöhnlich ein innerlicher, kontemplativer Zustand, der in der Ruhe, oft in der Einsamkeit gepflegt wird. Wie in der Meditation so werden auch im Gebet die äußeren Stimuli vermindert und eine besondere Art beruhigender, monotoner Umgebung geschaffen” (ebd.).

Das Gebet sei aber eine zielgerichtete Aktivität. Der Mensch rufe im Gebet die Gottheit an. Es gehe um Lobpreisung oder Danksagung, auch um die Suche nach Vergebung, Trost oder Hilfe. „Das zielgerichtete Gebet, die bei weitem gebräuchlichste Gebetsform, unterscheidet sich wesentlich von der nach nichts strebenden, relativ ziellosen Versunkenheit der Meditation” (ebd.).

Laut Carrington ist hiervon aber eine Form von Gebet, die absichtlich so strukturiert sei, daß man sie dann, ohne Zweifel, der Sphäre der Meditation zuordnen müsse, zu unterscheiden: „In westlichen Klöstern wird die Wiederholung von Worten bei den Lobpreisungen Gottes weithin dazu verwendet, einen besonderen Zustand herbeizuführen, in dem die Außenwelt ausgeschaltet ist und der Mensch hinübergetragen wird in einen erhabenen Zustand der Gottesnähe. Das ,Herzensgebet’, das im vorrevolutionären Rußland von russischen Mönchen und frommen Laien gebetet wurde, ist hierfür ein Beispiel. Dieses Gebet wurde verwendet um den Geist zu ,reinigen’. Man nahm dabei eine passive Haltung an und wiederholte bei jedem Ausatmen den Satz: ,Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner.’ Man glaubte, der Geist entleere sich dadurch aller Gedanken, Bilder und Leidenschaften. In diesem Falle wurde ein christlich-religiöser Spruch auf die gleiche Weise benutzt, wie Mantras in Indien gebraucht werden” (Carrington, 1996, S. 43).

Dieses Beispiel steht auch für die fließenden Grenzen zwischen Gebet und Meditation. „Zwar kann man Gebet und Meditation nicht gleichsetzen, aber man kann sie auch nicht ganz voneinander trennen. Die beiden Zustände sind nicht nur geschichtlich miteinander verwandt, sondern häufig auch in ihrem Geist und in ihrer Absicht” (ebd.).

b) Meditation und Selbsthypnose

Meditation und Hypnose haben beide einen gewissen Trance-Effekt zur Folge (vgl. Carrington, 1996, S. 44f)[12]. Dennoch gibt es fundamentale Unterschiede zwischen beiden: „Eines der Kernmerkmale der Selbsthypnose ist die gesteigerte Empfänglichkeit für Autosuggestionen bezüglich geistiger oder körperlicher Verhaltensweisen, die der Betreffende erreichen will. Die hypnotisierte Person handelt (oder denkt) so, wie sie es sich selbst oder wie der Hypnotiseur es ihr empfiehlt. Selbsthypnose ist daher ,zielgerichtet’” (ebd., S. 45). Hingegen betrachte man die Meditation in den großen Traditionen als einen „zweckfreien” und „anstrengungsfreien” Zustand (vgl. ebd.).

Ein Sachverhalt den Vaitl (1978) anders darstellt. In seinem Systematisierungsversuch der Entspannungstechniken werden Meditationstechniken als autosuggestive Verfahren verortet. Religiöse Inhalte, über die meditiert werde, stehen bei ihm im Vordergrund solcher Techniken, bzw. sind für deren Einteilung von Bedeutung. Dies allerdings nicht inmanipulativerWeise (vgl. Vaitl, 1978, S. 2105f).

Diese Präzisierung erscheint uns notwendig, gerade auch in Bezug auf die weiter oben angeführten „objektbezogenen Meditationen”.

Sicherlich kann Carrington aber zugestimmt werden, wenn sie sagt, daß der untergeordnete Gebrauch der Suggestion bei der Meditation, kaum mit der Hauptrolle verglichen werden kann, die sie in der Selbsthypnose spielt (vgl. Carrington, 1996, S. 46).

c) Meditation und Autogenes Training

Die geistigen Übungen des Autogenen Trainings unterliegen einem, im Vergleich zu meditativen Techniken, kontrollierteren Ablauf. Es gibt eine genaue Reihenfolge von dem was der Übende sich vorstellen soll. „Man bezeichnet sie besser als ,gesteuerte Imagination’ ... undnicht als Meditation” (Carrington, 1996, S. 49).

Regelmäßiges Autogenes Training hat jedoch, so Carrington, vieles mit meditativen Zuständen gemeinsam. Man übt in einem ruhigen Raum, bei gedämpftem Licht, der Körper soll entspannt sein, die Augen geschlossen (vgl. ebd.).

„Der ganze Prozeß ist ,meditativ’ in dem Sinne, wie wir diesen Begriff gebrauchen, denn um die Übung zu vollziehen, muß der Schüler in einen fast traumähnlichen Zustand kommen, der als ,passive Konzentration’ bekannt ist, wobei er keine Wirkungen herbeizwingt, sondern sie ,einfach geschehen läßt’” (ebd., S. 49).

Generell ist es, wie wir bereits am Anfang erläutert haben, nicht einfach, Meditation klar von Entspannungsverfahren abzugrenzen: „Jedes Meditationsverfahren enthält Elemente, durch die direkt oder indirekt eine Entspannungsreaktion herbeigeführt wird oder sich spontan einstellt” (Vaitl, 1978, S. 2121).

Fontana versucht anhand von Schilderungen den Unterschied zu verdeutlichen. Auszugsweise führt er, beispielsweise die Folgende, an:

„Mein Atem kam ganz klar und leicht. Er blieb ganz gleichmäßig, mit einer vollendeten Konzentration, wie ich sie noch nie zuvor erreicht hatte. Gedanken stiegen von Zeit zu Zeit auf, konnten sich aber nicht hereindrängen. Mein Bewußtsein war nur erfüllt von Entspannung, Gleichgewicht ... Es war ein überraschend aktiver, wacher Geisteszustand, weder automatisch noch tranceähnlich. Nur von einem Augenblick zum nächsten vermochte die Konzentration ihn aufrechtzuerhalten. Er erforderte Energie, erzeugte aber keinen Streß ... Ich hatte das Gefühl, als könnte ich diesen Zustand endlos weiter aufrechterhalten ... Ich schätze das Gefühl von Leichtigkeit ungemein”[13] (Fontana, 1997, S. 41).

Fontana bemerkt dazu: „Diese ... Beispiele beschreiben etwas, das jenseits der Erfahrungen liegt, die mit Techniken wie dem Entspannungstraining möglich sind, ganz gleich, wie ähnlich die physiologischen Auswirkungen auch sein mögen” (ebd.).

Der Unterschied scheint mit dieser Art von psychisch-emotionalen Erfahrungen, bisher nicht gekannter, persönlicher Potentiale, zu tun zu haben.

d) Meditation und Freie Assoziation [14]

Wie das Autogene Training so habe, laut Carrington (1996), auch die Freie Assoziation ihren Ursprung im Studium der Hypnose. Das Setting der Freien Assoziation, ein ruhiger Raum, wenig Ablenkung, kein direkter Blickkontakt, sei dem der Meditation verwandt (vgl. Carrington, 1996, S. 50f). Darüber hinaus soll, weder der frei assoziierende Klient, noch der Meditierende den Charakter der Gedanken, die während der Sitzung auftauchen, beurteilen, sondern es soll akzeptiert werden, was immer in den Sinn kommt, so Carrington (1996, S. 51). In beiden Verfahren besteht die Möglichkeit, daß emotional aufgeladenes Material, das dem Bewußtsein normalerweise nicht zugänglich sei, leichter ins Bewußtsein tritt (vgl. Carrington, 1996, S. 51).

Es gibt, nach Carringtonjedoch folgende Unterschiede:

Bei der Freien Assoziation wird der Klient aufgefordert seine Gedanken zu verbalisieren, um sie so für die Therapie nutzbar zu machen. Wenn dies automatisch geschieht, werden alle jene Erfahrungsaspekte ausgeschlossen, die nicht schnell genug in Wortsymbole gefaßt werden können. „Dem Meditierenden stehen also eine Menge von Bildern, Empfindungen und Gefühlen zur Verfügung, die der frei assoziierende Patient ignorieren muß, weil er ständig seine Erfahrungen in Worte zu fassen versucht, während diese noch andauert” (Carrington, 1996, S.51).

Zu denken sei auch an ein Settingmerkmal, das deutlich von denen der Meditation zu unterscheiden sei. Die Freie Assoziation bedürfe der Beziehung zwischen zwei Menschen, „während Meditation eine Lockerung aller äußeren Bindungen beinhaltet” (Carrington, 1996, S. 52).

Letzteres Unterscheidungsmerkmal erscheint uns, zumindest in seiner Deutlichkeit, angesichts der engen Schüler/Lehrer Beziehungen, die viele Meditationsbiographien begleiten, fragwürdig.

2.5 Anthropologisch, religiöser Rückblick

„Meditation ist eine uralte weltweite Menschheitserfahrung...” (Scharfetter, 1979, S. 78). Es scheint sich bei Meditation um ein allgemeinmenschliches Gut zu handeln. Lotz merkt an, daß „Meditation dem tiefsten Wesen des Menschen entspricht und deshalb auch oft spontan entsteht...” (Lotz, 1994, S. 1340).

Carrington formuliert: „Der Mensch ist das Lebewesen, das eine Sprache gebraucht, für Schönheit empfänglich ist, lacht, weint ... und meditiert” (Carrington, 1996, S. 21). Für sie ist das Ritual der Meditation, in all seinen Ausgestaltungen, das eine. „Die Erfahrung jedoch, die ihm zugrunde liegt - die meditative Stimmung’ -, ist uns allen vertraut ... Eine Urlauberin am Strand, die sich still der Sonne und der Luft überläßt, ist wie hypnotisiert vom einschläfernden Rhythmus des Meeres.

Ein Mann lauscht dem Orgelspiel in einer Kathedrale; während die Musik in ihm vibriert, gerät er in Träumerei. Erinnerungen und Bilder aus seiner Kindheit steigen in ihm auf - er ist wieder ein Kind geworden” (ebd.).

Der Mensch hat Meditation nicht erfunden, er hat nur irgendwann einmal damit begonnen diese „meditative Stimmung” zu zivilisieren, sie zum Erreichen einer bestimmten Zielsetzung eingesetzt. In den von Carrington angeführten Beispielen wird deutlich, daß es nahe lag, Meditation zur Transzendierung zu verwenden, und so ist Meditation wahrscheinlich schon früh zur spirituellen Übung geworden, eng verflochten mit philosophisch-spirituellen Erklärungsmustern.

In Bezug auf das Yoga schreibt Störig (1993): „Die dieser Lehre zugrunde liegende Vorstellung, daß der Mensch durch ein bestimmtes System asketischer Übungen, durch Meditation und Konzentration tiefste Einsicht, Entrückung und Erlösung erlangen könne, findet sich auch bei anderen Völkern; sie spielt auch schon in der vedischen Literatur[15], einschließlich derUpanischaden[16], eine Rolle” (Störig, 1993, S. 75).

Yoga, zumindest die praktischen Anteile des Lehrsystems, war nun seinerseits von großer Bedeutung für die buddhistische Meditation: „...es ist wahr, daß die altbuddhistische Meditationsweise, die im Theravada-Buddhismus* fortlebt, wichtige Elemente, wie Körperhaltung, Atmung, Zähmung der Sinne, Vorstellungen und Geistesbetätigungen, aus dem Yoga übernommen und integriert hat...” (Dumoulin, 1977, S. 106).

Auch im Buddhismus wurde Meditation in das Glaubenskonstrukt eingebettet, bzw. ist mit ihm gewachsen: „Die Meditation ist in allen Zweigen des Buddhismus heimisch und macht den Kern der buddhistischen Praxis aus” (ebd.).

Ayya Khema führt aus: „Der Dhamma, die Lehre des Buddha, besteht aus drei Teilen; sie heißen auf Pali sila, samadhi und panna. Sila ist das sittliche Verhalten, samadhi die Konzentration in der Meditation, panna ist Weisheit, d.h. Klarblick/Einsicht. Um wirklich einen spirituellen Pfad zu gehen und in ihm seine Sicherheit zu finden, kann man sich nicht das heraussuchen, was einem gefällt, zum Beispiel mit Begeisterung meditieren, aber von den Tugendregeln nichts wissen wollen” (Ayya Khema, 1988, S. 159).

Das Entwickeln bestimmter Techniken und damit die Nutzbarmachung der „meditativen” Befähigung des Menschen, in spirituellem Sinne, findet sich auch in anderen religiösen Traditionen wieder. Inwieweit es sich hierbei um eigenständige Entwicklungen oder um Produkte gegenseitiger Beeinflussung handelt, vermögen wir nicht zu sagen.

Allerdings hat, laut Fontana (vgl. 1997, S. 112), gerade das Christentum diese Tradition, insbesondere zur Anwendung auch für Laien, kaum gefördert. Er erwähnt die sogenannte „Innere-Stimme-Meditation ”[17] als eines der wenigen Beispiele (vgl. Fontana, 1997, S. 110).

Die kümmerliche Ausprägung der meditativen Tradition im Christentum ist für Fontana das Ergebnis einer, immer wieder auftretenden, Schwächung derselben durch Autoritarismus: „Diejenigen, die das Christentum dafür kritisieren, daß es über keine meditative Tradition für Laienanhänger verfügt, sollten die Menschen dafür verantwortlich machen, die Macht über ihre Mitmenschen ausübten, indem sie sich die Autorität anmaßten, die eigentlich der in jedem von uns liegenden Spiritualität zukommt” (ebd., S. 115). Denn, es habe durchaus im Christentum Lehransätze gegeben, die die meditative Praxis begünstigt haben. Er führt in diesem Zusammenhang den Gnostizismus an: „Die gnostische Lehre ... behauptete, jeder Mensch könne die unmittelbare Erkenntnis Gottes erlangen und bedürfe daher nicht der Priesterschaft als vermittelnder Instanz” (ebd., S. 114f).

Die für den Gnostizismus und damit für die Meditation bedeutenden Schriften, Fontana erwähnt u.a. das Thomas Evangelium, das Philippus Evangelium und verschiedene Texte, die den Anhängern Christi zugeschrieben werden, wären, als das kaiserliche Rom das Christentum zu seiner offiziellen Religion ernannte, von der Kirche, die von nun an zum stabilen Organ des Staates geworden sei und in ihren eigenen Reihen die Machtstrukturen des Staates übernahm, verboten, und ihre Anhänger fortan unterdrückt worden: „Sie (die Kirche, Anm. d. Verf.) benutzte die Autorität, die Religion über den Geist der Menschen besaß, um die Autorität des Staates über ihre Körper zu stützen” (ebd., S. 115).

Nach Fontana ist es auch während des Mittelalters zu Kreuzzügen der Kirche gegen den wiederauflebenden Gnostizismus gekommen. Und letztendlich sei die Kirche bis heute von dem Anspruch nicht abgerückt alleinige „Vertreterin und Deuterin der göttlichen Autorität und daher Mittler zwischen den Gläubigen und Gott” zu sein (vgl. Fontana, 1997, S. 112).[18]

Im Islam entwickelte sich die mystische Tradition des Sufismus. Die wohl bekannteste Meditationstechnik, die in dieser Sphäre entstanden ist, sei der Tanz der Maulawi- Derwische (Sufi-Sekte in der Türkei), so Ornstein (1974, S. 157). Daneben hätten sich auch andere Techniken entwickelt: „Es gibt fragmentarische Beschreibungen anderer Übungen, von denen die Sufis und einige ihrer Anhänger Gebrauch machen ... Die Derwische wiederholen die Phrase ,Ya hu’ wie ein Yoga-Mantra oder das Zen-Koan* Mu...” (Ornstein, 1974, S. 160).

Es sei hier darauf hingewiesen, daß obige Ausführungen nur ein unvollständiges Anreißen der äußerst facettenreichen Geschichte der Meditation darstellt.

2.6 Meditation als Gegenstand psychologischer Forschung

Die Geschichte der Meditation als Gegenstand „westlicher”, (empirischer) Wissenschaft ist noch recht kurz. Eine Pionierin auf diesem Gebiet war, nach Linden, die französische Kardiologin Therese Brosse, die 1935 in Indien, Yogis daraufhin untersucht haben soll, inwieweit diese ihren Herzschlag zu kontrollieren vermochten (vgl. Linden, 1993, S. 209).

Die Bewußtseinsforschung entdeckte Meditation, für das kontrollierte Experiment im Labor in den sechziger Jahren, nachdem 1966 in den USA eine restriktive Drogenverordnung in Kraft trat (vgl. Carrington, 1996, S. 61). Die Wissenschaftler, die zuvor starke psychedelische Mittel[19], die außergewöhnliche Bewußtseinszustände hervorrufen können, beforschten, waren gezwungen, ihre Aufmerksamkeit drogenfreien Mitteln zuzuwenden (vgl. ebd.).

Bekannter sind wohl die psychophysiologischen Experimente zum Biofeedback, die belegen, daß sogenannte unwillkürliche Prozesse, wie Hirnwellenaktivität, Herzfrequenz, Blutdruck u.s.w., von Mensch und Tier beeinfluß- und kontrollierbar sind (vgl. Carrington, 1996, S. 62f).

Diese Entdeckung war von besonderer Bedeutung, angesichts dessen, daß sie in gesellschaftlichen Verhältnissen gemacht wurde, die zunehmend von einem Ansteigen streßbedingter Krankheiten gekennzeichnet waren. Carrington schreibt in ihrem Buch, das ursprünglich 1977 erschienen ist[20]: „Das neue Interesse an Biofeedback trägt zweifellos zu dem wachsenden Interesse an Meditation bei. Biofeedback und meditative Techniken haben vieles gemeinsam: beide beruhen auf einem empfindsam reagierenden Bewußtsein der inneren Zustände. In beiden Techniken hat man es mit Erfahrungen zu tun, die sich innerhalb des Selbst ereignen, die gefühlt, aber nicht definiert werden können. Mit der Erfindung von Apparaten, die die Veränderungen der subjektiven Zustände messen können, ist der ,innere Raum’ zu einem respektablen wissenschaftlichen Gebiet avanciert” (Carrington, 1996, S. 63).

In der Tat gibt es eine große Zahl empirischer Studien aus dieser Zeit, die Aussagen über die psychophysiologischen Korrelate von Meditation machen. Verschiedentlich zitiert werden die umfangreichen Arbeiten von Wallace und Benson aus den frühen siebziger Jahren, denen zufolge Meditation mit einer Senkung des Sauerstoffverbrauches, Verringerung der Herzfrequenz und Veränderung des EEG- Musters [21] einhergehe (vgl. Linden, 1993, S. 209 und Vaitl, 1978, S. 2122f)[22].

Die erhöhte Streßtoleranz infolge von Meditation[23] wurde, nach Vaitl, bereits 1973 durch den amerikanischen Psychologen David Orme-Johnson konstatiert. Dieser „stellte fest, daß Meditation den Hautwiderstand erhöht und spontane Hautwiderstandsschwankungen signifikant erniedrigt. Er schließt daraus, daß die Praxis der Meditation zu einer Dämpfung streßinduzierter somatischer Erregungsvorgänge führen kann” (Vaitl, 1978, S. 2123). „Alle Veränderungen wiesen in Richtung auf größere Entspannung bei der Meditation hin” (Linden, 1993, S.210).

Psychische Auswirkungen vielfacher Art wurden in derartigen Studien festgestellt. Als Beispiele wären anzuführen: die Verbesserung der Wahrnehmungsfunktionen [24] und die Erhöhung der Aktivität und Wachheit (vgl. Scharfetter, 1992, S. 50).

Die am häufigsten beobachtete psychische Langzeitveränderung ist die Verminderung derAngstwerte (vgl. Carrington, 1996, S. 77; Vaitl, 1978, S. 2124; Hehr, 1987, S. 94f).

Bei Linden (vgl. 1993, S. 210) finden allerdings auch eine Anzahl von Untersuchungen, zumeist jüngeren Datums, Erwähnung, die, beispielsweise das Auslösen eines spezifischen hirnelektrischen und kardiorespiratorischen Reaktionsmusters durch Meditation, wie von Wallace & Benson angenommen, anzweifeln. Auch hätten, laut Linden, kritische Metaanalysen gezeigt, daß Meditation keine spezifische Wirkung auf Streß habe (vgl. Linden, 1993, S. 211), „daß die klinischen Effekte, die aus der Meditation resultieren, weitgehend mit denen anderer Entspannungsverfahren vergleichbar sind” (ebd.).

Die Relativierung der Ergebnisse solcher Untersuchungen sind in ihrem Ausmaß oft überraschend. Es bleibt festzuhalten, daß neben jede empirische Untersuchung potentiell störenden Einflüssen [25], es sich bei Meditation um einen für die experimentelle Laborsituation nur schwer handhabbaren Gegenstand handelt.

Es ist gezeigt worden, daß Meditation nicht nur verschiedene Effekte hervorrufen kann, sondern daß diese auch bei ein und derselben Person stark variieren können (vgl. Linden, 1993, S. 210). Darüber hinaus: „Ein weiteres Problem ist, daß die Meditation ... in verschiedenen Formen gelernt und praktiziert wird, und daß das gemeinsame ,Etikett’ gelegentlich unterschiedliches meint. Diese beiden Gründe allein machen es äußerst schwierig, methodenspezifische Effekte zu isolieren” (ebd.).[26]

Diese eigentlich unbefriedigende Ergebnislage hat für Fontana (1997) viel mit der Art und Weise zu tun wie Meditation wissenschaftlich beforscht wird: „Angesichts der Tatsache, daß physiologische Messungen ein relativ grobes Instrumentarium sind, ist es nicht überraschend, wenn die Untersuchungen zeigen, daß Meditation den einzelnen kaum wirkungsvoller in einen körperlich ruhigen Zustand bringen kann als die einfachen Entspannungstechniken, die von den Psychologen selbst gelehrt werden. Somit scheint es auch keinen Grund zu geben, warum man Psychologen Meditation empfehlen sollte, wo es doch viel weniger ,mystische’ Verfahren gibt” (Fontana, 1997, S. 34). Das Problem der westlichen Psychologie, sich der Meditation zu nähern, liegt sozusagen in ihrer Methodik: „Wenn also behauptet wird, Meditation führe zu größerer Gelassenheit, wird der Psychologe fragen, ob sie die physiologischen Veränderungen hervorruft, die normalerweise mit körperlicher Entspannung einhergehen: verringerter Blutdruck und geringere Pulsfrequenz, ein Wechsel im elektrischen Rhythmus des Gehirns von dem üblichen Beta- zu dem langsameren Alpha-Rhythmus sowie einer Verringerung der Streßhormone Adrenalin und Noradrenalin. So weit so gut, doch was wir dabei überhaupt nicht erfahren, ist, wie die meditierende Person ihre inneren Erfahrungen tatsächlich empfindet” (ebd., S. 33f).

Fontana plädiert für das Mittel der Introspektion und verweist in diesem Zusammenhang auf die Potentiale klinischer Fallstudien. Diese klinischen Studien drängen „tiefer in das Leben und die Entwicklung des einzelnen vor als die anderen, bisher erwähnten Arbeiten (vgl. ebd., S. 37).

Abschließend sei hier nochmals auf die bereits erwähnte, empirische Feldstudie von Engel (1998) verwiesen die, neben der Erkundung soziographischer Merkmale [27], den, für uns interessanten, Versuch unternimmt das meditative Erleben in Entwicklungsstadien zu beschreiben.

Mit ihnen formuliert Engel (vgl. Engel, 1998, Teil A, S. 7 - 10) die meditative Entwicklung, wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusammenfassend kommt auch Engel zu dem Ergebnis: „Das Erleben auf dem meditativen Weg ist trotz unterschiedlicher Techniken und impliziter Theorien eher ähnlich als unähnlich” (Engel, 1998, Teil B, S. 1).

2.7 Stabilisierendes Potential - Entwicklungspotential

Sich tet man die entsprechende Literatur, so meint man zwei grundlegende Bedeutungsmöglichkeiten, die Meditation für die Ausübenden haben kann, zu entdecken. Zum einen scheint Meditation ein großes, stabilisierendes Potantial, gerade auch für die alltägliche Psychohygiene, zu besitzen. Im weiteren und darüber hinaus bietet Meditation anscheinend Möglichkeiten, die der persönlichen Entwicklung zu Gute kommen können.

Eingangs möchten wir nun ein paar Beispiele „alltäglicher Nutzbarmachung” anführen, dann auf den interessanten Nebenaspekt der medizinisch-therapeutischen Einsetzbarkeit verweisen und anschließend auf das angesprochene Entwicklungspotential eingehen.

2.7.1 Mit Meditation Defizite ausgleichen

Nach Vaitl stellen Meditationsverfahren eine, innerhalb esoterischer Traditionen „über Jahrhunderte hinweg überlieferte und praktizierte Methode der Selbstregulation dar” (Vaitl, 1978, S. 2121).

Es war schon relativ früh anzunehmen, daß diese Selbstregulationsmöglichkeit im Westen leichter einer profaneren Verwendung anheimfallen wird. So schreibt Carrington bereits 1977: „Wahrscheinlich wird der Westen die Meditation zunächst als Notmaßnahme einführen, wenn Gleichgewichtsstörungen’ zu korrigieren sind, bestimmten Exzessen unserer Gesellschaft entgegenzuwirken ist und ein besseres Funktionieren des ganzen ,Systems’ erreicht werden soll. Unternehmen können sie verwenden, damit die Arbeiter zufriedener sind; Schulen, um dafür zu sorgen, daß die Kinder ihre Lehrer weniger belasten” (Carrington, 1996, S. 318). So finden sich auch mannigfache Anregungen einer derartigen, palliativen Anwendung von Meditation, bei der es in der Hauptsache darum gehen soll, Defizite auszugleichen. Carrington selbst referiert Studien, wonach, z.B. Atemmeditation, gut gegen Schlaflosigkeit sein soll (vgl. ebd., S. 98).

Immer wieder, auch wir haben dies weiter oben bereits angeführt, wird Meditation als Mittel zur Streßverminderung hervorgehoben. Meditation vermag es „großen Gruppen” zu helfen, „mit dem Streß fertigzuwerden. Das macht sie in unserer Gesellschaft zu einer hochqualifizierten Praxis” (Carrington, 1996, S. 307). Leistungsfähigkeit kann durch Meditation gesteigert werden (vgl. Scharfetter, 1992, S. 50). Auch zur Vorbereitung auf Streßsituationen, z.B. Prüfungen, sei Meditation zum Spannungsabbau geeignet (vgl. Carrington, 1996, S. 136f).

Eine interessante, wenn auch, soweit wir das beurteilen können, wenig beachtete Möglichkeit, stellt in diesem strategischen Sinne, die Anwendung von meditativen Übungen vor medizinischen Eingriffen dar: „Sie (die Meditation, Anm. d. Verf.) kann ein ausgezeichnetes Mittel zur Vorbereitung der Patienten auf eine Operation sein. Da ein weniger streßbelasteter Patient bekanntlich ein geringeres Risiko für die Chirurgie darstellt...” (Carrington, 1996, S. 308). Diese Möglichkeit bietet sich natürlich auch bei kleineren Eingriffen an, wo der bereits Meditation Praktizierende sich, beispielsweise vor zahnärztlichen Behandlungen, auf diese Weise, einen beruhigenden Spannungsabbau verschaffen kann: „Im Wartezimmer, ehe man zum Behandlungsstuhl geführt wird, bietet sich eine gute Gelegenheit, ungehindert strategische Mini­Meditationen zu praktizieren” (ebd., S. 138).

Daß man durch Meditation auf einen vorliegenden Hypertonus[28] einwirken kann, darauf haben wir, weiter oben, bereits hingewiesen. Dies scheint, laut Linden (1993), besonders effektiv im Rahmen einer Methodenkombination von Meditation und Biofeedback möglich zu sein (vgl. Linden, 1993, S. 214). Engel mahnt allerdings zur Zurückhaltung in puncto medizinischer Inanspruchnahme von Meditation. In seiner Studie kommt er zu dem Ergebnis, „daß Meditierende einen mit Normalprobanden vergleichbaren Gesundheitszustand besitzen...” (Engel, 1998, Teil B, S. 11). Weiter: „Damit formulieren wir unsere abschließende Hypothese: Meditation ist kein primäres Mittel zur Gesundheitsvorsorge oder Gesundheitsverbesserung. Der meditative Weg hat seine eigenen Ziele - die Erreichung des Zentrums, der Mitte des Menschen. Dafür ist eine optimale Gesundheit hilfreich und wünschenswert, aber nicht primäres Ziel” (ebd.).

Dem eben von Engel aufgeworfenen Aspekt, bezüglich der Zielsetzung von Meditation tragen wahrscheinlich schon eher meditative Übungen, die zum Zweck psychischer Behandlung, bzw. Betreuung, insbesondere bei chronischen Krankheiten, erarbeitet wurden, Rechnung. Als Beispiel seien hier die von A.-M. Tausch und R. Tausch (1996) entwickelten Sterbemeditationen erwähnt. Es handelt sich dabei um geleitete Meditationen: „Ein Helfer (Psychologin) leitet zunächst die Teilnehmer an, sich körperlich und seelisch zu entspannen. Die Entspannung erleichtert den Zugang zu unseren bildlichen Vorstellungen ... Dann stellen sich die Teilnehmer - entsprechend dem vom Helfer gesprochenen Text - die verschiedenen Situationen ihres Sterbens vor: die Mitteilung des Arztes über den bevorstehenden Tod, die Gestaltung der letzten Lebenswochen ... In einer letzten Phase blicken die Teilnehmer auf ihr Leben zurück” (Tausch & Tausch, 1996, S. 239). In einem, sich an die Meditation anschließenden, z.T. mehrstündigen, Gespräch, „setzen sich die Teilnehmer mit ihren Erlebnissen auseinander und ziehen Folgerungen für ihr Leben sowie ihr zukünftiges Sterben” (ebd. S. 240). Auf diese Art und Weise soll Meditation den Betroffenen helfen, ihr Sterben anzunehmen.[29]

2.7.2 Entwicklungspotential für das Selbst

Wie eingangs bereits erwähnt bietet Meditation, neben ihrem Potential alltägliche Defizite auszugleichen, auch die Möglichkeit einer Bereicherung für das Selbst. Es ist wohl exakter davon zu sprechen, daß in der einschlägigen Literatur über, sich längerfristig abbildende, psychische Effekte, von Meditation berichtet wird, die über die oben referierten, eher akuten, profan-gesundheitlichen Zielsetzungen, hinausgehen. Natürlich ist es nicht unwahrscheinlich, daß Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung auch bei denjenigen auftreten, die ursprünglich, beispielsweise aus der Absicht Streß abzubauen, ihre Meditationsübungen aufgenommen haben. Die vorgenommene Unterscheidung beruht also eher auf Gründen der besseren Darstellbarkeit.

Scharfetter (1987) erwähnt eine Reihe sich eher auf längere Sicht einstellender, psychischer Auswirkungen von Meditation. Dies sind, unter anderem: größere Stimmungsstabilität und Affektkontrolle, Selbsterfahrung, geringerer Druck zur Defensive, erhöhte Toleranz, Verbesserte Beziehungsfähigkeit, Ruhe und Gelassenheit. „Geglücktes Meditieren führt zu unberührter Gelassenheit und zum Nicht-Eingreifen. Die Verhaftung an die Welt und ihre Reize ist ebenso wie die Abhängigkeit von eigenen Bedürfnissen, Wünschen, Trieben vermindert, in fortgeschrittenen Stadien als Ideal aufgehoben: Non-attachment, detachment...” (Scharfetter, 1987, S. 219). Ferner werden auch erhöhter Einfallsreichtum und Kreativitätssteigerung als psychische Wirkungen von ihm angeführt (vgl. ebd.).

Carrington (vgl. 1996, S. 223) weist daraufhin, daß es insbesondere die drei wichtigen Aspekte der Kreativität, Produktivität, Originalität und Ausdauer seien, die auf Meditation reagieren würden.

Auch sie erwähnt, als psychische Meditationsauswirkung, wachsendes Selbstbewußtsein und ein sich verstärkendes Identitätsbewußtsein, i.S. einer Feldunabhängigkeit[30], mit der sich daraus entwickelnden Tendenz, eher eigen- als fremdbestimmt zu sein (vgl. ebd., S. 207ff).

In diesem Zusammenhang ist, ihrer Meinung nach, die Flexibilisierung des Uber-Ichs [31], infolge meditativer Übungen, „der Meditierende wird geduldiger und verständlicher mit sich selbst”, von Bedeutung (vgl. ebd., S. 201).

Viele dieser Ausführungen klingen mehr oder weniger hypothetisch. Aber auch wir haben, wie sich in den nachfolgenden Kapiteln zeigt, von unseren Befragten eine „das tägliche Leben des Meditierenden” beeinflussende „neu entdeckte Selbstbejahung” (ebd.), durch Meditation, vermittelt bekommen.

2.7.3 Entwicklungspsychologische Perspektiven? - Ein Exkurs in die Transpersonale Psychologie

„Mit der Transpersonalen[32] Psychologie und insbesondere den Arbeiten von Ken Wilber hat die meditative Bewegung Anschluß gefunden - vor allem in beschreibend theoretischer Hinsicht - an die derzeitige Wissenschaftsdiskussion” (Engel, 1998, Teil B, S. 12). Wilber hat mit seinem Grundlagenwerk „Das Atman-Projekt” (Wilber, 1990) ein relativ ausgereiftes, entwicklungspsychologisches Modell, in dem Meditation als bedeutender Faktor verortet wird, vorgelegt. Zur Erläuterung wollen wir auf dieses Modell das, dem Autor zufolge, die vollständige geistige Evolution des Bewußtseins abbilden soll (vgl. Wilber, 1990, S. 18f), nun etwas näher eingehen.

Gleich einem letztendlich Axiom ist die Grundidee, die diese Arbeit leitet die, daß alles was existiert dazu tendiert, in einer höheren Einheit aufzugehen (vgl. ebd., S. 12f).

Auch die Psyche sei, „wie der Kosmos im Großen” (ebd. S. 13), vielschichtig. Sie bestehe aus einer Folge von Ganzheiten, die ihrerseits wiederum die Bestrebung hätten in einer höheren Ordnung aufzugehen (vgl. ebd.). Für die Sprachentwicklung bedeutet das zum Beispiel: „Zuerst lernt das Kind Brabbel-Laute, später gedehntere Vokale und Konsonanten, dann einfache Wörter, kleinere Aussagen und schließlich längere Sätze. Auf jeder dieser Stufen werden einfache Teile (beispielsweise Wörter) zu höheren Ganzheiten integriert (beispielsweise zu Sätzen)” (ebd. S. 14).

Wilber beschreibt einen, sich aus einer Auswärts- und Einwärtskrümmung zusammensetzenden Lebenszyklus, der diese Schichtung psychischer Stufen wiedergibt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung:Der vollständigeLebenszyklus (Wilber, 1990, S. 18)

Die Abfolge der psychischen Ganzheiten, bzw. Stufen, aus denen sich die Auswärtskrümmung des Lebenszykluses aufbaut, stellt die menschliche Bewußtseinsentwicklung vom Unbewußten zum Selbstbewußtsein dar (vgl. Wilber, 1990, S. 16ff). Laut dem Autor sind es die „niederen” Stufen und Ebenen der Psyche, die vereinfacht als „instinktiv, impulsiv, libidinös, es-haft, animalisch” (ebd., S. 15) zu bezeichnen sind und einige der „mittleren” Stufen, die für soziale Angpaßtheit, geistige Genormtheit, ein integriertes Ich, syntaktische Organisiertheit[33] und konzeptuelle Reife stehen, aus denen sich der Anstieg bis zum Zenit des Zykluses zusammensetzt (vgl. ebd.).

Der durch die Auswärtskrümmung des Lebenszykluses repräsentierte Teil der psychischen Evolution ist auch derjenige, in dem die verschiedenen entwicklungspsychologischen Ansätze westlicher Prägung [34] zu verorten sind (vgl. ebd., S. 14ff). Wilber greift diese Entwicklungsmodelle zum Teil auf und erweitert sie durch die, von ihm sogenannte, Einwärtskrümmung, die die Bewegung vom „Selbstbewußtsein” zum „Überbewußten” darstellt (vgl. Wilber, 1990, S. 18f).

Gebildet wird diese Vervollständigung durch eine Folge weiterer psychischer Stufen, die ihrerseits immer wieder in die Nächsthöhere transformiert werden.

Im Lebenszyklus ist die von Wilber sogenannte, „pleromatische Psyche” (ebd., S. 21) die erste Stufe der Auswärtskrümmung, die noch kein Ich-Bewußtsein kennt, in die der neugeborene Mensch tritt. Die „Welt der Objekte und das Subjektive Bewußtsein des Säuglings sind noch völlig undifferenziert...” (ebd.). Ein Zustand „prä-personaler”, nicht aber „trans-personaler” Vollkommenheit (vgl. ebd., S. 22).

Aus der a-dualistischen, scheinbar über keinerlei erkennbare Grenzen verfügende „pleromatischen Psyche”, entsteht die „uroborische Psyche” (vgl. ebd., S. 23ff), die schon eine Art Ich-Grenze ausgebildet hat, mithin beginnt ein „Anderes” wahrzunehmen (vgl. ebd.). Auch sie bezeichnet Wilber noch als „prä-personal” (ebd., S. 24). Der prä-personale Zustand wird dann überwunden, wenn „das Erleben des Kindes sich ... zum individuellen Organismus zu verlagern beginnt...” (ebd., S. 29). Das „Körper-Ich”, mit seinen Lust- und Unlustbestrebungen zum Beispiel, wird möglich (vgl. ebd., S. 32f). Mit der Zeit entwickle das Kind auch die Fähigkeit, sich eine ausgeprägte Bilderwelt zu schaffen. Diese Bilder bzw. Vorstellungen würden es dem Kind ermöglichen, eine erweitere Objektwelt und einen erweiterten Zeitmodus zu bilden (vgl. ebd., S. 34ff). Nach Wilber ist dies die Stufe des „Bild-Körper­Bewußtseins” (vgl. ebd.).

Das Kind könne sich gegen Ende dieser Entwicklungsstufe auch abwesende Objekte vorstellen (vgl. ebd., S. 38f). Die Dinge, an denen sich die Objektpermanenz nun festmache, können durch Lust/Unlustbestrebungen, die schon in der vorangegangenen Phase existent waren, bestimmt sein [35]. Auf diese Weise ist das Lust/Unlustprinzip in diese Phase transformiert worden (vgl. ebd., S. 38f).

Bedeutsam für das „Bewußtsein der Gruppenzugehörigkeitsstufe” (vgl. ebd., S. 45ff) sei der Spracherwerb, der darüber hinaus „sehr wahrscheinlich der allerwichtigste Vorgang im Segment der Auswärtskrümmung des menschlichen Lebenszyklus(es)...” ist (ebd., S. 45). Von diesem Punkt an und kür die gesamte weitere Dauer der Auswärtskrümmung sei iür den Menschen die Struktur seiner Sprache gleichzeitig seine eigene Struktur und beschreibe die Grenzen seiner Welt (vgl. Wilber, 1990, S. 45ff). Doch die syntaktische Kognition und das verbal-logische Denken entwickle sich nicht sogleich vollständig. Der Inhalt, der ersten Sprechversuche würde durch den parataktischen Modus[36] vorangegangener Bewußtseinsstufen bestimmt (vgl. ebd., S. 45f).

Laut Wilber ist es dem Kind mittels der Sprache nun aber mehr und mehr möglich seine einfache, gegenwärtige Welt zu transzendieren: „Mit Hilfe der Sprache kann man die Zukunft antizipieren, man kann für die Zukunft planen und die heutigen Aktivitäten auf das, was morgen zu erwarten ist, abstimmen. Das bedeutet, daß man die Erfüllung gegenwärtigen körperlichen Verlangens und gegenwärtige Aktivitäten aufschieben oder beherrschen kann” (ebd. S. 56). Das Kind wachse über das impulsive Körper-Ich hinaus (vgl. ebd., S. 53f). Das Erleben des Kindes zentriere sich schließlich aber mehr und mehr „auf seine syntaktische Gruppenzugehörigkeits-Kognition und auf die Affekte, Motivationen und Phantasien, die eng mit dieser verbunden sind” (ebd. S. 57). Das Ich und das Über-Ich würden sich nun konsolidieren. Wobei die internalisierte Idee oder das Konzept von den Eltern die Einstellungen, Gefühle und Gedanken der Eltern über das Kind, bzw. die Rezeption derselben durch das Kind, mit einschließe (vgl. ebd., S. 59) . Verbale Konzeptualisierung ermögliche es, daß aus inter-personellen Beziehungen, auf dieser Entwicklungsstufe, intra-psychische Strukturen werden (vgl. ebd., S. 59). Vereinfacht gesagt „wird die äußere Beziehung zwischen Eltern und Kind zu einer inneren Beziehung zwischen zwei verschiedenen Teilpersönlichkeiten des Ich” (ebd. S. 60) .

In Anlehnung an psychoanalytische Vorstellungen überleben, nach Wilber, nur „sehr wenige Menschen ... die Kindheit mit einem Ich, das in seinem Bewußtsein intakt oder auch nur weitgehend intakt ist, denn nachdem das Über-Ich entstanden ist, bestimmt dieses darüber, welche Triebe und Bedürfnisse zugelassen und welche unterdrückt werden” (ebd., S. 61). Des weiteren könne jeder „Aspekt, der vom Bewußtsein als zu bedrohlich empfunden wird, ... an jedem Punkt der Ich-Entwicklung unterdrückt werden. Diese unterdrückten Aspekte nennen wir den ,Schatten’, und das auf diese Weise entstehende verfälschte Eigenbild des Menschen bezeichnen wir (mit Jung) als ,Persona”’ (Wilber, 1990, S. 62).

Am Ende der von Wilber sogenannten „späte(n) Ich/Persona Phase”[37] (ebd. S. 63) hat der Mensch gelernt, sich verschiedene passende Personae zu schaffen und sich damit zu identifizieren. So entstehen beispielsweise Vater-Persona, Berufs-Persona etc. (vgl. ebd., S. 62f).

In der späten Ich-Phase „jedoch beherrscht er (der Mensch, Anm. d. Verf.) nicht nur seine verschiedenen Personae, ... sondern er beginnt, auch diese zu überwinden...” (ebd. S. 63). Weiter: „Dies ist ... der Beginn der Phase der Einwärtskrümmung, und alle Entwicklungsstufen von diesem Punkt an sind eindeutigjenseits des Ich” (ebd. S. 64).

Der Mensch integriert alle seine möglichen Personae in das „reife Ich” (ebd. S. 81) und beginnt dann, „sich vom Ich zu unterscheiden oder seine Identifikation mit dem Ich aufzulösen, um mittels Transformation eine Einheit noch höherer Ordnung als die des Ich zu entdecken. Dies führt zum Reich des Zentauren ”[38] (ebd. S. 81). Laut Wilber ist diese Stufe dadurch gekennzeichnet, daß das Bewußtsein anfange, den verbalen Verstand des Ich zu transzendieren, es diesen zum erstenmal mit allen darunterliegenden Ebenen integrieren kann (vgl. ebd., S. 81). „Denn da das Bewußtsein nun mit keinem dieser Elemente mehr so stark identifiziert ist, daß dadurch andere ausgeschlossen werden, können alle integriert werden: Körper, Persona, Schatten und Ich” (ebd.). Insgesamt führe der Kontakt mit der Zentaurenstufe dazu, daß die „gröberen Elemente der Persönlichkeit - Körper, Ich, Persona, Schatten” harmonisiert werden (vgl. ebd.). „Denn der betroffene Mensch fängt an, sie zu transzendieren, und hört folglich auf, sie zwanghaft zu manipulieren und auszubeuten. Insgesamt ist diese Stufe verschiedentlich als eine der Autonomie, der Integration, der Authentizität oder der Selbstverwirklichung beschrieben worden - entsprechend dem Ideal der humanistischen und existentiellen Therapien” (Wilber, 1990, S. 82). Sie sei die höchste der von den orthodoxen westlichen Psychologien angestrebten Stufen (vgl. ebd.).

Infolge wendet sich Wilber, zur Erläuterung der letzten, besser höchsten, Stufen die für das Bewußtsein während seiner Evolution erreichbar sind, den „großen Mystikern und Weisen des Ostens und des Westens, des Hinduismus und des Buddhismus, des Christentums und des Islam”, zu (ebd. S. 113).

Bis zu der Bewußtseinsstufe des Zentauren bewege man sich noch im grobstofflichen Bereich, dem Bereich des „gewöhnlichen Wachbewußtseins” (vgl. ebd., S. 109). Jenseits des normalen Wachbewußtseins lägen die feinstofflichen, oder subtilen, Bereiche des Bewußtseins (vgl. ebd.). Das Bewußtsein differenziere sich mit dem Erlangen dieser Bereiche immer weiter vom grob-reflexiven Verstand und vom Körper. Es erreicht die transpersonalen Ebenen (vgl. ebd. 109ff), und letztendlich die letzten und höchsten Transformationen, bis zur höchsten Einheit hin, „in welcher alle Dinge und Ereignisse EINS sind, obwohl sie völlig für sich und getrennt bleiben” (ebd. S. 125).

Hiermit ist der Zyklus der Bewußtseinsevolution, nach Wilber, stark vereinfacht, beschrieben.

Die, für die beschriebene Bewußtseinsentfaltung verantwortliche Dynamik sei, wie bereits erwähnt, die natürliche Bestrebung der „Erzeugung immer höherer Einheiten” (ebd. S. 167). „Von Anfang an erahnt die Seele diese Atman [39] -Natur und von Anfang an versucht sie, diese zu verwirklichen, sie also nicht als bloßes Potential zu belassen. Dieser Trieb, Atman zu verwirklichen, ist Teil des Atman-Projekts” (ebd.). Die verschiedenen Bewußtseinsstufen repräsentieren, dem Autor zufolge, den jeweiligen Versuch das Atman-Bewußtsein auf eine spezifische Art und Weise zu erlangen, die eben dieses verhindert und symbolischen Ersatz erzwingt - genau dies sei das Atman- Projekt (vgl. ebd., S. 170f).[40]

Hier werden wir die Erläuterung von Wilbers Modell beenden und den Blick auf die Meditation, bzw. die Aufgabe, die sie in diesem Zusammenhang erfüllen kann, wenden. Wilber postuliert: „Meditation ist vor allem der beharrlich verfolgte Weg der Transzendenz” (Wilber, 1990, S. 157). Er hat, im vorliegenden Werk, Transzendenz als Entwicklungsform herausgearbeitet. Mehr noch, für ihn sind Transzendenz und Entwicklung Synonyme, und deshalb „ist Meditation nichts anderes als beharrliche Entwicklung oder beharrliches Wachstum. Meditation ist... vor allem eine Möglichkeit, ihn (den Lauf der Dinge, Anm. d. Verf.) weiterzuentwickeln. Dies beinhaltet eine natürliche und planmäßige Entfaltung immer höherer Einheitszustände, bis nur noch EINHEIT ist, bis alles Potential verwirklicht ist, bis alles Grund-Unbewußte[41] sich zu Bewußtsein entfaltet hat” (ebd.). Hierauf bezieht sich Scharfetter, wenn er sagt: „Meditation ist die via regia der Entfaltung des Bewußtseins” (Scharfetter, 1992, S. 40).

Präzisierend merkt Wilber an, daß Meditation, gerade bei der Überwindung des Ich­Bewußtseins von Bedeutung ist, bzw. das Auftauchen der transpersonalen Bewußtseinsstufen, aus dem „auftauchenden Unbewußten”, zu beschleunigen vermag (vgl. Wilber, 1990, S. 158). Meditation stelle für das Ich eine fortgeschrittene Entwicklungsstufe dar (vgl. ebd.).

Die Transformation in die feinstofflichen und kausalen Bewußtseinsbereiche erfordere nun aber, der oben erläuterten Gesetzmäßigkeit des Atman-Projekts folgend, die Überwindung der, das Ich-Bewußtsein kennzeichnenden Übersetzungs-, bzw. Aneignungsmodi. Im Falle der Überwindung des Ich-Bewußtseins sind das, beispielsweise verbales Denken und Konzeptualisierungen (vgl. ebd.): „Deshalb ist Meditation anfangs eine Methode, um die konzeptuelle Übersetzung zu durchbrechen und um der Transformation den Weg zur feinstofflichen Ebene zu öffnen” (ebd.).

Die zu diesem Zeitpunkt aktive und vielleicht noch stabile, Übersetzung wird also ins Wanken gebracht. Wilber spricht anderenorts von der „Lockerung der Ich-Übersetzung” (vgl. Wilber, 1990, S. 164).

Eventuell wird diese Lockerung aber nicht umgehend zu dem gewünschten Ziel führen. Wilber folgend, ist sie auch für die teilweise verwirrenden und aufwühlenden Erfahrungen beim Meditieren verantwortlich. Denn, wenn die Ich-Übersetzungen sich aufzulösen beginnen, würde der Betreffende zunächst den nicht-verdrängten Anteilen des untergetauchten Unbewußten[42] ausgesetzt (vgl. ebd., S. 162). Darüber hinaus würden, mit dem Fortgang der Meditation, auch die stärker Widerstand leistenden Aspekte der Ich-Übersetzungen allmählich unterminiert und letztendlich könne auch verdrängtes Material auftauchen (vgl. ebd., S. 162f). „Der Meditierende begegnet plötzlich seinem Schatten ... Man kann Monate oder sogar Jahre damit verbringen, mit dem eigenen Schatten zu ringen, und in diesem Punkt kann die orthodoxe Therapie sicherlich die Meditation unterstützen” (ebd. S. 163).

Meditation ermöglicht es den höheren Bewußtseinsstufen schließlich, gleichsam in Form eines Katalysatoreneffektes, sich Bahn zu brechen.

2.8 Psychotherapeutische Potentiale

Das Verhältnis Meditation - Psychotherapie wird von den verschiedenen Autoren unterschiedlich eingeschätzt; Tatsache scheint aber zu sein, daß ein solches Verhältnis existiert. Carrington hierzu: „Gelegentlich hat ein Meditierender während der Meditation eine spontane Erkenntnis, die sein ganzes Leben verändern kann. Ich meine, diese Erkenntnisse gleichen im wesentlichen den tieferen Einsichten, die sich während der Psychotherapie einstellen können; mit einem Unterschied: es fehlt die vorausgehende bewußte ,Arbeit’, die zur therapeutischen Einsicht führt” (Carrington, 1996, S. 109).

Daß Meditation einen Zugang zu unbewußten, verdrängten Persönlichkeitsanteilen ermöglichen kann, darauf haben wir bereits hingewiesen. Auch Fontana verweist mehrmals auf diesen Umstand. Zum Beispiel: „..das Unbewußte - dieses unermessliche Reservoir des Geistes, voller Inhalte, die dem Bewußtsein unerreichbar sind - ist Teil der inneren Welt, die uns durch Meditation zugänglich wird” (Fontana, 1997, S. 46).

Scharfetter stellt das Verhältnis differenzierter dar, und möchte Meditation vor allem nicht als Allheilmittel verstanden wissen (vgl. Scharfetter, 1987, S. 222). Er verweist auch darauf, daß viele meditationsähnliche Verfahren, die als Therapeutikum angepriesen worden seien, letztendlich einer methodenkritischen Überprüfung nicht standhalten konnten. „Nicht alles, was wohl zu tun scheint, ist schon Therapie” (ebd.).

Von ihm werden drei grundsätzliche Unterscheidungen im Zusammenhang von Meditation und Psychotherapie getroffen:

1. „Der Patient selbst meditiert mit dem Therapeuten...” (ebd.). Hiermit wird, von Scharfetter, die begleitende Meditation, im Rahmen einer Psychotherapie, in der der Klient aktiv meditiert, angesprochen. Der Anwendungsbereich sei praktisch unbegrenzt, unter der Voraussetzung, daß der Klient entsprechende Motivation, Interesse, Mitarbeit und Ausdauer einbringen kann (vgl. ebd.). Indikationen seien Lebenskrisen, psychosomatische Beschwerden, Neurosen, Süchte etc. (vgl. ebd.). Gegen diese Art der Anwendung von Meditation als Therapie würden, unter anderem Angst vor Kontrollverlust, übergroße Bindung an den Therapeuten, ausgeprägte Depressivität oder ängstliche Erregung, sprechen (vgl. ebd., S. 222f).

2. „Der Therapeut selbst meditiert, der Patient ist passiver Empfänger der dabei geweckten Atmosphäre” (ebd. S. 222). Diese Art der Anwendung sei bei Menschen mit schwerer Ich-Pathologie geeignet. „Solche Menschen haben eine zu wenig stabile Ich- Struktur, um heilsam einen meditativen Übungsweg durchzuhalten. Hingegen können manche solcher Patienten aus dem bloßen stillen Verweilen beim meditierenden Therapeuten Ruhe und Kraft schöpfen, Erholung und vorübergehende Linderung der Symptome oder Befreiung davon finden...” (ebd. S. 223).

3. Letztendlich könne Meditation für den Therapeuten selbst, für die Vertiefung und Festigung seiner Persönlichkeit, von Bedeutung sein (vgl. ebd.). Sie bereite ihn darauf vor, „sich in der rechten Art als Medium überindividueller Ordnungskräft zur Verfügung zu halten, die als selbsteheilende Kräfte im Patienten wirksam werden können” (Scharfetter, 1987, S. 223). Ein Aspekt auf den auch Carrington verweist (vgl. Carrington, 1996, S. 265f).

Auf die vielfältig beschriebenen, spezifischen Anwendungsmöglichkeiten von Meditation in psychotherapeutischem Sinne[43] wollen wir, an dieser Stelle, da sie unser Forschungsvorhaben nur marginal berühren, eigentlich nicht weiter eingehen.

2.8.1 Therapeutische Nutzung des meditativen Bilderlebens

Bedeutsam erscheint es uns hingegen auf die therapeutische Verwendbarkeit des meditativen Bilderlebens hinzuweisen, weil dieses Gebiet mit einem Interviewpartner (Fido), der Meditation im Rahmen eines therapeutischen Settings kennengelernt hat, gestreift wird. In den, von ihm beschriebenen, geleiteten Meditationen spielen Visualisierungen eine Rolle.

Das Auftreten von Bildern während der Meditation, ist ein oft zu erlebender, gewöhnlicher Effekt. In den meisten traditionellen Schulen stellt ein solches Bilderleben allerdings eine Art Ablenkung dar, die, im weiteren Fortschreiten der Meditation, überwunden werden soll. Im Zusammenhang mit psychotherapeutischen Zielsetzungen kann ihnen aber entscheidende Bedeutung zukommen (vgl. Pfeiffer, 1992, S. 428f).

Es gibt eine lange Tradition der (therapeutischen) Arbeit mit meditativ-bildhaften Erlebnissen. Zu erwähnen wäre hier Happich (1932), der sich bereits in den dreißiger Jahren mit dem „Bildbewußtsein”, einer unterhalb der Sphäre des Denkens liegenden „Zone”, in welcher Vorstellungen und Erinnerungen nicht in Form von Formulierungen, sondern in der Gestalt von Bildern, vorhanden seien, beschäftigt hat (vgl. Happich, 1932, S. 663f).

Meditation wurde von ihm, als die entscheidende Hilfestellung angesehen, um in dieses Bildbewußtsein, welches, seiner Ansicht zufolge, möglicherweise das Zentrum der menschlichen Persönlichkeit, auf alle Fälle aber ein großes Potential menschlicher Genialität, bergen würde, einzudringen (vgl. ebd., S. 665ff).

Er spricht ferner von einer heilenden Wirkung, da der Übende lerne, in sich selbst zu ruhen und so seine verlorene Geschlossenheit wiedererlangen könne (vgl. Happich, 1932, S. 668).

Zu nennen wäre des weiteren der sogenannte „gelenkte Tagtraum” nach Desoille. Wobei Fabre (1986) zufolge für die Entwicklung dieser und ähnlicher Methoden nicht ausschließlich die westliche Kenntnisnahme buddhistisch-meditativer Traditionen, sondern auch die zeitliche Strömung des Surrealismus, verantwortlich sei (vgl. Fabre, 1986, S. 266).

Der gelenkte Tagtraum nach Desoille bediene sich der Suggestion, um dem Unbewußten die Äußerungen seiner geheimsten Neigungen zu ermöglichen (vgl. ebd., S. 269f). Mit dem Tagtraum schaffe sich der Klient einen Raum, eine „imaginäre Bühne”, auf der er sich bewegen und auf die er, bei Bedarf, auch „Komparsen” holen soll (vgl. ebd., S. 272). Der Klient soll sich, auf die in ihm aufsteigenden Bilder und Affekte konzentrieren (vgl. ebd.). Die suggerierten Themen des Tagtraumes sowie das Vorgehen mittels eines Initialbildes sei ähnlich wie beim Katathymen Bilderleben nach Leuner. Auch wir meinen durchaus Parallelen ausmachen zu können.

Leuner (1983) selbst distanziert sich etwas von dieser ihm zugetragenen, Verwandtschaft. Der Tagtraum nach Desoille folge einem anderen Grundkonzept als das Katathyme Bilderleben und lege eine weniger systematische, pragmatisch orientierte Technik zugrunde (vgl. Leuner, 1983, S. 11).

Festzuhalten ist, daß insbesondere das Katathyme Bilderleben sich als psychotherapeutisches Verfahren etablieren konnte (vgl. Pfeiffer, 1992, S. 428). Den Klienten werden in einem leichten Versenkungszustand Standardmotive angeboten, die als „Kristallisationskern” für den Beginn der Imagination dienen, so Pfeiffer (vgl. ebd., S. 428f). Thematisch handele es sich zunächst um Landschaftsmotive[44]. Im weiteren Verlauf können auch helfende, bzw. feindselige Gestalten die imaginäre Bühne betreten (vgl. ebd., S. 428f).

2.9 Risiken

Meditation birgt ein gewisses Gefahrenpotential. Selbst eine durch Meditation hervorgerufene, konstruktive Bewußtseinsveränderung stellt eine Provokation für die, wie auch immer gelagerte, Stabilität einer Persönlichkeit dar. Ein bisher funktionierendes Gleichgewicht wird durch das Erreichen anderer Bewußtseinsstufen, durch den Zugang zu verdrängtem Material, ins Wanken gebracht, was insbesondere für den unerfahrenen Anfänger ein Risiko darzustellen scheint. „Eine halbe Stunde lang bewegungslos in einer Meditationshaltung zu sitzen, kann anfangs sehr anstrengend sein, und intensive Praxis über mehrere Tage hin zeigt manchmal sehr durchschlagende und zutiefst beunruhigende Wirkungen. Ungelöste psychische Konflikte kommen gerne an die Oberfläche, sobald die Aufmerksamkeit sich nach innen wendet, und die ruhelose Natur des ungeschulten Geistes wird schlagend deutlich” (Walsh und Vaughan, 1987, S. 154). Dieser Umstand potenziert sich bei Menschen mit Angst vor Kontrollverlust. Sie hegen, laut Carrington, oft von vorneherein einen gewissen Argwohn der Meditation gegenüber, „weil diese Übung sowohl unstrukturiert wie auch unkontrollierbar ist” (Carrington, 1996, S. 238). Schwer gestörte Menschen, die nicht gleichzeitig auch psychotherapeutisch behandelt werden, sollten, der Autorin zufolge, wegen der angeführten Gründe, nicht meditieren (vgl. ebd., S. 263).

Fontana ist der Meinung, daß entsprechende Risiken gemindert werden können, indem man unter der Anleitung eines Lehrers meditiert (vgl. Fontana, 1997, S. 39).

Scharfetter arbeitet dieses Thema äußerst gründlich aus. Er entwirft eine Systematisierung der „Gefährdung und Krise in der Meditation” (Scharfetter, 1992, S. 49). Diese unterteilt die Gefährdungs-, bzw. Krisenbereiche Leib[45], Psyche[46], Soziales[47] und Außer-soziales[48] (vgl. ebd.). Diesen Unterteilungen ordnet er dann die entsprechenden Therapien, bzw. Beratungen, zu, die dem jeweiligen Zustand entgegenwirken sollen (vgl. ebd.).

2.10 Bewertung in Hinblick auf unser Forschungsvorhaben

Die dargestellten Forschungsergebnisse und Theoreme, hinsichtlich der Bedeutung, die sie möglicherweise für unsere Arbeit haben könnten, zusammenzufassen, würde, an dieser Stelle, zu weit führen.

Bedeutsam erscheint uns jedoch, daß die Forschungen zeigen, daß es schwierig ist, die Wirksamkeit von Meditation auf biophysiologischem Wege zu eruieren[49]. Darüber hinaus, halten wir die Überlegungen einiger Autoren für bemerkenswert, die zu dem Schluß kommen, daß Meditation mehr, bzw. etwas anderes ist, als eine reine Methode zur Entspannung[50].

Ob die von unseren Befragten geschilderten, durch Meditation in Gang gesetzten, Entwicklungsprozesse, mit den in Punkt 2.7.2 beschriebenen Entwicklungspotentialen oder den Entwicklungsmodellen, wie z.B. dem entwicklungspsychologischen Konzept Wilbers[51], beziehungsweise den von Engel (1998) beschriebenen Entwicklungsstadien[52], unterlegt werden können, versuchen wir im Kapitel 5 zu skizzieren.

Überleitend zu unserem methodischen Vorgehen möchten wir darauf verweisen, daß wir der Meinung sind, daß die Beforschung der subjektiven Bedeutung und Auswirkungen von Meditation, es notwendig macht, sich mit dem Leben der Meditierenden zu beschäftigen, und den Versuch zu unternehmen nahelegt, sie möglichst in ihrer Ganzheit zu erfahren. Dies führte uns zu der Idee, uns ausführlich mit den Biographien Meditierender auseinanderzusetzen.

„Da die psychologische Forschung uns so wenig über die tatsächlichen Erfahrungen Meditierender zu sagen weiß, ist es nur vernünftig, zu diesen selbst zu gehen und sie zu bitten, mit ihren eigenen Worten über die Wirkungen der Meditation zu berichten” (Fontana, 1997, S. 40).

3 Methodik

3.1 Vorüberlegungen zur Methodik

Zu Beginn unserer Forschungsarbeit hatten wir zunächst keine konkrete Theorie über das Forschungsfeld, sondern lediglich Ideen und Vorannahmen, die sich aus unseren eigenen Meditationserfahrungen und einem ersten, eher unstrukturierten Lesen von Büchern zum Thema Meditation gebildet hatten. Wir wollten mit keinem feststehenden Theoriekonzept in die Forschung gehen, sondern uns mit einer möglichst großen Offenheit in das Forschungsfeld begeben. Ziel unserer Arbeit sollte nicht sein, Hypothesen zu überprüfen und mengenmäßig abzubilden, sondern uns über die konkreten, subjektiven Erfahrungen und Erlebnisse einzelner Personen dem Forschungsthema zu nähern. Wir schlossen demnach ein quantitatives Verfahren aus und entschieden uns für eine qualitative Forschungsmethodik.

Eine unserer theoretischen Vorannahmen war, daß Erfahrungen mit Meditation keinen statischen Ereignischarakter besitzen, sondern sich im Laufe von Jahren verändern und beeinflußt werden von sozialen, gesellschaftlichen, individuellen und situativen Faktoren. Um das weite Spektrum dieser Erfahrungen erfassen zu können, bot sich eine biographische Exploration an, die das Subjekt umfassend in den Forschungsprozeß mit einbezieht und auch die Verschiedenartigkeit von Entwicklungsverläufen erfaßt (vgl. Kruse, 1987).

Mit unserer Arbeit wollten wir zum einen die Besonderheiten der individuellen Meditationserfahrungen erfassen, uns andererseits aber auch die Möglichkeit geben auf Grundlagen der erhobenen Daten eine Theorie zu bilden, die eine Gültigkeit über den Einzelfall hinaus hat. Um diesem Ziel gerecht zu werden wählten wir eine an der „Grounded Theory“ (Strauß & Corbin, 1996) angelehnte Vorgehensweise, die die Option zur Bildung einer gegenstandsverankerten Theorie beinhaltet.

Da die Grounded Theory für uns methodisch eine zentrale Bedeutung hat, möchten wir die Grundzüge dieser Theorie im Folgenden darstellen.

3.1.1 Die Grounded Theory (Strauß & Corbin, 1996)

Die Grounded Theory stellt ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe aus Interviews, Beobachtungen oder Schriftstücken schrittweise eine in den Daten begründete, gegenstandsverankerte Theorie entwickelt werden kann. Der Forschungsprozeß wird dabei als ein strukturierter Dialog zwischen Forscher und der untersuchten, sozialen Wirklichkeit begriffen (vgl. Böhm, Legewie & Muhr, 1992, S. 31). Aus diesem dialogischen Prozeß heraus entstehen auch die Ideen, welche Datenquellen (z.B. Interviewpartner) noch zur Vervollständigung der sich herausbildenden Theorie benötigt werden.

3.1.1.1 Kodierverfahren

Zur Datenanalyse stellt die Grounded Theory ein Set von Einzeltechniken zur Verfügung, in der Hauptsache verschiedene Kodierverfahren, wie das „offene Kodieren“ (vgl. Strauß & Corbin, 1996, S. 43ff), das „axiale Kodieren“ (vgl. ebd., S. 78ff) und das „selektive Kodieren“ (vgl. ebd., S. 94ff). Diese Kodierverfahren, die im Datenanalyseteil 3.3 unserer Arbeit noch näher erläutert werden, obliegen nicht einer stringenten Abfolge. Auch wenn in der Regel die Datenanalyse mit dem offenen Kodieren beginnt und das axiale Kodieren erst im späteren Verlauf bedeutsam wird, kann in der Praxis durchaus ein Nebeneinander dieser Kodierverfahren bestehen.

3.1.1.2 Memos

Der Verwendung von Memos und Diagrammen kommt im Forschungsverlauf der Grounded Theory eine besondere Bedeutung zu. „Memos stellen die schriftlichen Formen unseres abstrakten Denkens über die Daten dar. Diagramme sind die graphischen Darstellungen oder visuelle Bilder von Beziehungen zwischen Konzepten“ (Strauß & Corbin, 1996, S. 170). Die Besonderheit der Memos liegt in der Freiheit, die sie zulassen. Hier haben auch unstrukturierte Gedanken Raum, die oft auch auf „Lücken in Gedankengängen“ aufmerksam machen (vgl. ebd.). Memos können in allen Phasen des Forschungsverlaufes angefertigt werden und sollten den Zielsetzungen der einzelnen Kodierphasen angepaßt werden.

3.1.1.3 Theoretische Sensibilität

Theoretische Sensibilität ist ein Begriff, der die Fähigkeit der Forscher beschreibt, sich in die erhobenen Daten einzufühlen und eine Sensibilität für die Feinheiten des Forschungsthemas zu entwickeln. Sie hilft das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und den Daten Bedeutung zu verleihen. Die Ausprägung der theoretischen Sensibilität hängt zunächst vom vorausgehenden Literaturstudium und den persönlichen Erfahrungen der Forscher im interessierenden Phänomenbereich ab. Im weiteren Verlauf des Forschungsprozesses gewinnen spezifische Techniken zur Erhöhung der Theoretischen Sensibilität an Bedeutung (vgl. Strauß & Corbin, 1996, S. 56 - 74).

Im Rahmen unserer Diplomarbeit haben wir uns zunächst an diesem klassischen Ablauf, eines durch die Grounded Theory strukturierten Forschungsvorhabens gehalten. Im weiteren Verlauf mußten wir allerdings, um der Spezifik unserer Forschungsfrage gerecht zu werden, die Datenanalysemethode modifizieren. Wir werden hierauf in Kapitel 3.3 noch weiter eingehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2 Datenerhebung

Im Vorfeld der eigentlichen Datenerhebung stand zunächst einmal die Erhöhung unserer „theoretischen Sensibilität“ für das Forschungsfeld im Vordergrund. Zum einen verschafften wir uns einen Überblick über vorhandene „Meditations-Literatur“[53]. Zum anderen besuchten wir buddhistische Einrichtungen im Raum Berlin und forderten Informationsmaterialien von bedeutenden Meditationszentren in Deutschland an.[54] Einer von uns nahm an einem fünftägigen Meditationsretreat* in einer buddhistischen Tagungsstätte teil.

Ziel war, das Forschungsfeld näher kennenzulernen und Ideen für die Konkretisierung unserer Forschungsfrage zu bekommen. In dieser Zeit erhielten wir so auch Kontakt zu Meditierenden und Menschen, die Meditierende kennen. Wenn es möglich war, fragten wir diese Leute, ob sie später vielleicht auch an einem Interview teilnehmen würden. War die Antwort positiv, notierten wir uns ein paar Angaben, wie Alter, Art der Meditation, Dauer und Tiefe der Verbundenheit mit der Meditationspraxis.

So bekamen wir bereits im Vorfeld eine Vorstellung von möglichen Datenquellen für unser Projekt.

3.2.1 Auswahl einer angemessenen Datenerhebungsmethode

Die Auswahl einer geeigneten Datenerhebungsmethode war getragen von der Idee Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, die bereits eine längere Zeit Erfahrung mit meditativen Verfahren haben, kurz Menschen mit einer Meditationsbiographie. Hierfür schien uns die angemessenste Methode, die der Durchführung von intensiven, qualitativen Interviews zu sein, in denen die Befragten, als Experten ihrer selbst, Auskunft geben können.

Wir teilen die Ansicht Legwies, daß eine Voraussetzung hierfür eine Interviewtechnik ist, „die nicht im Abfragen biographischer Daten besteht, sondern dem Befragten durch thematische Denkanstöße die Freiheit einräumt, seine eigene Sicht auf sein bisheriges Leben oder einen Lebensabschnitt als ,Lebensgeschichte, darzustellen“ (Legewie, 1987, S. 138).

3.2.1.1 Option: Narratives Interview (Schütze, 1983)

Zunächst überlegten wir uns, das „narrative Interview“ (Schütze, 1983) als Befragungsmethode zu wählen, da diese Methode, den Befragten ein Maximum an Freiraum für die Entfaltung ihrer subjektiver Sichtweisen ermöglicht. Schütze sieht im narrativen Interview des weiteren den Vorteil, daß „auch die ,inneren Reaktionen4, die Erfahrungen des Biographieträgers mit den Ereignissen und ihre interpretative Verarbeitung in Deutungsmustern“ zur Darstellung gelangen (Schütze, 1983, S. 286). Eine besondere Bedeutung bekommt das Entstehen von Erzählzwängen, die sich daraus ergeben, daß der Erzähler seine Geschichte so erzählen muß, daß der Zuhörer sie auch versteht. „Schließlich kommen auch Stümpfe der Erfahrungen von Ereignissen und Entwicklungen zum Ausdruck, die dem Biographieträger selbst nicht voll bewußt werden, von ihm theoretisch ausgeblendet oder gar verdrängt sind“. (ebd., S. 286).

Wir wollten unsere Gesprächspartner jedoch nicht als Gegner begegnen, denen wir etwas entlocken müssen, was sie sonst im Rahmen eines Forschungsinterviews nicht Preis geben würden. Unserem Anspruch nach, wollten wir mit den Interviews einen möglichst partnerschaftlichen, fairen Rahmen bieten.

Neben diesen Bedenken, sprachen auch forschungsbezogene Gründe gegen die Methode des narrativen Interviews. In einem Testlauf, in dem wir uns gegenseitig interviewten, empfanden wir die alltagsferne Asymmetrie der Gesprächssituation, in der eine Person redet und die andere nur zuhört, als störend und wenig geeignet eine Atmosphäre des Vertrauens zu erzeugen. Ein Problem, daß auch Flick (1995) sieht. So bemerkt er über das narrative Interview, daß es hierbei zu einer systematischen Verletzung von Rollenerwartungen kommt. „Diese Verletzungen der Situationserwartungen schaffen häufig Irritationen bei beiden Beteiligten, sich in der Interviewsituationzurechtzufinden“ (Flick, 1995, S. 121).

Ein weiterer Nachteil der Methode des narrativen Interviews liegt in der Pflicht des Forschers, sich in starken Maße mit Fragen zurückzuhalten. Da uns am Thema Meditationserfahrungen jedoch auch spezifische Punkte interessierten, wollten wir unseren Interviewpartnern auch direkt Fragen stellen dürfen. Eine Eingrenzung und Steuerung der mitgeteilten Themenbereiche des Erforschten widerspricht allerdings der Idee des narrativen Interviews.

3.2.1.2 Option: Problemzentriertes Interview (Witzel, 1982)

Die problemzentrierte Forschungstechnik von Witzel, von ihm selbst verkürzt als „Problemzentriertes Interview“ bezeichnet, stellt im ursprünglichen Sinne eine Methodenkombination dar, von qualitativen Interview, Fallanalyse, biographischer Methode, Gruppendiskussion und Inhaltsanalyse (vgl. Witzel, 1985, S. 230).

Die Vorteile einer biographischen Methode, wie dem des narrativen Interviews, werden genutzt, in dem am Gesprächsanfang eine „narrative Gesprächsstruktur“ aufgebaut wird, „deren inhaltliche Abfolge und Gliederungspunkte möglichst weitgehend vom Befragten entwickelt werden, d.h. in Inhalt (individuelle Sichtweise des infragestehenden Problems) und Form (Artikulations- und Verarbeitungsweise) der Explikation vom Befragten abhängig gemacht werden“ (Witzel, 1985, S. 245).

Das Problemzentrierte Interview bietet gegenüber Schützes „narrativem Interview“ jedoch den Vorteil, daß mit Hilfe eines Leitfadens das Thema eingegrenzt werden kann und dadurch auch vorhergehende theoretische Überlegungen in das Interview einbezogen werden können. Unklarheiten können gleich geklärt werden, da Nachfragen und Interventionen mit „ad-hoc-Fragen“ im Verlauf des Interviews möglich sind. So besteht auch die Chance vom Interviewpartner neu eingebrachte Themen und Aspekte, im Dialog näher zu erforschen.

Auf Grund dieser Überlegungen entschieden wir uns für die Durchführung von ProblemzentriertenInterviews (Witzel, 1982).

3.2.2 Das Problemzentrierte Interview

3.2.2.1 Grundkriterien der problemzentrierten Methode

Kennzeichen des Problemzentrierten Interviews sind, nach Witzel (1982; 1985), drei Kriterien. Das Kriterium der Problemzentriertheit (Witzel, 1985, S. 230ff) weist darauf hin, daß mit der Forschungsmethode ein „Problembereich“ studiert wird, in unserem Falle die Meditationserfahrungen. Die Interviews sind dabei nicht der zentrale Forschungsgegenstand, sondern nur eine Datenquelle unter verschiedenen, möglichen Datenerhebungsmethoden. Dem Forscher wird zugestanden, bereits vorhandenes, theoretisches Wissen mit in den Forschungsprozeß einzubeziehen, allerdings sollte dieses Wissen bereits im Vorfeld offengelegt und systematisiert werden.[55] In der Forderung nach Gegenstandsorientierung (Witzel, 1985, S. 232ff), dem zweiten Kriterium, geht es um die Wahl einer dem Forschungsgegenstand angemessenen Forschungsmethode, in unserem Falle dem Entschluß für Einzel-Interviews. Sie blieben für uns auch die „Methode der Wahl“, da die Befragten am ehesten, als Experten ihrer Selbst, Auskunft über ihre subjektiv erlebten Erfahrungen geben können.

Auf die von Witzel (1985) vorgeschlagene Methodentriangulation durch eine Gruppendiskussion haben wir verzichtet, da bei dieser Datenerhebung für den Forscher keine Rückfragemöglichkeit gegeben ist. Ermöglicht hätte uns eine Gruppendiskussion am Anfang unserer Forschungsarbeit lediglich die Erhöhung der eigenen „theoretischen Sensibilität“ (Strauß & Corbin, 1996) für das Themenfeld der Meditationserfahrungen. Hierin sieht auch Witzel den zentralen Vorteil, „daß dem Forscher durch seine Teilnahme ermöglicht wird, erste Erfahrungen mit dem Forschungsfeld zu machen, ohne daß er gezwungen ist, vollständige Klärungen der Sachverhalte, etwa mittels Sondierungen, zu vollziehen“ (Witzel, 1985, S. 241). Da wir zum damaligen Zeitpunkt bereits eigene Erfahrungen mit Meditationsgruppen hatten, wollten wir jedoch die begrenzte Zeit, die uns zum Verfassen der Diplomarbeit zur Verfügung stand, gezielt für Einzelgespräche nutzen.

Das dritte Kriterium der Problemzentrierten Methode ist das der Prozeßorientierung· Dabei geht es, wie auch in der Grounded Theory, um das Konzept, daß sich erst durch die Forschung selbst der Forschungsgegenstand konkretisiert und in Folge eine Theorie generiert werden kann. Ein Prinzip, daß wir mit unserem Vorgehen einhielten.

3.2.2.2 WeitereMerkmale

Mit dem Problemzentrierten Interview wollte Witzel eine „radikale Hinwendung zur Sichtweise der Akteure“ (Witzel, 1985, S. 228) erreichen. Um das Denken und Handeln der Befragten zu erfassen, sind dabei, nach Witzel, drei grundlegende Merkmale zu berücksichtigen.

Ein wesentliches Merkmal ist das Prinzip der Offenheit (vgl. ebd., S. 228ff) ,,daß heißt, auf eine vorherige Hypothesenbildung wird verzichtet (siehe auch Pkt. 3.2.5: „Unserer Grundhaltung im Interview“).

Ein anderes Merkmal besteht in der Betonung des kommunikativen Charakters (vgl. ebd., S. 229), der Datengewinnung. Zwar wird auch in der quantitativen Methodik berücksichtigt, daß die Person des Forschers die erhobenen Daten beeinflußt. Ein entscheidender Unterschied ist jedoch, daß sie in der qualitativen Sozialforschung nicht als ein möglichst zu vermeidender Störfaktor gesehen wird, sondern als unabdingbarer Teil der Datenerhebung. In der Datenanalyse ist es wichtig zu prüfen, wie und in welcher Weise der Forscher Einfluß genommen hat.

Ähnlich der Berücksichtigung des kommunikativen Charakters der Datengewinnung muß, als weiteres Merkmal, allgemein der besondere Kontext (vgl. ebd., S. 229) in dem die Äußerungen und Handlungen, in unserem Falle die Interviews, stattfinden, beachtet werden.

3.2.3 Auswahl der Gesprächspartner

Die Auswahl unserer Gesprächspartner war von der Idee des „theoretical samplings“ (Glaser & Strauß, 1967) geprägt. Die Besonderheit dieser Vorgehensweise ist, daß es keine Trennung zwischen Auswahl des Samples und der Analyse der erhobenen Daten gibt, sondern, daß beide Prozesse in enger Verbindung zueinander stehen. 55 „Theoretisches Sampling ist der Prozeß der Datensammlung zur Entwicklung von Theorie, wobei der Analysierende seine Daten in Verbindung miteinander sammelt, codiert und analysiert und entscheidet, welche Daten als nächste gesammelt werden und wo sie zu finden sind, um seine Theorie zu entwickeln, während sie entsteht ('as it emerges'). Dieser Prozeß der Datensammlung wird kontrolliert durch die entstehende Theorie, ob gegenstandsorientiert ('substantive') oder formal“ (Kleining, 1998, Kap. 4, S. 9; zit. n. Glaser & Strauß, 1967, S. 45).

So entsteht also ein Wechselspiel zwischen Kodieren von Datenmaterial und dem samplen, dem Suchen nach neuen Daten.

Das erste Interview:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Unseren ersten Interviewpartner wählten wir aus unseren Notizen aus, die wir im Vorfeld der Studie angefertigt hatten (siehe Kap. 3.2). Die Auswahl von Thomas als Interviewpartner war geleitet von dem Umstand, daß er bereits seit einiger Zeit meditiert und die Beschäftigung mit meditativen Verfahren einen sehr bedeutsamer Teil seines Lebens darstellt. Zudem war der Zugang zu ihm sehr leicht, weil er einem von uns persönlich bekannt war.

Da das Sampling, so Strauß & Corbin (1996), im Anfangsstadium relativ offen ist, erschien es uns nicht nötig mehr Aufmerksamkeit in die Auswahl des ersten Gesprächspartners zu legen. „Da wir ja nicht sicher sind, welche Konzepte theoretisch relevant sind, werden wir an diesem Punkt die günstigsten Plätze, Personen oder

Dokumente zum Nachweis für unsere Konzepte noch nicht kennen. Zu Anfang sind wir offen für alle Möglichkeiten. Und es ist diese Offenheit - eher als Spezifität- die die anfängliche Sampling-Auswahl leitet“ (Strauß & Corbin, 1996, S. 153).

Nach dem Transkribieren und Kodieren des Interviews bemerkten wir, daß die Erfahrungen, die Thomas mit Meditation macht und gemacht hat in enger Verbindung zu der von seiner buddhistischen Richtung vermittelten Lehre stehen. Eine Trennung von eigenen Erfahrungen und theoretischen Konzepte der Meditationsschule, schien nur schwer möglich. Deshalb ergänzten wir unser Datenmaterial durch Literaturstudium und Internet-Recherchen über die Soka Gakkai* und dem Nichiren-Buddhismus*.[56]

Durch das Studium dieser Quellen wurde es uns besser möglich, zwischen tatsächlich gemachten, subjektiven Erfahrungen und Mechanismen der Biographiekonstruktion sowie der Wiedergabe von, im Sinne der ausgeübten Meditationsrichtung, erwünschten Meditationserfahrungen zu unterscheiden.

Da die buddhistische Philosophie hinsichtlich der Ausübung von Meditation für Thomas eine zentrale Bedeutung hat, wählten wir, um eine „maximale strukturelle Variation der Perspektiven“ (vgl. Kleining, 1995, S. 236) zu erhalten mit Fido im zweiten Interview eine Person aus, die einen explizit nicht buddhistischen Zugang zu Meditation hat und Meditation auch vorwiegend in einem angeleiteten Rahmen ausübt. Eine weitere strukturelle Variation erreichten wir im Wechsel der Person des Interviewers.

Das zweite Interview:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Auswahl der nächsten Forschungsteilnehmerin war geprägt von der sich entwickelnden Theorie und den bereits erarbeiteten Konzepten und Kategorien. So kristallisierten sich, nach der Kodierung der ersten beiden Interviews, Kategorien, wie Missionierung, Disziplin oder Glauben heraus [57]. Um ein „Aufdecken und Validieren dieser Beziehungen“ (Strauß & Corbin, 1996, S. 156) im Stadium des axialen Kodierens zu ermöglichen, suchten wir in unserem Zusammenhang eine Person, die sowohl mit dem Konzept „Meditation“, als auch mit dem Konzept „Glaube“ etwas anfangen konnte. Dabei grenzten wir das Themenfeld auf buddhistischen Glauben ein, um einen fur die Diplomarbeit bewältigbaren Rahmen zu erhalten.

Das dritte Interview:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das letzte Interview führten wir im wesentlichen durch, um die von uns entwickelten theoretischen Überlegungen zu überprüfen und an einzelnen Punkten noch genauer herauszuarbeiten.

Das vierte Interview:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2.4 Methodisch-technische Umsetzung der Interviews

In der Regel besprachen wir bereits im telefonischen Vorkontakt mit unseren Interviewpartnern die wichtigsten organisatorischen Punkte. Neben der Vereinbarung über den Ort, verständigten wir uns auch auf die Dauer des Interviews. Im Vorgespräch gaben wir einen Zeitrahmen von etwa zwei Stunden für das Gespräch an. Obwohl es bei allen Befragten eine hohe Bereitschaft gab, über die eigenen Erfahrungen mit Meditation zu sprechen, waren viele über diese zeitliche Vorgabe erstaunt, eine Person fragte, „was wir denn da alles wissen wollen“. Um Ängste zu nehmen, erklärten wir den Interviewpartnern, daß sie in unseren Interviews selber bestimmen dürfen worüber sie sprechen möchten, ob sie Fragen beantworten wollen oder wann das Gespräch beendet werden soll.[58] In der Praxis entstand bei allen Gesprächen nach etwa einer Stunde das Gefühl, daß das Themenfeld ausreichend besprochen wurde.

Bei der Wahl des Ortes, an dem die Interviews durchgeführt werden sollten, haben wir uns von dem Gedanken leiten lassen, eine Gesprächssituation entstehen zu lassen, die dem „alltäglichen Milieu“ (Lamnek, 1993, S. 68) entspricht und „möglichst vertraulich und entspannt“ (ebd., S. 65) ist. Wir führten deshalb die Interviews auch in Räumen durch, die dem Interviewpartner bekannt und vertraut waren. In der Regel war dies die Wohnung des oder der Befragten, eine Person besuchte uns zu Hause.

Organisiert wurden die Interviews mit Thomas und Fido von jeweils einem von uns. Die Gespräche mit Heike und Bettina haben wir dann zu zweit durchgeführt, wobei jedoch immer einer von uns die zentrale Interviewerperson, sozusagen der „Haupt­Interviewer“ war und der andere sich als „Co-Interviewer“ um die Technik, wie z.B. die störungsfreie Tonbandaufnahme und Dingen, wie Tee kochen und Kekse servieren, kümmerte. Aus dieser Rolle heraus war es dem Co-Interviewer auch möglich, Fragen zu stellen oder kurze Anmerkungen zu machen, die die Interviewsituation entspannten oder das Aufgreifen neuer Aspekte anregten. Abgesehen davon erlebten auch wir in der Rolle des „Haupt-Interviewers“ die Unterstützung durch den Co-Interviewer als entlastend, da sie uns die Möglichkeit gab, das gerade vom Befragten Gesagte noch mal zu reflektieren.

3.2.5 Unsere Grundhaltung im Interview

In unserer Haltung bemühten wir uns, neben der Beachtung der Kriterien des problemzentrierten Interviews (Pkt. 3.2.2), den allgemeinen, methodologische Kriterien von qualitativen Interviews zu folgen (vgl. Lamnek, 1993, S. 60ff).

Ein zentrales Kriterium, das von vielen Autoren genannt wird, ist das Prinzip der Offenheit, (vgl. Lamnek, 1993, S. 60ff; vgl. Hoffmann-Riem, 1980, S. 343; vgl. Mayring, 1990, „13 Säulen qualitativen Denkens“; vgl. Kleining, 1995, S. 231 „Regel 1“). Der Forscher soll nach diesem Prinzip, sowohl im Interview-, als auch im gesamten Forschungsverlauf, unerwarteten Informationen zugänglich sein und mit keinem festen Theoriekonzept in die Datenerhebung gehen. Eine theoretische Strukturierung des Forschungsgegenstands soll zurückgestellt werden, „bis sich die Strukturierung des Forschungsgegenstands durch die Forschungssubjekte herausgebildet hat“ (Hoffmann- Riem, 1980, S. 343).

Bei der Umsetzung unseres ersten Interviews nahmen wir uns demnach vor, ein möglichst wenig direktives Gespräch durchzuführen. Der „narrative Teil“ des Problemzentrierten Interviews sollte einen großen Umfang haben. Die im Leitfaden formulierten, offenen Fragen, die auf unseren eigenen Erfahrungen mit Meditation basierten, planten wir erst zum Ende hin zu stellen und auch nur dann, wenn sie noch in keiner Weise thematisiert wurden.

Durch den Einleitungsteil, den wir auch als eine Art „Kennlernblock“ eingesetzt haben, bemühten wir uns um das Erzeugen einer warmen, vertraulichen Atmosphäre, die dem Prinzip des Alltagsgesprächs (vgl. Lamnek, 1993, S. 64) entsprach. Im dann folgenden Interview waren wir bemüht diese Atmosphäre aufrechtzuerhalten, hielten uns ansonsten aber an das Prinzip der Zurückhaltung (vgl. ebd.) und vermieden, in der Alltagskommunikation übliche, Bemerkungen oder eigene Statements zu den angesprochenen Themen.

Im Sinne des Prinzips der Explikation (vgl. ebd., S. 63) ließen wir uns jedoch auch bestimmte Äußerungen erklären, Themenaspekte, die wir bereits im Vorfeld des Interviews als für die Forschungsfrage bedeutsam extrahierten, wurden am Ende des Interviews angesprochen.

In den einzelnen Gesprächen änderten wir den Leitfaden nach denen von uns entwickelten Hypothesen. Einige Fragen kamen neu hinzu, andere wurden verworfen oder anders formuliert. Im Laufe des Forschungsprozesses stieg dabei auch die Bedeutung der „ad-hoc-Fragen“ (vgl. Witzel, 1985, S. 250), Fragen also, die nicht nur verständnisgenerierend sind, sondern spezifische, uns interessierende Aspekte ansprachen. Eine „Frage-Antwort-Asymmetrie“, wie sie oft in Forschungsinterviews auftritt, konnte so jedoch auch nicht gänzlich aufgelöst werden, schien aber in den Gesprächen nicht unverhältnismäßig zu stören[59]. Möglicherweise lag dies daran, daß wir bei der Ausformulierung der Fragen, versuchten diese an die spezifische Kommunikationssituation und der von Interviewer und Interviewten hergestellten Sprachebene anzupassen. Ein Vorgehen, daß auch Hoffmann-Riem mit dem Prinzip der Kommunikativität (ebd., 1980, S 347) fordert, wenn sie darüber spricht „daß der Forscher den Zugang zu bedeutungsstrukturierenden Daten im allgemeinen nur gewinnt, wenn er eine Kommunikationsbeziehung mit dem Forschungssubjekt eingeht und dabei das kommunikative Regelsystem des Forschungssubjekts in Geltung läßt“ (ebd.). Dies gelingt mit Sicherheit nicht mit vorgefertigten Fragen oder wissenschaftlich abstrakten Begriffen. Wir waren deshalb bemüht, die in unserem Leitfaden formulierten Fragen, der konkreten Kommunikationssituation anzupassen. Ein reines Ablesen von Fragen kam so fast gar nicht vor, da die uns interessierenden Themenbereiche entweder von den Befragten selbst eingebracht wurden oder von uns an passenden Stellen, bzw. am Schluß des Interviews, in frei formulierten Fragen angesprochen wurden.

Die Berücksichtigung des Prinzips der Kommunikativität wurde bereits im Kontakt mit den ersten beiden Interviewpartnern bedeutsam, die jeweils einem von uns persönlich bekannt waren. Es war selbstverständlich, auf dem Sprachniveau miteinander zu kommunizieren, das auch im Alltagskontakt besteht. Eine sprachlich und wissenschaftlich einwandfreie Ausformulierung von Fragen kann vielleicht dem Interviewer und Datenauswerter helfen, wäre aber in der Gesprächssituation eher hinderlich gewesen und hätte möglicherweise den Eindruck eines „Abhakens“ von Themenbereichen erzeugt.

Durch die lockere Struktur unserer Interviews war es uns auch möglich im Interviewverlauf „offen“ zu bleiben und neu eingeführte Themen aufzugreifen.

3.2.6 Der Interviewverlauf

Die Problemzentrierten Interviews wurden von uns, nach Lamnek (1989, S. 75 - 77), grob in fünf Phasen eingeteilt.

Zu Beginn jedes Gespräches, machten wir auf den Hintergrund unserer Forschungsarbeit aufmerksam, erzählten ein wenig von uns und unserem Zugang zum Thema. Dabei machten wir deutlich, daß wir selber meditieren und eine generelle Offenheit dem Thema gegenüber haben.[60] Im Anschluß besprachen wir Fragen des Datenschutzes[61] und wie in etwa das Interview ablaufen würde. Hierzu gehörte eine Erläuterung der Besonderheiten des Problemzentrierten Interviews, mit seiner Idee das freie Erzählen einer Geschichte zu fördern. Unsere Forschungsabsicht beschrieben wir in etwa wie folgt: „Uns interessiert, welche Erfahrungen Du mit Meditation gemacht hast, ob sich diese Erfahrungen auf Dein Leben ausgewirkt haben und ob sich im Laufe Deiner Meditationspraxis etwas verändert hat. Du kannst den Verlauf des Interviews bestimmen. Im Vordergrund sollten dabei Deine ganz persönlichen Erfahrungen mit Meditation stehen.“

Den Einleitungsteil, die Phase 1, empfanden wir als enorm wichtig, da er wesentlich dazu beitrug Ängste der Gesprächspartner abzubauen und ein gegenseitiges Vertrauen zu entwickeln. Er war wenig strukturiert und von der Gestalt der spezifischen Interviewsituation, wie z.B. der Bekanntheit zwischen uns und der befragten Person, abhängig. Im Anschluß an die Phase 1 folgte das eigentliche Interview und die Audio- Bandaufzeichnung.

In der Phase 2 ging es uns um die Herstellung eines situativen Rahmens, der eine biographische Erzählung anregen sollte. Zur Stimulierung dienten erzählungsgenerierende Fragen, die in etwa wie folgt lauteten:

„Erzähl mir doch mal, wie das damals war, als Du angefangen hastzu meditieren?“ „Wann hat Meditation zum ersten mal Bedeutung in deinem Leben bekommen?“

„Wie war das?“

„Wie hat sich das mit der Meditation bei Dir dann weiterentwickelt?“

Aus Gründen, die wir bereits in Pkt. 3.2.5 erläutert haben, stellten wir diese Fragen in den einzelnen Interviews unterschiedlich und der jeweiligen Kommunikationssituation angepaßt.

Die schwerpunktmäßige Kommunikationsstrategie in der Phase 2 war eine „allgemeine Sondierung“ (Witzel, 1989, S. 246 - 247), in der es darum geht, auf das Erzählmaterial des oder der Befragten einzugehen und eine Detailierung der Erzählung zu erreichen.

Im weiteren Verlauf des Interviews nahm die Relevanz von Kommunikationsstrategien zur „spezifischen Sondierung“ (Witzel, 1989, S. 247 - 248) zu. Witzel meint damit Methoden wie Zurückspiegelung, die Verständnisfrage oder eine gezielte Konfrontation.

Häufig gebraucht haben wir die Möglichkeit der Zurückspiegelung, in der wir kurz das Gesagte zusammengefaßt haben und dem Forschungsteilnehmer so die Möglichkeit gaben, das von uns Verstandene zu bejahen oder zu korrigieren. Zudem halft es, das Gespräch in Gang zu halten und, trotz des Prinzips der Zurückhaltung des Forschers, etwas zu sagen und so die Asymmetrie des Gesprächs auszugleichen. Konfrontative Fragen haben wir in kleinerem Maße eingesetzt, um z.B. eine sehr positive Darstellung der Wirkungen von Meditation oder dem Leben mit Meditation in unserer Gesellschaft zu hinterfragen.

Lamnek führt für die Strategie der spezifischen Sondierung eine eigene „Phase 3“ ein. In unserer Praxis zeigte sich jedoch, daß keine klare Trennung der Phasen 2 und 3 möglich war, sondern es zu einem Nebeneinander von allgemeiner und spezifischer Sondierung kam.

In der Phase 4, der Schlußphase, stellten wir Fragen, die für uns noch offen geblieben waren. Wie wir bereits in Pkt. 3.2.5 ausführten, basierten diese Fragen zunächst auf unseren eigenen Meditationserfahrungen und dem Literaturwissen, im weiteren

Forschungsverlauf dann aber im zunehmenden Maße auf die sich aus den anderen Interviews entwickelnden Theorie[62].

Nach 50 bis 70 Minuten waren die Interviews beendet. Das Signal hierfür ging zum Teil von den Befragten aus und wurde entweder verbal geäußert, wie z.B. von Heike (Z. 961f): „Jetzt haben wir's schon viertel...“, oder nonverbal deutlich gemacht. Zum Teil entstand das Gefühl, zum Ende zu kommen, aber auch durch den Eindruck des Interviewers, eine ausreichend dichte Erzählung erhalten zu haben und durch ein längeres Gespräch nicht mehr Tiefe, sondern nur noch Wiederholungen zu erhalten.

Am Schluß stellten wir noch die Frage, wie das Interview erlebt wurde und erhoben, falls wir dies noch nicht beiläufig erfahren hatten, biographische Eckdaten, wie Alter und Beruf. Diese Schlußfragen ersetzen den von Witzel (1985, S. 236) vorgeschlagenen Einsatz eines Kurzfragebogens zu Beginn des Interviews. Wir entschieden uns für diesen Weg, da wir annahmen, daß das Ausfüllen eines Erhebungsbogens zum Beginn des Gespräches, die Annäherung an eine alltagsnahe Gesprächssituation erschwert hätte und eher ein Störfaktor gewesen wäre.

Nach dem Interview fertigten wir ein Postskriptum an, in dem wir unsere subjektiven Eindrücke notierten und Angaben über nonverbale Interaktionen oder besondere Ereignisse während des Gesprächs vermerkten.

3.2.7 Transkription der Interviews

Die Transkription der Interviews erfolgte von uns wortgetreu. Wir verwendeten folgende Darstellweise um Gesprächsphänomene, wie Pausen, Betonungen oder Wortwiederholungen zu kennzeichnen[63]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zum Zwecke des Datenschutzes nahmen wir eine Anonymisierung von Namen, Orten sowie allen sonstigen Angaben, die eine Identifizierung der Gesprächspartner ermöglichen könnten, vor. Dabei waren wir bemüht, eine dem Sinne nach entsprechende Anonymisierung zu bilden (Namen mit gleicher Silbenlänge, Orte mit ähnlicher Einwohnerzahl, Institutionen mit ähnlicher Ausrichtung...), teilweise mit Anfangsbuchstaben abgekürzt. Eine andere Möglichkeit war die wörtlich erwähnten Begriffe zu umschreiben. (Beispiel: „dann bin ich in's Name der Einrichtung (buddhistisches Kloster) für eineinhalb Jahre...“). Diese Anonymisierungen behielten wir dann den gesamten Forschungsprozeß bei.

3.3 Datenanalyse

Der erste Schritt der Datenauswertung vollzog sich bereits während der Transkription der Interviewaufzeichnungen. Durch Anfertigen von Memos dokumentierten wir Eindrücke und Empfindungen, die wir während des jeweiligen Gesprächs hatten und an die wir uns beim Anhören des Tonbandes wieder erinnerten. Anschließend begannen wir mit dem Kodieren des transkribierten Textmaterials, zunächst mit dem Kodierverfahren des „offenen Kodierens“, (Strauß & Corbin, 1996). Im weiteren Verlauf der Datenanalyse entfernten wir uns zunehmend von dem Auswertungsparadigma der Grounded Theory und entwickelten ein spezifisches, an unserem Forschungsthema orientiertes Datenanalyseinstrumentarium.

3.3.1 Offenes Kodieren

Mit dem offenen Kodieren wird der Prozeß des Aufbrechens, Untersuchens, Vergleichens, Konzeptualisieren und Kategorisieren von Daten bezeichnet (vgl. Strauß & Corbin, 1996, S. 43). In der Regel steht das offene Kodieren am Anfang der Auswertung und stellt mit dem Konzeptualisieren den ersten Schritt der Datenanalyse dar. Beim Konzeptualisieren werden Bezeichnungen für einzelne Sätze, Textabschnitte oder Vorkommnisse vergeben, die für ein spezifisches Phänomen stehen oder es repräsentieren. Im nachfolgenden Prozeß des Kategorisierens werden die Konzepte um ein Phänomen herum gruppiert und zu einer Kategorie zusammengefaßt.

Die Bezeichnung einer Kategorie sollte möglichst anschaulich und handhabbar sein. Sie kann vom Forscher frei gewählt oder als „In-vivo-Kode“ den Begrifflichkeiten eines Befragten entnommen werden (vgl. Strauß & Corbin, 1996, S. 49 - 50ff). Die Bezeichnung einer Kategorie kann dabei durchaus noch einen vorläufigen Charakter besitzen. „Wenn Sie später zu einem passenderen Namen kommen, können Sie den ursprünglichen ändern. Das Wichtigste ist, die Kategorie zu benennen, so daß Sie sich an sie erinnern, über sie nachdenken und vor allem beginnen können, sie analytisch zu entwickeln“ (ebd., S. 49). Im allgemeinen sollte der Name einer Kategorie abstrakter sein, als die Bezeichnungen der subsumierten Ausgangskonzepte.

Zentrales Ziel des offenen Kodierens ist es, das Datenmaterial, in unserem Falle die Interviews, in einzelne Teile aufzubrechen und auf Fragen hin zu untersuchen, die in Bezug zu Phänomenen stehen, die sich in den Daten widerspiegeln. Je nach Fragestellung, sprachlichem Material und der Phase im Forschungsprozeß läßt sich das offene Kodieren unterschiedlich durchführen: in einer Zeile-für-Zeile-Analyse oder durch eine Analyse einzelner Sätze, Abschnitte oder eines ganzen Dokumentes (vgl. Flick, 1995, S. 200). Die so gefundenen Kategorien legen nahe, was im nächsten Interview fokussiert werden soll.

Wir entschieden uns für eine Zeile-für-Zeile-Analyse der transkribierten Interviews. Die Kodierung des Textmaterials wurde von jedem von uns unabhängig vom anderen durchgeführt. Im Anschluß daran verglichen wir unsere Kodes, ergänzten Konzepte und fügten andere zusammen. Durch dieses Vorgehen war es uns möglich eine relativ umfangreiche Kodierung des Textmaterials zu erreichen. Diese Kodes bildeten unsere kleinste Kodiereinheit.

Anschließend begannen wir die Kodes, die auf ein ähnliches Phänomen verwiesen, zu der nächst höheren Kodiereinheit, der einer Kategorie zusammenzufassen. In der Gliederungsphase probierten wir verschiedene Methoden aus. Wir versuchten eine graphische Gliederung der Kodes, die uns auch für den weiteren Auswertungsprozeß wichtig erschien, durch Zuhilfenahme der Kärtchenmethode (Böhm, Legewie & Muhr, 1992, S. 48), dem Prinzip des Mind-Mapping (ebd., S. 49) und einer computergestützten Gliederung mit den Programmen ATLAS-TI, bzw. Winmax.[64] Letztendlich entschieden wir uns methodisch für eine handschriftliche Gliederung auf DIN A3 und DIN A2-Bögen, kombiniert mit den Darstellmöglichkeiten eines gewöhnlichen Textverarbeitungsprogrammes, (Word 97), da das Erlernen der spezifischen Auswertungsprogramme, unserem Empfinden nach, zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte.

Die Bildung von Kategorien führte zunächst jeder von uns alleine durch, bevor wir im zweiten Schritt die gebildeten Begriffe verglichen und diskutierten. Dieser sehr arbeitsintensive Prozeß gewährleistete, daß die Bildung von Kategorien einer gegenseitigen Supervidierung unterlag und nicht aus den Daten stammende Annahmen, die wir ja beide mit in den Forschungsprozeß trugen, herausgefiltert werden konnten.[65] Im weiteren Forschungsprozeß veränderten sich gebildete Kategorien z.T. wieder, da wir durch das offene Kodieren der späteren Interviews neue Kodes entdeckten und wir in Folge nach passenderen, auch die neuen Erkenntnisse subsumierenden Kategoriebezeichnungen suchten. Zudem entdeckten wir in den dem sich dem offenen Kodieren anschließenden Prozeß des axialen Kodierens, daß bestimmte Kategorien für eine Theoriebildung wenig hilfreich waren und daß, um Kategorien miteinander in Beziehung zu setzen, zum Teil andere Begriffe nötig wurden.

3.3.2 Versuch des axialen Kodierens

Beim axialen Kodieren sollen einzelne, durch das offene Kodieren gebildete Kategorien intensiver herausgearbeitet werden und mit anderen, weniger zentral erscheinenden Subkategorien in Beziehung gesetzt werden. Zentrale Bedeutung haben dabei Beziehungen, „die auf ursächliche Bedingungen, Phänomenen, Kontext, intervenierende Bedingungen, Handlungs- und interaktionale Strategien und Konsequenzen verweisen“ (Strauß & Corbin, 1996, S. 78). Hieraus entwickelten Strauß & Corbin ein „paradigmatisches Modell“, daß ermöglichen soll, „systematisch über Daten nachzudenken und sie in sehr komplexer Form miteinander in Beziehung zu setzen“ (Strauß & Corbin, 1996, S. 78).

Anfangs versuchten wir dieses „paradigmatische Modell“ auch in unserem Forschungsprojekt zur Anwendung zu bringen. Recht schnell merkten wir allerdings, daß wir das Modell für unser Vorhaben abändern müssen. Es machte zwar einzelne Handlungsstränge und Einflußfaktoren deutlicher, zeigte sich aber ansonsten ungeeignet, den Verlauf und die Entwicklung der subjektiven Erfahrungen, Erlebnisse und Wünsche zu beschreiben.

Im nächsten Schritt versuchten wir deshalb dieses Modell zu modifizieren. Wir setzten die einzelnen Kategorien zueinander in Beziehung und bildeten Hauptkategorien, die den Kern der Daten wiederzugeben schienen. So entstanden neue, modifizierte Modelle für einzelne Themenfelder, wie Alltagsgerichtetheit der Methode, Veränderungen von sozialen Beziehungen oder die Entwicklung von Wünschen und Vorstellungen.

Eine Schwierigkeit bei dieser Vorgehensweise war jedoch, daß die entstandenen Modelle zwar für den einzelnen Interviewpartner, in der Beschreibung der individuellen Entwicklungsprozesse gültig zu sein schienen, jedoch von Interviewpartner zu Interviewpartner völlig unterschiedlich aufgebaut waren. Die Benennungen der Kategorien und Hauptkategorien waren, ebenso wie die gebildeten Verknüpfungen der Kategorien auf den jeweiligen Interviewpartner ausgerichtet. Ein In-Beziehung-Setzen der einzelnen Modelle zueinander war jedoch nicht möglich. Wir sahen infolge auch keinen Weg eine aus den Daten abgeleitete, gegenstandsverankerte Theorie auf diese Weise zu entwickeln.

3.3.3 Analyse auf Gemeinsamkeiten

Da wir allerdings auch interessiert waren, Informationen über den Einzelfall hinaus zu gewinnen, begannen wir mit der von Kleining (1995, S. 242 - 249) empfohlenen „Analyse auf Gemeinsamkeiten“. In dieser Analysemethode geht es darum nach Gemeinsamkeiten in unterschiedlichen Daten zu suchen. „Die Logik dabei ist die, daß bei maximal struktureller Variation der Sichtweisen vom Gegenstand nur diejenigen Aspekte in den Daten sich in der Variation als konstant erhalten, die den jeweils verschiedenen subjektiven Sichtweisen nicht unterworfen waren, also als ,gegenstandsnäher' angesehen werden können, als es die verschiedenen Bilder des Gegenstandes sind, die zu sammeln uns die Regel 3 (die maximale strukturelle Variation der Perspektiven, Anm. d. Autors) aufgetragen hatte“ (Kleining, 1995, S. 242).

Den Vorgaben Kleinings folgend erschien es nötig, daß Textmaterial nochmals neu zu kodieren. Wir entdeckten allerdings, daß die im offenen Kodieren gebildeten Kategorien oft bereits alle relevanten Konzepte enthielten, die für die Analyse auf Gemeinsamkeiten benötigt wurden.

Deshalb kodierten und konzeptualisierten wir die Interviews nur an einzelnen Punkten neu, ansonsten brachen wir die Kategorien der einzelnen Interviews auf und untersuchten die darin enthaltenen Konzepte auf ähnliche Bedeutungszusammenhänge hin. Die Kategorien gruppierten wir um zentrale, scheinbar in allen Interviews vorkommende Phänomene, die wir als die „zentralen Aspekte“ unserer Untersuchung definierten. Diese zentralen Aspekte erhielten zunächst vorläufige Bezeichnungen wie etwa „Meditationserlebnisse“ oder „Zweifel/Distanz“.

3.3.4 Dimensionalisierung der zentralen Aspekte des Forschungsgegenstandes

Nun ging es darum die zentralen Aspekte unserer Forschung noch genauer zu betrachten und auszudifferenzieren. Dazu bildeten wir innerhalb der zentralen Forschungsaspekte Gruppen, bzw. Kategorien, in denen jeweils ähnliche Informationen zusammengefaßt wurden (vgl. Kleining, 1995, S. 245). Für die Benennung dieser Kategorien bildeten wir zum Teil neue Namen, zum großen Teil übernahmen wirjedoch auch Kategoriebezeichnungen, die wir im offenen Kodieren der einzelnen Interviewtranskripte bereits gebildet hatten.

Als Beispiel seien hier die „Meditationserlebnisse“ genannt, die unter anderem die Kategorien „angenehme, innerweltliche Sensationen“, „beängstigende innerweltliche Sensationen“, „richtungsweisende Erlebnisse“, „persönlich stabilisierend/bereichernde. Erlebnisse“ und „Zusammenhänge erkennende Erlebnisse“ enthalten.

Um diese Kategorien in Beziehung zueinander zu setzen, besannen wir uns nochmals auf den gewählten zentralen Forschungsaspekt, in unserem Beispiel, die Meditationserlebnisse. Auffällig war, daß die Meditationserlebnisse für die Befragten unterschiedliche Qualität haben können, das Phänomen der Meditationserlebnisse also unterschiedliche Ausprägungen und Dimensionen zu besitzen schien.

Im folgenden begannen wir deshalb die von uns herausgearbeiteten „zentralen Aspekte des Forschungsgegenstandes“ entsprechend ihrer qualitativen Ausprägungen zu dimensionalisieren, bzw. zu gruppieren. Durch dieses Vorgehen war es uns möglich Wandlungs-, bzw. Entwicklungsprozesse in den Meditationsbiographien zu erkennen und mit den Ergebnissen der Analysen der anderen Befragten zu vergleichen. So konnten wir, z.B. hinsichtlich der Meditationserlebnisse, qualitative Ausprägungen wie folgt feststellen:

gegenstandlos-diffus — faßbar-konkret — Komplex-begreifend

Auf diese Weise dargestellt, offenbarte sich, unter anderem, daß gegenstandslos-diffuse Meditationserlebnisse eher am Anfang und komplex-begreifende Meditationserlebnisse eher zu späteren Zeitpunkten in der Meditationsbiographie anzusiedeln sind. So wurden wir auf einen Entwicklungsprozeß aufmerksam, der an Hand anderer Interviews zu bestätigen oder zu widerlegen war.

In den anderen Interviews konnten Belege für die entwickelten, dimensionalen Ausprägungen gefunden werden, teilweise durch direkte Äußerungen, im Sinne einer positiven Bestätigung, teilweise über Abgrenzungen, die belegten, daß für diesen Gesprächspartner diese oderjene Ausprägung zur Zeit von keiner Bedeutung ist.

Mit der Dimensionalisierung der zentralen Aspekte hatten wir also eine Möglichkeit gefunden, wie wir zu Aussagen kommen konnten, die den weiteren Forschungsprozeß ermöglichten.

3.3.5 Theoriebildung

Zur Bildung einer gegenstandsverankerten Theorie empfehlen Strauß und Corbin das selektive Kodieren. (Strauß & Corbin, 1996, S. 94ff) Im Prozeß des selektiven Kodierens geht es um die Ausformulierung der Theorie und der Integration aller zentralen Kategorien zur Grounded Theory. Dabei kommt es zur Konstruktion einer Kernkategorie und dem In-Beziehung-setzen dieser Kernkategorie mit den anderen, ergänzenden Kategorien unter Einsatz des paradigmatischen Modells.

Wie wir bereits darstellten, haben wir auf Grund der Spezifik unserer Forschungsfrage, schon eine Modifizierung der von Strauß & Corbin (1996) empfohlenen Datenanalysemethodik des „axialen Kodierens“ vorgenommen und kein paradigmatisches Modell konstruiert. Um der Komplexität der Meditationserfahrungen Rechnung zu tragen, schien es uns des weiteren nicht sinnvoll, unsere Forschungsergebnisse, wie es das „selektive Kodieren“ vorsieht, auf ein zentrales Kernphänomen oder eine zentrale Kernkategorie zu reduzieren.

Wir beschränkten uns deshalb auf die gründliche Analyse der einzelnen Aspekte, unter Zuhilfenahme der erstellten Diagramme. Die Darstellung dieser Ergebnisse folgt im folgenden Kapitel 4. Die im fünften Kapitel dargestellte Betrachtung der Zusammenhänge und Parallelen zwischen den Einzelergebnissen soll keinen neuen Analyseschritt darstellen, sondern vor allem den Überblick über die wichtigsten Forschungsergebnisse erleichtern und sie in Zusammenhang mit anderen, bestehenden Abhandlungen und Forschungsarbeiten stellen.

4 Forschungsergebnisse

In der folgenden Darstellung der Ergebnisse unserer Untersuchung geht es um die ausführliche Darlegung, der von uns herausgearbeiteten „zentralen Aspekte“ unseres Forschungsthemas, den „subjektiven Erfahrungen mit Meditation“

Die transkribierten Interviews und die, für jeden Interviewpartner erstellten Dimensionalisierungen der zentralen Aspekte unserer Untersuchung, befinden sich im Band 2 dieser Arbeit.

Wir haben uns, betreffs der Strukturierung des Ergebniskapitels, soweit wir dies für die Vorstellung unserer Resultate als sinnvoll erachteten, an den diesbezüglichen Vorschlägen von Kleining orientiert (vgl. Kleining, 1998, Kap. 6.2).

Die Überschriften, die das Kapitel untergliedern, repräsentieren die einzelnen, zentralen Aspekte unseres Forschungsgegenstandes[66]. Sie verbleiben nicht, wie von Kleining vorgeschlagen, auf der „Ebene der Texte“ (vgl. ebd., Kap. 6, S. 8). Die von uns vergebenen Überschriften sind fassende, analytische Bezeichnungen der Ergebnisse, der im Methodenteil erwähnten Dimensionalisierungsprozesse. Wir haben uns entschlossen den Überschriften eine möglichst knappe Zusammenfassung des zu erläuternden Aspektes unseres Forschungsgegenstandes folgen zu lassen, die einen ersten Einblick ermöglichen soll. Hieran folgt die eingehendere Beschreibung der „dimensionalen Ausprägungen“[67] und der wichtigsten Kategorien[68]. Als Belege für unsere analytischen Begriffe dienen Interviewzitate.

4.1 Herangehensweise an Meditation - spontane Annäherung weicht einer aktiveren Suche und geplanteren Auseinandersetzung

Zusammengefasste Ergebnislage:

Die Art und Weise des Herangehens an Meditation gestaltet sich bei den Befragten als ein stufenweiser Prozeß der Annäherung. Zunächst ist er spontan, unverbindlich und geprägt von persönlichen Neigungen und Motiven. Mit der Zeit wird die Herangehensweise an Meditation geplanter und von den Erfahrungen mit der Methode und der sie begleitenden Lehre beeinflußt.

»Die Herangehensweise findet in mehreren Etappen statt«

Auf unsere Erzählaufforderung hin, zu beschreiben wie sie zur Meditation gekommen sind, schildern die Befragten die Geschichte eines prozesshaften Zuganges. Den Anfang dieses Prozesses lokalisieren die meisten Interviewteilnehmer in ihrer Kindheit, bzw. Jugend. Der Zeitpunkt, an dem erneut Kontakt aufgenommen wurde, liegt oft Jahre später.

„Ja das sind ZWEI Sachen - also wie ich angefangen habe und wie ich dazu gekommen bin. (**) Also, ja wie gesagt angefangen habe ich jetzt im Dezember vorm Jahr, also fast vor zwei Jahren ...Und das erste Mal (RÄUSPERT) davon gehört habe ich mit... siebzehn Jahren “ (Thomas, Z.4- 13).

„Also so, ich hab schon vor ein paar Jahren angefangen zu meditieren. Also das sind also vielleicht so fünfzehn, sechzehn Jahre, ich habe das aber nicht regelmäßig weitergemacht... Und aber jetzt so regelmäßig, daß ich jeden Tag meditiere oder fast jeden Tag, ist wohl seit, na im September werden's drei Jahre“ (Bettina, Z.6- 17).

Kontakt mit Literatur sowie intensive Naturerlebnisse stehen für Heike am Anfang: „...in meinem Leben hat Meditation recht früh 'ne Bedeutung gekriegt, obwohl ich damals nicht wußte, daß es Meditation ist. ... Das war schon im Alter von sechzehn, siebzehn“ (Heike, Z. 6ff).

„...wir haben sehr viel in der Natur unternommen, und da hatte ich auch ganz tiefe, so Erlebnisse von, ja mich so verbun//, von Verbundenheit“ (Heike, Z. 23). In dieser Zeit sieht sie den Beginn eines „roten Fadens“ (Heike, Z. 11), den sie mit ihrer

Familiengeschichte in Verbindung bringt. Erneuten Zugang zu Meditation, bzw. Buddhismus findet sie durch spätere Reisen nach Südostasien (vgl. Heike, Z. 39ff und Z. 112ff).

Das Bild eines „roten Fadens“, der das Leben der Befragten begleitet, scheint uns den Prozeß der Annäherung an Meditation gut zu beschreiben. Erste

Meditationserfahrungen werden recht früh gemacht und scheinen als Erfahrungen über Jahre bedeutsam und quasi „im Hintergrund“ wirksam. Die Aufnahme einer regelmäßigen Praxis erfolgt jedoch erst Jahre später, möglicherweise, weil eine besondere Kraft und ein Entschluß benötigt wird um weiterzumachen, auch wenn die Meditation mal nicht angenehm ist, bzw. Zweifel an der Methode aufkommen.

Ein Gesprächspartner beschreibt seinen Entscheidungsprozeß, der den Entschluß zur Aufnahme einer regelmäßigen Praxis hervorbrachte:

„(Ich habe viel, Anm. d. Verf.) probiert und halt, ich würd' aber eher sagen, wirklich nur an der Oberfläche gekuckt, ich bin in keine (meditative Technik, Anm. d. Verf.) wirklich weiter rein. (I.: mhm)[69] (*) Und dann hab ' ich halt gesagt, irgendwann so kein ... Bock mehr da drauf... irgendwie das ist irgendwann langweilig ... Du mußt irgendwann mal dich einer Sache verschreiben und da halt mal richtig eintauchen“ (Thomas, Z. 351ff).

Für Bettina kam die Kraft, die ihr eine regelmäßige Praxis ermöglichte, durch ihre Meditationsgruppe:

„Und was halt ganz gut war so, ich denke, daß halt auch so eine Gruppe da war, also daß, wenn man mal Schwierigkeiten hatte oder so, daß man dann sich austauschen konnte oder überhaupt so einmal in der Woche diesen festen Termin da. Das hat mir so eine Konstanz gegeben, die ich halt vorher nicht so hatte, irgendwie“ (Bettina, Z. 29 - 33).

4.1.1 Die spontane, unverbindliche Annäherung an Meditation

Die Art und Weise der ersten Annäherung an Meditation stellt sich bei den Befragten ähnlich zufällig-unverbindlich dar, wie man sie in anderen Lebensbereichen, etwa beim Erlernen einer Sportart, kennt. Es herrscht Freiwilligkeit vor, spontane Impulse sind bedeutender als Regelmäßigkeit. Man muß nicht erst Mitglied einer Religionsgemeinschaft werden, sondern besucht Workshops, Kurse und Retreats.[70]

Viele sporadische Begegnungen mit „meditativen Verfahren“ schildert beispielsweise Thomas: „...hab ich 'ne Zeit lang halt (*) auch inkonsequent Yoga gemacht und da hab' ich meine ersten, ähm so (*) wees nich? Meditationszustände? kann manja schon sagen vielleicht erlebt... (und außerdem, Einfüg.d.Verf.) hab‘ ich halt mit Drogen probiert dann, ...ja und halt immer wieder Musik, ne.. und auch immer wieder halt so, Klänge ... Und dann hab' ich halt angefangen ähm, (*) halt mit Kampfsport und, mit Qi Gong war dabei und noch 'n bißchen Tai Chi, ...Ja und dann irgendwann hab' ich mir halt so besorgt von dem Behrend, irgendwie so CD's halt mit Urtönen...“ (Thomas, Z. 306 - 330).

Heike besuchte Kurse bei verschiedensten Lehrern, oft in Verbindung mit Reisen, teilweise in Europa, aber vor allem auch in Südostasien (vgl. Heike, Z. 119 und Z. 128). Sie lernte sowohl Ansätze des Theravada*-, als auch des Mahâyâna*-Buddhismus kennen ohne sich dabeijedoch auf eine Richtung festzulegen.

4.1.1.1 Spontane intellektuelle Annäherung

Aus eigenem Antrieb heraus nehmen die Befragten ein Literaturstudium zu Buddhismus, bzw. Meditation auf.

„...also mein Freund der mir davon erzählt hat, der hat mir so'n paar, ähm, Blätter oder 'n paar Studien darüber gegeben, ... aber das war halt nicht besonders groß...“ (Thomas, Z. 86ff).

Und: „...ich hab mich sehr inkonsequent damit auseinander gesetzt, also schon die Sachen paar Mal durchgelesen, aber nich' ähm, also sowieso nich' komplett verstanden...“ (Thomas, Z. 255ff).

Heike (Z. 8f): „... damals hat mir mein Vater also Literatur besorgt.“

„...die Theorie da (*), ich könnt' nicht soviel mit anfangen, aber die Bhagavad-gita war, zum Beispiel, sehr interessantfür mich “ (Heike, Z. 20ff).[71]

Bettina (Z. 8ff): „Ich hatte damals angefangen, so Mantra-Meditation zu machen, ... Das hatte ich so aus dem Buch gelernt und hab das dann gemacht, hab' das dann soja mal gemacht, so anderthalb Jahre und dann wieder nicht.“

Das Literaturstudium führt Bettina zu der Meditationsform, die sie nun seit einigen Jahren ausübt: „Das erste Buch, was ich so gelesen hatte, das war halt zufällig das von einem Ordensmitglied, aus unserer Gruppe“ (Bettina, Z. 63f).

4.1.1.2 Zugang über Begeisterung und persönliche Affinität zu Teilbereichen des meditativ-buddhistischen Feldes

Bei der spontanen Annäherung an Meditation spielt eine erste Begeisterung sowie eine besondere Affinität des Meditierenden zu bestimmten Teilbereichen der Methode ein große Rolle. Thomas spricht vor allem die akustische Atmosphäre, die eine rezitierende Meditation begleitet, an: „...war haltgleichfasziniert, da ich halt so von klein auf immer von Musik so fasziniert war...“ (Thomas, Z. 64). Klänge, die „einfach gut eingegangen“ (Thomas, Z. 82) sind, scheinen, so wie Musik überhaupt, eine hohe Bedeutsamkeit für seinen Meditationszugang gehabt zu haben: „Also das ging dann halt nicht direkt so'n Weg, ähm, über Meditation oder so was, sondern ich hab' dann halt angefangen, halt auch wie (*) superviele andere Sachen halt über die Musik“ (Thomas, Z. 275).

Durch das Anhören von Entspannungsmusik erlebt er angenehme Zustände, die er mit spirituellen Erfahrungen gleichsetzt: „Ja, und das war, was ich sagen könnte, das war so ‘ne religiöse Erfahrung für mich, (I: mhm), also was andere Leute sagen was religiös, ditt war, warfür mich halt auch immerKLANG,ja?“ (Thomas, Z. 1373ff)

Auch Heike beschreibt ihre ersten Erfahrungen mit Meditation, bzw. Buddhismus sehr positiv und emotional. Ihre individuelle Affinität bestand zu diesem Zeitpunkt vor allem zum kulturellen Umfeld des Buddhismus in Asien, das sie auf Reisen in der Region kennengelernt hatte. „Und ich kam also zurück und war von den Buddhisten hellauf begeistert ... Und hab' allen Leuten von den tollen Buddhisten erzählt. Und von den tollen Sri-Lankerins und wie nett die sind...“ (Heike, Z. 45 - 50).

Bettina hingegen zeigte eine Affinität, vor allem zum Lehrkonstrukt: „Ich bin eigentlich über den Buddhismus dazu wieder gekommen zum Meditieren “ (Bettina, Z.18ff). Für sie war es der philosophisch-religiöse Hintergrund der sie begeisterte. Bettina fand es u.a. „sehr spannend“, daß der Buddhismus eine Religion ist, bei der man sich nicht für andere aufopfern muß (vgl. Bettina, Z. 51ff).

4.1.1.3 Vernetzung mit anderen Meditierenden, bzw. Buddhisten auf niederschwelligem Niveau

Soziale Kontakte im meditativ-buddhistischen Feld ergeben sich zufällig: „wo mir dann 'n Mensch über'n Weg gelaufen ist, wo ich ges//, wo’s mich hingezogen hat“ (Heike, Z. 623ff). Oft werden sie auch über Freunde oder Bekannte hergestellt.

„Da hat mich eben auch dieser Freund von mir zum Kurs angemeldet“ (Heike, Z. 172).

Thomas (Z. 433ff): „...und dann war ich halt in 'ner WG und dann kam irgendwann so'n Mitbewohner an so: ‘Ja sag mal irgendwie, du chantest ja?’ ‘Ja, ja’ ‘Wie? Kennst du den AUCH? Kennst du 'den' Buddhismus?’... Dann so: ‘Ja, ja ich war mal mit 'ner Frau zusammen irgendwie, die ist da halt so 'ne Offizielle, irgendwie in der Organisation und..’ ‘Echt? Haste da auch Adresse?’ (I. LACHT) ‘Ja klar hab' ich Adresse.’... Und dann hat er mir halt Adressen gegeben und dann bin ich halt, hab' ich bei den Leuten angerufen, bin da vorbeigegangen, war gleich total nett“ (Thomas, Z. 433ff).

Teilweise nehmen diese Freunde auch die Funktion eines Lehrers ein:

„er war halt schon so Freund, Lehrer“ (Thomas, Z. 106f),

„das macht halt, ahm, (*) diese Freundin da...“ (Fido, Z. 20) sowie „damals auch ... mit diesem Autogenen Training von Robert...“ (Fido, Z. 279f).

4.1.2 Geplante, aktive Annäherung

Im weiteren Verlauf der Meditationsbiographien wird die Herangehensweise an Meditation geplanter und von konkreten Bedürfnissen der Befragten sowie den Konzepten der die Meditation begleitenden (buddhistischen) Schulen geleitet. Das anfänglich eher wahllose Lesen von Literatur wird spezifischer, die Suche nach einer geeigneten Meditationsgruppe, bzw. Mitmeditierenden bewußter und zielgerichteter.

4.1.2.1 Gezielte, intellektuelle Auseinandersetzung

Das Literaturstudium kann zum einen Grundlage für selbstgestaltete Meditationen sein:

„Und dann haben wir eben dann, wie wir wieder zu Hause waren, anhand dieses Buches, haben wir dann unsere Meditationstage gemacht “ (Heike, Z. 165ff).

„Ja und dann hab' ich halt einfach von selbst (RÄUSPERT SICH) angefangen, hab' mir halt noch mal meine ganzen Unterlagen, alles was ich über den Buddhismus hatte, einfach alles noch mal zusammengesucht und noch mal n' paar Mal durchgelesen und dann halt einfach angefangen. Einfach nur ,nam myho renge kyo‘ zu chanten“ (Thomas, Z. 363).

Zum anderen kann das Literaturstudium aber vor allem die Möglichkeit bieten, mehr zu verstehen:

„Ja und da war das ein Glück, daß ich den Ralf gebeten habe dieses Buch zu übersetzen, (II.: mhm) ins Deutsche, damit ich mal verstehe um was es eigentlich geht“ (Heike, Z. 138ff).

„Aber es war klar, weil mir schon ...früher vielleicht noch wichtiger, als jetzt, das, ähm, ich bevor ich etwas tue, das ich das vollkommen verstehe“ (Thomas, Z. 261ff).

„...dann hab' ich halt gesehen irgendwie, ich kenn’ halt nur so'n winz// nach zwölf Jahren, so'n winzig kleinen Teil von der ganzen Praxis, (I.: mhm) von der ganzen Theorie (#I.: mhm#) worum's überhaupt geht da, (*) und hab' mir dann halt richtig fett Literatur besorgt“ (Thomas, Z. 393).

Die intellektuelle Auseinandersetzung ist indes nicht nur ein Ergebnis des Kontaktes zwischen Mediterendem und Meditation, sondern auch von der Begegnung mit den Konzepten der einzelnen Schulen beeinflußt:

„...die richtigen Studiengruppen, das ist immer mit einem Ordensmitglied. Und was studiert wird im allgemeinen, das sind Vorträge von Sangharakshita über bestimmte Dharma-Themen“ (Bettina, Z. 286f).

Thomas weist darauf hin, daß das Literaturstudium und der Diskurs mit anderen Meditierenden ein Gebot seiner buddhistischen Schule ist, das besagt, daß zur erfolgreichen Meditation auch das Studium der buddhistischen Lehre gehört:[72]. „...so drei Spitzpfeiler sind halt irgendwie, Glaube, Praxis und Studium und die ist halt keins das Wichtigste“ (Thomas, Z. 734). Dieses Gebot zum Studium wird dabei von ihm nicht negativ bewertet, sondern harmoniert mit seinem Wunsch zu verstehen (siehe Kap. 4.5).

4.1.2.2 Gezielte Suche nach Vernetzung mit anderen Meditierenden/Buddhisten

Um mit anderen Meditierenden in Kontakt zu treten, nutzen die Befragten spezifische Zeitschriften, Aushänge in speziellen Buchhandlungen oder Empfehlungen von Bekannten.

„...in Köln war ich da irgendwie in den ganzen ... Buchläden und so, immer halt Literatur da gesucht oder auch irgendwelche Adressen, irgendwas womit ich da irgendwiejetzt endlich da so in Verbindung da komme“ (Thomas, Z. 406ff).

„Wo ich dann wieder in München war, nach München gekommen war, im September, dann habe ich so geguckt, was so da im HEFT, weißt Du, (1.2: das Heftchen), das Heftchen da, was es da so gibt an Angeboten undhab da so ein bißchen rumtelefoniert“ (Bettina, Z. 66).

Ursprüngliche Gründe für die Vernetzung nennt am deutlichsten Thomas, dem es darum ging, daß er „jetzt endlich da so in Verbindung“ kommt (Thomas, Z. 409).

„...ich hätt' mir halt schon gewünscht mit anderen auch zu praktizieren, ne? (I.: mhm) Weil ich das da halt auch gesehen hab' irgendwie was das auch ist, wenn du halt diesen Klang auch mit anderen spürst so,ja?“ (Thomas, Z.411ff)

Weiter: „...es geht da ja um, ahm noch um, meiner Meinung nach um, 'n viel, viel tieferes Gefühl da ... das es halt wirklich so der harmonischste Klang irgendwie wird, der da halt dann möglich ist, wenn du schon zusammen, wenn du zusammen chantest...“ (Thomas, Z. 420ff).

Die von einer Meditationsgruppe, bzw. einer buddhistischen Gemeinschaft (Sangha) ausgehenden Verstärkungen auf das emotionale Empfinden, aber auch bezüglich der Regelmäßigkeit der Praxis, spielen im weiteren Verlauf der Meditationsbiographien eine bedeutende Rolle. Wir gehen hierauf in Pkt. 4.7.3 gesondert ein.

4.1.3 Zusammenfassung

Fassen wir zusammen: Bei unseren Interviewpartnern gestaltete sich der Erstzugang bezüglich seiner Art und Weise, durchaus nach einem gängigen Repertoire, daß wir für Dinge und Tätigkeiten zur Verfügung haben, die man mal ausprobieren will. Er war in der Hauptsache gekennzeichnet durch unverbindliches Umschauen. Die Motivation bei den Befragten war intrinsisch.

Die Herangehensweise an das meditativ-buddhistische Feld wandelt sich mit der Weiterentwicklung der Meditationsbiographien, zum Teil ganz bewußt über einen Entschluß, hin zu einer aktiven, gezielten Auseinandersetzung, die sich z.B. durch das Lesen von spezifischer Literatur oder einer gezielten Vernetzung mit anderen Meditierenden, abbildet. Die Gestaltung der Herangehensweise wird im weiteren Verlauf auch vermehrt von persönlichen Erfahrungen mit Meditation und den Konzepten derjeweiligen Meditationsschulen geprägt.

4.2 Zunehmendes Verstehen meditativer Erlebnisse

Zusammengefasste Ergebnislage:

Zu Beginn der Meditationsbiographie haben die Meditationserlebnisse in der Hauptsache den Charakter von persönlich nicht verortbaren, innerweltlichen Sensationen. Zu diesem anfänglichen Zeitpunkt haben sie einen bedeutsameren Stellenwert als später.

Im weiteren Verlauf der Meditationsbiographien rückt der Erkenntnischarakter und damit das persönlich konstruktive Moment in den Vordergrund. Das heißt, die Meditationserlebnisse sind verstärkt durch das Bewußtwerden konkreter, persönlich bedeutsamer Themen sowie durch einen Zusammenhänge erkennenden „komplex-begreifenden“ Charakter gekennzeichnet.

Damit verlieren die Meditationserlebnisse ihren „isolierten Charakter“, den sie als nicht verortbare Sensationen noch hatten, und erhalten eine spezifisch persönliche Bedeutung für die Lebenszusammenhänge unserer Befragten.

In Abgrenzung zu den „Wahrgenommenen Auswirkungen von Meditation (auf Körper und Alltag) und deren Verarbeitung“ (Kapitel 4.3), dreht es sich hier um Erlebnisse, die in konkreten Meditationssitzungen oder kurz danach gemacht werden, nicht um mittel­oder langfristige Auswirkungen von Meditation.

4.2.1 Gegenstandslos-diffuse Meditationserlebnisse

Den Berichten unserer Interviewpartner zufolge, waren besonders ihre anfänglichen Meditationssitzungen von Erlebnissen begleitet, die wir als „angenehme-“, bzw. „beängstigende, innerweltliche Sensationen“ kategorisierten. Dies sind Meditationserlebnisse, die zwar bezüglich ihrer persönlichen Bedeutung von unseren Befragten kaum verortet werden konnten, dafür aber von, bis dato, kaum gekannter, beeindruckender emotionaler Qualität waren.

4.2.1.1 Angenehme, innerweltliche Sensationen

Schilderungen, die angenehme Erlebnisse beschreiben, finden sich beispielsweise in den Erzählungen von Heike oder Thomas über ihre anfänglicher Meditationserlebnisse:

„..das hat mit 'ner inneren Helligkeit zu tun ... Mehr wußt' ich auch nicht und (*) das mach' ich jetzt einfach mal, das tut mir gut, diese Ruhe, ... dieses Dasein und, das war so schön...“ (Heike, Z. 79ff).

Thomas (Z. 457 - 477): „Also die, sagen wir so die ersten intensiven Erlebnisse ... weiß ich noch, da war so'n Erlebnis irgendwie, da hab' ich noch so mit geschlossenen Augen ... praktiziert und dann hab' ich irgendwann die Augen aufgemacht und s‘war ... Als wenn der ganze Raum irgendwie, wie so von Rauchschwaden irgendwie durchzogen war, ja? ... Als wenn ich irgendwie spüre, da ist so, so wie so'n Äther irgendwie ... und da, da gibt’s so Verbindungen irgendwie. (I.: mhm) Also so in der Luft, hab' ich irgendwie so (*) (STÖHNT) frag‘ mich nicht wie, dacht‘ ich auch wieder, das sind jetzt

... andere Arten von Energien irgendwie, die ich jetzt irgendwie sehen kann ... Das war so ein Erlebnis ... was bei mir irgendwie so'n Eindruck hinterlassen hat. Was ich jetzt auch, im Nachhinein (*), ich kann damit auch nichts großartig anfangen aber das war halt gefühlsmäßig.“

In diesem Zusammenhang erscheinen uns Erlebnisse, von ähnlicher Qualität, aus der Zeit vor der eigentlichen Beschäftigung mit konkreten meditativen Techniken, beachtenswert. So berichtet Thomas, gegen Ende des Interviews vom Erleben solch einer, von uns als „spontan-meditativ“ bezeichneten, Stimmung.

„Ich hab' immer also, was ich sagen kann, ich hab' immer Kirche, als schöne Orte wahrgenommen, aber ich glaub' mehr ... durch den Klang und so ... durch die Stimmung ... einmal hab' ich mit ‘nem Freund, ähm, haben wir mit zwei Saxophonen in der Kirche gespielt, (I.: mhm), aber halt so, hat uns der Pfarrer reingelassen, (I.: mhm), nur wir beide ... (wir haben, Anm. d. Verf.) mit dem Saxophon so genau im Zentrum gestanden und dann genau, ähm, die, so diese Resonanzfrequenz da gespürt und das erste Mal so, daß der Ton in mir drin war und außen draußen und ich war so transzendent, so durchlässig“ (Thomas, Z. 1357 - 1371).

An anderer Stelle berichtet Thomas von Meditationserlebnissen, an denen sich zeigt, daß man, ohne selbst (aktiv) zu meditieren, durchaus „passiver Empfänger“ einer meditativen Stimmung sein kann. Das erste Mal, als Thomas einen Kaikan[73] besuchte, erlebte er folgendes: „...da waren dann vielleicht so sieben Leutchen da und haben halt alle so gechantet ‘namo myho renge kyo, namo myho renge kyo’... Und da habe ich mit siebzehn war dat halt so 'ne greifbare Energie in der Luft gespürt“ (Thomas, Z. 71ff).

Bettina schildert, daß das Erleben von tiefen Emotionen für sie generell eine hohe Bedeutung im Zusammenhang mit Religion hat. In Bezug auf ihren früheren, christlichen Glauben sagt sie: „Also das war so, daß ich schon so früher so, ja, daß ich schon ganz starke Gefühle hatte auch für Gott und Jesus, die geliebt habe oder auch so“ (Bettina, Z. 132ff). Des weiteren kennt sie ein bestimmtes Erleben von Gefühlen der Freude und Friedfertigkeit in der Kirche aus der Zeit, in der sie noch gläubige Christin war und vergleicht diese Gefühle mit dem Erleben während der Meditation (vgl. Bettina, Z. 775ff).

4.2.1.2 Beängstigende, innerweltliche Sensationen

Beispiele für diffuse, beängstigende „innerweltliche Sensationen“ wurden von unseren Interviewpartnern seltener erwähnt. Ausführlich wurden solche Meditationserlebnisse vor allem von Heike geschildert. So scheint sie durch, für sie anfänglich nicht verortbare, Lichterscheinungen (vgl. Heike, Z. 203) und insbesondere durch angstbesetzte, visionsähnliche Erfahrungen (vgl. Heike, Z. 594ff) in arge Konfusion gebracht worden zu sein.

4.2.1.3 Weitere Anmerkungen zu den gegenstandslos-diffusen Meditationserlebnissen

Insgesamt gilt, bei der hier beschriebenen dimensionalen Ausprägung, der „gegenstandslos-diffusen Meditationserlebnisse“, daß mit ihrer Verortung, am Beginn der jeweiligen Meditationsbiographien, lediglich eine Tendenz aufgezeigt wird. Erlebnisse, entsprechend dieser Qualität, scheinen durchaus auch im weiteren Fortschreiten der Meditationsbiographien nicht ausgeschlossen zu sein. Bei Bettina beispielsweise, bei der die Erzählung solcher Meditationserlebnisse insgesamt kaum Raum einnimmt, ist zwar folgendes Erlebnis als „angenehme, innerweltliche Sensation“ zu verorten: „Also was ich auch schon ganz ab und zu mal, meinetwegen auf einem Retreat oder so, daß ich so Zugangskonzentrationen mal hatte oder vielleicht erstes Diana, keine Ahnung, was das jetzt war, also wo du dich halt so glücklich fühlst beim Meditieren, gesammelt und glücklich und körperlich auch schön. Aber das kannst du an einer Hand abzählen“ (Bettina, Z. 422ff). Aus dem Kontext läßt sich aber nicht genau entnehmen, ob diese Schilderung dem anfänglichen Abschnitt ihrer Meditationsbiographie entstammt.

Auch existieren Meditationserlebnisse, die auf Grund ihrer Diffusität nicht klar als angenehm oder beängstigend verortet werden können. Fido erwähnt zum Beispiel, bei der Schilderung einer geleiteten Meditation, zum einen die „warme, angenehme Stimme“ des Therapeuten „der man lauscht“ (Fido, Z. 456) und die ihm das Gefühl von „Spiritualität“ (Fido, Z. 452) vermittelt. Andererseits hat die Situation auch etwas befremdliches an sich: „ I.: War das eher am An//.., eher befremdlich am Anfang? (#F.: ja#) F.: Es ist immer noch befremdlich“ (Fido, Z. 460ff).

4.2.2 Für die Meditierenden werden Erlebnisse fassbarer, konkreter und persönlich bedeutsamer

Qualitativ von den, ihrem Charakter nach, als „gegenstandlos-diffus“ beschriebenen Erlebnissen zu unterscheiden sind Meditationserlebnisse, die der Meditierende auf konkret, fassbare Weise mit sich selbst in Verbindung bringt. Dabei handelt es sich meist um die Bewußtwerdung von persönlich bedeutsamen Themen.[74] So schildert Bettina beispielsweise, daß nach geraumer Zeit ihrer anfänglichen Meditationspraxis, sich die Qualität des Erlebens, während der Meditation, verändert hat: „...unddann fing das an, daß das Meditieren so richtig schmerzhaft und echt so alte Geschichten hochgekommen sind“ (Bettina, Z. 454ff).

Heike beschreibt das Erleben und Wahrnehmen von Vergänglichkeit, das sie persönlich-traumatisierend traf: „Aber es kann auch Angst machen und beunruhigen, und gerade wenn's um Erlebnisse geht, der Vergänglichkeit, ne? (II.: mhm) Wo alles zerfällt oder so...“ (Heike, Z. 224ff).

Auch das konkret benennbare Erleben von Qualitätsveränderungen der eigenen geistigen Fähigkeiten ist hier einzuordnen: „...manchmal hast du plötzlich eine unglaubliche Konzentration auf irgendwie einen Punkt ... oder auf ein ... bestimmtes Thema, was du gerade so in deinem Kopf hast ... manchmal ist es wirklich so Gedankenfreiheit...“ (Thomas, Z. 715ff).

Dieses Phänomen der Erhöhung ihrer konzentrativen Fähigkeiten während der Meditation findet sich auch bei Bettina (vgl. Z. 514f).[75]

Bei Fido sind solche „konkret-thematischen Erlebnisse“ stark durch die therapeutischen Vorgaben der geleiteten Meditation beeinflußt. Von der Therapeutin werden „zur Hilfestellung für diese Therapie “ (Fido, Z. 45f) bestimmte Bildmotive angeregt, die Fido für sein meditatives Bilderleben annimmt und, seiner persönlichen Verfasstheit entsprechend, ausgestaltet und spezifiziert: „...ja bei mir, ja der (durch Imagination hervorgerufener Helfer, Anm. d. Verf.) kommt dann irgendwie so hinten, also an dem Hügel irgendwie ... so runtergelaufen und läuft auf mich zu und ich sitze meistens immer auf dieser Wiese irgendwie, in der Mitte drin und das sind (*), teilweise sind das dann auch so Bilder, die dann auch von Werbung irgendwie so, so bestimmt werden ... und dann kommt dieser Mann auf mich zugelaufen (*) und ich kann dann auch mit ihm ... kommunizieren ... Also ich seh', wie ich ihn dann darum bitte, mirz.B. zu helfen oder, oder mich an die Hand zu nehmen und mich ... durch irgendwas hindurchzuführen ... aufdiesem Seminar, wenn ich Hilfe brauche“ (Fido, Z. 52 - 68).

4.2.3 Erkenntnisartig, komplex-begreifende meditative Erlebnisse

Über das Bewußtwerden konkreter, persönlich bedeutsamer Erlebnisinhalte hinaus, werden von den Befragten Erkenntnisse geschildert, die sich auf komplexere Lebenszusammenhänge beziehen. Heike äußert in diesem Zusammenhang, mit den Worten ihrer buddhistischen Lehrerin, daß Meditation Einsichten ermöglicht und „erkanntes Erleben“ darstellt (vgl. Heike Z. 458ff). Die Kategorie „Zusammenhänge erkennende Erlebnisse“ findet sich fast bei allen Interviewpartnern. Bei Thomas und Bettina demonstrieren solche Erlebnisse scheinbar das meditative Potential, menschliche Interaktionen auf eine, für den Praktizierenden konstruktive Art und Weise zu beleuchten. So berichtet Thomas von entsprechenden, energetischen Meditationserlebnissen: „...was ich gespürt habe da ist (*) einfach so 'ne, 'ne totale Verbindung zu meiner ganzen Umgebung. Und das ich halt das erste Mal so gespürt habe, wenn, wenn ich halt mich selbst auf so 'ne ... höhere Ebene da hebe, (I.: mhm) ja? Daß ich, daß vielmehr dieses Ursache und Wirkung oder dieses Wechselspiel mit den Menschenfunktioniert,ja?“ (Thomas, Z. 500ff)

Bettina ermöglicht das Praktizieren von Metta-Meditation und ein entsprechendes Studium, das Erleben neuer Einsichten in die familiäre Interaktion: „...wo ich dann so diese Familieninteraktion so betrachtet habe z.T. und dann abends am meditieren war und dann irgendwie so merkte, ja, so ist das irgendwie so. Also mein Vater ist so, na, er ist eigentlich ziemlich unmöglich so. Aber wo ich mal jetzt so dahintergeguckt habe so, er versucht dann so Aufmerksamkeit zu kriegen und macht dann so seine Späßchen, die dann den anderen wehtun, aber eigentlich möchte er auch geliebt werden oder möchte - er KANN es nicht. Also das mal so zu sehen irgendwie. Und ich denke, dazu war diese Meditation ... Das war richtig so eine kleine Einsicht oder so was. Man hört das so oft, aber daß ich das so gefühlt habe auch richtig so“ (Bettina, Z. 368 - 380).

»Den zentralen Aspekt ,Zunehmendes Verstehen meditativer Erlebnisse4 allgemein betreffende Anmerkung«

Insgesamt glauben wir sagen zu können, daß der sich verstärkende Einsichts- und Erkenntnischarakter von Meditationserlebnissen, auf der zunehmenden persönlichen Verortbarkeit von Meditationserlebnisse beruht und den anfänglich dominierenden, zwar beeindruckenden, aber doch abgehobenen und vom Praktizierenden losgelösten Sensationscharakter der meditativen Erlebnisse ablöst.

4.3 Wahrgenommene Auswirkungen von Meditation (auf Körper und Alltag) und deren Verarbeitung

Zusammengefaßte Ergebnislage:

Am Beginn ihrer Meditationsbiographien nehmen die Befragten vor allem Meditationsauswirkungen wahr, die einen persönlich nicht verortbaren „Sensationscharakter“ haben.

Mit zunehmender Auseinandersetzung verarbeiten unsere Interviewpartner ihre Meditationserfahrungen, mehr und mehr, zu Konzepten von persönlicher Gültigkeit, die oft über ihren Nutzen definiert sind. Sie haben so, durch den auf diese Weise „geschärften Blick“ für sich, ein größeres Verständnis ihrer selbst erreicht, welches ihnen bei der Lebensbewältigung nützlich ist.

Wir dimensionalisierten die Meditationsauswirkungen die, determiniert durch unsere Methodik, nur vom Standpunkt der Meditierenden aus bewertet werden, über deren subjektive Wahrnehmung. Im Gegensatz zu den „Meditationserlebnissen“ (Kap. 4.2) ging es uns hierbei um die Untersuchung der Ausstrahlung, die Meditation, bzw. Buddhismus auf die individuelle Befindlichkeit und den Alltag der Praktizierenden hat.

4.3.1 (diffuse) Empfindungen

Der Anfang der von uns untersuchten Meditationsbiographien war in der Hauptsache von Auswirkungen gekennzeichnet gewesen, die sich auf die Person, das Selbst der Befragten, beschränkten. In den Erzählungen erinnern unserer Interviewpartner, daß am Anfang, ähnlich der „gegenstandslos-diffusen Meditationserlebnisse“ (Pkt. 4.2.1), überwiegend unverarbeitet oder unverortbar, der ergreifend beeindruckende Sensationscharakter dominiert.

4.3.1.1 Körperliche Empfindungen

Von Heike und Fido werden körperliche Empfindungen geschildert. So führt Meditation bei Heike zu negativen körperlichen Beeinträchtigungen, in Form von Verspannungen: „...ich hatte totale, äh, Verspannungen, ich mußte erstmal zum Arzt und mich massieren lassen“ (Heike, Z. 64ff).

Fido merkt, bezüglich der von ihm, zum Zeitpunkt des Interviews erst kürzlich, erprobten Methode der Biodynamischen Meditation* an, daß er diese als anstrengend empfindet (vgl. Fido, Z. 274). Sie ermöglicht ihm jedoch auch „im Körper irgendwie locker “ zu werden (vgl. Fido, Z. 247).

4.3.1.2 Sensitiv-emotionale Empfindungen

Anders als Biodynamische Meditation, bedürfen die meisten anderen, von unseren Interviewpartner praktizierten, Methoden keiner größeren körperlichen Aktivität. Ob dies auch, für die öfters geschilderten Auswirkungen von „sensitiv-emotionalen Empfindungen“, wie Ruhe und Ausgeglichenheit, verantwortlich ist, können wir nicht beantworten.

Das sich relativ schnell einstellende Empfinden von Ruhe wird von fast allen Befragten angeführt.

Ein Aspekt, der für Thomas zu Beginn seiner Meditationsbiographie bedeutender war als heute: „(Es, Anm. d. Verf.) geht mir jetzt nicht mehr so darum, wie früher zum Beispiel, daß man halt durch ... Meditation oder so halt wirklich nur zur Ruhe kommt...“ (Thomas, Z. 210ff).

Auch bei Heike war Ruhe, als Meditationsauswirkung, etwas was sie schon früh als sehr angenehm empfand: „Ja, es war, glaub' ich, die Ruhe die das bringt, ja. (II.: mhm) Die Ruhe und die Ausgeglichenheit und vor der Kerze, das war einfach 'ne, für mich 'ne schöne Atmosphäre...“ (Heike, Z. 89ff).

Gerade Heike berichtet aber auch von anfänglich „sensitiv-emotionalen“ Empfindungen mit stark negativer Färbung die teilweise traumatisierenden Charakter hatten. Dies waren Auswirkungen infolge von meditativer Betätigung die, zum damaligen Zeitpunkt, nicht ausreichend von ihr verortet werden konnten, sie mithin einfach überforderten: „Ich hatte überhaupt keine Ahnung ... wie zerbrechlich diese Welt ist. Und, wie eigentlich in Bewegung alles ist und wie offen ... Das war für mich, also 'ne völlige... (MACHT ANDEUTUNG DES VERWIRRTSEINS) (II.: ...dann was ganz Neues, ne?) Ja, (LACHT) ziemlich. Das hat meine heile Welt ziemlich auf den Kopf gestellt, und das war 'ne ... harte Zeit, das auch (*),jazupacken, ne?“ (Heike, Z. 154 - 162)

An anderer Stelle beschreibt sie auch meditativ induzierte Visionserfahrungen, die ihrem Charakter stark angstauslösend gewesen sein müssen (vgl. Heike, 583 -614).

Dieses mangelhafte Gerüstetsein, um Auswirkungen dieser Art auffangen zu können, bewegt Heike heute noch dazu sich ein, wie sie es nennt, „Fundament (von meditativ­buddhistischem Wissen, Anm. d. Verf.) zu schaffen“ (vgl. Heike, Z. 581), das sie vor ähnlichen Erfahrungen in der Zukunft schützen soll.

4.3.2 Konkret benennbare, veränderte Selbstwahrnehmung

Diese dimensionale Ausprägung repräsentiert Meditationsauswirkungen, denen zwar der Sensationscharakter noch anhaftet, die aber trotzdem sehr deutlich mit der eigenen Person in Verbindung gebracht werden, anders gesagt in ihrer persönlichen Bedeutsamkeit relativ deutlich zu benennen sind.

4.3.2.1 Intensivierung der eigenen Wahrnehmung

Die Beobachtungen unserer Befragten, die eine Qualitätsveränderung, bzw. -steigerung des eigenen Erlebens umschreiben, wurden von uns als „Intensivierung der eigenen Wahrnehmung“ kategorisiert. Die Aussagen über solche Auswirkungen sind, zum Teil, relativ allgemein gehalten.

So berichtet Bettina von einem intensiveren Körpergefühl (vgl. Bettina, Z. 444f) und davon, daß ihr Meditation bestimmte Gefühlsqualitäten zugänglich gemacht hat: „...ich kenne jetzt im Alltag manchmal auch Gefühle, die ich in der Meditation schon hatte...“ (Bettina, Z. 772f).

Ebenfalls ziemlich allgemein gehalten erzählt Heike: „Ja, also ich, mir war nicht klar, wie sensitiv man werden kann, oder wie sensibel, ne? (II.: mhm) Und was man eigentlich überhaupt für 'ne Möglichkeit der Wahrnehmung hat, bei sich oder auch anderen, ne?“ (Heike, Z. 213ff)

Oft werden Meditationsauswirkungen dieser Art aber auch präziser geschildert. Thomas ermöglicht seine Praxis des chantens, „daß man halt diese ganzen Sachen ... so die eigenen Wünsche, Begierden, Vorstellungen und so, daß man die halt alle klarer sieht“ (Thomas, Z.613ff).

Fido berichtet, daß er durch Meditation zu einer Klärung seiner Angstzustände gelangt ist (vgl. Fido, Z. 222f). Potentiell scheint seine Visualisierungsmethode Fido Klarheit in eigenen Angelegenheiten verschaffen zu können: „...viele Sachen danach, die sind einfach so intuitiv, also sie sind dann einfach klar, durch ... diese Bilder“ (Fido, Z. 694ff).

4.3.2.2 Wahrnehmung von persönlicher Entwicklung

Zahlreiche Erwähnungen von Veränderungen in der Selbstwahrnehmung der Befragten weisen mit starker Eindeutigkeit in die Richtung eines konstruktiven Wandels und wurden, von uns, als „Wahrnehmung von persönlicher Entwicklung“ kategorisiert.

Bettina berichtet von zahlreichen persönlichen Veränderungen, die sich auf ihren Alltag auswirkten. Sie sagt, daß sie „insgesamt glücklicher“ (vgl. Bettina, Z. 410ff) und „emotional robuster“ (vgl. Bettina, Z. 418f) geworden ist. Durch die Beschäftigung mit

Meditation und Buddhismus erwächst für sie die Möglichkeit, „daß ich wieder als Ärztin arbeite so, daß ich so ins Leben reingehe “ (Bettina, Z. 599f).

Scheinbar im Zusammenwirken mit dem stützenden Effekt ihrer buddhistischen Meditationsgruppe, wodurch sie „mehr Mut gekriegt“ hat (vgl. Bettina, Z. 474ff), kommt es zu Veränderungen auch in ihrem alltäglichen Handeln: „...daß ich so früher manchmal Sachen nicht gemacht hab', weil ich Angst davor hatte und jetzt eigentlich versuche das dann trotzdem zu machen“ (Bettina, Z. 478ff).

Bei Thomas hat die Selbstwahrnehmung seiner persönlichen Entwicklung eine starke emotionale Färbung. Grundsätzlich kommt es infolge seiner Meditationspraxis zu einem persönlichen Wandel, den er so umschreibt: „...plötzlich nimmst du halt in dir so Gefühle wahr irgendwie die ... davor nicht so da sind, nicht so da waren,ja?“ (Thomas, Z. 702f). Präzisierend führt er beispielsweise aus, daß Mitgefühl „unmerklich ohne daß ich’s mir vorgenommen habe oder so, daß es einfach viel mehr Raum irgendwie so in dem Leben einnimmt...“ (Thomas, Z.630ff).

Auch Heike stellt Veränderungen, die in diese Richtung weisen, bei sich fest. So konnte sie, durch Meditation, „'ne ganz starke Aggression, ... durch 'ne Art von Gelassenheit ... ersetzen, oder sogar, im weitesten Sinne, Mitgefühl“ entstehen lassen (vgl. Heike, Z. 828ff).

In der Hauptsache erwähnt sie aber Eigenbeobachtungen, die mit ihrer spirituellen Entwicklung zu tun haben. Diesbezüglich scheint die Auseinandersetzung mit ihrem Geist für Heike eine besondere Bedeutung zu haben. So berichtet sie von der Beobachtung einer, von ihr entwickelten, „Hartnäckigkeit“ im Umgang mit ihrem Geist (vgl. Heike, Z. 400), die ihr letztendlich, gerade auch in defizitären Lebenslagen, von Nutzen ist. „Weil irgendwann hilft's dann, ne?“ (Heike, Z. 400f)

Diese Auseinandersetzung mit ihrem Geist ermöglicht es ihr auch zunehmend eigene Mechanismen, wie beispielsweise die Neigung zur Realitätsflucht, auch in ihren subtilsten Formen zu erkennen (vgl. Heike, Z. 521ff): „Ja, das irre ist, daß das auch immer subtiler wird, also mit der Flucht, ne? Also mit Sicherheit hab' ich das ganz stark gehabt. Nur bei mir hat das ganze noch 'n kleinen ... Beigeschmack. ... Ahm, wenn man diese Flucht in Sex, in Alkohol, in irgendwelche materiellen Güter, wenn man das alles irgendwie sein lassen kann, dann besteht immer noch die Gefahr der Flucht in den

Wahnsinn, das ist auch interessant ... Und auch dem muß man ein Schnippchen schlagen. Also der Geist hat Tricks auf Lager, die man nicht unterschätzen soll“ (Heike, Z. 555 - 564).

Doch Heike nimmt auch positive Auswirkungen auf ihren Geist war. Den eingeschlagenen Weg resümierend, stellt Heike zusammenfassend fest, „daß der Geist, durch Meditation, 'ne Leichtigkeit kriegen kann“ (Heike, Z. 809f).

Fido nimmt bei sich eine, mit seiner meditativen Praxis in Verbindung gebrachte, persönliche Entwicklung wahr die, so könnte man sagen, seiner persönlichen Integrität zu Gute kommt. So beschreibt er, zum Beispiel folgende, bei sich festgestellten Meditationsauswirkungen: „...ich habe eher so das Gefühl, daß ich ... diesen hektischen Fido ... der sich irgendwo verfranzelt hat, irgendwie wieder verbinde mit, mit diesem ... ruhigen Teil in mir“ (Fido, Z. 599ff). An anderer Stelle: „...oftmals entsteht ja auch dieses Gefühl, zu mir zu stehen dann...“ (Fido, Z. 699f).

4.3.2.3 Weitere, konkret bennenbare Auswirkungen von Meditation

Nicht als „Intensivierung der eigenen Wahrnehmung“, bzw. als „Wahrnehmung von persönlicher Entwicklung“ zu kategorisieren, aber dennoch zur dimensionalen Ausprägung der „konkret benennbaren veränderten Selbstwahrnehmung“ infolge meditativer Praxis zuzurechnen, sind von Thomas genannte Meditationsauswirkungen, die wir als „energetische Aufladung“ kategorisiert haben.

Thomas empfindet sein meditatives chanten „teilweise auch so wie 'ne Aufladung“ (vgl. Thomas, Z. 193). Des weiteren drückt er diese Selbstwahrnehmung so aus: „Und (**) ja und dann klar, halt auch so 'ne Nutzengeschichte, daß du halt siehst irgendwie, ... daß du ganz klar den positiven Effekt spürst, die Kraft, die's dir gibt...“ (Thomas, Z. 531ff).

Bei Fido finden sich noch auf seine Person bezogene Wahrnehmungen, die ihm klar machen, daß Meditation hilfreich für ihn ist, um sich auf sein therapeutisches Setting einzustellen: „...diese Meditation hilft mir auch dabei mich darauf einzulassen...“ (vgl. Fido, Z. 480f).

4.3.3 Bearbeitete Wahrnehmung

Die nun vorzustellende dimensionale Ausprägung „Bearbeitete Wahrnehmung“ gewährt in der Hauptsache einen Einblick in die Art und Weise, wie unsere jeweiligen Interviewpartner Meditationsauswirkungen verarbeiten, fährt uns also von der bisher dominierenden Aneinanderreihung verschiedenster Beispiele wahrgenommener meditativer Auswirkungen weg: eine Bewegung, die das verstärkte Herausarbeiten der persönlichen Bedeutung der Meditationsauswirkungen, was kennzeichnend ist für das Fortschreiten derjeweiligen Meditationsbiographien, widerspiegelt.

4.3.3.1 Konstruktiver Austausch mit anderen

Bei Fido ist es naheliegend, daß er seine, bei der geleiteten Meditation aufsteigenden Bilder im weiteren Verlauf des therapeutischen Settings aufarbeitet, was er im Interview auch bejaht (vgl. Fido, Z. 360ff).

Auch bei den anderen Befragten spielt der konstruktive Austausch bei der Bearbeitung der, unter Kapitel 4.2 beschriebenen Meditationserlebnisse und der hier aufgeführten Meditationsauswirkungen eine, immer wieder erwähnte, Rolle[76].

Heike arbeitet mit einer buddhistischen Nonne ihre anfänglichen visionsartigen Meditationserfahrungen auf (vgl. Heike, Z. 609ff).

Bettina schätzt die Möglichkeit der gemeinsamen Reflexion in ihrer buddhistischen Gruppe, bzw. mit Gleichgesinnten (vgl. z.B. Bettina, Z. 307ff).

Die potentielle Verfügbarkeit einer oder mehrerer erfahrener Personen, zur konstruktiven Aufarbeitung, scheint sehr bedeutsam zu sein.

Bettina macht einen entsprechenden Mangel in früheren Jahren mitverantwortlich dafür, daß sie das Meditieren immer wieder aufgegeben hat (vgl. Bettina, Z. 307ff).

Heike bringt es mit den Worten, „also würd' ich schon vorschlagen, sich 'n Lehrer zu suchen, wo einem das einordnen kann...“ (Heike, Z. 227ff), in ihrer Weise, auf den Punkt.

4.3.4 Konzeptualisierte Erfahrungen

Über die einfache Wahrnehmung von Meditationsauswirkungen hinaus, hat jeder Befragte bestimmte Erfahrungen, die er oder sie infolge meditativer Praxis gemacht hat, konzeptualisiert. Meist handelt es sich um Konzepte, die zumindest persönliche Gültigkeit beanspruchen, wobei sich auch einige Aussagen finden, für die sich sagen läßt, daß von eigenen Erfahrungen allgemeingültige Konzepte abgeleitet werden.

Es wäre sicherlich interessant der Frage, wie unsere Interviewpartner zu ihren Konzeptualisierungen gekommen sind, genauer nachzugehen. Wahrscheinlich existiert neben der zuvor erwähnten, bewußten, mit einem Lehrer, bzw. mit Mitgliedern einer entsprechenden Gruppe durchgeführten Bearbeitung, ein mehr oder weniger aus der Summe der eigenen Erfahrungen unbewußtes, intuitives Ableiten solcher persönlichen Gültigkeiten.

4.3.4.1 Persönliche Instrumentalisierbarkeit

Bedeutend ist, daß die betreffenden Aussagen zum einen anschaulich darauf verweisen, daß die Befragten durch Meditation ein größeres Verständnis ihrer selbst erreicht haben. Zum anderen steckt in den geäußerten, konzeptualisierten Erfahrungen eine persönliche Handlungsanleitung, die, bei entsprechender Bedürftigkeit, zum Tragen kommen kann. Wir kategorisierten diesen Umstand deshalb auch als „persönliche Instrumentalisierbarkeit“.

Thomas, beispielsweise, hat im Laufe seiner Praxis erfahren, daß er auf verschiedene Weisen „chanten“ kann. Eine Kenntnis, die er anscheinend für sich zu nutzen weiß: „Es gibt auch viele Arten zu chanten. Eine ist halt, ... wenn du langsamer chantest, daß du dich halt auch beruhigst dabei, daß du eher so dein , wenn du zu aufgeregt bist oder halt viel so im Chaos ist irgendwie, daß du dann halt so 'n bißchen runterkommen kannst (I.: mhm), generell, also wie, wie ich es auch mehr benutze ist halt, ähm, so, Entschlüsse (**), ja 'weiß nicht, also die Kraft irgendwie daraus zu ziehen irgendwie

Entschlüsse durchzusetzen, ja? ... (Das ist, Anm.d.Verf) ein sehr wichtiger Aspekt davon für mich...“ (Thomas, Z. 200 - 208).

Heike, die über einen reichhaltigen Methodenschatz verfügt, hat im Laufe ihrer Meditationsbiographie ein Wissen darüber erlangt, welche spezifische Methode welchen spezifischen Nutzen für sie haben kann. Sie hat beispielsweise gelernt, daß sie sich durch eine bestimmte Form der Mantra-Meditation „erden“ und so ihrer fahrigen Neigung entgegenwirken kann: „...also ich heb' total schnell ab ... Mantrameditation mit den Dingern (buddh. Marla, Anm. d. Verf.) ist gut, da erde ich mich“ (Heike, Z. 705ff).

Obwohl Heike zu Beginn ihrer Meditationsbiographie erleben musste, wie unreflektierte meditative Praxis starke Ängste bei ihr freisetzte (vgl. Heike, Z. 601ff), hat sie mit der Zeit gelernt, daß für sie gilt, daß meditative Entwicklung, mit einer schritthaltenden buddhistischen Auseinandersetzung, Mut macht (vgl. Heike, Z. 352) und vor allem auch Ängste mindern kann. Wobei, durch die meditativ-buddhistische Auseinandersetzung entstandenes Vertrauen das tragende Moment dieser Möglichkeit der Angstminderung zu sein scheint. Auf die Frage, ob sie erlebt hat, daß Meditation auch Ängste reduzieren kann, antwortet sie: „Ja, ja sehr deutlich. Also sehr, sehr deutlich, g'rad durch dieses Erleben, daß es Vertrauen schafft. (II.: mhm) Es funktioniert, es geht, ne? Es ist machbar. (II.: mhm) Das sind zwar immer kleine Momente, aber ich glaube, die kleinen Momente sind die ausschlaggebenden“ (Heike, Z. 360ff).

Fido empfindet, daß die bei seiner Therapie verwendeten Visualisationstechniken, die ihren Fokus auf die während der Meditation aufsteigenden Bilder legen, ihm fruchtbare Lösungsansätze für sein Leben anbieten können. So sinniert er während des Interviews darüber nach, daß er mit ein bißchen mehr Disziplin dieses persönliche Hilfsmittel, Meditation, wesentlich mehr für sich nutzen könnte, also „dieses Hilfsmittel zu nehmen, genauso wie man 'n Fremdwörterlexikon nimmt, ... wenn man 'n Wort nicht weiß und da nachkuckt...“ (Fido, Z. 415ff).

Für Bettina steht vor allem fest, daß Meditation ihr Stabilität verleihen kann, Stabilität die es ihr unter anderem ermöglicht, wieder in ihrem ursprünglich gelernten Beruf zu arbeiten: „...wo ich dann gesagt habe, ich möchte wieder als Ärztin arbeiten ... ich denke, das ist auch, daß ich das auch wieder kann, das ist, daß ich so eine Stabilität gekriegt habe irgendwie. Ich hatte früher so vor der Verantwortung auch so 'ne Angst irgendwie so, ich mache Fehler, ich werde meines Lebens nicht mehr froh, so ungefähr. Oder dieses Selbstaufopfern irgendwie geben, geben, geben, bis es nicht mehr geht. Also das war echt so ein Problem bei mir “ (Bettina, Z. 606 -615).

4.3.4.2 AllgemeingültigeKonzepte

„Konzeptuelle Erfahrung“ im Sinne der Kategorie „allgemeingeltenden Konzepte“ schildert, beispielsweise Heike. So stellt sie eine Abfolge von Erfahrungen dar, die verallgemeinerbar wirkt.

Die von ihr gemachte Erfahrung, daß sich Aggression mittels Meditation, durch Mitgefühl ersetzen läßt (vgl. Heike, Z. 828ff), verleitet sie zu der Überzeugung, daß Meditation sich wirklich lohne (vgl. Heike, Z. 841). „Weil (*) Aggression, wenn man sensitiv wird, durch's meditieren und sensibel ist, ist Aggression körperlich spürbar. (*) (II.: mhm) Das manifestiert sich körperlich und das sind (*), ist schmerzhaft. Und das will man loswerden, ... das will man nicht haben. (II.: mhm) Und da muß man was finden, um das loszuwerden. (II.: mhm) Und dann ist es das halt, ne?“ (Heike, Z. 842ff)

Ein Beispiel aus Bettinas Schilderungen hierzu wäre folgendes. Sie hat durch Meditation eine ihr neue Möglichkeit einer besonderen Einsichtsqualität kennengelernt, die über das rein rationale Verstehen hinausgeht, eine Erfahrung, die zu einem „allgemeingültigen Konzept“ geronnen ist: „...ich meine, das kann man schlecht beschreiben, oder wenn man es im Text liest, und plötzlich denkste so, ja, (KLATSCHT IN DIE HÄNDE) ja, man sagt ja, alles ist vergänglich irgendwie so. Das kannst du hundertmal lesen, das kannst du so und so oft hören, aber dann so 'n kleinen Moment kannst du mal so ein Gefühl dafür kriegen: so ist das! “ (Bettina, Z. 388ff)

Da sie auf eigenen Erfahrungen beruhen, sind natürlich auch die zu „allgemeingültigen Konzepten“ geronnenen „konzeptualisierten Erfahrungen“ persönlich instrumentalisierbar.

4.4 Zunehmende, an der subjektiven Bedürfnislage orientierte, Verfügbarmachung meditativer Praktiken

Zusammengefaßte Ergebnislage:

Unsere Befragten passen sich zu Beginn ihrer Meditationsbiographie zunächst einer formalen Praxis an. Durch die zunehmende persönliche/intellektuelle Auseinandersetzung mit dem meditativ-buddhistischen Feld, gelangen sie zu einem Praxisverständnis, das sich mehr und mehr an ihren spezifisch subjektiven Bedürfnissen ausrichten läßt. Die Veränderung (Spezifizierung) der meditativen Praxis deutet möglicherweise darauf hin, daß sich die Befragten mit der Meditation ein subjektspezifisches Bewältigungsinstrumentarium für defizitäre Lebenslagen schaffen. Das „Instrumentarium Meditation“ wird nicht mehr nur global eingesetzt, etwa zur Beruhigung oder Herstellung von Disziplin, sondern „filigraner“ und im stärkeren Maße zur Lösung von spezifischen Aufgaben genutzt.

4.4.1 Anfänglich, relativ unreflektiertes, formal-rituelles Ausüben einer Meditationspraxis

4.4.1.1 Zeremoniell-formal dominierte Praxis

Die Meditationsbiographien aller Interviewpartner sind dadurch gekennzeichnet, daß es an deren Anfang zu einer, relativ unreflektierten, Unterordnung unter eine bestimmte Meditationstechnik kommt. Insbesondere in der Phase des Kennenlernens scheint das Zeremoniell, das korrekte Ausüben einer rituellen Handlung, oft unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen, von übergeordneter Bedeutung für die Meditationspraxis zu sein.

Heike (Z. 118ff): „Ja, wir haben unsern, also für mich, richtig ersten Meditationskurs in Frankreich zusammen gemacht, das war bei Goenka. (II.: mhm) Und das ist ja 'ne sehr strenge, strikte Methode, und so haben wir angefangen, unsre Meditationstage, immer am Vollmond, einen Tag nach der Richtung zu machen.“

Fido, der kurz vor dem Interview, während eines Wochenendseminars, eine erste Einführung in Biodynamische Meditation* bekommen hat, bemerkt hierzu: „...also ich kam nicht auf die Idee zu Hause, das irgendwie zu praktizieren. Weil ich das auch so gewohnt bin, in diesem Rahmen zu machen, (I.:ja) mit den Leuten“ (Fido, Z. 275ff).

Da das Formale, in der Beziehung zwischen dem Meditierenden und seiner ausgeübten Praxis, zu dominieren scheint, ist die Praxis zunächst auch relativ frei von subjektiven Modifikationen.

4.4.1.2 Regelmäßige Praxis (sporadische Praxis)

Thomas (Z. 333ff): „Und da hab' ich dann halt auch mal so Klangmeditationen damit gemacht. (I.: mhm) Und das auch 'ne Zeit lang ziemlich regelmäßig, und dann halt mal auch wieder mal mehr irgendwie ,namo myho renge kyo’ gechantet...“

Heike (Z. 76ff): „..dann (*) hab' ich aber ab dem Zeitpunkt jeden Früh 'ne Stunde Atembetrachtunggemacht. (II.: mhm) Ein Jahr lang.“

Wie zu sehen ist, spielen Momente, wie Disziplin, bzw. Regelmäßigkeit eine bedeutende Rolle. Regelmäßigkeit, bezüglich der meditativen Praxis, wirkt wie eine wichtige Stütze, insbesondere zur Aufrechterhaltung noch junger

Meditationsbiographien. Anfängliche Unregelmäßigkeit kennzeichnet Unterbrechungen (weiße Flecken) in den Meditationsbiographien (siehe auch: „Die Herangehensweise findet in mehreren Etappen statt“, in Kap. 4.1).

Besonders Thomas macht mangelnde Disziplin für die Diskontinuitäten bezüglich seiner meditativen Praxis und für die Unfähigkeit tiefer in eine bestimmte Technik einzutauchen, während seiner anfänglichen Meditationsbiographie verantwortlich (vgl. Thomas, Z. 343ff sowie Pkt. 4.1.1: „die spontane, unverbindliche Annäherung an Meditation“).

Lediglich bei Fido gibt es für diesen Sachverhalt wenig Indizien, was aber daran liegen mag, daß der, die Meditationsbiographie stabilisierende Effekt der Regelmäßigkeit, für ihn, durch die feste Struktur der immer wiederkehrenden Wochenendseminare gegeben ist. Des weiteren hat er Meditation, im therapeutischen Setting, als etwas kennengelernt bei dem der Impuls ohnehin von außen (es handelt sich um geleitete Meditation) kommt.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die hier beschriebenen Aspekte keine Zwangsläufigkeiten, sondern augenfällige Tendenzen einer beginnenden Meditationsbiographie darstellen, es sich keinesfalls um einen festgefügten, gar berechenbaren Ablauf von Phasen handelt. So bleibt Regelmäßigkeit in der Ausübung,

mehr oder weniger, bei allen Befragten ein ihrer Meditationsbiographie entscheidend, Kontinuität und Stabilität verleihendes Merkmal.

4.4.1.3 Anmerkungen zur dimensionalen Ausprägung „relativ unreflektierte, formal­rituelle Praxis“

Die vom Formalen bestimmte, anfängliche Praxis ist durch die relative Unkenntnis, des geistigen Überbaues, bzw. Hintergrundes der ausgeübten Praxis gekennzeichnet. Zu Beginn ist dem Ausübenden die persönliche Bedeutung, der von ihm gewählten und praktizierten Meditationsübungen, auch in ihren möglichen Auswirkungen, nicht bewußt. Auf die Frage, ob die Theorie, die hinter der Meditationspraxis steht, für ihn von Anfang an sehr wichtig gewesen sei, antwortet Thomas: „Áhm, (**) ich hab' mich sehr inkonsequent damit auseinandergesetzt, also schon die Sachen paar Mal durchgelesen, aber nich' komplett verstanden...“ (Thomas, Z. 255ff).

Heike (Z. 141ff) bemerkt hierzu: „Ich mein' ich hab' zwar sehr viel Hingabe und Vertrauen gehabt, aber, (*) vom analytischen her ... Da hat es immer hinterhergehinkt, ich hab' das nie begriffen.“

4.4.2 Von persönlicher/intellektueller Auseinandersetzung gekennzeichnete Praxis

Daß der von Fido beschriebene Rahmen des therapeutischen Settings die Möglichkeit bietet, die, während der geleiteten Meditation aufgetauchten, persönlichen Bilder zu bearbeiten ist wenig spektakulär (vgl. Fido, Z. 395ff).

Interessanter ist, unserer Ansicht nach, der Umstand, daß bei denjenigen, die in einer buddhistischen Tradition begonnen haben zu meditieren, die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Buddhismus und damit einhergehend, die Auseinandersetzung mit der eigenen Person, die meditativen Übungen in zunehmendem Maße begleiten. So berichtet auch Bettina, daß für ein konstruktives Aufrechterhalten ihrer Meditationspraxis „der Buddhismus wichtiger geworden“ ist (vgl. Bettina, Z. 461f).

4.4.2.1 Begleitendes Literaturstudium

Auf die Frage, ob das Lesen von Literatur über Meditation heute noch die gleiche Bedeutung hätte, wie am Anfang antwortet sie: „Ja eigentlich fast noch mehr Bedeutung. Also damals war es halt so das Interesse ... Und jetzt ist es halt - naja, das ist, ich denk', das kann man auch nicht so trennen irgendwie, also jetzt nur meditieren oder so, weil ich ja halt meditiere mit 'ner bestimmten Zielsetzung auch,ja“ (Bettina, Z. 235ff).

Unter anderem, ermöglicht ihr dieses Literaturstudium das Kennenlernen neuer Methoden (vgl. Bettina, Z. 240ff).

Auch für Heike und Thomas ist das Literaturstudium im weiteren Verlauf ihrer Meditationsbiographie wichtig (vgl. hierzu auch Pkt. 4.1.2.1: „Gezielte, intellektuelle Auseinandersetzung“).

4.4.2.2 Meditationspraxis ist verbunden mit Selbstreflexion

Laut der Schilderungen von Thomas ist es, in der von ihm ausgeübten Praxis, auf Dauer gar nicht möglich, einer Auseinandersetzung mit dem Ich zu entgehen: „...durch die Praxis, die halt auch immer 'ne Selbstreflexion ist, is’ es, wie, wie soll man sagen? Kommst du immer wieder zu deinen Werten, ja? Oder auch zu deinen Wünschen, (I.: hm) auch Begierden...“ (Thomas, Z. 594ff).

Letztendlich wurde, für ihn, die gegenseitige Ergänzung von „Studium, Praxis und Glauben“ zu einem entscheidenden konstruktiven Moment seiner Meditationsbiographie. „Und diese drei Sachen halt, dieses Studium, Praxis und Glauben, jetzt halt wieder durch, durch Studium, also im Gespräch mit anderen Leuten auch wieder lesen dadrüber, hab' auch wieder neue so Erkenntnisse bekommen, dadurch halt irgendwie wieder so gedacht, ja, ist ja richtig irgendwie, also wieder Glauben verstärkt und dadurch wieder Praxis verstärkt (I.: mhm), ne? und ... dann wieder, durch die Verstärkung irgendwie kommt dann wieder mehr Interesse dann am Studium...“ (Thomas, Z. 788ff).[77]

Heike arbeitet ihre anfänglichen, z.T. sehr unangenehmen Meditationserlebnisse mit einer buddhistischen Nonne, mit der sie auch meditierte, auf: „...das war also sehr fruchtbar für mich, die Zeit mit der L.. Und dann hab' ich auch ... lange Jahre mit ihr eben meditiert ... also da hab' ich dann auch, dadurch, daß sie deutsch sprach 'n anderes Verständnis dafürgekriegt...“ (Heike, Z. 174ff).

4.4.2.3 Weitere Anmerkungen zur dimensionalen Ausprägung: „Von persönlicher/intellektueller Auseinandersetzung gekennzeichnete Praxis“

Mit den Meditationserlebnissen und -erfahrungen zeigt sich das Potential, über das Meditation zu verfügen scheint, einen Menschen, in seinem Innersten, zu rühren. Inwieweit es naheliegend ist diesem persönlichen, oft verwirrenden Erleben eine buddhistisch geprägte Aufarbeitung folgen zu lassen, vermögen wir nicht zu sagen. Zwar ist, im Falle unserer Befragten, zur ausgeübten Meditationspraxis ein buddhistisches Lehrgebäude verfügbar gewesen, aber wie wir erfahren haben, konnte dieses, im Einzelfall, negative Meditationserlebnisse und -erfahrungen, zumindest akut, nicht unbedingt in ausreichenden Maße auffangen. Eine andere Reaktion, als die eigene Meditationspraxis mit einem vertiefenden Eintauchen in die, ihr zugehörende, (buddhistische) Lehre zu koppeln, etwa die Abkehr von ihr oder ein Zurückgreifen auf altbewährte Mittel erscheint uns in solch einer Situation durchaus vorstellbar. In der Tat gibt es vereinzelt auch Beispiele derartiger Reaktionen. So berichtet Heike, bezüglich ihrer anfänglichen Schwierigkeiten beim meditieren: „Also erstmal hab ' ich allesfalsch gemacht, ich hab' nicht losgelassen, ich hatte totale ... Verspannungen, ich mußte erstmal zum Arzt und mich massieren lassen...“ (Heike, Z. 62ff).

Haben wir es möglicherweise mit unseren Befragten gerade mit denjenigen zu tun, die diesen empfindlichen Punkt im Fortschreiten ihrer Meditationspraxis (der auch den Abbruch der Meditationsbiographie herbeiführen hätte können), unter Zuhilfenahme des, der jeweiligen Meditationspraxis, übergeordneten buddhistischen Lehrgebäudes, konstruktiv überwinden konnten?

4.4.3 Subjektdominierte Praxis

Es hat den Anschein, als gelänge es die persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen, infolge meditativer Praxis, in einem, für den Praktizierenden befriedigendem Maße mit den entsprechenden buddhistischen Lehrinhalten in Übereinstimmung zu bringen oder anders gesagt, schaffen es die Meditierenden, anhand der buddhistischen Lehre, ein Verständnis dafür zu entwickeln, was Meditation für sie bedeuten kann, so sind sie, im Fortschreiten ihrer Meditationspraxis, nunmehr dem Punkt nahe, von dem an sie sich soweit im Einklang mit ihr befinden, daß sie in der Lage sind, entsprechend jeweiliger, subjektiver Bedürfnislagen, ihre Meditationspraxis zu modifizieren.

So kann Bettina ihre Meditationspraxis einer, sie fordernden, familiären Situation anpassen. Die Abweichung von ihrer gewohnten Meditationspraxis, durch verstärktes Ausüben von Metta-Meditation*, ermöglicht es ihr, die gespannte Situation mit ihrem Vater nicht nur einfach von der Sache her gut zu bewältigen, sondern es entsteht, laut ihrer Erzählung, darüber hinaus eine neue, klärende Einsicht bezüglich der familiären Interaktionen (vgl. Bettina, Z.355ff).[78]

Bei Thomas finden wir Anhaltspunkte, die bereits stark auf eine Instrumentalisierung von Meditation, im Sinne spezifisch-subjektiver Bedürfnisse, hindeuten, die wir als „persönlich-fürbittende Praxis“ kategorisierten.

Thomas (Z. 1080ff): „Eine Sache, 'wofür ichjetzt irgendwie in der letzten Zeit chante ist halt irgendwie ... so ’ne Gefühlsbarriere auch zu durchbrechen halt, Gefühle einfach wieder mehr rauszulassen...“.

Auch Heike hat über Meditation mit der Zeit eine große Sensibilität für sich entwickelt. Über ihre fortwährende, intellektuelle Auseinandersetzung mit der „meditativ­buddhistischen Sphäre“ ist sie zu einem reichhaltigen Repertoire an meditativen und meditationsverwandter Techniken gekommen, das sie, entsprechend ihren Bedürfnissen, relativ gezielt einzusetzen vermag. Hierzu kombiniert sie auch unterschiedliche Methoden, was zu einer „eklektizistischen Praxis“ führt:

„Aber ein's ist hilfreich für mich bei dieser Mantramethode, nämlich, daß man so ’ne Marla in der Hand hat. (II.: mhm) Und interessant ist ... man kann da ja auch viel reininterpretieren, Vergänglichkeit, alles mögliche ... Aber ein wichtiger Punkt ist auch, die Erde behalten, Erdung (Il.: Ah, ja. Daß man nicht zu sehr...) Das man nicht abhebt, ne? (I2.: mhm, mhm) Und das istauch 'ne interessanteKonstellation. Da kann man sich auch ankucken, welches Element hab' ich? ... ich bin, zum Beispiel, doppeltes Feuerelement, also ich heb' total schnell ab ... Gehmeditation ist für mich ideal, weil da erde ich mich “ (Heike, Z. 694 - 706).

4.4.4 Praxis nach subjektgeleiteten Methodenkreationen

Heike und Fido verstehen es, persönlich defizitären Lebenslagen nicht nur durch die entsprechende Anwendung bestimmter Methoden begegnen zu können, sie haben gleichsam einen spielerisch-kreativen Umgang mit meditativen und meditationsähnlichen Techniken entwickelt und scheinen so, sehr spezifisch, auf persönliche Leidenssituationen reagieren zu können.

Fido entwickelte auf diesem Wege, anscheinend aus einem Mix von Meditationstechniken und Autogenem Training, eine ganz individuelle Technik.

„Aber was ich ... mache ist, daß ich schon (*), auf meinem Bett liege ... und das, das damals auch mit dieser.., mit diesem Autogenen Training ...so verbunden habe, glaube ich, daß ich einfach so daliege ... in mich reinkucke irgendwie, was da, was da jetzt ist ... Also ich kucke so einfach und liege da und atme, versuche irgendwie auf meinen Atem zu achten.“ (Fido, Z. 278 - 287).[79]

Heike formuliert diesen Umstand noch etwas klarer. Mit ihrer Antwort auf unsere Frage, welche Praxis sie denn, zum Zeitpunkt des Interviews, ausübe, müssen wir unser Verständnis von Meditationspraxis, als dem Ausüben einer ganz bestimmten Technik, in einem regelmäßigen, genau zu umschreibenden Umfang, erst einmal revidieren und zur Kenntnis nehmen, daß Meditationspraxis eben, in der oben beschriebenen Weise, so spezifisch einer subjektiven Bedürfnislage angepaßt sein kann, daß verallgemeinerbare, formale Kennzeichen, einer konkret benennbaren Technik, weit zurücktreten.[80]

,,I1.: Zur Zeit ... praktizierst du, ...ja wahrscheinlich 'ne regelmäßige Praxis, ne? (*) Oder?

Heike: Im Moment nicht.

I1.: O.k.falscheFrage.

Heike: Nee, im Moment überhaupt nicht, weil ich eigentlich ziemlich krank war, auch (#I1.: mhm#) körperlich, ne? (II.: mhm) Und, ich meine insofern schon Praxis, aber wieder ganz anders. (I1.: ja) Ich war ziemlich körperlich krank und lag hier wirklich danieder und mußte sogar gepflegt werden 'ne Zeit lang. ... Und dann hab' ich mir die

Bücher von Steven Levin hergenommen, der nämlich mit allen möglichen, von Schmerz- und Sterbezuständen arbeitet, und hab' mir die auf Kassette aufgenommen, und hab' mir die dann, also in Zeiten wo ich mich nicht bewegen konnte, konnte ich wirklich nur noch den Kassettenrecorder drücken. (II.: mhm) Und das hab' ich dann da geübt, im liegen, ne? (II.: mhm) Und wenn man starke Schmerzzustände hat und das dann übt, dann eröffnet das noch mal ganz neue Möglichkeiten “ (Heike, Z.278 - 296).[81]

4.5 Intellekt versus Glauben

Zusammengefasste Ergebnislage:

Die befragten Meditierenden befinden sich in einem Zwiespalt zwischen ihrem Wunsch, bzw. Anspruch die Methode und die sie umgebende Theorie verstandesmäßig zu begreifen und dem Erleben von nicht begreifbaren, emotional bewegenden, spirituellen Erfahrungen. Des weiteren erfahren sie, daß der eigene Wissensschatz nicht nur über verstandesmäßiges Begreifen gefüllt werden kann, sondern auch über ein „Konzept des Glaubens“.

Ohne den Anspruch, verstehen zu wollen, aufzugeben, wird im Verlauf der Meditationsbiographie nicht nur dem Erleben einer „diffus-spirituellen“ Atmosphäre Raum gegeben, sondern auch das Konzept des Glaubens von konkreten, religiösen Inhalten zugelassen.

4.5.1 Aneignung von Welt durch Verstehen

4.5.1.1 Meditation und Buddhismus aus dem Blickwinkel eines positivistisch­wissenschaftlichen W eltverständnisses

Die befragten Meditierenden haben den Anspruch zu verstehen, wie die Methode funktioniert. Sie wollen eine Abgrenzung zum Glauben und suchen in Meditation eher eine Verbindung zur Wissenschaftlichkeit.

Thomas beschreibt sich selber als jemand, der sehr kritisch ist und schon immer ein

Zweifler war: „...meine Mutter (hat, Anm.d.Verf) halt immer gesagt, immer kritisch, immer vorsichtig, is ‘ne große Qualität, die sie mir dadurch beigebracht hat “ (Thomas, Z. 1293ff) [82]. Etwas annehmen konnte er erst, wenn er es vollkommen versteht:

„...früher habe ich halt gesagt, ich muß wirklich was verstehen, komplett verstehen, bevor ich es irgendwie annehmen kann“ (Thomas, Z. 747).

„...Glauben war halt für mich sowieso nur möglich wenn ich etwas vollkommen begreife. (I.: mhm) Dann kann ich auch daran glauben. Halt so wissenschaftlich“ (Thomas, Z. 267).[81]

Verstehen ist für Thomas sehr wichtig, so verstärkt er im Laufe der Beschäftigung mit Meditation auch sein Literaturstudium und seine gezielte Vernetzung mit anderen Meditierenden (siehe Pkt. 4.1.2: „Geplante, aktive Annäherung“).

Thomas begegnet den Meditationserfahrungen zunächst also kritisch-rational und zeigt ein eher „positivistisch-wissenschaftliches“ Weltverständnis.

Buddhistische Meditation bietet sich für eine solche, „positivistisch-wissenschaftliche“ Betrachtung durchaus an, da im Buddhismus die Vorstellung besteht, daß die Meditierenden nichts blind glauben sollen, sondern ihre eigenen Erfahrungen trauen sollen.

Im Buddhismus gibt es dazu, in der Kalama Sutta, einer Lehrrede des Buddha vor der Bevölkerung der Stadt Kesaputta, eine Stelle, die als Beleg für diese Auffassung gilt. Einige Bewohner berichteten Buddha, daß schon viele Lehrer ihre Stadt besucht hätten. Diese hätten ihre Lehren vorgetragen und die Lehren der anderen Lehrer verworfen. Nun herrscht viel Verwirrung unter den Bewohnern Kesaputtas, den Kalamas, und sie wüßten gerne, an wen oder was sie denn nun glauben sollen. Darauf antwortete der Buddha:

„It is proper for you, Kalamas, to doubt, to be uncertain; uncertainty has arisen in you about what is doubtful. Come, Kalamas. Do not go upon what has been acquired by repeated hearing; nor upon tradition; nor upon rumor; nor upon what is in a scripture; nor upon surmise; nor upon an axiom; nor upon specious reasoning; nor upon a bias towards a notion that has been pondered over; nor upon another's seeming ability; nor upon the consideration, 'The monk is our teacher.' Kalamas, when you yourselves know: 'These things are bad; these things are blamable; these things are censured by the wise; undertaken and observed, these things lead to harm and ill,' abandon them.“ (Kalama Sutta - The Buddha's Charter of Free Inquiry, übersetzt aus dem Pali von Ven. Soma Thera, [URL: 1999])

Sowohl Heike als auch Bettina erwähnen diese Stelle im Interview und machen so deutlich, daß ihnen das Prinzip des eigenen Erkennens wichtig ist:

„...da gibt’s die Kalama Sutta, da wird dieses mit dem blinden Glauben verworfen, und er (Buddha, Anm.d.Verf.) sagt: „Prüfe selber nach, ob’s für dich stimmt“ (Heike, Z. 481f).[83]

„...das hat sogar der Buddha selber gesagt: ‘Prüf es, probier's aus und prüfe es im FeuerdeinerErfahrung’, irgendwieso,ja“ (Bettina, Z. 186ff).

Auch für Heike hat Buddhismus etwas wissenschaftlich-gesetzmäßiges. „Der springende Punkt ist halt, daß im Buddhismus das halt 'n Naturgesetz ist“ (Heike, Z. 518f). Sie grenzt Buddhismus von anderen Religionen ab und stellt den Vergleich zu Naturwissenschaften her:

„...es ist ja 'n, eigentlich, ein erlebnisorientiertes Üben, würd' ich mal sagen, es hat eigentlich mehr mit Psychologie und Philosophie und Soziologie und, was weiß ich allem zu tun...“ (Heike, Z. 465f).

Obwohl sie eigentlich „kein Analytiker“ (Heike, Z. 143) ist und ihr die intellektuelle Herangehensweise an Buddhismus, bzw. Meditation schwerfällt, entsteht auch bei ihr im Prozeß der Beschäftigung mit Buddhismus, bzw. Meditation ein Bedürfnis zu verstehen, was, wie bei Thomas, in vermehrtem Literaturstudium seinen Ausdruck findet. Um mehr zu verstehen bittet sie zudem ihren Freund ein besonderes, englischsprachiges Buch zu übersetzen (vgl. Heike, Z. 139) und nimmt später Kontakt zu einer Meditationslehrerin auf.

Heike (Z. 177ff): „...da hab' ich dann auch.., dadurch, daß sie deutsch sprach 'n anderes Verständnis dafür gekriegt, ne?“ sowie (Heike, Z. 187ff): „...und ich war auch sehr dankbar, daß es da jemanden gibt, wo ich Fragen stellen konnte, und für die war das alles ganz normal, ne also?“

4.5.1.2 Abgrenzung zum Christentum - Abgrenzung zum Unwissenschaftlichen

Der christliche Glaube verkörpert für unsere Befragten etwas anderes, als der mit Wissenschaft assoziierte Buddhismus. Der christliche Glaube, „diese(r) Religion der Anbetung an irgend jemand“ (Heike, Z. 470), erscheint unglaubwürdig, unwissenschaftlich und mit etwas Negativem behaftet:[84] ich hab’ auch, äh, Konfirmationsunterricht gehabt... bin auch konfirmiert wurden, (I: mhm), aber ich hab’ nie daran geglaubt, also, nie“ (Thomas, Z. 1351ff).

Bettina hingegen beschreibt sich als „früher sehr christlich“ (Bettina, Z. 42). Mit den Jahren, z.T. auch nach Studium von religionskritischer Literatur (vgl. Bettina, Z. 144), konnte sie den christlichen Glauben jedoch für sich nicht mehr aufrechterhalten, „irgendwann war das dann mit dem Intellekt nicht mehr kompatibel“ (Bettina, Z. 42).

Mit dem Buddhismus fand sie eine Religion, die ihr weniger dogmatisch erscheint und mehr Raum für ihre Persönlichkeit läßt.

„Also, im Christentum, da hast du ja dieses Dogma fast, du mußt an Gott glauben irgendwie so, und wenn nicht, dann bist du halt kein Christ irgendwie so. Und Buddhismus ist halt auch eine Methode auch sehr oder auch, oder sagen wir mal, es ist eine Philosophie, eine Lebensweise, aber auch eine Methode, die du praktizieren kannst“ (Bettina, Z. 194ff).

4.5.2 Aneignung von Welt durch Glauben

Für die Aneignung von Welt durch Glauben existieren für uns zwei Ausprägungen. Zum einen gibt es eine quasi selbstverständliche Annahme von „diffus-spirituellen“ Erlebnissen und Empfindungen, die von den Befragten rational nicht begründet und verortet werden (siehe 4.1.1.1: „Spontane intellektuelle Annäherung“ sowie die Schilderungen von Thomas und Heike in 4.1.1.2: „Zugang über Begeisterung und eine persönliche Affinität zu Teilbereichen des meditativ-buddhistischen Feldes“).

Das Wahrnehmen dieser diffus-spirituellen Atmosphäre, das vor allem am Anfang der Meditationsbiographie eine Bedeutung hat, weist zwar auf eine Bereitschaft zu Annahme von emotionalen und irrationalen Erlebnissen hin, kann aber noch nicht mit dem Akzeptieren von religiösen Glaubenskonstrukten gleichgestellt werden.

Ihre Haltung zu dieser Form des Glaubens darzulegen, ihre Haltung also zur bewußten Annahme von Theorien über das Leben ohne sie rational nachvollziehen zu können, bzw. ihre Richtigkeit selber überprüft zu haben, darzulegen, erscheint unseren Befragten wichtig.

Sich über religiöse Glaubenskonstrukte Welt anzueignen, lehnten unsere Befragten, zum Teil aus schlechten Erfahrungen mit dem Christentum, zunächst ab. („Glaube hat ich auch nich...“, Thomas, Z.235), (vgl. Bettinas Abwendung vom Christentum, Bettina, Z. 42ff).

Allerdings wird den Meditierenden im Verlauf ihrer Meditationsbiographie deutlich, daß sie durch Meditation an Punkte kommen, an denen sie mit dem rein verstandesmäßigen Bearbeiten von Erfahrungen nicht weiterkommen:

„...aber irgendwann kommst du halt an den Punkt, wo du sagst halt irgendwie, ähm, o.k. kritisch sein ist irgendwie angesagt, aber irgendwann mußt du dich auch mal für was entscheiden, ja? (#1: mhm#), T.: Du kannst nicht immer außen vorstehen und sagen, so kritisch, kritisch, kritisch, ähm, (I.: #dann kommste auch zu nix#) will ich nich, will ich nich, will ich nich, dann kommste zu nix, genau..“. (Thomas, Z. 1295ff).

Um weiterzukommen, daß heißt weitere und tiefere Erfahrungen mit Meditation zu machen sowie den Alltagsnutzen durch Meditation/Buddhismus zu erhöhen, wird das Konzept des Glaubens zugelassen. Bedingung für diese Entwicklung ist ein bereits entstandenes Vertrauen in die Lehre.[85]

Thomas erkennt die Grenzen, die seiner Persönlichkeitsentwicklung mit dem Instrumentarium des wissenschaftlichen Nachvollziehens gesetzt sind. Thomas (Z. 750ff): „...selbst wenn ich noch so viele Leben hätte, würd’ ich, könnt’ ich das wahrscheinlich gar nicht, irgendwie, das ganze Wissen, diese Theorie, gar nicht irgendwie so alles verstehen“. Um weiterzukommen relativiert er seinen Anspruch kritisch zu sein und fängt an auch an Dinge zu glauben, die er noch nicht versteht. Dadurch erreicht er eine Verstärkung seiner Praxis: „...probiere so das was ich bisjetzt so an Glauben erfahren habe, das zu verstärken und dann kriegste dadurch wieder Erfahrungen “ (Thomas, Z. 755í).

So erhöht er seine Motivation zu Studium und regelmäßiger Praxis.

Auch Heike ermöglicht Glaube ein Weiterkommen in ihrer Meditationsbiographie und hilft ihr konkret in schwierigen Momenten.

„Wenn es wirklich so "n innerer Glaube ist, an's prinzipiell Gute, (II.: mhm) an's, ne? Ich glaub', daß das total hilfreich ist. (II.: mhm) In allen Si//, Situationen...“ (Heike, Z. 502ff).

Glaube ist für sie o.k., „wenn's wirklich also, (*) heilsam und hilfreich für Menschen ist“ (Heike, Z. 498ff).

Für Bettina liegt der Nutzen des Glaubens vor allem in der Befriedigung eines besonderen Bedürfnisses, welches für sie mit tiefen emotionalen Empfindungen verbunden ist. In jener Zeit, in der sie sich mit dem christlichen Glauben verbunden fühlte, erlebte sie „ganz starke Gefühle ...für Gott und Jesus, die ich geliebt habe„ (Bettina, Z. 132). Nach Aufgabe dieses Glaubens entstand ein Vakuum:

„Dann habe ich ganz lange Jahre irgendwie nix so mit spirituell oder sonstwie irgendwie gemacht. (**) Aber irgendwie fehlte was so“ (Bettina, Z. 45ff).

„...dann hab' ich halt so vor - ja drei, vier Jahren irgendwie so gemerkt, es fehlt was in meinem Leben“ (Bettina, Z. 174ff).

Für Bettina scheint es also ein grundlegendes spirituelles Bedürfnis zu geben, das ihre Biographie begleitet.

Dieses spirituelle Bedürfnis scheint auch bei den anderen Befragten eine große Bedeutung zu haben. Thomas erzählt, das Klänge für ihn etwas religiöses haben: „Ja, und das war, was ich sagen könnte, das war so ‘ne religiöse Erfahrung für mich, (I: mhm), also was andere Leute sagen was religiös, ditt war, war für mich halt auch immerKLANG,ja?“ (Thomas, Z. 1373ff).

Für Fido ist es die angeleitete Meditation, die ihm eine spirituelle Atmosphäre vermittelt: „...wie die, wenn die Beiden anfangen, halt damit, ähm, einen anzu// anzuführen, das ist schon spirituell. Wenn sie sagen, jetzt schließt mal eure Augen, und jetzt atmet mal langsam, und achtet auf euren Atem und so was. Also so, so definiere ich für mich Spiritualität, (#I.: ja#) indem ich einfach mich, äh, (*), äh, (*) auf so eine..

(**),ja, auf so was einlasse, auf so 'ne, auch auf so 'ne Führung irgendwie...“ (Fido, Z. 449ff).

Es scheint also, daß es neben dem Erschließen eines neuen Erkenntnisweges, beim Glauben auch um die Befriedigung eines spirituellen Bedürfnisses geht.

4.5.3 Zusammenfassung

Zusammenfassend kann also von zwei antagonistischen Bedürfnissen gesprochen werden, die bei unserer Befragten zu einem Zwiespalt führen. Zum einen besitzen die Befragten einen intellektuellen Anspruch, zu verstehen was sie tun und was mit ihnen geschieht. Zum anderen erleben sie in der Situation der Meditation eine Atmosphäre, die mit dem Erleben von tiefen Emotionen verknüpft ist, die aber nicht genau verortet werden kann. Des weiteren werden sie über ihre Lehrer und Meditationsgruppen mit buddhistischer Philosophie/Religion konfrontiert, die sie oft nicht vollkommen verstehen und an der auch Zweifel aufkommen (siehe Kap. 4.6). Vergleiche mit einer für sie bekannten, eher abgelehnten Religion, der des Christentums, kommen auf.

Aus dem Dilemma heraus, verstehen zu wollen und gleichzeitig dem sich entwickelnden oder bereits vorhandenen, Bedürfnis nach Glauben/Spiritualität Raum zu geben, suchen die Meditierenden einem Lösungsweg. Die Kunst scheint darin zu liegen, sich nicht auf eine Seite dieses Dualismus zu schlagen, z.B. der Lehre blind zu glauben oder alles nicht rational Nachvollziehbare zu ignorieren, sondern sich mit der Bildung eines Kompromisses einen Weg der Mitte zu suchen.

Als ausschlaggebend erscheint uns dabei die Alltagstauglichkeit des Kompromisses, also ob die gefundene Lösung geeignet ist Unterstützung zur Bewältigung von Problemen und existentiellen Lebensfragen zu bieten. Denn bei der Meditation geht es den Befragten „ja erstmal um sich“ (Heike, Z. 216f).

Auch für Bettina ist die Motivation klar: „Hm, ich meine, natürlich meditiere ich eigentlich damit es mir besser geht... (LACHT) (GEMEINSAMES LACHEN) “ (Bettina, Z. 790). Der Schwierigkeit Verstand und Glauben zu vereinen, begegnet sie mit „buddhistischer Gelassenheit“:

„Und es gibt einige Sachen, die ich nicht verstehe oder wo ich so vom Verstand her sage, wie soll das sein. Ich meine, wenn es diese Sachen gibt, dann sind sie vom Verstand vielleicht auch nicht so zu erfahren oder zu durchdringen oder nicht nur vom Verstand zu durchdringen, sagen wir es so. Aber es ist nicht schlimm irgendwie“ (Bettina, Z. 188ff).

4.6 Verunsicherungen, Zweifel und klare Distanzierung von der Meditation und der dazugehörigen Lehre

Zusammengefasste Ergebnislage:

Das Interesse an Meditation entwickelt sich nicht linear-anwachsend. Der Prozeß der Annäherung an Meditation ist stetig durchbrochen von irritierenden Meditationserlebnissen, Zweifeln an der Methode oder konkreten Distanzierungen von spezifischen Lehrinhalten.

Zu Beginn der Meditationsbiographien findet eine distanzierte Haltung zum Buddhismus, bzw. zur Meditation, in der Hauptsache ihren Ausdruck in gefühlsmäßigen Irritationen.

Benennbare Zweifel und die unterschiedlichen Strategien mit ihnen umzugehen, bis hin zur eindeutigen Distanzierung, spiegeln meist eine eingehendere Beschäftigung, eine größere Bewußtheit bezüglich der Materie, wider.

Festzustellen ist, daß es tendenziell zu einer verstärkten Integration des Phänomens Zweifel in das Selbstverständnis unserer Interviewpartner kommt. Zweifel und Distanz zur Lehre werden im stärkeren Maße als etwas Bewältigbares, Dazugehörendes angesehen und bilden einen Baustein für die individuelle Ausgestaltung der Meditation.

4.6.1 Irritationen und Verunsicherungen

Meditationserlebnisse können nicht nur bereichern, sondern auch verunsichern. Gerade am Anfang können diese Erlebnisse Ängste auslösen:

„...da kommen dann auch Bilder, also (I.:hm) die dann eigentlich damit nichts mehr zu tun haben, aber es, es kommen dann irgendwie so (***), was war denn das z.B., das letzte Mal, da kam dann auch so (**), ja Angstzustände oder so was werden dann plötzlich irgendwie klarer “ (Fido, Z. 219ff).

Heike (Z. 184ff): „...in der Meditation hat man vielleicht Erlebnisse, die man als Normalweltler, weltlicher Mensch gar nicht so einordnen kann, (#12.: hm#) ne? Das kann in alle möglichen Bereiche gehen, wo man gar nicht so für möglich hält... ich hatte halt immer die Schwierigkeit auch, dadurch daß ich Sozialpädagogin bin und in der Psychiatrie gearbeitet habe, (11.: mhm) (LACHT) das ganze falsch einzuordnen“.

Irritierend können dabei nicht nur Erlebnisse sein, sondern auch die Konzepte und Erklärungsmodelle der Meditationslehrer, bzw. der entsprechenden Lehre:

„...irgendwie konnte ich halt mit dem Ganzen, ich hatte nicht, keine Vorstellung..."(Thomas, Z. 1201).

„Thema Wiedergeburt, wo de halt irgendwie sachst, das ist die buddhistische, ahm, Philosophie, aber wo, wo ich halt selbst noch nicht so, (*) wenig drüber nachgedacht habe, oder so viel auch noch aus dem Christentum irgendwie wahrscheinlich drin habe, ahm, dass es erstmal gefühlsmäßig halt so was halt nicht so leicht zu akzeptieren ist, ne?" (Thomas, Z. 907ff)

Gemein ist diesen Irritationen und Verunsicherungen, daß es nicht zu einer generellen Kritik oder Ablehnung der Methode kommt, sondern zunächst einmal nur etwas Störendes wahrgenommen wird.

4.6.2 Eindeutige Distanzierungen und Ablehnung von Glaubensinhalten

Abzugrenzen von den Irritationen und Verunsicherungen sind eindeutige Distanzierungen in Bezug auf bestimmte Inhalte. Sie stellen keine stärkere Ablehnung der Meditation oder des dazugehörigen Glaubenskonstruktes dar, sondern weisen viel mehr auf eine eingehendere Auseinandersetzung mit der Methode hin: Die Meditierenden haben sich mit den Konzepten stärker auseinandergesetzt und entdecken klar umrissene Inhalte, von denen sie sich distanzieren wollen.

Bettina empfindet „Zweifel“ gegenüber der Erleuchtungsvorstellung: „...ich meine, das kann jeder sagen, er hat Erleuchtung erlangt irgendwie oder so. Das kann ich nicht nachprüfen" (Bettina, Z. 21311).

Eine „eindeutige Distanzierung“ formuliert Thomas, hinsichtlich dem Ideal der bedingungslosen Gewaltfreiheit. Für ihn gibt es Situationen, in denen Gewalt durchaus ein legitimes Mittel ist (vgl. Thomas, Z. 1045ff). Hier läßt er sich nicht vereinnahmen, sondern positioniert sich gegen die Lehrmeinung: „Ich denke, ich denke das widerspricht der buddhistischen Theorie, (I: mhm), aber es ist, wäre immer noch irgendwie meine Auffassung" (Thomas, Z. 1056f).

4.6.3 Umgang mit Zweifel und Distanzierungen

Die Befragten entwickeln unterschiedliche Strategien mit gefühlsmäßigen Irritationen und Zweifeln umzugehen. Ziel dieser Strategien ist es scheinbar, die für richtig befundene Methode nicht verlassen zu müssen, sondern eine Stimmigkeit zwischen eigener, differierender Erfahrung, bzw. Anschauung und der vermittelten Lehre herzustellen.

4.6.3.1 Grundlegendes Vertrauen

Doch woher kommt die Gewissheit für die „Richtigkeit“ der Lehre? Wieso glauben unsere Gesprächspartner an ein Lehrkonstrukt das nicht völlig verstehbar erscheint? Die Frage ist im Besonderen zu stellen, da alle Befragten einen intellektuellen Hintergrund besitzen und Studium und Verstehen für sie wichtige Bezüge zur Realitätsaneignung sind[86].

Von zentraler Bedeutung scheinen positive Erlebnisse, Erfahrungen mit Meditation zu sein. Diese Erfahrungen schaffen Vertrauen, auch in theoretische Konzepte, die zunächst einmal nicht annehmbar erscheinen:

„...grad' durch dieses Erleben, daß es Vertrauen schafft. (II.: mhm) Es funktioniert, es geht, ne? Es ist machbar. (II.: mhm) Das sind zwar immer kleine Momente, aber ich glaube, die kleinen Momente sind die ausschlaggebenden “ (Heike, Z. 360ff).

Thomas (Z. 754ff): „...aber ich hab’ schon so viel Positives daraus gezogen, daß ich es einfach mache, (I: MHM), und einfach, einfach probiere so das was ich bis jetzt so an Glauben erfahren habe, das zu verstärken und dann kriegste dadurch WIEDER Erfahrungen.“

Bettina (Z. 217ff): „...aber ich sehe, es ist ein Weg, der irgendwie - oder was ich auch schon gemerkt habe in meinem Leben, wo ich mich verändern mit kann. Und dann sage ich naja, okay, dann probier ich das nächstens vielleicht dann auch aus oder so. Also so gehe ich da im Moment ran.“

4.6.3.2 Distanzierung ist Realitätsflucht

Das hohe Vertäuen in die durch Meditation/Buddhismus wahrgenommene Welt wird bei Heike besonders deutlich. Eine Abwendung von dieser wahrgenommenen Realität besitzt für sie bereits den Stellenwert einer „Realitätsflucht“.

„Das ist keine Doktrin oder keine aufgesetzte Glaubenslehre, sondern (II.: mhm) das ist, leider Gottes, Realität. (II.: mhm) Und da kann man sich nicht draus flüchten...“ (Heike, Z. 519ff).

„Man kann in alles mögliche flüchten, ne? (II.: mhm) In alles, man kann sich seine ganze materielle Welt aufbauen und da rein flüchten. Das bleibt natürlich auch jedem selber überlassen, (II.: mhm) inwieweit man das tun mag. (*) Aber letztendlich ist das 'ne Realitätsflucht. (II.: mhm) Wenn man's genau sieht. (II.: mhm) Und das Naturgesetz, das kannst du nicht ändern “ (Heike, Z. 526ff).

4.6.3.3 Eigene Defizite als ursächliche Begründung für Zweifel und Irritation

Durch das bereits entstandene Vertrauen, werden auch Konzepte geglaubt, die bisher noch nicht verstanden werden. Zweifel und Unverständnis werden dabei oft als ein Defizit auf Seite des Meditierenden begriffen.

„Und der Gohonson ist praktisch, es ist jetzt Ort, also das sprengt den Rahmen (I.: mmh) das jetzt hier zu erklären, ich hab’s selbst auch noch nicht komplett so verstanden“ (Thomas, Z. 139ff).

„...die ,ähm, Essenz des Universum, was ich noch nicht verstehe, (#I: hm, hm#) Universum als Mitgefühl...: das ist mir noch nicht so ganz klar...“ (Thomas, Z. 625ff).

„...ich hatte halt immer die Schwierigkeit auch, dadurch daß ich Sozialpädagogin bin und in der Psychiatrie gearbeitet habe, ... das ganze falsch einzuordnen“ (Heike, Z. 192ff).

„Ich meine, -wenn es diese Sachen gibt, dann sind sie vom Verstand -vielleicht auch nicht so zu erfahren oder zu durchdringen oder nicht nur vom Verstand zu durchdringen, sagen wir es so. Aber es ist nicht schlimm irgendwie “ (Bettina, Z. 190ff).

4.6.3.4 Zweifel gehören dazu, sind sogar etwas Positives

Letztendlich werden Zweifel integriert und als ein normaler Bestandteil der eigenen Meditationsbiographie begriffen. Sie werden nicht als Grund angesehen, die Beschäftigung mit Meditation in Frage zu stellen, sondern gehören dazu:

„Glauben und Zweifel. (**) Meiner Meinung nach ... ist das so was was sich bedingt, wie Leben und Tod,ja?“ (Thomas, Z. 815f)

Thomas (Z. 839) sieht in Zweifel „‘ne Schwierigkeit, die, ähm, dazu da ist, das du sie überwindest“.

Bettina (Z. 193) begegnet Zweifel mit Gelassenheit „...es ist nicht schlimm, irgendwie“, erlebt sogar etwas wie Freude, daß Zweifel im Buddhismus, im Gegensatz zum christlichen Glaubenskonstrukt, erlaubt sind. „Aber ich meine, das Gute am Buddhismus ist irgendwie, daß kein Mensch sagt, das mußt du GLAUBEN... Also im Christentum, da hast du ja dieses Dogma fast, du mußt an Gott glauben irgendwie so, und wenn nicht, dann bist du halt kein Christ irgendwie so“ (Bettina, Z. 185ff).

Gar einen positiven Effekt von Zweifel sieht Thomas in der Kraft, die in der Auseinandersetzung mit Zweifel freigesetzt wird: „Der Zweifel ist so was wie auch so wie so ‘ne Aufladung, wenn du halt in den Zweifel reingehst, dann hinterfragst du ja die Sachen, (I: mhm), ja ?, und dann, das heißt du gehst auch wieder Schichten tiefer“ (Thomas, Z. 826ff).

4.7 Meditation nimmt Einfluß auf die Gestaltung von sozialen Kontakten

Zusammengefasste Ergebnislage:

Die soziale Verortung in der „meditativ-buddhistischen-Szene" ist zunächst von unverbindlichen, sporadischen Kontakten gekennzeichnet.

Die weitergehende Beschäftigung mit Meditation/Buddhismus geht einher mit dem Wunsch nach „Vernetzung“. Kontakte mit anderen Meditierenden und Buddhisten erhalten zunehmend mehr Raum und begleiten, oft in fest etablierten Verhältnissen, den Alltag.

Die so entstandenen Kontakte wirken unterstützend bei der Umsetzung einer regelmäßigen Praxis, helfen bei, durch Meditation ausgelösten, emotionalen Krisen oder bieten sich als Orte des intellektuellen Diskurses an.

Ein Teil der Befragten hat sich mittlerweile in einem, den Lebensweg entscheidend kennzeichnenden Maße, für ein meditativ-buddhistisch geprägtes Leben entschlossen.

4.7.1 Individualistisch-impulsive Herangehensweise mit sporadischen Kontakten zu anderen Meditierenden

Zu Anfang steht der, bzw. die Meditierende mit der Ausübung der Methode alleine da und versucht erst einmal für sich, die Meditation individualistisch zu entwickeln.

„Das hatte ich so aus dem Buch gelernt und hab das dann gemacht, hab' das dann soja mal gemacht, so anderthalb Jahre...“ (Bettina, Z. 12ff).

Thomas (Z. 89ff): „...ich war halt hier auf mich alleine gestellt und würd' sagen ich hab das halt das die ganzen Jahre über immer ‘n paar Mal so pro Jahr irgendwie so ‘ne Viertelstunde oder so gechantet, aber (RÄUSPERT) bin halt nie so richtig dazu gekommen, ich kannte hier auch niemand...“.

Entsprechend der „spontanen, unverbindlichen Annäherung an Meditation“ (siehe Pkt. 4.1.1) ist die soziale Verortung geprägt von unverbindlichen, sporadischen Kontakten zu anderen Meditierenden, bzw. Meditationslehrern. Die Aufnahme von Kontakten findet auf einem relativ „niederschwelligen Niveau“ statt.[87]

Heike lernte andere Meditierende und Lehrer auf ihren Kursen und Retreats kennen. Eine Kontaktaufnahme zu entsprechenden Lehrern fand zum damaligen Zeitpunkt statt, „wenn mir die Person (die eine sie ansprechende Methode praktiziert, Anm. d. Verf.) über'n Weggelaufen ist“ (Heike, Z. 639ff).

Thomas trifft zunächst auch eher zufällig auf andere Meditierende. Im Interview schildert er eine solche zufällige Begegnung, die ihn zu seiner heutigen Meditationsgruppe führte:

„...und dann war ich halt in 'ner WG und dann kam irgendwann so'n Mitbewohner an so: ‘Ja sag mal irgendwie, du chantest ja?’ ‘Ja, ja’ ‘Wie? Kennst du den AUCH? Kennst du 'den'Buddhismus?’... Dann so: ‘Ja, ja ich war mal mit 'ner Frau zusammen irgendwie, die ist da halt so 'ne Offizielle, irgendwie in der Organisation und..’. ‘Echt? Haste da auch Adresse?’ (I. LACHT) ‘Ja klar hab' ich Adresse.’... Und dann hat er mir halt Adressen gegeben und dann bin ich halt, hab' ich bei den Leuten angerufen, bin da vorbeigegangen, wargleich total nett“ (Thomas, Z. 433ff).

4.7.2 „Einbettet Sein“ in neuen Strukturen

Bei den Befragten, die vor einem buddhistischen Hintergrund meditieren, entsteht das Bedürfnis sich mit anderen Meditierenden gezielt auszutauschen und zu vernetzen [88]. Die Vernetzung mit Gleichgesinnten findet ihren Niederschlag in der Bildung eines Freundeskreises, dem zunehmend andere Meditierende angehören: „...mein hauptsächlicher Freundes- und Bekanntenkreis sind halt in einer buddhistischen Gruppe“ (Bettina, Z. 531f).

Fast überrascht stellt auch Heike während einer buddhistischen Großveranstaltung fest, „wie viele Buddhisten ich kenne. (II.: mhm) Unglaublich viele. Mir ist das gar nicht bewußt gewesen. Aber durch das, daß die meisten, die ich kenne, auch da waren, war das natürlich ein Haufen, ne? (II.: mhm) Aber das hab' ich vorher nicht, ich hatt' vorher eigentlich recht wenig Freunde so “ (Heike, Z. 889ff). Andere Meditierende hat sie vor allem durch ihre Mitarbeit in den verschiedenen, buddhistischen Einrichtungen kennengelernt. „Das Publikum kennt einen dann, ne? Und da (*), da kriegt man auch Freundschaften“ (Heike, Z. 902).

Das Entstehen eines Verbindungsnetzes mit anderen Meditierenden kodierten wir als „eingebettet sein“. Für Heike bedeutet dieses eingebettet sein, Verbindungen und Kontakte zu vielen Meditierenden, zu „unterschiedlichsten Menschen, aller verschiedenen Richtungen“ (Heike, Z. 898) zu besitzen.

Für Thomas und Bettina definiert sich das „Eingebettet sein“ durch das Eingebundensein in relativ feste, buddhistische Gruppenstrukturen. Neben regelmäßigen Gruppenveranstaltungen, gibt es Zeremonien - für Thomas z.B. die Verleihung des Gohonsons*, für Bettina die Aufnahme in den Kreis der „Freunde*“ - die das Erleben eines Gruppenzusammenhangs fördern.

Für Bettina ist dabei ihre erste, regelmäßige Meditationsgruppe zu einem festen Bezugspunkt geworden: „...ich hab' dann später noch mal, zu T. da bin ich noch mal hingegangen so zu Vorträgen. Aber so meine Heimat, sagen wir mal so, ist bis jetzt bei der Gruppe eigentlich geblieben“ (Bettina, Z. 76ff).

Für Fido kann aktuell von einem „eingebettet sein“ in einem gruppentherapeutischen Rahmen gesprochen werden. Die vorgegebene Situation der Wochenend-Workshops bestimmt dabei die Personen, mit denen ein Erfahrungsaustausch stattfindet. „Ja, da tausch‘ ich mich über diese Bilder aus ... auch wenn ich sonst so, so Bilder habe...“ (Fido, Z.395f). Eine gezielte Suche nach anderen Menschen mit denen er über Erfahrungen sprechen kann, die er z.B. bei selbstgestalteten Meditationen im Alltag macht, findet hingegen kaum statt: „Nee, das mach ich eigentlich nicht so, das jetzt, das, das erzähl' ich also (*), (I.: hm) das erzähl' ich niemandem, weil, das, das (*), da bin ich eh alleine, (I.: ja) wenn ich das mache (*) und, und dann ist das irgendwie weg, wenn dann (*), also das ist dann (*), das ist nicht mehr so wichtig (*), das jemandem zu erzählen“ (Fido, Z. 388ff).

4.7.3 Vernetzung bietet Unterstützung durch andere Meditierende

Die Vernetzung mit anderen Meditierenden, bzw. das Meditieren in einer Gruppe hat verschiedene Vorteile. Zum einen hilft die Gruppe dem Einzelnen bei der Einhaltung einer regelmäßigen Praxis, zum anderen bieten andere Meditierende emotionale Unterstützung in Krisen sowie die Möglichkeit sich über Meditationserfahrungen und buddhistische Theorien auseinanderzusetzen. Letztendlich scheint es aber auch um das emotionale Erleben der Gruppensituation zu gehen.

4.7.3.1 Hilfe bei der Gestaltung einer regelmäßigen Praxis

Meditation in einer Gruppe motiviert und hilft die für eine Vertiefung und Weiterentwicklung nötige Regelmäßigkeit aufzubauen:

„...einmal in der Woche diesen festen Termin da. Das hat mir so eine Konstanz gegeben, die ich halt vorher nichtso hatte, irgendwie “ (Bettina, Z. 31ff).

In vergleichbarer Weise war auch für Thomas der Aufbau einer regelmäßigen Praxis wichtig um „weiterzukommen“: „...also so vom Anfang an war’s halt, daß ich gesagt habe, ich möchte halt irgendwann mal, ich möchte einfach, wirklich so 'ne Disziplin haben, so 'ne Ausübung halt, mehr so vom Kopf her. (I.: mhm) Nicht mehr halt immer so an der Oberfläche bleiben, sondern man kommt halt irgendwann nur noch weiter, wenn du halt wirklich was REGELMASSIG machst...“ (Thomas, Z. 522).

Für Fido ist vor allem die Struktur der Gruppensituation wichtig. Er machte bei der biodynamischen Meditation die Erfahrung, daß er sie zwar gut in der Gruppe durchführen kann, die Durchführung zu Hause aber abwegig erscheint (vgl. Fido, Z. 275ff). Bei anderen Übungen, die er selbst gestaltet und alleine zu Hause durchführt, fällt es ihm schwer Disziplin und Regelmäßigkeit aufrecht zu erhalten: „...ich mach' es (selbstgestaltete, meditative Übungen, Anm.d.Verf.) viel zu selten, also ... ich könnte es öfters machen. Vielleicht müßt ich da auch 'ne gewisse Disziplin irgendwie entwickeln“ (Fido, Z. 413).

4.7.3.2 EmotionaleUnterstützung

Für Thomas vermittelt das in der Gruppe gemeinsam durchgeführte „chanten“ ein intensives emotionales Erlebnis: „Weil ich das da halt auch gesehen hab' irgendwie was das auch ist, wenn du halt diesen Klang auch mit anderen spürst so...“ (Thomas, Z. 414). Die gemeinsame Meditation hat für ihn eine besondere, emotionale Qualität: „...es geht da ja um, ahm noch um, meiner Meinung nach um, 'n viel, viel tieferes Gefühl da“ (Z. 421f).

Neben solcher „atmosphärisch-emotionaler Erlebnisse“ liegt die Stärke einer Meditationsgruppe darin einen emotionalen Rückhalt zu geben, zum Beispiel bei der Bewältigung von Krisen:

„Und was halt ganz gut war so, ich denke, daß halt auch so eine Gruppe da war, also daß, wenn man mal Schwierigkeiten hatte oder so, daß man dann sich austauschen konnte...“ (Bettina, Z. 29).

„So daß ich irgendwie mit der Zeit so einen Rahmen hatte, wo ich irgendwie auch so aufgefangen war, öfter sind mal in der Meditation auch so schmerzhafte Sachen auch so hochgekommen, so Erinnerungen oder so. Und ja, da war es halt dann gut, Leute zu haben, mit denen ich dann reden kann oder manchmal einfach, daß welche DA sind...“ (Bettina, Z. 311ff).

Neben anderen Meditierenden können auch Lehrer dabei die Funktion bekommen in Krisensituationen zu helfen und Beistand zu leisten:

„Also, ich glaube, das, was halt gut war so auf dem ersten Retreat, das hatte der Leiter halt mitgekriegt. Und er hat mich dann angesprochen. Und dann haben wir so geredet. Und da hatte ich dann so das Gefühl, ich bin dann so aufgefangen, so aufgehoben“ (Bettina, Z. 467ff).

Heike (Z. 608ff): „...und ich hatte dann, also wie ge//, es war auch noch in Asien, und alles war ganz schrecklich. Aber, wie gesagt, ich kam zurück, hierher und dann war die L. da und dann bin ich in's Name der Einrichtung (buddhistisches Kloster) für eineinhalb Jahre (12.: mhm) und hab' Seite an Seite mit meiner Lehrerin praktiziert und gemacht und getan und dann war’s das. Also, ich hatt' wirklich Glück.“

Für Fido ist die Hilfe durch seine „Meditationslehrer“ noch selbstverständlicher, da er im therapeutischen Rahmen meditiert.

4.7.3.3 Möglichkeit für einen intellektuellen Austausch

Die Gruppe bietet Möglichkeiten der intellektuellen Auseinandersetzung, zum Teil explizit durch „Studiengruppen“ (Bettina, Z. 255). Die Möglichkeit des intellektuellen

Austausches stand für Bettina im Vordergrund, als sie eine Verbindung zu einer Gruppe suchte. Durch den Austausch mit anderen Meditierenden möchte sie eine Tiefung ihrer Praxis erreichen:

„...das ist immer noch ein Unterschied, wenn du den Text dann noch mal mit anderen besprichst oder halt, ich hab einen guten Freund von mir, den ich halt öfters sehe, wenn ich dann wieder was gelesen hab' oder er irgendwie so, dann bohren wir da mal ein bißchen nach oder so. Also, das ist einfach so, da sieht man auch mal andere Sachen auch wieder “ (Bettina, Z. 275ff).

Für Heike war es irgendwann wichtig, nach der Teilnahme an englischsprachigen Kursen in Südostasien, eine intellektuelle Auseinandersetzung in ihrer Heimatsprache zu führen. So ließ sie sich ein spezielles Buch übersetzen (vgl. Heike, Z. 138ff). Bei der gezielten Kontaktaufnahme mit einer Meditationslehrerin war eine verständliche Sprache ein wichtiger Aspekt: „...also da hab' ich dann auch.., dadurch, daß sie deutsch sprach 'n anderes Verständnis dafürgekriegt...“ (Heike, Z. 177ff).

In Gesprächen mit anderen Meditierenden finden auch Zweifel an der buddhistischen Theorie Raum. So können auch auftretende Motivationskrisen „bearbeitet“ werden: „...durch mehrere Gespräche wieder über das Thema auch über den ... Zweifel und über Glauben und ob die Praxis richtig ist und wie das halt überhaupt mit richtigen Atemtechniken und so weiterzusammenhängt“ (Thomas, Z. 771ff).

„...im Gespräch mit anderen Leuten auch wieder weiter lesen dadrüber, hab’ auch wieder neue so Erkenntnisse bekommen, dadurch halt irgendwie wieder so gedacht, ja, ist’ ja richtig irgendwie, also wieder Glauben verstärkt und dadurch wieder Praxis verstärkt...“ (Thomas, Z. 789).

Ähnliche Erfahrungen schildert Bettina:

„Und dann auch so durchzugehen, wenn es schwierigere Phasen gab oder Phasen gab, wo sich nichts tut. (LACHT) (GEMEINSAMES LACHEN) Das kommt ja auch vor. Und dann zu sagen, ja, ja, das kennen wir auch, irgendwie so und mach mal weiter so, ungefähr, also jetzt nicht so wörtlich. Also so erklärt zu kriegen, es kommt so zu Phasen und das gibt sich wieder oder du kannst das und das oder probier mal das und das aus, vielleicht wird es dann besser“ (Bettina, Z. 317ff).

4.7.4 Meditativ-buddhistisch dominierter Lebensweg

Einem Teil der von uns Befragten wurde es zunehmend wichtiger, nicht nur zu meditieren und sich mit anderen Meditierenden zu vernetzen, sondern ihr Leben in immer stärkerem Maße mit Buddhismus und Meditation zu gestalten. Wir kategorisierten dieses Phänomen als „Meditativ-buddhistisch dominierter Lebensweg“. Die Hinwendung zum Buddhismus kann mit einer Abkehr von der Welt einhergehen, kann aber auch in einem von Buddhismus, bzw. Meditation getragenem Alltagsleben Ausdruck finden.

Wie bereits erwähnt, unterzogen sich Bettina und Thomas Zeremonien, die mit der Herstellung einer engeren Verbindung zu ihrer Organisation einhergehen. Zwar befinden sich beide (noch) im Status des „Laien“, besitzen also keine Ordinierung als Mönch/Nonne, doch zeigt die Bereitschaft zu solchen Zeremonien schon eine hohe Verbindlichkeit.

„Also sagen wir mal so, so Buddhismus oder nicht Buddhismus, aber so der buddhistische Weg ist für mich ganz zentral geworden in meinem Leben ... ,daß ist was sehr Wichtiges oder eigentlich das Wichtigste so in meinem Leben geworden “ (Bettina, Z. 582).

Mit dem buddhistischen Weg verbindet Bettina die Idee, ihr „persönliches Wachstum“ (Bettina, Z. 148) positiv zu beeinflussen. Für ihre Zukunft wünscht sie sich eine noch engere Verbindung mit dem buddhistischen Glauben: „Ich hab inzwischen auch um Ordination gebeten“ (Bettina, Z. 584f). Für Bettina scheint der „Meditativ-buddhistisch dominierte Lebensweg“ eine Möglichkeit darzustellen, durch eine Art „spirituelle Karriere“, die eigene Persönlichkeitsentwicklung voranzutreiben. Mit der Ordinierung erhält sie zum einen eine Wertschätzung, zum anderen stellt sie eine Art Prüfung dar:

„...in dem Orden werden nur Leute ordiniert, für andere, die halt auch schon sehr erfahren sind, also früher hat das der Sangharakshita alleine entschieden, jetzt gibt es so eine Gruppe von Preceptors, die halt schon sehr erfahrene Ordensmitglieder sind, die dann auch zusammen mit anderen Ordensmitgliedern vor Ort, die mich jetzt kennen, zusammen entscheiden, ob sie das Gefühl haben, daß ich jetzt dann effektiv Zuflucht genommen habe oder nicht“ (Bettina, Z. 643ff).

Durch die Ordinierung wird eine neue „Stufe“ erreicht, die mit dem Lernen einer neuen Technik einhergeht: „Alle, die nicht ordiniert sind, die haben nur diese Atemmeditation und die Metta Bhavana. Und die Ordensmitglieder haben diese Visualisationspraxis“ (Bettina, Z. 676ff).

Das Einschlagen eines meditativ-buddhistisch geprägten Lebensweges ist gekennzeichnet von Lebensentscheidungen, die auch mit Veränderungen im sozialen Umfeld einhergehen. Dies wird besonders bei Heike deutlich. Zunächst verließ sie ihren Wohnort, um mit ihrem Freund aufs Land zu ziehen und dort ein buddhistisch geprägtes Leben zu führen: „Dann sind wir erstmal zusammengezogen, aufs Land, möglichst nahe am Wald, und haben uns da ein Häuschen genommen, zu zweit, und haben dann auch 'ne regelmäßige buddhistische Praxis da angefangen. (II.: mhm) Und sind dann auch jedes Jahr für drei Monate nach Asien, (II.: mhm) also wir waren ungefähr fünf Jahre zusammen, und waren jedes Jahr für drei Monate in Asien und haben da Meditation gelernt, oder auch Pilgerreisen,je nachdem“ (Heike, Z. 108ff).

Später dann entschloß sie sich ihren Beruf als Sozialpädagogin aufzugeben um sich gänzlich dem Buddhismus und der Meditation zu widmen. Seit über 5 Jahren lebt und arbeitet sie in Meditationshäusern (vgl. Heike Z. 899) und hat sich so vom weltlichen Leben abgekehrt. Zur Zeit lebt sie in einer buddhistischen Tagungsstätte ohne allerdings das restriktive Leben einer Nonne führen zu müssen:

„...ich hab' hier ja alles, ... die Freiheiten des Alleinelebens, ... plus allen, äh, Vergünstigungen von guten Lehrern, die von aller Welt hier herkommen, ... die ich fragen kann, plus dieses Studium, also ich hab’s noch besser, als jemand der ordiniert ist. Und hab' noch mehr Freiheiten, ne? Also, das ist phantastisch, das ist irre. Also, das ist 'ne irre Situation, ne? (I2.: mhm) Und das im Westen, ne?“ (Heike, Z. 781ff)

Eine Abkehr vom weltlichen Alltag muß jedoch keine Bedingung für eine tiefe Beschäftigung mit Meditation sein, bzw. unbedingt mit einer Ordination einhergehen. Bettina sieht ihren Weg zur Zeit anders:

„...an sich, ähm, gehe ich gerade so den anderen Weg wieder, also daß ich wieder als Ärztin arbeite so, daß ich so ins Leben reingehe eigentlich wieder, aber das mit diesem (buddhistischen, Anm.d.Verf.) Hintergrund mache“ (Bettina, Z. 598).

Eine „weltliche Abkehr“ ist für sie denkbar, doch zur Zeit nicht umsetzbar: „...vielleicht auch noch mal meditieren gehen länger oder auch mal alleine meditieren gehen oder auch auf ein längeres Retreat oder so, daß du alleine auch mal in Berge gehst oder so was, wobei ich das im Moment nicht machen würde, solange alleine meditieren zu gehen, weil ich denke, dazu bin ich noch nicht in der Lage. Ich brauche immer noch Kommunikation“ (Bettina, Z. 588ff).

Auch für Thomas bedeutet eine buddhistische Karriere nicht die Abkehr vom Leben, sondern eher eine Zuwendung zum Alltag, gestützt durch die Kraft, die ihm die Meditation und der Buddhismus gibt: „In dieser Art von Buddhismus is ' es halt, es gibt keine Trennung zwischen der Ausübung und dem alltäglichen Leben. (I.: mhm) Das alltägliche Leben ist gelebter Buddhismus, (#I.: mhm#) ja? Also 's ist (*), dein alltägliches Leben ist auch die Praxis. (I.: mhm) So erweiterte Praxis“ (Thomas, Z. 575ff). Auch wenn er das Ideal der Erleuchtung erreichen sollte, wünscht er sich keine Abwendung vom Alltagsleben: „...jemand der das geschafft hat, sich selbst, also sein höchstes Potential zu verwirklichen, ja?, (I: mhm), der gibt sich halt damit nicht zufrieden, sondern er sagt halt, mit dieser großen, großen Gabe oder Qualität oder, ähm, Energie, die ich jetzt habe, ja?, da kann ich so viel Gutes tun, da gehe ich halt wieder jetzt zurück in die Menschen und, oder zu den Menschen, und probiere halt Leid zu mindern oder (#I: hm #) Glückzu schaffen...“ (Thomas, Z. 991).

4.8 Weitergabe von Wissen, Erfahrungen und Erlebnissen an Außenstehende

Zusammengefasste Ergebnislage:

Die Weitergabe von Wissen, Erfahrungen und Erlebnissen, die im Zusammenhang mit Meditation, bzw. Buddhismus stehen, erfolgt von den Befragten eher zurückhaltend und ist im Anspruch „partnerzentriert“.

Lediglich bei einem Befragten zeigt sich ein Drang zur Missionierung, der aber auch explizit von seiner Meditationsschule unterstützt wird.

Alle Befragten kennen auch eine eher unreflektierte, von Begeisterung getragene Art der Weitergabe, die allerdings vor allem am Anfang der Meditationsbiographie eine Rolle gespielt hat.

4.8.1 Spontane Begeisterung

4.8.1.1 Nach den ersten Begegnungen mit Meditation, bzw. Buddhismus ergibt sich, oft ausgelöst durch bewegende Erlebnisse, der Wunsch mit Freunden und Bekannten die eigene Begeisterung zu teilen.

Die eher unreflektierte Begeisterung wird bei Thomas auch im Interview spürbar,[89] wenn er von den Vorzügen des chantens und des Buddhismus spricht:

„...ja das tolle ist dabei ist (*) das ist ‘nen Buddhismus fürs alltägliche Leben, ja?...“ (Thomas, Z. 726f),

„...das Chanten ist an sich, manch//, nicht immer, manchmal ist es ne’ wunderbare Angelegenheit“ (Thomas, Z. 709f).

Diese Form der Weitergabe ist vor allem geprägt von eigenen positiven Emotionen mit der Methode der Meditation.

4.8.2 Intentionale Weitergabe von Erfahrungen und Inhalten der Lehre

Mit der Zeit entsteht bei den Meditierenden der Wunsch anderen mehr und vertiefter über Buddhismus, bzw. Meditation zu erzählen. Neben dem anfänglichen Wunsch seine Begeisterung mit anderen zu teilen, tritt nun auch das Motiv des Helfens und der Wunsch das Leben der Mitmenschen positiv zu verändern.

Für Thomas rechtfertigt das Motiv, Leid zu mindern, Werbung für die buddhistische Lehre zu machen: „Wenn du eine, ahm, Theorie oder eine Philosophie oder eine Religion hast, von der du überzeugt bist,ja?, die dir selbst auch sehr viel bringt und von deren Richtigkeit und von deren Kraft du auch überzeugt bist und die du auch wirklich siehst, wie se sich manifestiert im normalen Leben, ja?, (I: mhm), klar probierst du halt mit dem Anspruch dann irgendwie das Leid anderer Leute zu mindern, diese auch nach außen zu tragen “ (Thomas, Z. 1234ff).

Eine forcierte Missionierung zum Glauben lehnt Thomas zwar ab (vgl. Thomas, Z. 1246), findet es aber generell wichtig die buddhistische Lehre zu propagieren. Ein Motiv dabei ist es, daß er den Buddhismus nicht als „Geheimlehre“ nur egoistisch für sich behalten will (vgl. Thomas Z. 1245ff). Hinzu kommt, daß die Meditationsschule, der Thomas angehört, eine Verpflichtung zur Mission lehrt[90]: „Und jetzt is’ es mittlerweile so, daß nach Ansicht dieser Buddhisten oder dieser Organisation, die Welt halt einfach in ‘ne Phase eintritt, wo sie halt einfach wirklich, ahm, stark nach Veränderung oder stark nach, ahm, ‘nem anderen Bewußtsein verlangt, ja? (I: mhm), und wenn, wenn man die Möglichkeit hat das zu geben oder da was zu verändern, dann sollte man das auch tun. (I.: mhm) und jetzt ist halt so, ähm, [RÄUSPERT] daß halt mehr so wieder so der Auftrag oder so mehr, was weiß ich, der Wunsch da ist, halt diesen Buddhismus halt wieder zu verbreiten...“ (Thomas, Z. 1265ff).

So verbindet sich Thomas’ Bedürfnis von seinen Erfahrungen zu erzählen und anderen Menschen zu helfen mit dem Auftrag der Organisation nach Mission.

Auch Heike kennt den Wunsch für Buddhismus, bzw. Meditation zu werben. Sie bewertet dieses Verhalten, „so 'ne übergestülpte Art“ (Heike, Z. 932), im Nachhinein allerdings negativ und findet es heute „peinlich“ (Heike, Z. 934). „Ich hatte 'ne Phase, da hab' ich das gemacht, aber das ging ganz schief. (II. LACHT) (H. LACHT) Da lernt man ganz schnell davon, (*) das geht nicht...“ (Heike, Z. 927).

Die missionierende Weitergabe von Glaubensinhalten schafft scheinbar Probleme mit anderen, auf gesellschaftlich-sozialer Ebene: „...weil halt auch gerade auch in der Presse halt wirklich ‘ne Menge schlechter und auch wirklich unwahrer Sachen darüber geschrieben wurden“ (Thomas, Z. 1258), oder persönlicher Ebene: „...wenn man die Reaktionen mitkriegt, oder das dann halt merkt, daß einem da eigentlich gar nicht gut damitgeht, ne? Dann läßt man das auch lieber mal 'n bißchen sein“ (Heike, Z. 957ff).

4.8.3 Die partnerzentrierte Weitergabe

Die Befragten geben an, daß sie zum Zeitpunkt der Befragung eher Zurückhaltung in der Weitergabe von Erfahrungen und Lehrinhalten ausüben und keine offensive Werbung für ihre Glaubensrichtung machen.

Diese Haltung haben wir als „Partnerzentrierte Weitergabe“ kategorisiert, da sie, ähnlich wie Rogers4 Modell der „klientenzentrierten Gesprächsführung“ (Rogers, 1967), von einer Zurückhaltung des Wissenden[91] bei gleichzeitiger Wertschätzung der Bedürfnisse des anderen ausgeht.

Heike erzählt anderen über Buddhismus nur, wenn sie konkret Hilfe wollen: „...lieber mehr zuhören, und genau hinhören, was die sagen, und kucken, zudem, was sie sagen, kann ich denen da helfen. (II.: mhm) Und wollen sie, daß ich ihnen, in dem und dem Moment hilf, ne? Oder wollen sie nur reden. Also, da muß man aufpassen“ (Heike, Z. 948ff).

Der Impuls anderen zu helfen und Verständnis für deren Situation aufzubauen wird auch bei Bettina deutlich. Sie unterstützt z.B. Meditierende in ihrer Organisation: „...bei dem Anfängerabend helfe ich inzwischen, da bin ich da im Team mit...“ (Bettina, Z. 552f). Eine „partnerzentrierte Weitergabe“ wird deutlich in ihrer vorsichtigen Art Freunde miteinzubeziehen: „...ich meine, wenn ich mit den Leuten so ein bißchen mehr Kontakt habe, dann kriegen die das irgendwie mit so, und wer sich dann dafür interessiert, der kann mal mitkommen oder nicht. Also, es waren schon einige, also auch jetzt von meinen anderen Bekannten halt so, die waren dann auch mal mit im Zentrum, aber dann halt nur mal so aus Interesse, wenn so Tag der offenen Tür war oder so. Ich hatte so ‘ne Zeremonie so vor ein paar Wochen, da ist der Helmut dann auch mitgekommen. Aber die (*), da hatte ich halt meine anderen guten Freunde dann halt auch eingeladen “ (Bettina, Z. 564ff).

Selbst Thomas, dem das Werben für seine buddhistische Schule selbstverständlich erscheint, will nicht indoktrinierend wirken: „...ich geh’ auch überhaupt nicht daran, daß ich sage irgendwie, so hier mach das, das ist der richtige Weg, (I: mhm) sondern ich sach halt, ähm, ich kann dir darüber erzählen, wenn du interessiert bist kann ich dir darüber erzählen...“ (Thomas, Z. 1308).

Anzumerken ist noch, daß der Wunsch anderen zu helfen bei den Befragten, die sich in helfenden Berufen befinden, bzw. befanden (Ärztin, Sozialpädagogin, Physiotherapeut), wesentlich ausgeprägter ist, als bei dem von uns befragten Handwerker Fido. Fido drängt es weniger anderen von seinen Erfahrungen zu erzählen: „Das kann ich jetzt nicht so genau erinnern, ob ich da jemand schon mal davon erzählt habe“ (Fido, Z. 375ff). Möglicherweise hängt die von uns herausgefundene Betonung des „Helfens“ mit dieser Tatsache zusammen. Es könnte sein, daß der Wunsch anderen zu helfen weniger ein Resultat der Meditation ist, sondern ein Motiv darstellt, welches sich bei den Befragten schon früher, z.B. in der Berufswahl, zeigte.

4.9 Kognitive Merkmale einer (buddhistischen) Meditationsbiographie

Zusammengefasste Ergebnislage:

Bezüglich der Konstruktion einer „Meditationsbiographie“ wurden von uns bestimmte kognitive Merkmale festgestellt.

Eine Anzahl kognitiver Strategien korrespondiert, unter anderem als „geistiges Werkzeug“, zur passenden Modifizierung der biographischen Schilderungen, mit einem aktuellen Einstellungs- und Meinungsbild, aus dem wiederum oft handlungsleitende Ansprüche abgeleitet werden.

»Kognitive Strategien die zur Gestaltung einer Meditationsbiographie als bedeutsam erscheinen«

In den Interviews sind wir immer wieder auf eine Reihe kognitiver Merkmale gestoßen, die zur Modifizierung der Lebensläufe der Befragten zu einer, von uns so benannten, Meditationsbiographie, anscheinend von besonderer Bedeutung sind. Da sie auf die Modifizierung gerichtet angewandt werden, haben wir sie als strategisch bezeichnet.

Dabei handelt es sich, in der Hauptsache, um retrospektive und prospektive Verortungen von Geschehnissen sowie um das Hervorheben bestimmter, zumindest für die eigene Person, aktuell-bedeutsamer Lehrsätze.

4.9.1 Verortung von Vergangenem

Hierbei handelt es sich wohl um die, zur Bildung einer Meditationsbiographie, bedeutungsvollste Strategie. Aus der Gesprächssituation heraus werden biographische Geschehnisse von den Befragten so strukturiert und bewertet, daß sie im Interview eine, für sie, in sich stimmige, persönliche „Meditationsbiographie“ nachzeichnen können.

4.9.1.1 Spirituelle Strukturierung der Biographie

Eine Form der kognitiven Strategie „Verortung von Vergangenem“ stellt die, von uns so bezeichnete, „spirituelle Strukturierung“ des Lebenslaufes dar. Es handelt sich hierbei um Einschätzungen unserer Interviewteilnehmer mit denen sie ihre Meditationsbiographie strukturieren, bzw. aufbauen. Am deutlichsten ausgeprägt ist sie bei Heike und Thomas.[92]

Thomas strukturiert relativ deutlich biographische Begebenheiten so, daß sie einer Meditationsbiographie gerecht werden können. So wird aus dem Freund, der ihn, laut der Schilderung, während eines Amerikaaufenthaltes gerade einmal mit der von Thomas heute ausgeübten Praxis bekanntgemacht hat: „...nö, ich hab' einmal hab' ich bei ihm mitbekommen ... wie er halt vor dem Gohonson ... chantet...“ (Thomas, Z. 116f), während der Erzählsituation im Interview, sein Lehrer: „...er war halt schon so Freund, Lehrer...“ (Thomas, Z. 106f).

Auch in der Gesamtbiographie wahrscheinlich weniger bedeutende Ereignisse werden beim Aufbau der Meditationsbiographie relevant: ,Ja, gut und wie ging es dann weiter, also das ging dann halt nicht direkt so'n Weg ... über Meditation ... sondern ich hab' dann halt angefangen, halt auch wie (*) superviele andere Sachen halt über Musik. Das ich halt irgendwie die, meine erste Platte, so in die Richtung war halt ‘Music for Zen­Meditation’...“ (Thomas, Z. 274 - 278).

Bestimmte Einsichten werden zu Eckpfeilern: „...bin ich dann halt so aus Deutschland weg und halt auf 'ne längere Reise ... weil ich hab' irgendwie gesehen ... irgendwas muß ich jetzt in meinem Leben verändern und auch viele Sachen, gut da hast du irgendwie in Yoga reingekuckt, irgendwie in Qi Gong reingekuckt... 'warst auch mal bei so 'ner Meditation oder da mal bei so 'ner Einführungsveranstaltung, aber irgendwiefehltjetzt halt, dirfehlt einfach die Disziplin...“ (Thomas, Z. 340 - 347).

Bei einer weiteren Begegnung mit dem erwähnten Freund von damals, hält dieser bereits, in der Interviewerzählung, eine spirituell geprägte Position für Thomas inne. Die Begegnung, selbst in ihrer Kürze, wird zu einem bedeutungsvollen Ereignis in der Meditationsbiographie von Thomas: „...unddann ... bin ich halt, meinem ähm, wie sagt man so, Schakubukuvater (I.: mhm) Das ist der, der einen mit diesem Buddhismus bekannt gemacht hat... hab' ich nach zwölf Jahren wiedergetroffen (*) und dann haben wir uns halt wieder so da drüber unterhalten und dann hab' ich halt gesehen irgendwie, ich kenn’ halt nur so'n ... winzig kleinen Teil von der Praxis ... von der ganzen Theorie ... worum's überhaupt geht da...“ (Thomas, Z. 386 - 395).

Bei Heike finden sich strukturierende Einschätzungen, denen zufolge Meditation schon früh eine Bedeutung in ihrem Leben hatte, obwohl, wie sie sagt: „...ich damals nicht wußte, daß es Meditation ist“ [93] (Heike, Z. 7f).

Der Beginn der eigenen Meditationspraxis wird von ihr als Weiterentwicklung vereinzelter buddhistischer Begebenheiten in ihrer Jugend gesehen: „Na ja und dann hat sich das noch weiterentwickelt, mit (*) achtundzwanzig, neunundzwanzig hab' ich dann das Meditieren angefangen...“ (Heike, Z. 60ff).

Interessant, in diesem Zusammenhang, ist auch die phasenhafte Strukturierung ihrer Glaubensbiographie. Ihre wechselhafte meditativ-buddhistische Geschichte, das Hinwenden von einer bestimmten buddhistischen Meditationstechnik zu einer anderen beispielsweise, ist ihren Aussagen zufolge immer von einer Art innerer Affinität bestimmt gewesen: „Das war immer (*), also wenn, dann war’s 'ne innere Neigung dazu, ne? Daß ich mich dem zugewendet hab'. (12.: mhm) Das war einfach auch (*), das waren auch Lebensphasen, wo mir dann 'n Mensch über 'n Weg gelaufen ist, wo ich ges//, wo's mich hingezogen hat. 'Ninneres Hinziehen“ (Heike, Z. 623ff).

4.9.1.2 Bewertungen hinsichtlich der Konstruktion einer Glaubensbiographie

Neben der „spirituellen Strukturierung der eigenen Biographie“ gibt es, bei den Befragten, auch die Tendenz, zur Gestaltung ihrer Meditationsbiographie, vergangene Geschehnisse auf entsprechende Weise zu bewerten. Dieser Vorgang wurde von uns als „Bewertungen, hinsichtlich der Konstruktion einer Glaubensbiographie“ kategorisiert.

Heike urteilt beispielsweise über die Jahre, die sie mit ihrer Lehrerin verbracht hat, daß dies eine Zeit gewesen ist, die „sehr fruchtbar“ für sie war (vgl. Heike, Z. 174f).

In einem weiteren Beispiel bewertet sie ihren Klärungsprozeß, in dem es um die Frage der Ordinierung ging: „Und dann war’ eben 'ne Möglichkeit gewesen, bei der L. zu ordinieren, was auch nicht schlecht gewesen wäre. Aber ich merke für mich, erstens bin ich da viel zufreiheitsliebend und zweitens, ist mir das zu streng, ne?“ (Heike, Z. 766ff)

Thomas bewertet bestimmte Einstellungen des öfteren als überkommen und kann so, im Interview, eine persönliche spirituelle Entwicklung für sich geltend machen: „Meine alte Vorstellung auch warja davon, du hast die Erleuchtung und dann trittst du halt in den Zustand des ewigen Friedens und Glücks...“ (Thomas, Z. 977ff).

Oder: „...wo ich halt früher gesagt habe irgendwie ich hab' halt meinen Beruf gewählt, weil ich ... nicht weiß was ich selbst in meinem Leben will so und wenn ich schon nicht weiß, was ich für mich will, dann tue ich wenigstens was für andere Menschen ... so hat das eigentlich angefangen. (I.: mhm) Mittlerweile hat es halt, ähm, so 'ne, wirklich so 'ne Qualität bekommen...“ (Thomas, Z. 946ff).

Auch Bettina verortet vergangene, für ihre Meditationsbiographie bedeutende, Geschehnisse auf bewertende Weise. So verortet sie ihre Abwendung vom Christentum und Hinwendung zum Buddhismus als rein religionskritisch-intellektuelle Entscheidung (vgl. Bettina, Z. 142 - 151).

4.9.1.3 Bewertungen, die sich auf die „weltliche Vergangenheit“ beziehen

Bei den „Bewertungen, die sich auf die weltliche Vergangenheit beziehen“ handelt es sich um die bewertende Einordnung vergangener biographischer Begebenheiten, die nicht direkt mit der eigenen meditativ-buddhistischen Geschichte zu tun haben, aber in irgend einer Weise für diese von Bedeutung waren oder mit ihr in Beziehung gebracht werden.

Thomas sieht beispielsweise in der, ihm durch seine Mutter vermittelten Kritikfähigkeit, eine große Qualität. Dennoch stellte diese, ständig gegenwärtige Kritikfähigkeit auch etwas Blockierendes für ihn dar, was er, mit Hilfe des Buddhismus, überwinden konnte (vgl. Thomas, Z. 1293ff).

Heike zeichnet, diesem Unterpunkt entsprechend, ab und an ein bewertendes Bild ihres Elternhauses, vor dem die Geschehnisse ihrer meditativ-buddhistischen Geschichte verständlicher werden. Ihr heftiges Reagieren angesichts ihrer anfänglichen Meditationserfahrungen, die ihr die „Nicht-Festgefügtheit“ aller Dinge: „wie eigentlich in Bewegung alles ist und wie offen“ (Heike, Z. 155f), vor Augen geführt haben, wird verständlicher angesichts der Schilderung ihres sozialen Hintergrundes: „Aber zum damaligen Zeitpunkt, ich meine (*), von der äußeren Struktur, ich kam aus ‘nem sehr festgefügten Elternhaus, alles ist immer gleich abgelaufen. Also alles war sehr fest, sehr solide, ne?“ (Heike, Z. 151ff)

4.9.2 Zukunftsbezogene Verortung - Vertagen auf später

Neben der Möglichkeit retrospektiv biographische Geschehnisse so zu bewerten, daß sie sich, für die Befragten, zu einer in sich stimmigen Meditationsbiographie anordnen lassen, existiert die kognitive Strategie der „Zukunftsbezogenen Verortung“.

Hierbei ist insbesondere interessant, daß, obwohl spezifische Punkte der buddhistischen Lehre für sie aktuell nicht einzuordnen sind, unsere Interviewteilnehmer, indem sie darauf bauen, daß sich zum rechten Zeitpunkt eventuell das Verständnis einstellen wird, ihr Leben mit Meditation/Buddhismus gut leben können. Ein Umstand der von uns als „Vertagen auf später“ kategorisiert wurde.

4.9.2.1 Vertagenaufspäter

Thomas zum Beispiel, scheint gut mit seinem buddhistischen Selbstverständnis leben zu können, auch angesichts dessen, daß er bestimmte buddhistische Zielsetzungen, im Moment, in sich noch nicht verwirklicht weiß: „...das ist vielleicht 'n Punkt an den ich ... noch nicht so gekommen bin“ (Thomas, Z. 1045ff)[94].

Heike vertagt das von ihr durchaus als bedeutend erachtete Thema Sterbevorbereitung, mit einer gewissen Leichtigkeit, auf einen späteren Zeitpunkt: „Ja, also im Moment merke ich so die Annäherung an das, was die Tibeter mit (*), Sterbevorbereitung nennen. Aber ich weiß, daß ich da noch ganz weit weg bin davon, ja? (II.: mhm) Also ich hab' mir jetzt mal Belehrungen angehört, aber es ist für mich, als solches nicht nachvollziehbar. (II.: ja) Und es bleibt Theorie erstmal, ne? ... aber ich denk' das wird einfach auch mit zunehmendem Alter, ganz natürlich, 'n Punkt werden ...wo ich mich mehr reinkniee“ (Heike, Z.319 - 326).

4.9.3 Wiedergabe der Lehre / Übernahme der Terminologie

Eine weitere kognitive Strategie, die möglicherweise insbesondere eine stützende Funktion bei der Gestaltung einer Meditationsbiographie übernimmt, indem sie aktuelle persönliche Einstellungen und Meinungen sozusagen „offiziell“ untermauert, ist von uns als „Wiedergabe der Lehre“ kategorisiert worden.

Es handelt sich dabei um Aussagen unserer Interviewpartner, die dem hinter der jeweiligen meditativ-buddhistischen Praxis stehenden Lehrgebäude entstammen. Aussagen die für unsere Befragten oft eine persönliche Bedeutung haben, weil sie möglicherweise etwas mit persönlichen Themen zu tun haben, an denen sie sich gerade abarbeiten, bzw. schon abgearbeitet haben.

So wurde Bettina auf einen, für sie, bedeutenden Aspekt der buddhistischen Lehre während ihrer Psychotherapie aufmerksam: „...sie (die Therapeutin, Anm. d. Verf.) erzählte halt, im Buddhismus wär‘ halt einiges anders. Also auch, daß man so bei sich selber anfängt, also sich nicht aufopfert bis zum geht nicht mehr, sondern liebevolle Güte mehrfür sich selber auch entwickelt so...“ (Bettina, Z. 50ff).[95]

Auch Thomas hebt bestimmte Aspekte des Lehrgebäudes der Soka Gakkai hervor: „...du sollt dich nicht loslösen von deinen Begierden ... die Begierden sind die Grundkraft, die Grundtriebkraft so des Lebens selbst...“ (Thomas, Z. 599 - 603).[96]

Er tut dies, kurz nachdem er seine Meditationspraxis als Methode der Selbstreflexion bezeichnet, die ihm, unter anderem, auch seine Begierden vor Augen führe (vgl. Thomas, Z. 591ff).

Fido, der keine buddhistisch geprägte Meditationsweise verfolgt, übernimmt während des Interviews lediglich ab und an die Terminologie der Therapierichtung innerhalb derer er meditiert, was eventuell als bejahendes, identifizierendes Moment gedeutet werden kann. Folgendes Beispiel wurde von uns als „Übernahme der Terminologie“ kategorisiert: „...das erste Mal, als ich diese ’Reise’ gemacht habe (*) also ‘Reise’ bedeutet immer dieses (Therapie) Wochenende was wir da machen...“ (Fido, Z. 104ff).

4.9.4 Aktuelle Einstellungen/Meinungen bezüglich Meditation/Buddhismus

Die angeführten kognitiven Strategien korrespondierten, in der Befragungssituation mehr oder weniger erkennbar, mit einem, zum Zeitpunkt des Interviews, aktuellen Einstellungs- und Meinungsbild.

Auf diese Weise werden auch die die persönlichen Meditationsbiographien kennzeichnenden Entwicklungen der Befragten deutlich. So kann die bewertende „Verortung von Vergangenem“ für ein bestimmtes, gegenwärtiges Meinungsbild von kontrastierender Bedeutung sein.

Thomas erzählt, zum Beispiel von Meditationserlebnissen: „...manchmal siehst du irgendwie so ... den Gohonson leuchten ... manchmal kannst du total abheben so auf den Klang...“ (Thomas, Z. 711ff). Dinge, von denen Thomas früher, wie er sagt, immer dachte, „daß das so die wichtigen Sachen wären...“ (Thomas, Z. 719ff).

Dem stellt er folgende, zum Zeitpunkt des Interviews aktuelle, Einstellung kontrastierend gegenüber: „...diese abgefahrenen Zustände während der Meditation (I.: mhm, mhm), is‘ mir im Moment, is‘ mir eigentlich so ziemlich piepegal...“ (Thomas, Z. 7221) und macht damit eine, seine Meditationsbiographie kennzeichnende, Entwicklung deutlich.

Ein weiteres Beispiel mag eventuell sogar etwas Licht in die scheinbar enge Verflochtenheit, wenn nicht gar gegenseitige Bedingtheit, von Meditation und Buddhismus bringen.

Unter der, zuvor aufgeführten, dimensionalen Ausprägung „Wiedergabe der Lehre“ findet sich folgende Aussage von Thomas: „...drei Spitzpfeiler sind halt irgendwie, Glaube, Praxis und Studium und da ist halt keins das Wichtigste, sondern es auch wieder so 'ne Dreiheit, es heißt halt so zum Beispiel ohne Glaube geht da nix“ (Thomas, Z. 734ff). Eine Einstellung die Thomas zum Zeitpunkt des Interviews, als etwas für ihn „wirklich Wichtiges“ teilt (vgl. Thomas, Z. 7321).

Auch bei Bettina findet sich ein inhaltlich ähnliches Beispiel in dem die „Wiedergabe der Lehre“ aktuelle Einstellungen/Meinungen stützt. Sie weist während des Interviews mehrmals auf die Bedeutung des buddhistischen Studiums hin, das meditative Praxis begleiten sollte: „Ja und so Dharma-Studium, also Studium der buddhistischen Lehre so, ja zum einen, ermöglicht es mir Sachen, meinetwegen neue Methoden oder irgendwie so, aber zum anderen halt auch ...so das Hauptsächlichste ist, daß du halt so die Lehre auch mehr durchdringst...“ (Bettina, Z. 240ff; [=aktuelle Einstellung]). Eine Aussage, die durchaus gut mit folgendem, ebenfalls von ihr erwähnten Lehrsatz korrespondiert: „...da wird ja gesagt irgendwie, wenn du den dreifältigen Pfad hast, dann hast du erst Ethik. Ethik, Meditation, Weisheit irgendwo, so daß du eigentlich nicht gut meditieren kannst ... wenn deine Ethik nicht stimmt“ (Bettina, Z. 746ff; [=Wiedergabe der Lehre]).

4.9.5 Ansprüche

Aus ihren aktuellen Meinungen und Einstellungen leiten die Befragten bestimmte, meist handlungsleitende Ansprüche[97] ab. Ein Umstand, der die jeweilige Meditationsbiographie erneut prägt.

Gehen wir nochmals kurz zu dem Beispiel zurück in dem Thomas erläutert, daß er früher dachte, daß das Erreichen besonderer meditativer Zustände das Entscheidende ist, daß „diese abgefahrenen Zustände während der Meditation“ ihm, im Moment, aber „piepegal“ sind (vgl. Thomas, Z. 705 - 723). Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Meinung äußert Thomas nun wiederum folgende, als „Anspruch etwas nach außen zu tragen“ kategorisierte, persönliche Handlungsanleitung: „...das ist 'n Buddhismus fürs alltägliche Leben, ja?, (I.: mhm), und ich möchte mein normales Leben einfach verändern, verbessern, meine Umgebung verändern und verbessern und das ist wie so'n Vehikelfür mich,ja?“ (Thomas, Z. 726ff)

Für Heike läßt sich folgendes Beispiel anführen. Heike stützt ihre, in verschiedenen Modifikationen, erwähnte Einstellung: „Wenn ich jetzt sehr viel leide, würd' ich mal sagen, ... dann hab' ich den inneren Druck, aha, ich muß was machen...“ (Heike, Z. 391ff) auf die, unter „Wiedergabe der Lehre“ kodierte, Aussage ihrer Lehrerin: „Dukkha (Leiden) ist unser bester Lehrer“ (Heike, Z. 414). Die in der von ihr erwähnten Einstellung bereits immanent enthaltene Handlungsaufforderung präzisiert sie nun beispielsweise in folgendem Anspruch an sich selbst: „...ich weiß, für jede Lebensphase gibt es entsprechende Mittel. (II.: mhm) Ich muß nur offen sein, schauen, 'drum studier ‘ ich auch soviel, weil meine Lebensphasen derartig wechselnden Sachen unterworfen sind, daß ich sofort weiß, welches Mittel hab' ich jetzt, und das nehm‘ ich dann “ (Heike, Z. 298ff).

Bettina trägt ihrer Einstellung, daß man nicht losgelöst von buddhistischen Vorstellungen, bzw. einer Auseinandersetzung damit, meditieren kann (vgl. Bettina, Z. 237ff) dadurch Rechnung, in dem sie den Anspruch einer buddhistische Ethik, so gut es ihr möglich ist, zu leben versucht: „Also die, jetzt z.B. die fünf Vorsätze bemühe ich mich einzuhalten, ... z.B. einen Vorsatz, der jetzt so Rede betrifft, also ich nehme mir vor, nicht die Unwahrheit zu sagen oder so und das auch positiv zu sagen“ (Bettina, Z. 685 - 699).

5 Zusammenfassung und Diskussion

In diesem Kapitel wollen wir unsere Forschungsergebnisse interpretieren und sie, hinsichtlich aus ihnen abzuleitender Aussagen, zusammenfassen.

Ferner soll es darum gehen, unsere Ergebnisse mit den, in Kapitel 2 angeführten Abhandlungen und Forschungsergebnissen, bezüglich Meditation zu vergleichen und, soweit dies möglich ist, auf Anknüpfungspunkte für weitere Forschungsvorhaben in dieser Richtung zu verweisen.

5.1 Interpretation und Zusammenfassung unserer Ergebnisse

Mit der Herangehensweise, uns Interviewpartner herauszusuchen, die bereits mehrjährige Meditationserfahrung besitzen, haben wir, entsprechend unserer Themenwahl, die Absicht verbunden, etwas über subjektiv wahrgenommene Veränderungen infolge von Meditation zu erfahren. Mit anderen Worten, es war die Hoffnung damit verbunden, aufgrund subjektiver Aussagen, nicht nur etwas über die kennzeichnenden Merkmale unseres Forschungsgegenstandes zu erfahren, sondern, nach Möglichkeit, auch etwas Prozeßhaftes abbilden zu können. Darüber hinaus erscheint es als wünschenswert, soweit eben möglich, verallgemeinerbare Aussagen aus den Meditationsbiographien ableiten zu können.

Den, im Band 2 befindlichen, Forschungsdiagrammen ist zu entnehmen, daß wir in der Analyse zu vergleichbaren, interviewübergreifenden Kategorisierungen gekommen sind, die sich, entsprechend der unterschiedlichen zentralen Aspekte unseres Forschungsgegenstandes, zu verallgemeinerbaren Aussagen verarbeiten ließen.[98]

Augenscheinlich gibt es des weiteren aber auch Parallelen zwischen den analytischen Einheiten der zentralen Aspekte unseres Forschungsvorhabens, um die es nun, in der Hauptsache, gehen soll.

5.1.1 Die anfängliche Meditationsbiographie lebt von einer relativ unreflektierten, gefühlsdominierten Aneignung von meditativer Praxis

Wir haben die anfängliche Herangehensweise an Meditation als spontan, unverbindlich und von persönlichen Neigungen, bzw. persönlichen Interessen geleitet beschrieben".[99]

Der innere Impuls, der die anfängliche Herangehensweise initiiert, bleibt bei den meisten mehr oder weniger unklar.[100] Die meditative Praxis scheint anfangs insbesondere ein, von den Befragten, nicht näher zu konkretisierendes, emotionales Bedürfnis zu befriedigen. Es macht ihnen ein gutes Gefühl, es spricht sie an, obwohl sie nicht genau wissen warum: „Ich hab' gewußt, da ist was dran. Was, weiß ich nicht... das mach' ichjetzt einfach mal, das tut mir gut...“ (Heike, Z. 78ff).

Selbst bei Bettina, die als Einzige konkret etwas über ihre Beweggründe, warum sie mit dem Meditieren angefangen hat, sagen konnte, zeigt sich mit dem von ihr geäußerten Bedürfnis nach Spiritualität ein stark emotional gefärbter Zugangsimpuls.

Dieses, von rationaler Aufarbeitung nur unzulänglich geprägte, emotional dominierte Verhalten zeigt sich in allen, die Anfangssituation wiedergebenden Teilaspekten unseres Forschungsgegenstandes.

Beispielhaft für Meditationserlebnisse der ersten Zeit ist der beschriebene „Sensationscharakter“[101], der in Einzelfällen die Befragten sogar überschwemmt hat ohne daß sie dem etwas entgegensetzen hätten können.[102] Zu diesem Zeitpunkt war die Notwendigkeit einer rationalen Bearbeitung, bzw. eine ausreichende Reflexion, bezüglich der neu ins Leben getretenen meditativen Praxis für die Interviewpartner scheinbar so unbedeutend, daß sie nur in einem mangelhaften Ausmaß erfolgt war. So standen den Befragten angesichts ihrer anfänglichen Meditationserlebnisse kaum kognitive Möglichkeiten zur Verfügung, um das was sie erlebten einordnen oder in irgendeiner Weise einen persönlichen Bezug dazu herstellen zu können.

In gleicher Weise blieb den Befragten zu Beginn ihrer Meditationsbiographie kaum mehr übrig als bestimmte sensitiv-emotionale oder körperliche Auswirkungen, an sich erst einmal einfach nur zur Kenntnis zu nehmen .[103]

Ein umfassendes Nachdenken über Meditationsauswirkungen wird, diesen Anfangszeitpunkt betreffend, von unseren Interviewteilnehmern nicht geschildert. Es ist sehr wahrscheinlich, daß weniger eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem was man während der Meditation erlebt, bzw. als Auswirkungen derselben zuschreibt, für die Aufrechterhaltung, respektive das Abbrechen, der anfänglichen Betätigung mit meditativen Techniken verantwortlich ist. Wir denken, daß die Betätigung mit meditativen Techniken, zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich am ehesten aufrechterhalten bleibt, wenn sie den betreffenden Ausübenden auf einer Gefühlsebene zu stimulieren vermag, bewirkt, daß etwas mit den Praktizierenden passiert, sie berührt, etwa in Form einer überwiegend positiven Verfaßtheit infolge von Meditation, z.B. als generalisiertes Empfinden „ruhiger“ zu sein.

Da ist es nicht verwunderlich, daß in dieser Anfangszeit auch die Praxis an sich verhältnismäßig unhinterfragt ausgeübt wird.[104] Die ausgeübte Praxis ist relativ frei von subjektiv-persönlichen Modifikationen[105], weil eine Reflexion darüber, ob die ausgeübte Technik, entsprechend dem vorgegebenen formalen Zeremoniell praktiziert, nun wirklich so und nicht anders für die Befragten am adäquatesten ist, zumindest bezogen auf diesen Anfangszeitpunkt, anscheinend weitgehend unterbleibt. Kommt es, durch bestimmte negativ gefärbte Wahrnehmungen oder schwer eingängige buddhistische Glaubenskonzepte zu Zweifeln, so verschafft sich solch eine Distanz zur Methode oder entsprechenden Glaubensinhalten, in der Hauptsache, in gefühlsmäßigen Irritationen, bzw. Verunsicherungen, ihren Ausdruck[106]: „Thema Wiedergeburt, wo de halt irgendwie sachst, das ist die buddhistische, ahm, Philosophie, aber wo, wo ich halt selbst noch nicht so (*), wenig drüber nachgedacht habe, oder so viel auch noch aus dem Christentum irgendwie wahrscheinlich drin habe, ahm, daß es erstmal gefühlsmäßig haltso was halt nichtso leichtzu akzeptieren ist, ne? (Thomas, Z. 907ff)

5.1.2 Selbstwahrnehmung und Bewußtwerdung - die Meditationsbiographien werden zunehmend von einer, sich an meditativer Praxis und (buddhistischer) Lehrmeinung orientierenden, Auseinandersetzung mit dem Selbst begleitet

Es scheint einen Punkt in den Meditationsbiographien zu geben von dem an die Meditierenden sich über die Reflexion bezüglich ihrer Methode und insbesondere dem dazugehörenden Lehrgebäude zu einer Auseinandersetzung mit dem Selbst bewegen.

5.1.2.1 Gründe für diese Entwicklung

Verschiedene, wahrscheinlich sich ergänzende, Momente sind, unserer Ansicht nach, als Gründe für diese Entwicklung interpretierbar.

a) Die Meditationserlebnisse und Meditationsauswirkungen werden zunehmend auf das Selbst bezogen.
b) Die Qualität der Meditationserlebnisse legt eine rationale Aufarbeitung nahe.
c) Neben dem Bedürfnis nach Glauben existiert ein konkurrierendes intellektuelles Bedürfnis, zu verstehen.

ad. a) Meditationserlebnisse und Meditationsauswirkungen werden zunehmend auf das Selbst bezogen

Wie wir in den Kapiteln über die Veränderung der meditativen Erlebnisse und Meditationsauswirkungen (vgl. Kap. 4.2 und 4.3) beschrieben haben, verlieren die dort aufgeführten Erfahrungen ihren, eher abgehobenen, Sensationscharakter und werden vermehrt zu Erlebnissen, bzw. Auswirkungen, die für die Praktizierenden persönlich bedeutsam sind. So z.B. Bettina (Z. 454ff): „...und dann fing das an, daß Meditieren so richtig schmerzhaft (wurde) und echt so alte Geschichten hochgekommen sind“.

Die Befragten nehmen Veränderungen bei sich, infolge von Meditation, wahr. Heike (Z. 213ff): „Ja, also ich, mir war nicht klar, wie sensitiv man werden kann, oder wie sensibel, ne? ... Und was man eigentlich überhaupt für 'ne Möglichkeit der Wahrnehmung hat...“.

Wie wir unter Punkt 4.4.2.2 („Meditationspraxis ist verbunden mit Selbstreflexion“) schon erwähnten, ist Thomas sogar der Meinung, daß die Ausübung seiner Praxis auf Dauer es gar nicht ermöglicht einer Auseinandersetzung zu entgehen. Wie er heute weiß ist seine Praxis, mit den Worten von Thomas, „auch immer 'ne Selbstreflexion“ (Thomas, Z. 595).

ad b) Die Qualität der Meditationserlebnisse legt eine rationale Aufarbeitung nahe

Zum einen werden die Erfahrungen mit Meditation persönlich bedeutsam. Des weiteren haben sich, aufgrund der Vernachlässigung einer, mit der sich entwickelnden Meditationsbiographie, schritthaltenden rationalen Verarbeitung, vereinzelt Meditationserfahrungen, vor allem mit negativ-beunruhigendem Inhalt, angesammelt, die mehr oder weniger dringend auf eine Aufarbeitung warten.[107] Als Beispiel sei hier an die von Heike, in ihrer Anfangszeit gemachten, spontan kaum bearbeiteten Erfahrungen während ihrer Asienaufenthalte erinnert (vgl. Heike, Z. 154ff).

ad c) Neben dem Bedürfnis nach Glauben existiert ein konkurrierendes intellektuelles Bedürfnis, zu verstehen

In Kapitel 4.5 „Intellekt versus Glauben“ erläuterten wir, daß sich unsere Befragten anscheinend in einem Zwiespalt befinden. Es existiert auf der einen Seite, wenn nicht ein Bedürfnis, so doch die Bereitschaft zu glauben. Zwar lehnen die Interviewpartner das kritiklose Anerkennen dogmenhafter Glaubenstheoreme ab, ein Grund weshalb einige von ihnen mit dem Christentum gebrochen haben[108], dennoch schildern sie Glauben als etwas für eine befriedigende Lebensgestaltung durchaus in Frage kommendes: „Wenn es wirklich so'n innerer Glaube ist, an's prinzipiell Gute ... Ich glaub', daß das total hilfreich ist... In allen Si//, Situationen“ (Heike, Z. 502ff).

Bettina fehlte ohne Glauben sogar etwas in ihrem Leben (vgl. Bettina, Z. 44ff).

Auf der anderen Seite bringen alle den intellektuellen Anspruch mit, zu verstehen was sie tun und was mit ihnen geschieht: „...früher habe ich halt gesagt, ich muß wirklich was verstehen, komplett verstehen, bevor ich es irgendwie annehmen kann“ (Thomas, Z. 747ff).

Den Befragten kommt es scheinbar gelegen, daß der Buddhismus, mit dem sie sich zunehmend auseinandersetzen, in weit geringerem Ausmaß als beispielsweise das Christentum verlangt Dinge „blind“ zu glauben. Die Hervorhebung des wissenschaftlichen Charakters des Buddhismus[109] erscheint uns in diesem Zusammenhang besonders bemerkenswert: „...es ist ja'n, eigentlich, ein erlebnisorientiertes Üben, würd' ich mal sagen, es hat eigentlich mehr mit Psychologie und Philosophie und Soziologie und, was weiß ich allem zu tun...“ (Heike, Z. 467ff).

5.1.2.2 Die Umsetzung der Entwicklung der Selbstwahrnehmung und Bewußtwerdung

Die Befragten gehen mit der Zeit über das einfache Erleben, „Konsumieren“ von meditativen Stimmungen und Auswirkungen hinaus.

Werden Meditationserfahrungen erst einmal als etwas angenommen das mit einem zu tun hat, so kann man dies wohl wirklich als eine Art „Aufbrechen“ von alten, noch ungenügend bearbeiteten persönlichen Angelegenheiten verstehen. Sei dies nun als Erkennen alter, schmerzhafter Geschichten in Form von Meditationserlebnissen, wie von Bettina geschildert (vgl. Z. 454ff), oder daß ein persönliches Thema auf diese Weise wieder aufgenommen wird. Thomas z.B., wird über Meditation/Buddhismus wieder mit seinem alten Thema „Zweifel“ konfrontiert (vgl. Thomas, Z. 261ff). Ein persönliches Thema das über seine Auseinandersetzung, bezüglich der von ihm ausgeübten Methode und der dahinterstehenden buddhistischen Lehre, von ihm weiterverfolgt wird (vgl. Thomas, Z. 765ff).

Doch zunächst einmal ist das Sondieren nach geeigneten Möglichkeiten zur konstruktiven Weiterentwicklung der persönlichen Meditationsbiographie kennzeichnend für die verstärkte Selbstwahrnehmung und Bewußtwerdung. Die Herangehensweise wird, der konkreten Bedürfnisse der Befragten entsprechend, geplanter. Sie ist, zum Teil, aber auch abhängig von den Konzepten der die Meditation begleitenden (buddhistischen) Schulen.[110]

Die Befragten nehmen Großteils eine intensive literarische Auseinandersetzung mit buddhistischen Inhalten auf.[111]

Darüber hinaus entstand bei unseren Interviewpartnern das Bedürfnis sich mit anderen Meditierenden zu vernetzen und in Austausch zu kommen[112]. Neben dem konstruktiven Austausch[113] bietet solch eine Vernetzung vor allem auch einen Rahmen um sich in seiner Meditationsbiographie möglichst geschützt entfalten zu können.[114] Bezogen auf das zuvor erwähnte Auftauchen schmerzhafter Erinnerungen während der Meditation äußert Bettina (Z. 314ff): „Undja, da war es halt dann gut, Leute zu haben, mit denen ich dann reden kann oder manchmal einfach, daß welche da sind...“.

Der Gedanke an eine therapeutische Situation liegt nahe. Hier meinen wir durchaus Parallelen zwischen Fido, der im Rahmen eines therapeutische Settings meditiert und durch Meditation evozierte Bilder anschließend mit seiner Therapeutin bearbeiten kann (vgl. Fido, Z. 360ff) und der, unter buddhistischen Vorzeichen, sich von den anderen Befragten geschaffenen Situation des persönlich-konstruktiven Austausches, sei es nun in Gruppen wie bei Bettina und Thomas oder in Form der Hinwendung an eine buddhistische Nonne, die als Lehrerin fungiert, wie im Falle von Heike (vgl. Heike, Z. 608ff) ausmachen zu können.[115]

5.1.3 Resümee und Ausblick

Der, zum Zeitpunkt des Interviews, aktuelle Stand der Meditationsbiographien ist dadurch gekennzeichnet, daß die Befragten den Eindruck erwecken, als haben sie sich über die Auseinandersetzung mit Meditation, meditativen Erfahrungen und Buddhismus, besser kennen-, bzw. verstehen gelernt. Eine Entwicklung, die die Sichtweisen der persönlichen Geschichte, des gegenwärtigen Alltags, der Dinge überhaupt, beeinflußt. So werden vergangene Geschehnisse und Vorstellungen unter dieser neu erarbeiteten Perspektive, zum Teil, auch anders bewertet.[116] So bringt Heike ihre anfängliche Meditationserfahrung, die zu einem traumatischen Aufbrechen ihrer damaligen, starren Denkweise führte (vgl. Heike, Z. 154ff), nach der Aufarbeitung mit einer buddhistischen Nonne[117], in Zusammenhang mit den festgefügten Strukturen in ihrem Elternhaus (vgl. Heike, Z. 151ff) und bewertet das damalige, traumatische Geschehen heute positiv: „Ich mein' ... wo ich heut' sag', Mensch, ich bin dankbar dafür, ne?“ (Heike, Z. 149f)

Thomas äußert beispielsweise: „Dit Leben ist nicht mehr, also für mich nicht mehr, wie früher, daß du halt irgendwann glücklich bist ... im besten Falle...“[118] (Thomas, Z. 843ff). Seine Meinung diesbezüglich weist, zum Zeitpunkt des Interviews, zum einen deutlich Spuren einer buddhistisch geprägten Auseinandersetzung und darüber hinaus eine abstrakte Handlungsaufforderung auf: „...das Leben ist dazu da, daß wir uns hier verb//, verändern oder so verbessern oder emporheben können ...es hat halt eigentlich kein, kein Gut und Böse oder keine so, absoluten Werte, sondern es ist irgendwie 'ne Chance zurEntwicklung“ (Thomas, Z. 845ff).

Die zu diesem Punkt fortgeschrittenen Meditationsbiographien der Befragten verfügen über eine, auf umfassende Reflexion verweisende, Anzahl kognitiver Merkmale, so auch ein, auf bestimmten kognitiven Strategien basierendes, oft ein breites Spektrum abdeckendes, aktuelles Einstellungs- und Meinungsbild (vgl. Kapitel 4.9: Kognitive Merkmale einer [buddhistischen] Meditationsbiographie).

Generell sind die Aussagen der Befragten über ihren gegenwärtigen Stand im meditativ­buddhistischen Feld prägnanter, konkreter.

Im übertragenen Sinn kann, z.B. betreffs des meditativen Erlebens, davon gesprochen werden, daß die Praktizierenden infolge der Auseinandersetzung vermehrt die Sprache ihrer Meditationserlebnisse verstehen. Diese verlieren ihren, persönlich unbedeutenden Sensationscharakter mehr und mehr zugunsten von Erkenntnismomenten. Die Praktizierenden begreifen über solche Erlebnisse. Bettina erhielt auf diese „meditierende“ Weise ihre Einsicht in die familiäre Interaktion.[119]

Infolge verstandener, persönlich verorteter Erlebnisse sowie durch die beschriebenen Formen der Aufarbeitung, entstehen Konzeptualisierungen solcher Erfahrungen mit Meditation.[120] Wenn Bettina einmal mit dem gehäuften Praktizieren von Metta- Meditation in einer sie fordernden familiären Situation erfolgreich war, warum sollte sie daraus nicht lernen, daß dies in einem solchen Falle hilfreich ist und es bei nächster, entsprechender Gelegenheit erneut anwenden?

Sehr wahrscheinlich entsteht auf diese Weise auch die, von uns sogenannte, zunehmende, an der subjektiven Bedürfnislage orientierte, Verfügbarmachung meditativer Praktiken (vgl. Kapitel 4.4). Entsprechend subjektiver Bedürfnislagen können die Praktizierenden ihre Meditationspraxis nunmehr modifizieren.[121]

Thomas weiß zum Beispiel, daß er das chanten so modifizieren kann, daß es einen von ihm gewünschten Effekt begünstigend unterstützen kann. Thomas (Z. 1080ff): „Eine Sache, wofür ich jetzt irgendwie in der letzten Zeit chante ist halt irgendwie ...so 'ne Gefühlsbarriere auch zu durchbrechen halt, Gefühle einfach wieder mehr rauszulassen...“.

Für Heike (Z. 706) ist, unter anderem, klar: „...Gehmeditation ist für mich ideal, weil da erde ich mich“.

Kennzeichnend für die, auf diese Weise fortgeschrittenen, Meditationsbiographien ist ferner, daß infolge der umfangreichen Auseinandersetzung die Befragten ziemlich genau wissen wo sie stehen, respektive ihr Verhältnis zu der ausgeübten Methode und dem dahinterstehenden Lehrgebäude relativ genau geklärt haben, und auch Zweifel daran ziemlich konkret umreißen können.[122]

Entsprechend diesem persönlichen Entwicklungsstand ist auch die „Weitergabe von Wissen, Erfahrungen und Erlebnissen an Außenstehende“ (vgl. Kapitel 4.8) kaum mehr von unkontrollierter Begeisterung der Praktizierenden, sondern eher von Zurückhaltung und Achtsamkeit gekennzeichnet.[123]

5.2 Schlußbetrachtungen - Berührungspunkte mit bestehenden Abhandlungen und Forschungsarbeiten über Meditation

In der Einleitung haben wir beklagt, daß gerade die Forschungsarbeiten zu Meditation überwiegend ihren Gegenstand isoliert von dem Leben des Praktizierenden betrachten.[124] Uns war aber gerade daran gelegen etwas über die subjektiv wahrgenommenen Wirkungen oder Spuren, die Meditation nach längerer Praxis, im Leben der Praktizierenden hinterläßt, zu erfahren. Ein Unterfangen, das wir in der uns bekannten Forschungsliteratur, wie gesagt, kaum wiederfanden. So wußten wir auch eher, wie wir das Thema Meditation nicht bearbeiten wollten und gingen, relativ frei von Forschungsansätzen, denen wir vielleicht nacheifern hätten können auf unsere Interviewteilnehmer zu. Wir mussten uns alsbald durch deren Schilderungen belehren lassen, daß Meditation kein, dem Leben der Befragten aufliegendes, Epiphänomen ist, sondern daß Meditation oft sogar sehr stark mit dem Leben, der Biographie unserer Interviewpartner verwoben und davon beeinflußt war. Ohne von uns darauf angesprochen worden zu sein, kamen die Befragten meist relativ bald von Meditation auf buddhistische Lehrmeinungen und Ansätze zu sprechen, die sehr oft einen Bezug zu persönlichen Fragestellungen wiederspiegelten. Eine Auseinandersetzung, die dann meist wiederum auch erneut Spuren in der meditativen Praxis hinterließ.

Sicherlich fanden sich in den Erzählungen unserer Interviewteilnehmer viele Dinge wieder die in der einschlägigen Literatur erwähnt werden.

Auch unsere Befragten schätzten die unter Punkt 2.6 („Meditation als Gegenstand psychologischer Forschung“) beschriebene, meditationsinduzierte Entspannungsreaktion. Und es ist nicht von der Hand zu weisen, daß es Zeiten in ihrer Meditationsbiographie gegeben hat, in denen sie i.S. einer „alltäglichen Nutzbarmachung“[125] vor allem meditiert haben um gegen ihren Alltagsstreß einen Kontrapunkt setzen zu können: „...das (Meditieren, Anm. d. Verf.) mach' ich jetzt einfach mal, das tut mir gut, diese Ruhe, diese, dieses Dasein und, das war so schön, ich hab' ja damals noch richtig gearbeitet, und 'ne Stunde vorher aufstehen ... bevor ich mich aufs Fahrrad setze und in die Arbeitfahre, das war einfach erholsam...“ (Heike, Z. 81ff).

Es lassen sich auch etliche Beispiele für die in Forschungsstudien immer wieder erwähnte psychische Langzeitwirkung der Verminderung von Angst (vgl. Kap. 2.6) finden. Zum Beispiel Bettina (Z. 610ff) beschreibt diesen Effekt: „...daß ich so eine Stabilität gekriegt habe irgendwie. Ich hatte früher so vor der Verantwortung auch so 'ne Angst irgendwie so, ich mache Fehler, ich werde meines Lebens nicht mehrfroh...“.

Wir haben auch Anhaltspunkte, für die buddhistische Ansicht, daß Meditation die Auseinandersetzung mit dem eigenen Geist, bzw. die Kultivierung desselben, zum Ziel haben sollte gefunden.[126] Heikes Urteil: „Also der Geist hat Tricks auf Lager, die man nicht unterschätzen soll“ (Heike, Z. 563f), zeugt von einer diesbezüglichen, im Interview von ihr eingehender erläuterten, Auseinandersetzung.

Allerdings bestätigte sich in weitaus stärkerem Maße, daß Meditation, wie von einigen Autoren angemerkt[127], für Meditierende mehr ist als ein reines Entspannungsverfahren: „(Es, Anm. d. Verf.) geht mir jetzt nicht mehr so darum, wie früher zum Beispiel, daß man halt durch, ähm, so Meditation oder so halt wirklich nur zur Ruhe kommt wie ...so bei ... sondern, daß es wirklich was aktives ist, daß es Kraft fürs Leben gibt“ (Thomas, Z. 210ff).

Gerade indem wir unseren Forschungsgegenstand sozusagen auf das Leben, bzw. die Spuren die Meditation dort hinterlassen hat, ausdehnten, konnten wir erfahren, daß die Wirkungsweise von meditativer Praxis in der Realität, zumindest bei unseren Befragten, sich nie auf eine einfach gerichtete Ein-, vielleicht noch Mehrdimensionalität reduzieren läßt, sondern ein äußerst, durch persönliche Problemstellungen angereichertes, Wechselspiel initiiert. Ein Wechselspiel von Aufbrechen persönlicher Fragestellungen und Angelegenheiten, dem sich unsere Interviewteilnehmer mit dem Suchen nach Beistand und Lösungen stellen und von buddhistischer Auseinandersetzung geprägte Antworten folgen lassen. Die Inspiration durch das meditativ-buddhistische Feld[128] reißt dann oft neue Fragen auf: „...habe ichjetzt neulich gerade gelesen ... was ich noch nicht verstehe: (#1.: hm, hm#) Universum als Mitgefühl“ (Thomas, Z. 624ff).

Darüber hinaus können Rückwirkungen durch das meditativ-buddhistische Feld auch zu einer Modifizierung der meditativen Praxis führen: „...wo mir dann "n Mensch über'n Weg gelaufen ist, wo ich ges//, wo's mich hingezogen hat. "N inneres Hinziehen. (12.: Und der hat das dann 'n Stück weit verkörpert, oder praktiziert selbst?) Ja, praktiziert, daß ich die Methode dann eben auch versucht hab" zu praktizieren und dann (*), so, ne?“ (Heike, Z. 626 - 631)

Wir wollen nicht behaupten, daß die von den Befragten geschilderten Erfahrungen, in jedem Falle voll und ganz, auf die meditative Praxis und die begleitende buddhistische Auseinandersetzung zurückzuführen sind. Dennoch sagen wir, daß Meditation durchaus als eine Art „Katalysator“, zur Initiierung konstruktiver Persönlichkeitsarbeit, angesehen werden kann. Aus diesem Grund möchten wir hier nochmals die unter Punkt 2.7.2 („Entwicklungspotential für das Selbst“) erwähnten, sich längerfristig einstellenden psychischen Auswirkungen, insbesondere Selbsterfahrung und wachsendes Selbstbewußtsein, hervorheben.

Die von den Befragten erlebte, durch Meditation in Gang gesetzte, Auseinandersetzung meinen wir in den Stadien 4 („Kampf“)[130] und 5 („Arbeit“)[131] in den von Engel (1998, Teil A, S. 7 - 10) beschriebenen meditativen Entwicklungsstadien wiedergefunden zu haben (vgl. Kap. 2.6: „Meditation als Gegenstand psychologischer Forschung“).

Die die Auseinandersetzung oft einleitende Verwirrung [132] könnte durchaus der von Wilber (1990)[133] beschriebenen „Lockerung der Ich-Ubersetzung“ entsprechen (vgl. Wilber, 1990, S. 164), die mit dem Auftauchen von verdrängtem Material (vgl. ebd., S. 162f) einhergehen kann. Ob dieser Vorgang in der Tat Indiz, gar Bestätigung dafür ist, daß Meditation, wie Wilber meint, gerade bei der Überwindung des Ich-Bewußtseins hin zu den, von ihm beschriebenen, transpersonalen Bewußtseinsstufen von Bedeutung ist (vgl. ebd., S. 158) können wir nur annehmen.

Darüber hinaus scheint sich in unseren Daten die von Engel beschriebene Stufe 1 („Verlorenheit“)[134] wiederzufinden. Anfänglich meditieren auch unsere Befragten für sich, Kontakt mit anderen Meditierenden erfolgte sporadisch und wenig geplant[135]. Belege für die weiteren Stufen (Getragensein, Geborgensein)[136] mit ihrer sehr positiven Ausrichtung, konnten wir in dieser Form nicht finden. Vielmehr bestätigte sich, daß auch bei fortgeschrittenen Meditationsbiographien Meditation schwerfallen kann.

Wir haben durch unsere Herangehensweise und die aus ihr resultierenden Forschungsergebnisse erkannt, daß Meditation für die persönliche Entwicklung eines Menschen von enormer Bedeutung sein kann. Wir erachten es deshalb für wichtig, daß die Meditationsforschung vermehrt Entwicklungsprozesse unter Meditation betrachtet und theoretische Modelle mit Bezugnahme auf tatsächliche Biographien entwickelt.

Vielleicht ist es uns ja gelungen, soweit dies im beschränkten Rahmen einer Diplomarbeit möglich ist, einen Schritt in diese Richtung zu gehen und die oft sehr theorielastigen Konzepte mit konkret-menschlichen Geschichtsbeispielen etwas anzureichern.

GLOSSAR

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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42 Z.B.: unbemerkte Aspekte von Erfahrungen, Erinnerungen, die nicht verdrängt worden sind, sondern nur vergessen wurden oder dem Vorbewußten entstammen

[...]


[1] Das Desinteresse an Glauben und Kirche ist neben den Kirchenaustrittszahlen wohl am deutlichsten an den sonntäglichen Gottesdiensten erkennbar. „Viele Pastorinnen und Pastoren erlebenjeden Sonntag als eine persönliche Niederlage, wenn sie bloß 10 oder 15 Leute predigen müssen“ (Käßmann, 1999).

[2] Einen guten Überblick über den Berliner „Esoterik-Markt“ bietet das in Berlin monatlich erscheinende Magazin „Sein“ (One World Verlag) oder das kostenlos verteilte Anzeigenmagazin „Körper Geist Seele“ (Körper Geist Seele Verlag).

[3] Als Beispiel sei hier verwiesen auf die Organisation „Tara Rokpa“ (tibet.: Rokpa = helfen, dienen beistehen) oder dem „Karuna-Verein für kontemplative Psychologie“.

[4] näheres dazu in Kap. 2

[5] Diesen Ausdruck haben wir dem buddhistischen Kompendium von Ediriweera (1990) entnommen.

[6] Runde der Wiedergeburten (Anm. Jhana Verlag [Hrsg.])

[7] sitzen in Versunkenheit (vgl. Fontana, 1997, S. 188)

[8] Die Überschriften haben wir der zitierten Abhandlung entnommen.

[9] kurze Erklärung unter Pkt. 2.4: „Meditation und Gebet“

[10] vgl. Pkt. 2.7.1: „Mit Meditation Defizite ausgleichen“

[11] (lt. Fontana, 1997): Naranjo, C. (1989). How to Be. Jeremy Tarcher.

[12] i.S. des Schwindens der generalisierten Realitätsorientierung (Bewußtsein von der Umgebung und der üblichen Denk- und Wahrnehmungsweise)

[13] (lt. Fontana, 1997) nach: Ward, T. (1992) Wovon der Buddha nichts erzählte. München: Goldmann.

[14] in psychoanalytischem Sinne

[15] nach Störig (1993, S. 35): mythologische und religiöse Schriften der ersten Hauptperiode indischer Philosophie (ca. 1300 - 500 v.Chr.)

[16] nach Meyers Lexikonredaktion: (1989, S. 3915): zum vedischen Schrifttum gehörende, philosophische Schriften (ab ca. 800 v.Chr.)

[17] Fontana's Systematisierung zufolge eine „fließende” Meditation. (Der Meditierende konzentriert sich auf eine bestimmte Vorstellung [etwa „Gott ist Liebe”] oder auf ein bestimmtes Symbol [z.B. das Kreuz], verbleibt hierbei aber nicht, sondern läßt Einsichten, Visionen, bis hin zu ekstatischen Seinszuständen, die als Reaktion entstehen können, zu [vgl. Fontana, 1997, S. 110f]). Man bezeichne diese Form der Meditation auch als Kontemplation (vgl. ebd.).

[18] Wie wir bei unserer Recherche über Meditation feststellten, finden sich heute vereinzelt christliche Einrichtungen, die Meditation als Versenkungsmethode wiederentdecken (z.B.: Philipp-Melanchton- Kirche, Bln.-Neukölln oder die evangelische Tagungsstätte „Haus der Stille“, Berlin).

[19] z.B.: LSD, Meskalin etc.

[20] Originaltitel: „Freedom In Meditation“ (siehe Literaturverzeichnis)

[21] Synchronisationstendenz in der zentralen und frontalen Region der Hirnrinde

[22] In beiden Abhandlungen finden sich zahlreiche Verweise auf diverse andere empirische Studien über Meditation.

[23] vgl. auch Scharfetter, 1992, S. 50

[24] Unter anderem werden die Verbesserung der akustischen Diskrimination sowie Hörschwellensenkung genannt (vgl. Vaitl, 1978, S. 2124).

[25] Carrington erwähnt beispielsweise den Experimentator-Effekt: „Jede wissenschaftliche Arbeit wird auf irgendeine Weise durch die menschlichen Grenzen und die Erwartungen des Experimentators beeinflußt, und dieser verzerrende Einfluß kann nie ganz ausgeschaltet werden” (Carrington, 1996, S. 82).

[26] Auf dieses Problem weist auch Carrington (1996, S.87) hin. In diesem Zusammenhang sollte auch das Kapitel „Die andere Seite der Forschung” Beachtung finden, in dem sie sich ausführlich mit der Relativierung wissenschaftlicher „Pionierarbeiten” zum Thema Meditation beschäftigt (vgl. Carrington, 1996, S. 80ff).

[27] Meditierende verfügen meist über höhere Schulbildung (vgl. Engel, 1998, Teil A, S. 4); Freunde, Gemeinschaft sind für den meditativen Weg von großer Bedeutung, etc. (vgl. Engel, 1998, Teil B, S. 1).

[28] erhöhter Blutdruck

[29] Ferner sei auf die von Dr. O. Carl Simonton entwickelten Meditationsmethoden zur Unterstützung der Heilung (meist in Kombination mit Strahlentherapie und Psychotherapie) von Geschwulstleiden verwiesen. Eine ausführliche Darstellung findet sich in: Simonton, O. C., Matthews-Simonton, S. & Creighton, J. (1982). Wieder gesund werden. Hamburg: Rowolth. (Im Original erschienen 1978: Getting Well Again).

[30] Fähigkeit sich getrennt von der Umgebung wahrzunehmen

[31] Das Uber-Ich ist, nach Carrington, in der Hauptsache verbal verankert worden. Während der Meditation würde es, durch die Ausblendung der Sprachzentren, zur Distanzierung von der inneren Stimme des Gewissens kommen, was eine neue Selbsterfahrung möglich mache (vgl. Carrington, 1996, S. 302).

[32] Nach Kriz (1992) dient Transpersonale Psychologie „als Sammelbegriff für eine Strömung aus sehr heterogenen Ansätzen. Zur ihrem Gegenstandsbereich zählen Phänomene wie veränderte Bewußtseinszustände, spirituelle Erfahrungen, Gipfelerlebnisse, Erleuchtung, Ekstase, Grenz- und Sterbeerfahrungen, außersinnliche Wahrnehmung/Erkenntnis usw. ... Im wesentlichen geht es um die Erfahrungen und Erklärung von Veränderung und/oder Ausdehnung des ,normalen’ Wach-Bewußtseins und der ‘üblichen’ Ich-Grenzen - Wahrnehmungen und Erlebnisse, die den Rahmen gängiger Alltagserfahrungen sprengen” (Kriz, 1992, S. 797).

[33] Organisiertheit die auf linearem, verbalem Denken beruht (vgl. Wilber, 1990, S. 46)

[34] z.B.: Piaget, Maslow, Kohlberg etc.

[35] Das Kind hält beispielsweise Ausschau nach einer Rassel, die unter einem Kissen versteckt ist.

[36] Die Paratax entspricht der frühkindlichen „Welt... der magischen Bilder” (Wilber, 1990, S. 46), die erst nach und nach zur Syntax (Welt des linearen, verbalen Denkens) wird (vgl. ebd.).

[37] mit ca. 21 Jahren

[38] Obwohljede Transformation, mit der Ausnahme der Letzten, quasi nur ein Etappenziel auf dem Weg zur höchsten Einheit, bzw. Wirklichkeit (Atman) darstellt, stehtjede doch immer, symbolisch, für das, auf was sie sich letztendlich bezieht. Somit hat die symbolische Struktur für Wilber eine besondere Bedeutung (vgl. Wilber, 1990, S. 67ff). Dies schlägt sich in der Namensgebung der psychischen Stufen nieder. So steht beispielsweise der Uroboros, das Sinnbild der mythischen Schlange die ihren eigenen Schwanz frißt „und eine in sich geschlossene, noch undifferenzierte Masse ... ist” (ebd. S. 24), symbolisch für die weitgehend undifferenziert-archaische, „überwiegend ozeanische” Bewußtseinsstufe der frühen Kindheit (vgl. ebd.). Und der Zentaur, „jenes berühmte mythologische Wesen mit einem Tierkörper und einem menschlichen Geist, die in einem Zustand perfekten Einklangs koexistieren” (ebd. S. 81), soll i.d.S. für die Ebene des integrierten Bewußtseins, „in dem Geist und Körper auf harmonische Weise vereinigt sind”, stehen (vgl. ebd., S. 81).

[39] Atman = höchste Wirklichkeit (Wilber, 1990, S. 167)

[40] Die Bewußtseinsstufe des Zentauren stellt, beispielsweise, solch einen Versuch dar, in dem das ganze Ich sowie auch alle vorangegangenen niedereren Stufen, integriert sind (vgl. Wilber, 1990, S. 109). Doch selbst diese fortgeschrittene Stufe der Bewußtseinsevolution müsse überwunden, bzw. transzendiert werden, denn auch sie würde letztendlich nur eine Ersatzform, für die zu erreichende, transpersonale Einheit darstellen (vgl. ebd., S. 181).

[41] Das Grund-Unbewußte ist, nach Wilber, eine Art Bauplan oder Entwicklungskonzept das vonjedem, in gleicher Weise ererbt wird (vgl. Wilber, 1990, S. 142f). „Der Fötus ‘besitzt’ das Grund-Unbewußte; essentiell ist er alle Tiefenstrukturen, die als Potentiale existieren und bereit sind, durch Erinnerung zu irgendeinem zukünftigen Zeitpunkt aufzutauchen” (ebd. S. 142). Wobei die Tiefenstrukturen, „die noch nicht aus dem Grund-Unbewußten aufgetaucht sind, als auftauchendes Unbewußtes bezeichnet” werden (vgl. ebd., S. 154).

[42] ZB:unbemerkte Aspekte von Erfahrungen, Erinnerungen, die nicht verdrangt Worden snid, sondern nur vergessen wurden oder dem Votbewubten entstammen

[43] u.a. zur Desensibilisierung, Angstreduktion (vgl. beispielsweise Carrington, 1996, S. 138ffund Linden, 1993, S. 211f), zurBehandlungvonDepressionen (z.B. Carrington, 1996, S. 246ff und Linden, 1993, S. 215), im Rahmen der Suchtprävention (z.B. Carrington, 1996, S. 189ff und Vaitl, 1978, S. 2124)

[44] Wiese, Bach, Waldrand etc.

[45] Bsp. für Gefährdung: schlechtes „Einwohnen” im Leib, Bsp. für Krise: Depersonalisation, Auflösung

[46] Bsp. für Gefährdung: segmentierte Persönlichkeit, Bsp. für Krise: Kontroll-, Realitätsverlust

[47] Bsp. für Gefährdung: unsichere, abhängige, konfliktbeladene Beziehung, Bsp. für Krise: Isolation

[48] Bsp. für Gefährdung: Flucht aus der Realität, Bsp. für Krise: Ausgeliefertsein an kosmische Kräfte

[49] vgl. Kap. 2.6

[50] vgl. Pkt. 2.2.1

[51] siehe Punkt 2.7.3

[52] siehe Kap. 2.6

[53] Neben den im Teil 2 unserer Arbeit vorgestellten Werken, waren dies Erfahrungsberichte von Meditierenden (Pannnapadipo, 1997), buddhistische, bzw. esoterische Zeitschriften (verschiedene Ausgaben von „Lotusblätter“, „Ursache und Wirkung“, „Sein“) und andere, zum Teil auch populärwissenschaftliche Abhandlungen über Meditation.

[54] Aus dem Raum Berlin waren dies:

- Das Buddhistische Haus, (Edelhofdamm 54, 13456 Berlin), in dem es Listen über Berliner Meditationsgruppen, sowie eine buddhistische Bibliothek gibt
- Buddhistische Gesellschaft Berlin, (Wulffstr. 6, 12165 Berlin).
- Seminar und Gästehaus Hammer, (Klein Hammer 1, 15748 Hermsdorf), ein alternatives Wohn- und Arbeitsprojekt, mit der Möglichkeit zu Meditation und innerer Einkehr.
- Philipp-Melanchton-Kirche, (Kranoldstr. 16, 12051 Berlin-Neukölln), eine evangelische Kirchengemeinde, in der ein regelmäßiges Angebot an Meditationskursen, Vorträgen und Seminaren besteht.

[55] Im Verlauf unserer Forschungsarbeit erwies es sich dabei als sehr sinnvoll sich gegenseitig zu supervidieren und auf in Interviews unbewußt einfließende Vorannahmen aufmerksam zu machen.

[56] im Einzelnen waren dies:

Bartello, A. (1994). Soka-gakkai- die Umkehr des ursprünglichen Buddhismus. Online im Internet: URL: http://www.ref.ch/zh/infoksr/soka-gakkai.html [Stand: 13.12.98]

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Soka Gakkai Internationale Deutschland e.V.,- Herzlich willkommen! Online im Internet: URL: http://www.sgi-d.org/sgi/sg_info.cfm [Stand: 5.1.99]

[57] Diese Kategorien veränderten sich im weiteren Forschungsverlauf. Aus Missionierung wurde z.B. ein zentraler Aspekt, den wir später mit „Weitergabe von Wissen, Erfahrungen und Erlebnissen an Außenstehende“ (Kap. 4.8) kodierten, die Kategorie Disziplin nahm hingegen nur einen eher untergeordneten Einfluß in der Gestaltung der dimensionalen Ausprägung „Hilfe bei der Gestaltung einer regelmäßigen Praxis“ (Kap. 4.7.3.1) ein.

[58] Eine Forderung, die auch Lamnek (1993) mit dem „Prinzip der Zurückhaltung durch den Forscher“ stellt, in dem er über den Interviewpartner aussagt: „Er ist nicht nur Datenlieferant, sondern determiniert als Subjekt das Gespräch qualitativ und quantitativ“ (ebd., S. 64).

[59] Auf unsere Frage im Schlußteil des Interviews, wie das Gespräch erlebt wurde, gaben uns die Forschungsteilnehmenden ein positives Feed-back. Wir schlossen daraus, daß sie sich im Gespräch wohl fühlten und die gemeinsam hergestellte Gesprächssituation ein verhältnismäßig hohes Maß an Alltagsnähe und situativer Authentizität besessen hatte.

[60] Im Nachhinein stellte sich diese Vorgehensweise als vorteilhaft heraus, da alle Befragten ablehnende Erfahrungen ihrer Umwelt in Zusammenhang mit Buddhismus und Meditation kannten. Wie im Forschungsteil dieser Arbeit noch näher ausgeführt, entwickelten die Befragten im Kontakt mit „Nichtmeditierenden“ mit der Zeit einen vorsichtigeren und zurückhaltenderen Umgang.

[61] Die von uns ausgegebene Datenschutzerklärung ist dem Anhang der Arbeit beigefügt.

[62] Als Beispiel ist im Anhang der Leitfaden des zuletzt durchgeführten Interviews beigelegt, der eine Auflistung von Fragen enthält, die uns auf Grund der sich entwickelnden Theorie wichtig erschienen.

[63] Die Transkription erfolgte in Anlehnung an die Transkriptionsempfehlungen von Legewie & Paetzold- Teske. (1996). TU Berlin, FB 07, Institut für Psychologie.

[64] Quelle: Eine eingeschränkte Demoversion von Atlas-TI haben wir unter URL: http://www.atlasti.de, eine kostenlose Demoversion von Winmax unter URL: http://www.winmax.de/ddemo.htm erhalten.

[65] Die so herausgefilterten Konzepte gingenjedoch nicht verloren, sondern wurden als Memos notiert. Im späteren Verlauf des Forschungsprozesses konnten diese Memos teilweise wieder verwendet werden und auf weitere wichtige Aspekte aufmerksam machen.

[66] Die „zentralen Aspekte unseres Forschungsgegenstandes“ sind dargestellt in der Zwei-Ebenen­Gliederung, z.B.: „4.5 Intellekt vs. Glauben“.

[67] Die „Dimensionale Ausprägungen“ sind dargestellt in der Drei-Ebenen-Gliederung, z.B. 4.5.1: „Aneignung von Welt durch Verstehen“.

[68] Kategorien sind dargestellt in der Vier-Ebenen-Gliederung, z.B. 4.5.1.1: „Meditation und Buddhismus aus dem Blickwinkel eines positivistisch-wissenschaftlichen Weltverständnisses“. Die Drei-Ebenen­Gliederung, als auch die Vier-Ebenen-Gliederung, finden des weiteren vereinzelt auch Verwendung zur Gliederung von ergänzenden Erläuterungen oder Zusammenfassungen.

[69] 1. steht für Interviewer; I.1, bzw. I.2 für Erst-, bzw. Zweitinterviewer.

[70] Eine solche Form der spontanen und eher unverbindlichen Annäherung an Meditation ist in buddhistischen Ländern Südostasiens (z.B. Thailand, Laos oder Sri Lanka) eher unüblich. Dort ist der Zugang zu Buddhismus gesellschaftlich verankert, beispielsweise durch rituelle Tempelfeste oder dem Brauchtum, mindestens einmal im Leben für mehrere Monate ein Mönchsleben im Kloster zu führen. (vgl. Faßnacht, 1978, S. 66). Ein freier Zugang zu Meditation als Versenkungsmethode ohne religiösen und kulturellen Überbau scheint, unseren Erfahrungen nach, dort kaum denkbar.

[71] Zentrales Werk der Hare Krishna-Bewegung*

[72] Das geforderte Studium ist hierbeijedoch nicht am Einzelnen ausgerichtet, sondern bezieht sich vor allem auf das Studieren der buddhistischen Lehre, wie sie von der Nichiren-Soshu* begriffen wird (vgl. Snelling, 1991, S. 294).

[73] Versammlungshalle der Soka Gakkai

[74] von uns als „konkret-thematische Erlebnisse“ kategorisiert

[75] Eine thematische Verankerung ist hier nicht genannt worden, deshalb wurde dieses Erlebnis als „konkrete Zustandsänderung“ kategorisiert.

[76] vgl. hierzu auch die Punkte

4.1.1.3: „Vernetzung mit anderen Meditierenden, bzw. Buddhisten auf niederschwelligem Niveau“

4.7.2: „Eingebettet sein in neue Strukturen“

4.7.3: „Vernetzung bietet Unterstützung durch andere Meditierende“

[77] kategorisiert als „Paradigmatisches Ineinandergreifen von Praxis - Glaube - Studium“

[78] Kategorie: „An der Situation orientierte Anpassung der Praxis“

[79] Kategorie: „Kreative Praxis infolge defizitärer Zustände“

[80] Hier zeigt sich im übrigen auch, daß eine gefestigte, weit fortgeschrittene Meditationsbiographie der Regelmäßigkeit nicht mehr unbedingt bedarf um ihr Selbstverständnis aufrecht zu erhalten.

[81] Kategorie: „Kreative Praxis infolge defizitärer Zustände“

[82] kategorisiert als „Persönliche Zuschreibungen (Selbsteinschätzung)“

[83] Heike äußert hierzu ergänzend, daß auch „blinder Glaube“, in bestimmten Lebenssituationen, von Nutzen sein kann (vgl. Heike, Z. 487ff).

[84] Der Vergleich und entsprechend die Abgrenzung zu Christentum erscheint uns nicht zufällig, sondern als sich anbietend, da alle Befragten in unserem, christlich geprägten Kulturraum aufgewachsen und sozialisiert sind.

[85] siehe Pkt. 4.6.3.1: „Grundlegendes Vertrauen“

[86] Verwiesen sei auf die Bedeutung des Literaturstudiums, auf die wir in Pkt. 4.1.1.1 und Pkt. 4.1.2.1 näher eingehen.

[87] vgl. Kap. 4.1.1.3: „Vernetzung mit anderen Meditierenden, bzw. Buddhisten auf niederschwelligem Niveau“

[88] siehe auch Kap. 4.1.2.2: „GezieIte Suche nach Vernetzung mit anderen Mcditierendcn/Buddhisten"

[89] vgl. Kap. 4.1.1.3: „Vernetzung mit anderen Meditierenden, bzw. Buddhisten auf niederschwelligem Niveau“

[90] vgl. Kohler, 1962, S. 230ff: „Die besondere Mission der Nichiren-Shoshu und Soka Gakkai“, oder Bartello, A. (1994): „Soka-gakkai - die Umkehrung des ursprünglichen Buddhismus“

[91] Die Analogie vom Therapeuten als Wissenden ist dabei als rein assoziativ zu verstehen und gibt nicht unsere Haltung zur Psychotherapie wieder.

[92] Dies kann natürlich auch mit der Dynamik des Interviewverlaufes zu tun haben.

[93] Sie meint damit auch das Erleben von spontanmeditativen Bewußtseinszuständen.

[94] vgl. Pkt. 4.6.2: „Eindeutige Distanzierungen und Ablehnung von Glaubensinhalten“

[95] Kategorie „persönlich bedeutend“

[96] Kategorie „persönliche Einstellungen stützend“

[97] Das es sich meist um „handlungsleitende“ Ansprüche handelt verweist bereits darauf, daß es um Ansprüche geht, die die Befragten an sich selbst richten, was sich auch in entsprechenden Kategorisierungen niederschlägt, z.B.: „Anspruch auf Selbstreflexion“, „Anspruch etwas nach außen zu tragen“ oder „Anspruch der buddhistischen Ethik zu genügen“.

[98] Diese verallgemeinerbaren Aussagen sind im Kapitel 4, als „zusammengefasste Ergebnislage“ der Erläuterung der verschiedenen „zentralen Aspekte unseres Forschungsgegenstandes“ vorangestellt.

[99] vgl. Pkt. 4.1.1: „Die spontane, unverbindliche Annäherung an Meditation“

[100] vgl. Pkt. 4.1.1.2: „Zugang über Begeisterung und persönliche Affinität zu Teilbereichen des meditativ­buddhistische Feldes“

[101] vgl. Kapitel 4.2: „Zunehmendes Verstehen meditativer Erlebnisse“

[102] vgl. Pkt. 4.2.1: „Gegenstandslos-diffuse Meditationserlebnisse“

[103] vgl. Pkt. 4.3.1: „(diffuse) Empfindungen“

[104] vgl. Pkt. 4.4.1: „Anfänglich, relativ unreflektiertes, formal-rituelles Ausüben einer Meditationspraxis“

[105] vgl. Pkt. 4.4.1.1: „Zeremoniell-formal dominierte Praxis“

[106] vgl. Pkt. 4.6.1: „Irritationen, Verunsicherungen“

[107] vgl.: 4.2.1.2: „Beängstigende, innerweltliche Sensationen“ und auch 4.3.1.2: „sensitiv-emotionale Empfindungen“ mit negativer Färbung“

[108] vgl. : 4.5.1.2: „Abgrenzung zum Christentum - Abgrenzung zum Unwissenschaftlichen“

[109] vgl. 4.5.1.1: „Meditation und Buddhismus aus dem Blickwinkel eines positivistisch­wissenschaftlichen Weltverständnisses“

[110] vgl. Pkt. 4.1.2: „Geplante, aktive Annäherung“

[111] vgl. Pkt. 4.1.2.1: „Gezielte, intellektuelle Auseinandersetzung“

[112] vgl. Pkt. 4.1.2.2: „Gezielte Suche nach Vernetzung mit anderen Meditierenden/Buddhisten“

[113] vgl. Pkt. 4.7.3.1: „Hilfe bei der Gestaltung einer regelmäßigen Praxis“ / 4.7.3.3 „Möglichkeit für einen intellektuellen Austausch“

[114] vgl. Pkt. 4.7.3.2.: „Emotionale Unterstützung“

[115] Insbesondere in diesem Zusammenhang erwies sich die Samplingmethode der maximalen strukturellen Variation (siehe Pkt. 3.2.3), im Konkreten, die Wahl von Fido als Interviewpartner, der nicht, wie die anderen, vor einem buddhistischen Hintergrund meditiert, als fruchtbar.

[116] vgl. Pkt. 4.9.1: „Verortung von Vergangenem“

[117] vgl. Pkt. 4.4.2.2: „Meditationspraxis istverbunden mit Selbstreflexion“

[118] als „Bewertungen, die sich auf die weltliche Vergangenheit beziehen“ unter 4.9.1 :„Verortung von Vergangenem“ kategorisiert

[119] vgl. Pkt. 4.2.3: „Erkenntnisartige, komplex-begreifende meditative Erlebnisse“

[120] vgl. Pkt. 4.3.4: „Konzeptualisierte Erfahrungen“

[121] vgl. Pkt. 4.4.3: „subjektdominierte Praxis“ und 4.4.4: „Praxis nach subjektgeleiteten Methodenkreationen“

[122] vgl. Pkt. 4.6.2: „Eindeutige Distanzierung und Ablehnung von Glaubensinhalten“

[123] vgl. Pkt. 4.8.3: „Die partnerzentrierte Weitergabe“

[124] vgl. auch Pkt. 2.6: „Meditation als Gegenstand psychologischer Forschung“

[125] vgl. Pkt. 2.7.1: „Mit Meditation Defizite ausgleichen“

[126] vgl. Pkt. 2.2: „‘Mind culture’ - Schulung des Geistes mittels anderer Bewußtseinszustände“

[127] vgl. Pkt. 2.2.1 : „Meditation strebt Ziele jenseits der Entspannung an“

[128] entsprechende Literatur, buddhistische Gruppen denen die Befragten angehören, buddhistische Lehrer etc.

[129] vgl. z.B. Pkt. 4.4.2: „Von persönlicher/intellektueller Auseinandersetzung gekennzeichnete Praxis“

[130] „Kampf“: Hierbei handele es sich um die Stufe der „Problembewältigung mit intra- und interpsychischen Auseinandersetzungen - bis zum Kampf“ (vgl. Engel, 1998, Teil A, S. 7f).

[131] „Arbeit“: Auf die Entwicklungsstufe der Auseinandersetzung folgt eine eher ruhige Ebene, auf der Meditation oft wie eine Art Arbeit erlebt werde, die möglichst ruhig und selbstverständlich zu tun ist (vgl. Engel, 1998,TeilA, S. 9).

[132] vgl. z.B. Pkt. 4.6.1: „Irritationen, Verunsicherungen“

[133] vgl. hierzu auch Pkt. 2.7.3: „Entwicklungspsychologische Perspektiven? - Ein kleiner Exkurs in die Transpersonale Psychologie“

[134] „Verlorenheit“: Diese Entwicklungsstufe beschreibt die Isolation des Anfängers, der ohne Erfahrung ist (vgl. Engel, 1998, Teil A, S. 7ff).

[135] vgl. Pkt. 4.1.1.3: „Vernetzung mit anderen Meditierenden, bzw. Buddhisten auf niederschwelligem Niveau“

[136] vgl. Engel, 1998, Teil A, S. 7ff.

Ende der Leseprobe aus 171 Seiten

Details

Titel
Von Meditation begleitetes Leben
Untertitel
Eine qualitative Forschung zu subjektiven Erfahrungen mit meditativer Praxis
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,0
Autoren
Jahr
1999
Seiten
171
Katalognummer
V204403
ISBN (eBook)
9783656308690
ISBN (Buch)
9783656311553
Dateigröße
947 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Meditation, Qualitative Forschung, Biografieforschung, Buddhismus
Arbeit zitieren
Steffen Taubert (Autor:in)Carol Varga (Autor:in), 1999, Von Meditation begleitetes Leben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204403

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