Wie man ein politisches Gemeinwesen gründet - Machiavelli und Locke

Politische Theorien des 16. und 17. Jahrhunderts


Hausarbeit, 2007

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Niccolò Machiavelli
2.1 Biographie und historischer Kontext
2.2 Die Frage nach der richtigen Regierungsform
2.3 Machiavellis Menschenbild und Denkansatz
2.4 Staatsorganisation nach Machiavelli am Beispiel Florenz
2.5 Allgemeine Betrachtungen zur Verfassungsgebung

3. John Locke
3.1 Biographie und historischer Kontext
3.2 Der Naturzustand bei Locke
3.3 Staatsgründung durch Gesellschaftsvertrag
3.4 Ideale Staatsorganisation

4. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Diese Referatsausarbeitung wird das Thema „Wie man ein politisches Gemeinwesen gründet“ am Beispiel zweier Denker des 16. und 17. Jahrhunderts behandeln.

Zunächst wird der florentinische Politiker, Dichter und Staatsmann Niccolò Machiavelli herangezogen. Da sich seine Werke nur schwer aus ihrem spezifischen historischen Kontext lösen lassen, wird ein knapper historischen Überblick geliefert, um zu zeigen, welchen Problemen sich Machiavelli in der Zeit der Renaissance, speziell im Stadtstaat Florenz gegenüberstand. Es folgt ein Versuch, Denken und Verständnis dieses umstrittenen politischen Pragmatikers in groben Umrissen darzustellen, um seine Gedanken über Politik und Staatsführung besser verstehen zu können. Anschließend wird sein eigener Verfassungsentwurf bzw. seine Idee eines politischen Gemeinwesens, zu finden in seiner kurzen „Denkschrift über die Reform des Staates von Florenz“, vorgestellt. Hier wird bewusst darauf verzichtet, zu detailliert die einzelnen Ämterverteilungen und Amtslaufzeiten zu erläutern, da vielmehr eine allgemeine Betrachtung über seine Verfassungsvorstellungen gewonnen werden soll.

Als zweiter großer Theoretiker wird John Locke mit seinen „Zwei Abhandlungen über die Regierung“ herangezogen, um seine Idee der Staatsgründung durch einen Gesellschaftsvertrag darzustellen. Es wird sich zeigen, dass dieser Vertreter der Aufklärung ein ganz anderes Menschenbild und Verständnis von politischer Ordnung hat. Auch folgt Locke der Tradition der Naturrechtslehre und fragt sich zunächst, wie die Menschen ursprünglich, d.h. herrschaftslos, lebten. Hier muss bedacht werden, dass es den Sozialvertragstheoretikern jedoch nicht primär um eine historische Theorie der Staatsentstehung ging, da sie vielmehr die Absicht verfolgten, die Legitimität politischer Herrschaft auf rationale Weise zu begründen.[1] Und auch Machiavelli als politischer Realist wollte keine Theorie der Staatsentstehung begründen, sondern eine praktische Anleitung liefern, wie sich Stabilität und Ordnung in Florenz herstellen lassen.

2. Niccolò Machiavelli

Wie schon in der Einleitung erläutert, werden zunächst Machiavellis Ausführungen dargestellt, um anschließend auf John Locke einzugehen.

2.1 Biographie und historischer Kontext

Niccolò Pietro Michele Machiavelli wurde am 3. Mai 1469 in Florenz als Sohn eines Juristen in eine florentinische, wenngleich auch verarmte Patrizierfamilie, hinein geboren. Sein Leben fällt in die Zeit der Reformation und Renaissance, wie auch der Zeit der Etablierung moderner Kapitalwirtschaft, der Expansion des Handels, sowie „der Interventionen Frankreichs, Deutschlands und Spaniens in Italien, einer Transformation der päpstlichen in weltliche Herrschaft und eines mehrfachen Herrscher- und Verfassungswechsel in Florenz.“[2] Dies brachte starke soziale Differenzierungen, wie auch politische und soziale Destabilisierungen mit sich.

Seine Heimatstadt, der Stadtstaat Florenz, war ein Mach- und Kulturzentrum der Renaissance und besaß für eine gewissen Zeit sogar quasi-demokratische Strukturen. Ebenso unterdrückte es jedoch die übrige Toskana und auch politische Korruption, Ausbeutung und Sklaverei waren alltäglich.[3] Es war gänzlich eine bewegte Zeit in Florenz. Beginnt man mit Machiavelli im Jahre 1339, sind zunächst Versuche des Aufbau einer Aristokratie zu konstatieren. Es „folgte die Regierung der Medici, die mehr monarchisch als republikanisch war.“[4] Nach Cosimo und seinem Enkel Lorenzo folgte dessen Sohn Piero. Nach der Vertreibung des tyrannisch herrschenden Piero de Medici 1494 errichtete Girolamo Savonarola seinen so genannten Gottesstaats. Nach dessen Hinrichtung kehrten die Medici als Herrscherfamilie zurück nach Florenz.[5]

Machiavelli beschäftigte sich intensiv mit diesen instabilen Verfassungen vor und während seiner Zeit. Seine Diagnose für das Scheitern der bisherigen Verfassungen besagt, „daß jedesmal die Reform der früheren Verfassung nicht zur Beförderung des allgemeinen Wohles vorgenommen wurde, sondern zur Verstärkung und Sicherheit einer Partei.“[6]

Aber er war nicht nur Theoretiker, sondern auch aktiv im politischen Leben integriert, da er 1498 Sekretär der Republik Florenz wurde. Auch wurde er Beamter mit weitreichenden Aufgaben und seine diplomatischen Gesandschaften führten ihn in den Vatikan und an verschiedene Höfe und Fürstentümer Europas.[7] Machiavelli erlebte 1492 den Tod Lorenzo de' Medici, die nachfolgende Vertreibung der Medici, wie auch den den Aufstieg und Fall Savanarolas.[8] Den politischen Umschwüngen seiner Zeit fällt schließlich auch Machiavelli 1512 zum Opfer. Er, der fälschlich der Mitverschwörung gegen die Medici verdächtigt wird, wird verhaftet, gefoltert und schließlich wieder freigelassen. In der nun ansetzenden zweiten Phase seines Lebens zieht er sich von 1513 bis 1525 auf ein kleines Landgut zurück und beginnt politische wie auch literarische Werke zu verfassen. In dieser Zeit begannen auch seine Ausarbeitungen zu seinen wohl wichtigsten Werken: „Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio“, welches eher eine republikanische Verfassung thematisiert und „Il principe“, das die Alleinherrschaft und Fragen zu Machterwerb und -erhaltung fokussiert. Gerade letzteres, ein systematischer Theorieansatz über die Technik politischen Handelns, prägt das Bild über Machiavelli, als einen Menschen, der sich für eine skrupellose Machtpolitik um jeden Preis ausspricht.[9] In seinen letzten Lebensjahren kann er kurzfristig einen politischem Auftrag in Venedig durchführen und eine neue Militärstrategie für Florenz konzipieren. Nachdem die Medici jedoch erneut gestürzt werden, verliert Machiavelli 1527 all seine politischen Ämter und stirbt kurze Zeit später im Alter von 59 Jahren.

2.2 Die Frage nach der richtigen Regierungsform

Machiavelli ist aufgrund der instabilen Verfassungslage ein uneingeschränkter Befürworter des starken Staates, der sich seiner Meinung nach nur in Form einer Republik oder in Form einer Monarchie (Fürstentum) realisieren lässt. „Es lässt sich kein dauerhafter Staat errichten, wenn er nicht ein wahres Fürstentum oder eine wahre Republik ist. Alle Regierungsformen, die zwischen diesen beiden liegen, sind mangelhaft.“[10] Eine Entscheidung hängt letztendlich von den äußeren Umständen ab. So scheint in guten Zeiten eine Republik empfehlenswert zu sein, während in Krisenzeiten ein starker Fürst benötigt wird. Auch kommt es im Sinne des normativen Verfassungsrelativismus auf die gesellschaftlichen Verhältnisse an: Wo große Ungleichheit der Bürger herrscht, wie in Mailand, ist eine Republik nur schwer einführbar. Wo jedoch große Gleichheit der Bürger aufgrund weniger Adelige herrscht, ist wiederum eine Republik schwer zu etablieren, da ein Fürst alleine, von Adel entblößt, die Herrschaft nicht halten könne.[11] Dies ist auch in Florenz der Fall, so dass hier das Staatsinteresse empfiehlt eine republikanische Ordnung bzw. Verfassung einzuführen, um die sozialen und politischen Krisen zu bewältigen.[12]

Der Florentiner knüpft hiermit an die vorgefundenen Verhältnisse an und kann als politischer Pragmatiker verstanden werden, der sein Denken als Anleitung zum Gebrauch versteht. Die wechselnden Herrschaften in Florenz beschäftigten ihn so, dass er die Frage nach der Gewährleistung der Selbsterhaltung des Staates und seiner Stabilisierung beantworten möchte. Machiavelli konstruiert schließlich einen eigenen Verfassungsentwurf, den er 1520/21 in seiner Denkschrift über die Reform des Staates von Florenz, Papst Leo X. vorlegt.[13]

Sein Ziel, eine Republik in Florenz, bedeutet aber auch eine Umstrukturierung der bestehenden Ordnung, die er jedoch nur durch einen starke Persönlichkeit, wie einem Fürsten, als realisierbar ansieht, da er nicht so hohe Erwartungen an die Tugend und Tüchtigkeit der Bürger hat, als dass diese sich auf eine stabile Verfassung einigen und verständigen könnten.

2.3 Machiavellis Menschenbild und Denkansatz

Denn Machiavellis Erfahrungshorizont war die Erkenntnis, dass im Aufbruch der Renaissance die Menschen einander gnadenlose Feinde sind.[14] Weiterhin nimmt er an, dass Menschen in ihrem Handeln durch materiellen Eigennutz bestimmt sind und eine unveränderliche Trieb- und Bedüfnisnatur innehaben. So meint er, dass die Geschichte es durch viele Beispiele belegt, dass der, welcher einem Staatswesen Verfassung und Gesetzte gibt, davon ausgehen muss, dass alle Menschen schlecht sind und dass sie stets ihren bösen Neigungen folgen, sobald sie Gelegenheit dazu haben.[15] Damit nimmt er an, dass dort, wo Menschen zusammen leben, auch stets Interessenkonflikte herrschen. Darum muss es nach Machiavelli „das Ziel der Politik sein, Spannungen und Konflikte in einem gesetzlich geregelten Modus zum Austrag zu bringen, um auf diese Weise Erschütterungen des Staates zu vermeiden.“[16]

Und um einen stabilen Staat zu erreichen, muss darauf geachtet werden, dass mächtige und ehrgeizige Bürger keine Parteien bilden können, da diese den Ruin der Staaten sind.[17] Der Antagonismus zwischen Adel und einfachem Volk kann laut Machiavelli nur durch geeignete Institutionen entspannt werden (vgl.2.3 und 2.4). Neben der Vorstellung der politischen Erziehung der Bürger durch das Gesetz vertritt Machiavelli hier eine äußerst moderne Vorstellung der Institutionalsierung von Konflikten durch das Gesetz, um so Emotionen zu kanalisieren und den Bürgern ohne zerstörerische Auswirkung Genugtuung zu verschaffen.[18]

Da Ordnung und Stabilität vorrangig sind, ist die Republik auch nicht die absolute Form der Gerechtigkeit, sondern die beste erreichbare, ordnungspolitische Lösung.[19] Die Republik muss also dafür Sorge tragen, dass die konfligierenden Interessen so zum Austrag kommen, dass deren Energien sich positiv für das Allgemeinwohl auswirken.[20] Nur dort, wo das gemeinschaftliche Interesse der Bürger, ihr kollektiver Egoismus der politischen Gemeinschaft, den Staat trägt und lenkt, glaubt Machiavelli es mit einem stabilen und dauerhaften Staatswesen zu tun zu haben. Wenn es nicht gelingt, die Menschen zu überzeugen, dann läuft jede gut strukturierte staatliche Organisationsform ins Leere. Daher sieht Machiavelli die einzige Möglichkeit darin, die Bürger davon zu überzeugen, dass es in ihrem eigenen Interesse liegt, ihren Ehrgeiz in verfassungsmäßig vorgezeichneten Bahnen zu verfolgen.[21] Somit wird das „Partizipationsrecht an der Republik zu einem tragenden verfassungsrechtlichen und psychologischen Stabilitätsfaktor.“[22] Wenngleich Machiavelli nicht auf die Selbstregulierung menschlicher Handlungen vertraute.

[...]


[1] Vgl. Euchner 1996: S. 80.

[2] Taureck 2002: S. 33. Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich alle weiteren biographischen Angaben auf diese Quelle. S. 33-37.

[3] Vgl. Taureck 2002: S. 80.

[4] Machiavelli, in Münkler (Hrsg.): S. 348.

[5] Machiavelli, in Münkler (Hrsg.): S. 347-349.

[6] Machiavelli, in Münkler (Hrsg.): S. 348.

[7] Vgl. Scheider 2004: S.140.

[8] „Für Machiavelli wurde Savanarola zum Inbegriff des unbewaffneten Propheten, der notwendig scheitern muss, da er glaub, politische Herrschaft allein auf einer Botschaft, einer Ideologie errichten zu können.“ Kersting 1988: S. 15.

[9] Schneider 2004: S. 140.

[10] Machiavelli, in Münkler (Hrsg.) S. 350. „wahr“ bedeutet hier wohl, dass eine Tyrannis oder Oligarchie ausgeschlossen werden.

[11] Machiavelli, in Münkler (Hrsg.): S. 350f.

[12] Machiavelli versteht sich als Republikaner, jedoch darf seine Idee des Republikanismus nicht mit den

heutigen Vorstellungen verwechselt werden. Republiken sind für ihn alle Staaten, die keine Monarchie sind. Eine Republik ist für ihn eine durch Gesetze geordnete Staatsform, in der Einzelinteressen durch geregelte Verfahren zum Ausdruck kommen und die Bürger partizipieren können.

[13] Taureck 2002: S. 139.

[14] Schneider 2004: S. 143.

[15] Schröder 2004: S. 58.

[16] Schröder 2004: S. 67.

[17] Machiavelli, in Münkler (Hrsg.): S. 347.

[18] Vgl. Voigt 2004: S. 36.

[19] Machiavelli, in Münkler (Hrsg.): 347ff.

[20] Schröder 2004: S.68.

[21] Machiavelli, in Münkler (Hrsg.): S. 351f.

[22] Schröder 2004: S.68.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Wie man ein politisches Gemeinwesen gründet - Machiavelli und Locke
Untertitel
Politische Theorien des 16. und 17. Jahrhunderts
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V204342
ISBN (eBook)
9783656307884
Dateigröße
507 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
gemeinwesen, machiavelli, locke, politische, theorien, jahrhunderts
Arbeit zitieren
Nika Ragua (Autor:in), 2007, Wie man ein politisches Gemeinwesen gründet - Machiavelli und Locke, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204342

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