Hochwasser in Deutschland

Kategorisierung und Charakteristik, Gefahrenpotential, besondere historische Ereignisse, Prävention und Katastrophenmanagement


Examensarbeit, 2011

80 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Vorgehen

2 Allgemeines zum Phänomen Hochwasser
2.1 Charakteristik
2.2 Kategorisierung
2.2.1 Unterschiedliche Überschwemmungsarten
2.2.2 Begriffsdefinition Abfluss
2.2.3 Begriffsdefinition Hochwasserwelle
2.2.4 Direkt überschwemmungsfördernde Faktoren
2.2.5 Indirekt überschwemmungsfördernde Faktoren
2.3 Praxisbezug

3 Gefahrenpotential
3.1 Begriffsdefinition Gefahrenpotential/Risiko
3.2 Begriffsdefinition Schadenspotential
3.3 Gründe für zunehmende Gefahrenpotentiale
3.3.1 Klimatische Veränderungen im 20. Jahrhundert
3.3.1.1 Zunahme der Starkniederschläge
3.3.1.2 Zunahme der Lufttemperatur
3.3.1.3 Mildere, schneeärmere Winter
3.3.2 Veränderungen in der Landnutzung
3.3.2.1 Siedlungsentwicklung
3.3.2.2 Abholzung
3.3.2.3 Versiegelung
3.3.3 Bodensenkungen
3.4 Auswirkungen

4 HistorischeEreignisse
4.1 Hochwasser an der Oder (Brandenburg, 17. Juli 5. August 1997)
4.1.1 Ablauf.
4.1.2 Schadenspotential und weitere Auswirkungen
4.1.3 Maßnahmen für die Zukunft
4.2 Hochwasser an der Elbe (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, 11. bis 27. August 2002)
4.2.1 Ablauf
4.2.2 Schadenspotential und weitere Auswirkungen
4.2.3 Maßnahmen für die Zukunft
4.2.3.1 Verminderung des Schadenspotentials
4.2.3.2 Gewährleistung eines verbesserten Wasserrückhalts in der Fläche
4.2.3.3 SchaffungneuerRetentionsflächen
4.2.3.4 Verbindung von Hochwasserschutz mit dem geltenden Ziel der Verbesserung der Gewässerqualität
4.2.3.5 Technischer Hochwasserschutz
4.3 Hochwasser an der Donau (Bayern, Mai 1999)
4.3.1 Ablauf
4.3.2 Schadenspotential und weitere Auswirkungen
4.3.3 Maßnahmen für die Zukunft

5 Prävention und Katastrophenmanagement
5.1 Begriffsdefinitionen
5.1.1 Hochwasserschutz und Prävention
5.1.1.1 Raumordnerische Maßnahmen
5.1.1.2 Baulicher Hochwasserschutz
5.1.1.3 Organisatorische Maßnahmen
5.1.1.4 Risikovorsorge
5.1.2 Hochwasser- und Katastrophenmanagement
5.2 Forschung
5.2.1 Wissenschaftlich-technische Methoden
5.2.2 Methodische Entwicklungen während einer Dekade
5.3 Vorgehensweise in unterschiedlichen Einzugsgebieten
5.3.1 Kleine Einzugsgebiete
5.3.2 GroßeEinzugsgebiete

6 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wasserkreislauf.

Abbildung 2: Abflussprozess

Abbildung 3: Ablauf einer Hochwasserwelle

Abbildung 4: Muren und Hochwasser um Landeck

Abbildung 5: Überschwemmung eines stark versiegelten Gebietes - Hochwasser in Köln

Abbildung 6: Zusammenwirken von natürlichen und anthropogenen Faktoren auf das Hochwasserrisiko

Abbildung 7: Überschwemmung im Mississippi-Gebiet 1993. Gebiet um St. Louis, Missouri, im August 1991 und 1993

Abbildung 8: Große Hochwasserkatastrophen weltweit (Auswahl) - Europa 1997, 2002 und China 1998

Abbildung 9: Vb-Wetterlage

Abbildung 10: Verfahrensschritte zur Bewertung von Hochwasserwirkungen

Abbildung 11: Bedeutende Überschwemmungen in Europa

Abbildung 12: Zunahme der Starkniederschläge in Prozent des Mittelwerts; hydrologisches Sommerhalbjahr

Abbildung 13: Zunahme der Starkniederschläge in Prozent des Mittelwerts; hydrologisches Winterhalbjahr

Abbildung 14: Trend (in K/70 Jahre) der Monatsmitteltemperatur August, Gebietsmittelwerte 1931/2000

Abbildung 15: Trend (in K/70 Jahre) der Monatsmitteltemperatur Dezember, Gebietsmittelwerte 1931/2000

Abbildung 16: Absoluter Trend der mittleren Schneedeckendauer (in Tagen), Reihe 1951/52 bis 1995/96

Abbildung 17: Relativer Trend der mittleren Schneedeckendauer (in Prozent), Reihe 1951/52 bis 1995/96

Abbildung 18: Hochwasserschutz im Rheintal bei St. Gallen und Vorarlberg

Abbildung 19: Kommunale Raumplanung im Rheintal bei St. Gallen und Vorarlberg

Abbildung 20: Siedlungsentwicklung im Rheintal bei St. Gallen und Vorarlberg

Abbildung 21: Zerstörung tropischer Regenwälder: der flambierte Planet

Abbildung 22: Zunahme des Flächenverbrauchs in der Stadt Leipzig zwischen 1870 und 2003

Abbildung 23: Verschiedene „natürliche“ Maßnahmen gegen Hochwasser

Abbildung 24: Deicharten und Anordnung von Poldern

Abbildung 25: Große Wetterkatastrophen weltweit 1950-2010. Prozentuale Verteilung der Ereignistypen

Abbildung 26: Die Oder braucht mehr Platz

Abbildung 27: Deichbrüche bei Brieskow-Finkenheerd und Aurith

Abbildung 28: Wirkung von Retentionsräumen

Abbildung 29: Deiche an der Oder

Abbildung 30: Wetter-Chaos überrascht ganz Europa

Abbildung 31: Satellitenbild der Elbe zwischen Torgau und Aken am 14. August 2000 (vor der Flutkatastrophe) und am 20. August 2002 (während der Flutkatastrophe)

Abbildung 32: Dresdner Friedrichstadt: mit der großen Schaufel eines Baggers wird ein Mann aus dem ersten Stock gerettet

Abbildung 33: Vor der im Wiederaufbau befindlichen Frauenkirche in Dresden sind Ausgrabungsflächen durch das Elbwasser überflutet

Abbildung 34: Bei Torgau erhöhen 200 Soldaten und 400 Freiwillige mit Sandsäcken die Elbdeiche. Nachschub erhalten sie mit CH-53-Transporthubschraubern aus der Luft

Abbildung 35: Bundeskanzler Gerhard Schröder nach einem Besuch der Altstadt von Grimma mit Sachsens Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU)

Abbildung 36: Schematischer Deichaufbau beispielsweise an der Elbe

Abbildung 37: Menning mit Staustufe

Abbildung 38: Auhöfe beim Hochwasser an der Donau 1999

Abbildung 39: Karte der überschwemmten Flächen beim Pfingsthochwasser 1999

Abbildung 40: Mobiler Hochwasserschutz in Neuburg/Donau

Abbildung 41: Ein Mann öffnet hinter einer Spundwand in Würzburg einen Kanal, damit Wasser aus einem Keller abgepumpt werden kann

Abbildung 42: Risikominderung durch die Verbindung von Vorbeugung und Katastrophenhilfe

Abbildung 43: Frühwarnsystem für Überschwemmungen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Verschiedenen Überschwemmungstypen

Tabelle 2: Schäden und Aufwendungen im Grenzoderabschnitt

Tabelle 3: Ergänzungsmaßnahmen und daraus resultierende Wirkungen nach dem Pfingsthochwasser 1999

Tabelle 4: Wissenschaftlich-technische Methoden der Hochwasservorhersage

1 Einleitung

Im folgenden geht es um die Motivation, die zum Schreiben dieser Arbeit geführt hat.

Im weiteren Verlauf des Einleitungskapitels wird das genaue Vorgehen und die damit verbundene Zielzsetzung eingehend dargestellt.

1.1 Problemstellung

„Die größten Risiken liegen auch in Zukunft an den Ufern der großen Flüsse Deutschlands und in den Folgen von Starkregen. Obwohl die Ergebnisse mit großen Unsicherheiten behaftet sind, lassen sich klar Tendenzen ablesen. Im Durchschnitt aller Berechnungen steigt die Zahl der Schäden durch Flussüberschwemmungen und Sturzfluten bis Ende des Jahrhunderts auf mehr als das Doppelte der heutigen Schäden, auch eine Verdreifachung ist möglich. Das gilt im Fall der Flussüberschwemmungen für alle untersuchten Flussläufe an Rhein, Elbe, Weser, Ems und Donau“ (SCHADEN NET.DE 2011).

Das vorliegende Zitat zeigt eingehend, wie aktuell das Thema Überschwemmungen in Flussgebieten ist und auch in Zukunft sein wird. Die Schadenszahlen aus aktuellen Studien verschiedener Versicherungen verdeutlichen, dass Hochwasser und die damit verbundenen Auswirkungen nicht nur enorme Schäden in Entwicklungsländern anrichten, sondern auch in den westlichen Industrieländern.

Da Überschwemmungen und deren Folgen ein allgegenwärtiges Thema sind und Menschen in privater wie auch in beruflicher Hinsicht betreffen, setzt sich diese Arbeit mit verschiedenen Aspekten dieses Phänomens auseinander.

1.2 Zielsetzung und Vorgehen

Zu Beginn der Arbeit finden sich grundlegende Definitionen, damit im weiteren Verlauf Begriffe geklärt sind und keine Verwirrung entsteht. Hierzu gehören auch grundsätzliche Definitionen aus dem hydrologischen Basiswortschatz, ohne die weitreichende Zusammenhänge nicht verstanden werden können. Nach den allgemeinen Grundlagen des Phänomens Hochwasser beschäftigt sich die Arbeit mit dem Thema Gefahrenpotential. Hierbei spielen die Gründe für eine Zunahme desselben eine wichtige Rolle und werden eingehend beleuchtet.

Bevor eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Prävention und dem Katastrophenmanagement stattfindet, werden unterschiedliche Hochwasserereignisse an drei unterschiedlichen deutschen Flüssen beschrieben. Hier findet sich an unterschiedlichen Stellen ein praktischer Bezug zu den vorher erläuterten Gründen für die zunehmenden Gefahrenpotentiale.

Abschließend beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit den unterschiedlichsten Methoden, die es schon gibt oder sich noch in der Entwicklung befinden, damit Überschwemmungen verhindert werden können oder eine adäquate Intervention stattfindet, wenn das Ereignis schon eingetreten ist.

2 Allgemeines zum Phänomen Hochwasser

Das vorliegende Kapitel gibt nicht nur eine Übersicht über verschiedenste Begrifflichkeiten, die notwendig sind, um die Thematik zu verstehen, sondern es wird auch auf verschiedene Faktoren eingegangen, die Hochwasser fördern, damit am Ende ein Praxisbezug hergestellt werden kann.

2.1 Charakteristik

Allgemein bezeichnet manjeden Wasserstand, der sich eindeutig über dem normalen Pegelstand des betrachteten Gewässers befindet, als Hochwasser. Neben dem periodisch wiederkehrendem Hochwasser, zu dem man die Gezeiten oder das Frühjahrshochwasser zählt, gibt es auch unregelmäßig auftretende Hochwasser, die durch extreme Regenfälle oder eine rasche Schneeschmelze entstehen (ALISCH 2007, S.40).

Das jährliche Mittel der Niederschläge variiert räumlich sehr stark. Im Nordosten Indiens fallen örtlich mehr als 10.000mm, in der Atacamawüste in Chile weniger als 10mm. Die mittlerejährliche globale Niederschlagshöhe liegt bei etwa 1.000mm. Diese Zahl entspricht ungefähr der Menge, die in Deutschland im Mittel in einem Jahr gemessen wird (MÜNCHNER RÜCKVERSICHERUNGS­GESELLSCHAFT 1997, S. 18).

Durch extreme Regenfälle oder eine rasche Schneeschmelze werden oftmals ganze Landstriche überschwemmt und es kommt infolgedessen zu katastrophalen Verwüstungen. Überschwemmungen dieses Ausmaßes sind nicht nur auf die Küstengebiete beschränkt und treten durchaus auch im Binnenland auf. Allerdings werden Hochwasser im Landesinnern nicht durch Tsunamis oder Sturmfluten, sondern vor allem (v.a.) durch erhöhte Niederschlagsmengen ausgelöst (ALISCH 2007, S. 40). Besonders hohe Niederschlagswerte sind in der Regel mit Tiefdruckgebieten, Hurrikanen, Gewittern oder anderen Tiefdrucksystemen verbunden (GOUDIE 2002, S. 404). Desweiteren ist das Ausmaß des Hochwassers stark abhängig von den Eigenschaften des Einzugsgebietes, auf das der Niederschlag trifft. In einem durch Vorregen durchfeuchtetem Gebiet wird eher eine Überschwemmung auftreten als in einem Gebiet mit geringer Bodenfeuchte (DIKAU & WEICHSELGARTNER 2005, S. 51).

Die nachfolgende Grafik soll einen schematischen Überblick über die allgemeinen Vorgänge innerhalb des Wasserkreislaufs liefern. Hierbei wird erkennbar, dass logischerweise v.a. die verschiedenen Abflussprozesse in Kombination mit anderen Faktoren zu Überschwemmungen führen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Wasserkreislauf. Quelle: U.S. GEOLOGICAL SURVEY o.J.

2.2 Kategorisierung

Zum besseren Verständnis der Thematik folgen Erklärungen der wichtigsten Begriffe und die Darstellung der einzelnen Zusammenhänge.

2.2.1 Unterschiedliche Überschwemmungsarten

Grundsätzlich gibt es drei Überschwemmungstypen. Hierzu zählen die Flussüberschwemmung, die Sturzflut und die Sturmflut. Jeder einzelne Typ tritt bevorzugt innerhalb bestimmter Relieftypen auf. Flusshochwasser entstehen in den natürlichen Überschwemmungsgebieten von Talauen (DIKAU & WEICHSELGARTNER 2005, S. 51), welche der Teil des Talbodens sind, der bei Hochwasser überflutet wird und in das Flussbett eingesenkt ist (LESER 2005, S. 933 ). Bei entsprechender Überflutungshöhe können zudem auch Gebiete hinter Flussdämmen und -deichen zusätzliche Gefahrenzonen darstellen (DIKAU & WEICHSELGARTNER 2005, S. 51).

Die folgende Tabelle zeigt auf, dass in der Literatur durchaus nur nach dem Kriterium unterschieden werden kann, ob eine Überschwemmung von Wasserflächen und -körpern ausgeht oder nicht. Demnach zählen Flusshochwasser zu dem Überschwemmungstyp, der von Wasserflächen ausgeht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Verschiedene Überschwemmungstypen. Quelle: GRÜNEWALD & SÜNDERMANN 2001, S. 159; MÜNCHENER RÜCKVERSICHERUNGS-GESELLSCHAFT 1997, S. 19, eigene Bearbeitung.

Wichtig ist ebenfalls, dass Überschwemmungen, die von Wasserflächen abhängig sind meist großräumig auftreten. Hierbei sind Gebiete in der Nähe von Flüssen oder nahe des Meeres betroffen. Überschwemmungen, die von Wasserflächen unabhängig sind, erstrecken sich oftmals über eine geringere Fläche und richten somit auch weniger Schaden an (GRÜNEWALD & SÜNDERMANN 2001, S. 160).

Phänomene, wie Flussüberschwemmungen oder der Grundwasseranstieg entwickeln sich im Laufe von Tagen oder Wochen und sind deshalb besser vorhersehbar als kurzfristige Ereignisse, wie Gletscherseeausbrüche und Rückstauungen oder langfristige Phänomene wie der Meeresspiegelanstieg und die Küstensenkung. Grundsätzlich hängen Überschwemmungsphänomene in Flussbereichen auch stark von der Topografie ab. Geländeformen und -neigungen können die Wirkung einer Überschwemmung enorm unterstützen oder bremsen (BERZ 2010, S. 112).

Eine Unterscheidung, die bei Flussüberschwemmungen zusätzlich getroffen werden muss, ist die in Sommer- und Winterhochwasser. Letztgenannte können wiederum in Eis-Hochwasser und Schneeschmelz-Hochwasser unterteilt werden. Während Eis-Hochwasser durch Eisversetzungen oder Eisstau beim Eisaufbruch im Unterlauf kontinental beeinflusster Flüsse wie zum Beispiel (z.B.) der Oder auftreten, entstehen Schneeschmelz-Hochwasser durch schnelles Tauen der Schneedecke oder wegen Schneeschmelzabflüssen auf noch gefrorene oder wassergesättigte Böden im Flachlandbereich. Kommt es zur Überlagerung unterschiedlicher Hochwasser oder Hochwasserursachen, so können sich besonders schwerwiegende Überschwemmungs- und Hochwassersituationen ergeben. So kommt es im Januar 1995 unter anderem (u.a.) durch langandauernde Niederschläge auf schmelzende Schneedecken und/oder gefrorenen Boden in den hochwassergefährdeten Mittelgebirgen des Rheins zu extremen Hochwasserabflüssen (GRÜNDEWALD & SÜNDERMANN 2001, S. 161).

2.2.2 Begriffsdefinition Abfluss

Mit dem Begriff Abfluss wird in der Hydrologie allgemein die Wassermenge auf der Erde beschrieben, die in ober- und unterirdischen Gerinnen, im Grundwasserkörper und lokal als flächenhafter Oberflächenabfluss unter dem Einfluss der Schwerkraft in tiefer gelegene Gewässer und letztlich ins Meer oder in abflusslose Senken fließt (LESER 2005, S. 10).

Bei Hochwasser werden große Mengen von Schlamm und Geröll mitgeführt, die aus der Fläche des Einzugsgebietes oder aus dem Gewässerbett abgeschwemmt werden. Neben dem transportierten Wasservolumen entscheidet auch das zeitliche Aufeinandertreffen der Wassermengen an einem bestimmten Ort über den höchsten dort erreichten Abfluss. Dieser wird angegeben in Kubikmeter pro Sekunde (m3/s). Treibgut, Eisstau und Geröll können zusätzlich den Abfluss kurzzeitig aufstauen, sodass die Hochwasserstände von der Entwicklung der Abflüsse abgekoppelt werden (LAWA 1995, S. 2).

Die nachfolgende Grafik dient zur visuellen Verdeutlichung der vorher theoretisch erklärten Begriffe. Dargestellt werden der Landoberflächenabfluss, der Zwischenabfluss und der Grundwasserabfluss in Abhängigkeit von der Zeit in Stunden. Es lässt sich zusätzlich der unterschiedliche Scheitelgang der verschiedenen Abflüsse erkennen, die abhängig voneinander zeitlich versetzt auftreten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Abflussprozcss. Quelle: GEO DATA ZONE o.J.

2.2.3 Begriffsdefinition Hochwasserwelle

Bei der Betrachtung von Fließgewässern lässt sich feststellen, dass sich Hochwasser längs des Gerinnes fortsetzen. Dies wird als Hochwasserwelle bezeichnet. Bei Aufzeichnung des Durchgangs dieser Hochwasserwelle an einem Abflussquerschnitt spricht man von der Hochwasserganglinie. Wird die Abflusskapazität an einer Gewässerstelle überschritten, kommt es zur Ausuferung. Flusshochwasser werden als Teil des Wasserkreislaufes gesehen und stellen somit einen natürlichen Prozess dar. Als Ursache gelten Niederschläge mit unterschiedlichen Charakteristika, wie Stark­oder Dauerniederschlag und Schnee- beziehungsweise (bzw.) Eisschmelze. Niederschläge, die als lokal abgegrenzter Starkregen kurzer Dauer und hoher Intensität auftreten, führen zu Hochwasserwellen, die sich lediglich auf einzelne Flusseinzugsgebiete beschränken und somit lokale Katastrophen herbeiführen. Sie können u.a. durch Hangrutschungen und Muren verstärkt werden. Hangrutschungen und Muren entstehen, wenn starke Niederschläge den Boden aufgesättigt haben. Muren, die ebenso wie Hangrutschungen ein Gemisch aus Wasser und Geschiebe sind, zeichnen sich durch Geschwindigkeiten von 50km pro Stunde und mehr aus. Bei zyklonalen Extremniederschlägen kommt es zu einer weiträumigen Überregnung und langandauernden Hochwasserwellen. Diese bauen sich mit der Zeit auf und können durch die Überlagerung von verschiedenen Hochwässern aus Teileinzugsgebieten zu überregionalen Katastrophen führen.

Treffen eine Reihe von ungünstigen, den oberirdischen Abfluss fördernden Kombinationen meteorologischer Ereignisse und hydrologischer Gebietszustände zusammen, so können extreme Überschwemmungen entstehen. Hierbei stellen die Kapazität des Bodenspeichers und die natürlichen Überschwemmungsgebiete in den Talauen einen naturgetreuen Wasserrückhalt dar (DIKAU & WEICHSELGARTNER 2005, S. 51; PLATE 1993, S. 55; EHRET & ANDRÁS 2002, S. 54).

Die folgende Abbildung dient zur visuellen Unterstützung der theoretisch erklärten Begriffe. Hier lässt sich deutlich erkennen, an welchem Punkt einer Hochwasserwelle sich der Hochwasserscheitel befindet. Desweiteren wird deutlich, dass eine Hochwasserwelle im Laufe ihres Weges innerhalb eines Gerinnes abgeschwächt wird und z.B. am Pegel B mit einer geringeren Ausprägung ankommt, als dies am Pegel A der Fall war.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Ablauf einer Hochwasserwelle. Quelle: WASSERWIRTSCHAFTSAMT REGENSBURG o.J.

2.2.4 Direkt überschwemmungsfördernde Faktoren

Neben starken Niederschlägen, die als Ursache für Überschwemmungen gelten, gibt es noch andere Gründe dafür, dass ein Fluss über seine Ufer tritt. Hierzu zählen u.a. die Schneeschmelze, der Bruch von Staudämmen, der Bruch von künstlich geschaffenen oder natürlichen Seitendämmen und der Ausbruch eines glazialen Sees oder subglazialer Wassertaschen. Abschließend dürfen auch der Aufstau von Flüssen durch Massenbewegungen oder der Aufstau von Flüssen durch das Vorrücken von Gletschern in das Haupttal nicht vergessen werden (GOUDIE 2002, S. 404).

Als Massenbewegungen werden alle Bewegungen von gleitendem, rutschendem und stürzendem Boden-, Hangschutt und Gesteinsmaterial bezeichnet, die unter ausschließlichem Einfluss der Schwerkraft auf geneigten Hängen bis Wänden und ohne wesentliche Beteiligung bewegter Agenzien stattfinden (LESER2005, S. 541).

Abbildung 4 zeigt ein Hochwasserereignis in der Gegend um Landeck, welches in Verbindung mit einem Murenabgang auftritt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Muren und Hochwasser um Landeck. Quelle: KANU 2010.

2.2.5 Indirekt überschwemmungsfördernde Faktoren

Neben diesen direkten Ursachen gibt es zusätzlich unterschiedliche Faktoren, die indirekt überschwemmungsfördernd wirken. Hierzu zählen der Versiegelungsgrad der Landschaft, die Degradation der Vegetationsdecke und das Vorhandensein von undurchlässigen Böden und steilen Hängen (GOUDIE 2002, S. 404).

Als Versiegelungsgrad bezeichnet man die Abdeckung der Erdoberfläche mit Gebäuden und Straßenbelägen. Der Boden ist damit als Speicher und Filter ökologisch weitgehend außer Kraft gesetzt und grenzt somit die Funktionen und Prozesse des Landschaftsökosystems stark ein. Degradation beschreibt die Umwandlung des Bodenaufbaus und ursprünglicher Bodeneigenschaften durch Änderung des Klimas und anderer Umweltbedingungen sowie durch Verlust von bezeichnenden Merkmalen eines Bodentyps. Sie kann gleichbedeutend mit der Störung oder Zerstörung ökologischer Eigenschaften und der Bodenfruchtbarkeit sein (LESER 2005, S. 117 und 147).

Diese Faktoren, die ein Einzugsgebiet charakterisieren, können bei einer bestimmten Konstellation dafür sorgen, dass bestimmte Flusseinzugsgebiete prädestiniert sind für das Auftreten ausgeprägter Hochwasserspitzen (GOUDIE 2002, S. 404).

Nachfolgend findet sich zusätzlich eine Grafik, die die geschilderten Faktoren unter Punkt 2.2.4 und

2.2.5 mit den Begriffen „natürlich“ und „anthropogen“ zusammenfasst.

Zu den natürlichen Faktoren, die auf den Zustand des Einzugsgebietes einwirken, gehören steile Hänge, die Degradation der Vegetationsdecke und das Vorhandensein von undurchlässigen Böden.Ein anthropogener Faktor, der den Zustand des Einzugsgebietes beeinflusst, ist z.B. der Versiegelungsgrad der Landschaft.

Zu den natürlichen Faktoren, die auf den Zustand des Gewässersystems einwirken, zählen starke Niederschläge, die Schneeschmelze, der Bruch von natürlichen Seitendämmen und der Ausbruch glazialer Seen oder subglazialer Wassertaschen. Hinzu kommen noch der Aufstau von Flüssen durch Massenbewegungen und der Aufstau von Flüssen durch das Vorrücken von Gletschern in ein Haupttal. Zu den anthropogenen Faktoren, die den Zustand eines Gewässersystems beeinflussen, gehören der Bruch von Staudämmen oder künstlich geschaffenen Seitendämmen sowie die Flurbereinigung und Flussbegradigung.

All diese Faktoren bewirken zusammen die Entstehung eines Hochwassers und tragen zusätzlich durch ihrejeweilige Ausprägung zu der Schwere der Überschwemmung und der Höhe des Risikos bei.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Zusammenwirken von natürlichen und anthropogenen Faktoren auf das Hochwasserrisiko. Quelle: HPC HEUSCHMID & PARTNER CONSULT 2010, S. 183, eigene Darstellung.

2.3 Praxisbezug

Auf Grundlage der vorangegangenen Charakteristik und Kategorisierung lassen sich Flussüberschwemmungen in den verschiedensten Gebieten der Welt logisch nachvollziehbar erklären.

So entstehen Hochwasser der deutschen Mittelgebirgsflüsse in der Regel dadurch, dass Schneeschmelze und hohe Niederschlagsraten aufeinandertreffen. Die Überschwemmungen im Mississippi-Tal - beispielsweise 1993 - ergeben sich meist durch langanhaltende Regenfälle (MÜLLER 2000, S. 16). Auf Abbildung 7 findet sich jeweils eine Satellitenaufnahme des Mississippis im Gebiet um St. Louis im August 1991 und im August 1993. Vergleicht man diese beiden Satellitenaufnahme, so wird das zerstörerische Ausmaß der damaligen Überschwemmung erahnbar.

Die Überschwemmungen am Jangtsekiang in China 1998 entstehen durch einen Monsunregen, der ungewöhnlich früh einsetzt und dadurch in Flüssen und Seen, vor dem eigentlichen Monsunbeginn, hohe Wasserstände herbeiführt (MÜLLER 2000, S. 17.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Große Hochwasserkatastrophen weltweit (Auswahl) - Europa 1997, 2002 und China 1998. Quelle: SCHWANKE 2009, S. 137, eigene Bearbeitung.

Die Hochwasserkatastrophe an der Oder 1997 wird durch die sogenannte Vb-Wetterlage hervorgerufen. So befindet sich ein ausgeprägtes Tief sehr lange über Südpolen und saugt enorm viel feuchte Subtropenluft aus dem Mittelmeergebiet. Zum besseren Verständnis findet sich eine schematische Darstellung in Abbildung 9 (MÜLLER2000, S. 16f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Vb-Wetterlage. Quelle: STARK, K. o.J.

3 Gefahrenpotential

Flussüberschwemmungen zählen zwar zu den natürlichen Prozessen, die in unserer Umwelt Vorkommen, mittlerweile aber stellen sie in vielen Teilen der Welt eine zunehmende Bedrohung dar. Diese Sicht der Dinge ergibt sich aber nur aus der Perspektive des Menschen, da die Natur keine Hochwasser- und Überschwemmungsschäden kennt und somit auch keinen Schaden kategorisiert (GOUDIE 2002, S.403; GRÜNEWALD & SÜNDERMANN 2001,S. 164).

3.1 Begriffsdefinition Gefahrenpotential/Risiko

Die Begriffe Gefahrenpotential oder Risiko, die in dieser Arbeit analog verwendet werden, bezeichnen das Maß für einen möglichen Schaden. Dieses Maß sollte so objektiv wie möglich bestimmt werden. In der Hydrologie wird das Hochwasser- oder Überschwemmungsrisiko anhand der Auftretenswahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses und der Ermittlung von anzunehmenden Schäden an Bevölkerung, Sach- und Umweltkapital ermittelt.

Somit ist klar ersichtlich, dass hinsichtlich des Gefahrenpotentials bzw. der Risikoermittlung bei Überschwemmungen in zwei festgelegten Schritten vorgegangen wird.

Im Verlaufe des ersten Schrittes wird die Größe und (Auftretens-) Wahrscheinlichkeit von Hochwasser- und Überschwemmungs-Extremereignissen so weit wie möglich ermittelt. Hierzu gibt es eine Vielzahl statistischer Methoden, die anhand ausgewählter Beispiele im Laufe der Arbeit noch vorgestellt werden. An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, dass immer wieder eine Vielzahl an theoretischen und auch praktischen Problemen bei deren Anwendung auftreten. Hierzu zählen unbefriedigende Datengrundlagen oder auch häufig spekulierte Trends der größeren Häufigkeit von Überschwemmungen unter dem Einfluss von Klimaänderungen.

Gegenstand des zweiten Schrittes bei der Risikoermittlung ist die Quantifizierung der schadenbringenden Negativwirkung des Hochwassers. Diese dient als Grundlage für den Entscheidungsprozess zur Lösung von Hochwasserproblemen. So sind aufwendige und teure Hochwasserschutzmaßnahmen nur dann effektiv, wenn Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Hierbei gilt es beispielsweise auch ein Maß dafür zu finden, wie stark menschliches Leben bedroht ist oder wie dieses Leben in die notwendigen Wertabschätzungen einbezogen werden kann. So geht es bei der Risiko- und Gefahrenhandhabung um deren Minderung, aber auch um ein Leben mit dem Restrisiko, die sogenannte Risikoakzeptanz. Die Risikoakzeptanz beschäftigt sich mit der Frage, welches Risiko von der Gesellschaft gebilligt wird bzw. wie groß die Bereitschaft ist, finanzielle Mittel für eine Risikominderung aufzuwenden (GRÜNEWALD & SÜNDERMANN 2001, S. 163f.).

Das folgende Diagramm dient zur übersichtlichen Darstellung der geschilderten Vorgehensweisen, die notwendig sind, um eine sinnvolle Risikoermittlung durchzuführen und so zu einem Ergebnis zu gelangen, mit dem die einzelnen Beteiligten arbeiten und in Zukunft auch leben können.

3.2 Begriffsdefinition Schadenspotential

Sobald man sich mit dem Gefahrenpotential beschäftigt, das durch Flusshochwasser entstehen kann, stößt man auf den Begriff des Schadenspotentials. Von Schadenspotential spricht man, wenn es um die Schäden geht, durch die die Nutzungen des Menschen in Mitleidenschaft gezogen werden. Je weniger angepasst das Überschwemmungsgebiet ist undje intensiver es genutzt wird, desto größer fällt das Schadenspotential aus. Sobald das Hochwasser auf so ein Gebiet trifft, tritt infolgedessen auch ein größerer Schaden auf als in Gebieten mit einem geringeren Schadenspotential. Auch Ausfälle durch Betriebsunterbrechungen sind neben den Schäden an Gebäuden und Einrichtungen von Bedeutung. Hinzu kommen noch Folgeschäden, die sich daraus ergeben, dass ein verlorengegangener Markt wieder zurückgewonnen werden muss (LAWA 1995, S.6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11: Bedeutende Überschwemmungen in Europa. Quelle: MÜNCHNER RÜCKVERSICHERUNGS­GESELLSCHAFT 2010a.

Die vorhergehende Grafik zeigt deutlich den Stellenwert von Überschwemmungsschäden für die Versicherungswirtschaft in Europa. Hierbei lässt sich erkennen, dass es fast jedes Jahr eine bedeutende Überschwemmung gibt, die enorme Schäden verursacht.

3.3 Gründe für zunehmende Gefahrenpotentiale

Gründe für die zunehmende Gefährdung durch Flusshochwasser sind neben dem Auftreten von stärkeren Niederschlagsereignissen vor allem Veränderungen in der Landnutzung, die überwiegend durch den Menschen verursacht werden. Diese entstehen durch eine fortschreitende Besiedelung, die zunehmende Abholzung von Gegenden im Einzugsgebiet und durch eine verstärkte Entwässerung. Hinzu kommen Bodensenkungen, die entweder aufgrund der natürlichen Erdbebentätigkeit oder wegen Geländeabsenkungen, die durch den Menschen verursacht werden, auftreten. Hierzu zählen Bergbau, Ölförderung, Torfentwässerung und die Grundwasserentnahme. Am häufigsten treten Flussüberschwemmungen aufgrund sehr hoher Niederschlagswerte auf. Treffen starke Niederschlagsereignisse noch zusätzlich mit einer Schneeschmelze zusammen, so kann es zu verheerenden Hochwassern kommen. Eine große Rolle spielt bei diesen Situationen die Beschaffenheit des Untergrundes in der Abschmelzphase. Auf undurchlässigem, noch gefrorenem Boden kann Schmelzwasser nicht versickern und dies führt zu raschem und hohen Oberflächenabfluss (GOUDIE 2002, S. 403ff).

3.3.1 Klimatische Veränderungen im 20. Jahrhundert

Im Folgenden soll neben den stärkeren Niederschlagsereignissen noch auf die Zunahme der Lufttemperatur und die wärmeren, schneeärmeren Winter eingegangen werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Hochwasser in Deutschland
Untertitel
Kategorisierung und Charakteristik, Gefahrenpotential, besondere historische Ereignisse, Prävention und Katastrophenmanagement
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Department für Geographie)
Veranstaltung
Zulassungsarbeit für das 1. Staatsexamen
Note
1,00
Autor
Jahr
2011
Seiten
80
Katalognummer
V204182
ISBN (eBook)
9783656318064
ISBN (Buch)
9783656318460
Dateigröße
7449 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hochwasser, deutschland, kategorisierung, charakteristik, gefahrenpotential, ereignisse, prävention, katastrophenmanagement
Arbeit zitieren
Elisabeth Junge (Autor:in), 2011, Hochwasser in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/204182

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