Die „Professionalisierung“ der Veterinärmedizin in der Frühen Neuzeit

Die Tiermedizin im akademischen Bereich am Ende des 18. Jahrhunderts


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Gründe zur Erforschung und Heilung von Tieren

3. Das Verständnis von Veterinärmedizin im 18. Jahrhundert
3.1 „Tiermedizin“ im 18. Jahrhundert- Rolle und Aufgaben der Fahnenschmiede
3.2 Die Anfänge und Probleme der Tiermedizin exemplarisch an Frankreich
3.3 Die Etablierung der Tiermedizin als Wissenschaft am deutschen Beispiel

4. Zusammenfassung und Ausblick

5. Quellenverzeichnis

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Spätmittelalter und der Beginn der Frühen Neuzeit waren unter anderem geprägt durch Epidemien- man kann sogar von Pandemien- der Viehseuchen auf dem Gebiet des heuti- gen Deutschlands sprechen. Ausgehend von Insektenplagen, breiteten sich diese Seuchen unter den Rindern auf Grund der wachsenden Zahl dieser immer schneller aus. Anfangs, vor allem im Spätmittelalter, dachte man, dass diese Plagen von Gott gewollt und deshalb nicht abzuwehren seien. Bauern erkrankter Rinder waren der Auffassung, dass diese nach dem göttlichen Willen leben und sterben.1 Dieser und weitere Gründe, welche unter ande- rem in dieser Hausarbeit erörtert werden sollen, tragen dafür Rechnung, dass das Gebiet der Tierheilkunde im 18. Jahrhundert vorangetrieben wurde. Nachdem Frankreich, die Niederlande, Dänemark und Österreich Vorreiterrollen eingenommen hatten, sollte nun auch in Preußen das Studium der Tiermedizin in eine akademische Ausbildung etabliert werden. Bis lang heilten Hirten und Schäfer auf Kräuterbasis ihre Tiere. Rezepte wurden mehr schlecht als Recht festgehalten und weitergegeben. Es wurden beispielsweise zur Behandlung von Krankheiten beim Pferd Anweisungen niedergeschrieben, welchen es an Genauigkeit mangelte.2 Um Viehseuchen und ähnliche Probleme eindämmen zu können, war Preußen mehr oder weniger gezwungen, das Studium der Tiermedizin im akademi- schen Bereich zu integrieren.

Diese Hausarbeit soll im Schwerpunkt die Frage nach dem Professionalisierungsgrad und der Individualisierung der Tierheilkunde an Universitäten klären. Welche Rolle spielen Fahnenschmiede3 vor und nach der Etablierung der Tierheilkunde in Universitäten? Wie wurde die Kunst der Tiermedizin nach französischem Vorbild umgesetzt? Auf Grund der großen Vielseitigkeit dieses Themas, wird nicht auf die Rolle der Tiermedi- zin für die Volksaufklärung in der frühen Neuzeit eingegangen, weiterführende Betrach- tungen des Studiums der Tierheilkunde im weiteren Verlauf der Geschichte vorgenommen, sowie das Selbstbildnis und Verhältnis von allgemeinen Ärzten und Tierärzten im 18. Jahrhundert dargestellt und interpretiert.

Um die zu klärenden Fragen zu beantworten, bietet sich zum einen die Monographie: „Ge- schichte der Tiermedizin- 5000 Jahre Tierheilkunde“4, aber auch der Sammelband von Steffi Windelen (u.a. Hrsg.) mit dem Titel: Beten, Impfen, Sammeln“5 zum Forschen über dieses Thema an. Wo Peters und von den Driesch näher auf die geschichtliche Entwicklung der Tiermedizin und deren Methoden eingehen, legt Windelen den Fokus auf die Viehseuchen und deren Ursachen im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Ferner werden die Dissertationsschriften von Petra Buck sowie Alexandra Fiand zur Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der Tiermedizin herangezogen.

Als primäre Quellen werden die Schriften von Johann Knobloch, Dr. Bernhard Laubender sowie von Christian Cothenius herangezogen. Knobloch hat in erster Linie über die Etab- lierung von Tiermedizin im akademischen Bereich als auch über Vorteile einer solchen geschrieben. Diese Quellen liefern Eindrücke von Personen, welche eine Professionalisie- rung der Tierheilkunde für sinnvoll und wichtig erachten. Aus den Handbüchern des Dr. Laubender wird für diese Hausarbeit primär das Vorwort jener wichtig sein, da sich der Hauptteil dieser Bücher speziell mit Tieren und deren Behandlung von Krankheiten be- schäftigt. Ein besonderes Augenmerk erhalten die Quellen von Christian Cothenius, wel- cher neben seinen Vorschlägen zur Einrichtung einer Veterinärschule in Berlin, allgemein über die Kunst der Tiermedizin schreibt. Im Fokus stehen unter anderem die Anforderun- gen und Eigenschaften an einen Veterinärmediziner.

Im Folgenden wird zunächst auf die Rolle von Fahnenschmieden und deren Tätigkeiten für die Heilung von Tierkrankheiten eingegangen, bevor die Anfänge der Tiermedizin in Frankreich und anschließend in Preußen dargestellt werden. In diesem Zusammenhang soll ebenso auf die Ausbildung der potentiellen Tierärzte eingegangen werden. Daran anknüpfend kann man sich ein Urteil über den Grad der Professionalisierung der Tiermedizin und damit verbunden die Beantwortung der eingangs gestellten Frage erlauben.

Doch bevor das Augenmerk auf die besagten Fahnenschmiede gerichtet werden kann, ist es wichtig, den historischen Rahmen jener Zeit des 18. Jahrhunderts grob zu skizzieren. Welche Gründe liegen in der frühen Neuzeit vor, dass Preußen gezwungen war, die Kunst der Tiermedizin zu professionalisieren?

2. Gründe zur Erforschung und Heilung von Tiere

Wie eingangs beschrieben, grassierten im 18. Jahrhundert eine Vielzahl von Seuchen in Europa. Die Frage nach der Entstehung dieser wird bis heute unter Historikern kontrovers diskutiert. Eine Annahme, welche zum Ausbruch dieser Epidemien führte, ist jene, dass die stetig wachsende Anzahl an Vieh auf dem Lande und die zwangsweise damit verbundene Ausweitung der Wiesenfläche für diese verantwortlich waren. Es wurden immer mehr Wälder abgeholzt, um Ackerfläche und Land für Bauern und ihr Nutzvieh zu schaffen. So wird beispielsweise festgehalten, dass zu Beginn des 18. Jahrhunderts, ein Landsmann ca.

50 Kühe und 100 Ochsen besaß. Auf Grund der wachsenden Population in dieser Zeit, stiegen diese Zahlen nur 50 Jahre später auf ca. 100 Kühe sowie 200 Ochsen an.6 Auf Grund der Nähe dieser Tiere auf der Weide zueinander konnten sich Krankheiten und Seu- che entsprechend schnell unter dem Vieh ausbreiten. An dieser Stelle stellt sich die Frage, warum sich die Anzahl von Nutztieren binnen 50 Jahren verdoppelt hatte? Der Grund liegt in der stetig steigenden Zahl der Bevölkerung im 18. Jahrhundert. Die wachsenden Bevöl- kerungszahlen hatten einen Ausbau der Agrarwirtschaft zur Folge. Dementsprechend musste auch die Anzahl der Nutztiere für den Ackerbau erhöht werden, um den Nahrungs- bedarf der Bevölkerung zu decken.7

Die Idee und Notwendigkeit, tierärztliche Ausbildungsstätten zu errichten, lag somit schon lange vor der eigentlichen Gründung der ersten Ecole Vétérinaire 1762. Die oben be- schriebenen Verhältnisse waren die Ursache von verheerenden Viehseuchen im 18. Jahr- hundert.8 „[…] Rinderpest, Lungenseuche und viele andere Krankheiten.“9, bedrohten Eu- ropas Volkswirtschaft und richteten einen beträchtlichen Schaden an, sodass beinahe 75% der Bestände auf dem Lande vernichtet wurden.10 Somit kann man an dieser Stelle festhal- ten, dass ein Grund zur Erforschung der Tiermedizin, die wachsende Bevölkerungszahl im 18. Jahrhundert darstellt.

Nicht nur die Landwirtschaft, welche durch die Seuchen erheblichen Schaden genommen hatte, sondern auch das Militär hatte im Laufe der Zeit zunehmendes Interesse an einer „professionellen“ Behandlung ihrer Tiere, sodass der Wunsch nach der Einrichtung einer tierärztlichen Ausbildungsstätte immer deutlicher wurde. Es existierte bereits ein Vorläufer tierärztlicher Ausbildungsstätten in Berlin.

Als eine solche tierärztliche Ausbildungsstätte, können „[…] die Marställe angesehen wer- den […]“11, in denen bis 1711 Rossärzte zum Einsatz im Militär ausgebildet wurden. Zu- sammenfassend kann man also festhalten, dass zwei übergeordnete Gründe Ursache dafür waren, dass es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einer Erforschung der Tier- medizin in Europa kam. Auf Grund von verheerenden Seuchen (besonders die Rinderpest) und dem Drang von militärischer Seite, eine Verbesserung der tierärztlichen Betreuung durchzusetzen, wurde die Forschung auf dem Gebiet der Tiermedizin vorangetrieben.

Eine letzte Frage soll an dieser Stelle nicht unbeantwortet bleiben: Warum wurde eine Er- forschung und Professionalisierung der Veterinärmedizin erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts angeregt, obwohl es Viehseuchen bereits des Öfteren in der Vergangenheit gegeben hatte? Das Zeitalter der Aufklärung und des Absolutismus trägt dafür Rechnung. Ein Aspekt stellt sicherlich das Militär dar, welches nach Verbesserung sowie Modernisie- rung im Heer strebt. Der Drang, an dieser Stelle eine Wissenschaft für sich zu erforschen und zu beanspruchen um die eigene Kampfkraft aufrecht zu halten, gar zu verstärken, lässt sicherlich Rückschlüsse auf die Ursachen der Erforschung der Veterinärmedizin zu. Ein weiterer Aspekt stellt die angesprochene Aufklärung dar. Bereits Kant hat an die Men- schen appelliert, sich ihres Verstandes zu bemächtigen. Diese Aufforderung gab den An- stoß, dass die Menschen als denkende und handelnde Wesen, problembewusster mit der Öffentlichkeit umgingen. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, war die Erklärung der Bauern für die Viehseuchen, die Laune Gottes. Nun wird erkannt, dass man sehr wohl et- was gegen diese unternehmen konnte. Hiermit soll keineswegs behauptet werden, dass den Bauern ihr Vieh nicht wichtig war, jedoch waren Heilungen bei Krankheiten ohne fundier- tes Wissen mehr als schwierig. Natürlich gab es Quacksalber, Pfuscher und Hirten, welche auf dem Land den Passus der Heilung von Tierkrankheiten übernahmen, aber dies geschah ebenfalls ohne geschulte Ausbildung.

Der Tierarzt Dr. Bernhardt Haubender berichtete in seinem Werk „Handbuch der Tierheil- kunde“ über eine Reise, welche er nach abgeschlossener Ausbildung in seine Heimat Fran- ken unternahm. Als ausgebildeter und studierter Tierarzt schrieb er in diesem, dass er in seiner Heimat auf dem Gebiet der tierärztlichen Versorgung helfen wollte, um den „[…] Pfuscher[n] und Quacksalber[n], […] [welche] ungescheut ihr Unwesen […].“12 trieben, die Arbeit mit Tieren abzunehmen. Ebenso argumentierte der Tierarzt Johann Knobloch. Er schrieb, dass die Menschen erst durch die Viehseuchen angefangen hätten, über eine Wissenschaft auf dem Gebiet der Tiermedizin nachzudenken. Im weiteren Text appellierte er an die Bevölkerung, dass sie […] sich nicht beim Abdecker [und] nicht in der Werkstät- te des Schmiedes, sonder bey (sic!) Männern von Gelehrsamkeit und Erfahrung Rath (sic!) zu erholen.“13 hätten. Ein weiterer Grund, weshalb er für eine Einrichtung der Tierarznei- schule sprach, ist der, dass die Heilung der für die Menschen so wichtigen Tiere, nicht mehr von Schmieden, Abdeckern, Scharfrichtern und Hirten geschehen solle, da diese, seiner Meinung nach, die „[…] gemeinste Klasse von Menschen […]“14 darstellten.

Mit dem Studium der Tiermedizin und der damit verbundenen Besserung von tierärztlicher Betreuung, sollte dem Tier ein längeres Leben, auch über Krankheiten hinaus, ermöglicht werden. Eine Krankheit sollte kein Todesurteil mehr darstellen. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass es keinesfalls so war, dass es überhaupt keine Heilkundigen für Tier gab. Wie bereits beschrieben, wurden Rossärzte ausgebildet, um im Militär die Lebensdauer der Pferde zu verlängern.15 Diese Tätigkeit genoss in der Gesellschaft aber nicht die beste Stel- lung. Auf Grund der teilweise sehr brutalen Praktiken, wurden diese häufig nicht als aus- gebildete und anerkannte Ärzte angesehen.16 Jedoch waren diese die derzeitig einzigen Personen, welche eine entsprechende Ausbildung besaßen, um beispielsweise Pferden zu helfen. Der nun folgende Exkurs soll kurz und kompakt das Bild eines solchen Fahnen- schmiedes skizzieren.

[...]


1 Pedersen, Karl Peder: Als Gott sein strafendes Schwert über dem dänischen Sahnestück Fünen schwank. Über Verlauf und Bekämpfung der Viehseuche auf Fünen 1745- 1770 unter besonderer Berücksichtigung des Bauernschreibebuchs von Peder Madsen auf Munkgaarde, in: Beten, Impfen, Sammeln- Zur Viehseuchen- und Schädlingsbekämpfung in der Frühen Neuzeit, hrsg v. Steffi Win- delen (u.a.), Göttingen 2007, S. 69.

2 Vgl. dazu: von den Driesch, Angela (u.a. Hrsg.): Geschichte der Tiermedizin- 5000 Jahre Tierheil- kunde, 2. Aufl., Stuttgart 2003, S. 93.

3 Der Kur- oder Fahnenschmied ist im Gegensatz zum allgemeinen Schmied zusätzlich mehr oder weniger auf die Heilung von Pferdekrankheiten spezialisiert (Rossärzte).

4 Vgl. Titel des Werkes: von den Driesch: Tiermedizin, 2003.

5 Vgl. Titel des Werkes: Windelen: Beten, Impfen, Sammeln, 2007.

6 Windelen: Beten, Impfen, Sammeln, 2007, S. 70- 71.

7 von den Driesch: Tiermedizin, 2003, S. 133.

8 Vgl. dazu: Knobloch, Johann: Sammlung der vorzüglichen Schriften aus der Thierarzney, 1. Bd., Prag 1785, S. X.

9 Buck, Petra Andrea: Vergleichende Betrachtungen der tierärztlichen Ausbildung in Deutschland und in Frankreich am Beispiel der Tierärztlichen Fakultät der Ludwig- Maximilian- Universität und der Ecole Nationale Vétérinaire de Toulouse, München 2004, S. 7.

10 von den Driesch: Tiermedizin, 2003, S. 133.

11 Fiand, Alexandra: Die Geschichte Düppels von 1950 bis 1990- Seine Entwicklung zum Standort der Veterinärmedizin, Berlin 2002, S. 9.

12 Laubender, Bernhard: Theoretisch- Praktisches Handbuch der Thierheilkunde; oder genaue Be- schreibung aller Krankheiten und Heilmethoden der sämmtlichen Hausthiere nach den neuern medi- zinischen Grundsätzen für denkende Ärzte, Thierärzte und Desonomen, Bd. 3, Erfurt 1806, S. VI.

13 Knobloch: Schriften aus der Thierarzney, 1785, S. X.

14 Ebd., S. 2.

15 Fiand, Alexandra: Die Geschichte Düppels von 1950 bis 1990- Seine Entwicklung zum Standort der Veterinärmedizin, Berlin 2002, S. 9.

16 von den Driesch: Tiermedizin, 2003, S. 133.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die „Professionalisierung“ der Veterinärmedizin in der Frühen Neuzeit
Untertitel
Die Tiermedizin im akademischen Bereich am Ende des 18. Jahrhunderts
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
20
Katalognummer
V203383
ISBN (eBook)
9783656300205
ISBN (Buch)
9783656300557
Dateigröße
621 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Veterinärmedizin, Frühe Neuzeit, Professionalisierung der Veterinärmedizin, Ecole Vétérinaire, Fahnenschmiede, Claude Bourgelat, Christian Andreas Cothenius, Tiermedizin
Arbeit zitieren
Falk Köhler (Autor:in), 2012, Die „Professionalisierung“ der Veterinärmedizin in der Frühen Neuzeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203383

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