Die Entwicklung von Maschinenfabriken zu Beginn der industriellen Revolution in Deutschland. Die Mechanischen Werkstätten Wetter von Friedrich Wilhelm Harkort


Hausarbeit, 2012

16 Seiten


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Der Begriff ‚Fabrik’ im Wandel der Zeit

3. Zwei Fabriksysteme

4. Friedrich Wilhelm Harkort

5. Der Beginn in Wetter
5.1. Der Anfang als mechanische Werkstatt
5.2. Produktionsangebot
5.3. Weitere Entwicklung bis zum Ausscheiden Harkorts

6. Schluss

7. Anlagen

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden in England technische Entwicklungen und Fortschritte im Maschinenbau erreicht, die den Beginn der heute benannten industriellen Revolution einläuteten.1 Die Verknüpfung von Naturwissenschaften und Industrie, das experimentelle Forschen nach neuen Methoden machten diesen Prozess erst möglich.2 Diese neuen technischen Errungenschaften wirkten sich gravierend auf die Textilindustrie und den Maschinenbau aus und führten zum Entstehen der ersten Fabriken. Der wachsende Bereich des Maschinenbaus ging dem Entstehen der Schwerindustrie voraus und ermöglichte erst den intensiven Ausbau der Bergwerke. Auf dem Kontinent und speziell in Deutschland setzte die Industrialisierung erst Anfang der 1820er Jahre ein. Unter den entstehenden Maschinenfabrikanten tat sich besonders Friedrich Wilhelm Harkort hervor, der mit seinen Forschungen und Entwicklungen den Industrialisierungsprozess in Deutschland mit vorantrieb. Das Ziel dieser Hausarbeit ist es, einen Überblick über die Entwicklung von Maschinenfabriken in Deutschland zu Beginn der industriellen Revolution zu geben und anhand der Fabrikgründung von Friedrich Wilhelm Harkort zu verdeutlichen. Dabei kläre ich zunächst den Begriff der Fabrik. Was machte eine Fabrik aus, was waren deren besondere Charakteristika und wie wandelte sich der Begriff, bis er zu seiner heutigen Bedeutung gelangte? Im zweiten Teil lege ich zunächst die unterschiedlichen Entwicklungswege der beiden zentralen Industriebereiche Textil und Maschinenbau dar, anschließend erläutere ich die Schwierigkeiten, die mit der Gründung von Maschinenfabriken englischer Art in Deutschland auftraten. Im dritten Teil stelle ich Friedrich Wilhelm Harkort biographisch kurz vor. Was bewegte ihn das Risiko einzugehen, eine eigene Maschinenfabrik zu gründen? Im vierten Teil beschreibe ich zunächst die Gründung der Mechanischen Werkstätte in Wetter und die damit verbundenen Schwierigkeiten, anschließend gehe ich auf die Produktionsvielfalt ein. Was konnte in einer Maschinenfabrik hergestellt werden? Warum gab es anfangs keine Spezialisierung auf bestimmte Produkte? Im abschließenden Teil erläutere ich die weitere Entwicklung der Fabrik bis in die 1830er Jahre, bis zum Ausscheiden Harkorts aus dem Unternehmen. Was führte schließlich zu seinem Ausscheiden?

Einen Überblick über den Industrialisierungsprozess geben die Werke von Wolfram Fischer3, Friedrich Wilhelm Henning4, Rolf Engelsing5, der die Veränderungen kapitelweise in einzelnen Bereichen wie beispielsweise den Städten, der Landwirtschaft und der Verkehrswirtschaft darlegt, Alois Brusatti6, der zunächst die Vorbedingungen und Grundlagen für die industrielle Revolution darlegt, anschließend die politischen Veränderungen international erläutert. Wolfgang Ruppert7 stellt in seinem Werk ÄDie Fabrik“ zunächst die Entstehung des Fabrikwesens im Allgemeinen dar, anschließend erläutert er beispielhaft die beiden Leitsektoren Maschinenbau, wobei er als Beispiel Friedrich Harkort anführt, und Textil der Anfangszeit der Industrialisierung, für das 20. Jahrhundert zusätzlich die Elektrotechnik. Die Person Friedrich Wilhelm Harkort beschreibt Louis Berger8 in seiner Biographie ausführlich. Wolfgang Köllmann9 hat zwei Bände über Harkorts Leben verfasst, die sich zentral mit dessen politischer Betätigung befassen, im ersten Band erläutert er aber auch dessen Zeit als Industrieller. Conrad Matschoss10 hat zum hundertjährigen Jubiläum der Deutschen Maschinenfabrik ein Buch über dessen Entwicklung von der Gründung als Mechanischer Werkstätte an geschrieben und dabei besonders die zentrale Rolle Harkorts betont. Die Propyläen Technikgeschichte11 und der Band Technik und Wissenschaft12 beschreiben speziell die technischen Anteile der Veränderungen und Entwicklungen der Industrialisierung. In dem Quellenbuch von Wilhelm Treue13 sind Dokumente gesammelt, so zum Beispiel ein Artikel Harkorts über die Einführung von Eisenbahnen in Deutschland.

2. Der Begriff ‚Fabrik’ im Wandel der Zeit

Die Definition des Begriffes Fabrik hat sich seit ihrer ersten Verwendung stark verändert, sie hat sich den entsprechenden neuen Entwicklungen angepasst. Die Fabrik in Deutschland zu Beginn der industriellen Revolution galt zunächst als neue Form der Arbeitsorganisation. Als in England die erste Phase der Industrialisierung in den beiden Bereichen Textil und Maschinenbau bereits im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts abgeschlossen war, lebten in Deutschland noch 85% der Bevölkerung auf dem Lande und arbeiteten in der Landwirtschaft oder im ländlichen Hausgewerbe14. Der Begriff Fabrik war zu dieser Zeit noch ungenau und sehr vage, es gab noch keine klare Abgrenzung zum Handwerk und der Manufaktur, so bezeichnete er zunächst nur einen speziellen Arbeitsort. In einem Lexikon des ausgehenden 18. Jahrhunderts steht als Definition: ÄIn denselben solche Arbeiten gemacht werden, zu welchen außer den Händen, auch Feuer, Hammer und ähnliche Werkzeuge erforderlich werden.“15 Dies beschreibt noch keine Charakteristika einer Fabrik, es ist keine Rede von Arbeitsteilung und mechanischer Produktion, sondern vielmehr die Verarbeitung von Metall in Hammerwerken, die meist noch durch Wasserkraft angetrieben wurden. Der allerdings schon bedeutende Unterschied zum einfachen Handwerker war, dass nicht einzelne Produkte nach Bestellung maßgefertigt wurden, sondern genormte Waren in hoher Stückzahl für eine größere Region angefertigt wurden, also nicht Einzelaufträge für den heimischen Markt sondern Massenprodukte für den überregionalen Vertrieb hergestellt wurden. Dies waren meist Gebrausgegenstände für den Agrarbereich wie Sensen, Sicheln oder den Alltagsgebrauch im Haushalt wie Besteck. In einem Realwörterbuch aus derselben Zeit wird bereits die Arbeitsteilung als Unterschied zum Handwerk genannt, was im heutigen Sinne aber eher als Manufaktur bezeichnet wird. Ä...die Waren nicht von einem Arbeiter ganz verfertigt werden, sondern durch die Hände verschiedener Arbeiter gehen, die nicht die ganze Fabrikation, sondern nur einige dazu erforderliche Arbeiten versehen, solche aber zu einer um so größeren Fertigkeit gebracht haben“.16 Die Spezialisierung der Arbeiter auf wenige Handgriffe verbesserte einerseits die Qualität der Endprodukte, andererseits konnten die Waren schneller hergestellt werden und waren durch eine Normierung und Standardisierung besser plan- und kalkulierbar, es konnten also, wenn ein Prototyp des Endproduktes gefertigt war, genaue Aussagen darüber gemacht werden, welche Rohstoffe für alle zukünftigen Produkte diesen Typs benötigt wurden und wie lange die Herstellung dauerte. Mit der Arbeitsteilung, Spezialisierung und vor allem der Massenproduktion waren die wichtigsten Voraussetzungen vorhanden, für die einzelnen Arbeitsschritte Spezialmaschinen zu entwickeln und einzusetzen. Bei nur geringer Absatzzahl wären teure Maschinen nicht kostendeckend gewesen, die Massenproduktion hingegen erlaubte große Investitionen in solche Maschinen. Eine Beschreibung aus den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts nennt auch heute noch gültige Merkmale für eine Fabrik: Die Einteilung der Beschäftigten in festgelegte Rollen, der Einsatz mechanischer Kraft für den Betrieb von Maschinen und Werkzeugen und die Produktion in großer Stückzahl.17

3. Zwei Fabriksysteme

Wie schon zuvor in England haben sich auch in Deutschland zu Beginn der industriellen Revolution zwei verschieden Fabriksysteme entwickelt.18 Das eine waren die Fabriken der Textilindustrie, das andere die des Maschinenbaus. Textilfabriken wurden meist bereits als Großbetriebe mit Hunderten von Arbeitern geplant und gebaut.19 Dafür wurden eigens meist mehrstöckige Fabrikhallen errichtet mit einer großen Anzahl von Spinn- und Webmaschinen, die mit einer Dampfmaschine angetrieben wurden. Der Platzbedarf für diese Fabriken war groß, daher wurde dieses Fabriksystem meist außerhalb der Stadt in verkehrsgünstiger Lage errichtet mit der räumlichen Möglichkeit späterer Erweiterung. So entstanden in den Peripherien der Städte erste Industriegebiete. Die Errichtung einer Textilfabrik erforderte ein großes Startkapital, das einzelne Kaufleute nur selten aufbringen konnten. So entstanden nach englischem Vorbild Aktiengesellschaften um die hohen Kapitalinvestitionen aufbringen zu können.

Anders war es beim entstehenden Maschinenbau. Diese Fabriken entwickelten sich meist durch Initiative einzelner Kaufleute und Handwerker aus bereits bestehenden handwerklichen Betrieben und Manufakturen.20 Maschinen wurden einzeln angeschafft um bestimmte Arbeitsschritte zu vereinfachen. Die Anschaffung von Maschinen war daher meist abhängig von der Nachfrage nach bestimmten produzierten Güter. Nur wenn die Nachfrage für ein bestimmtes Produkt groß genug und so der Absatz von großen Mengen gesichert war, lohnte die Anschaffung dieser Maschinen. Da diese zunächst kleinen Betriebe nur selten zahlungskräftige Finanziers zur Unterstützung und für Anfangsinvestitionen hatten, entwickelten sich die Fabriken im Maschinenbau wesentlich langsamer als in der Textilindustrie, der Übergang vom Handwerk zur Fabrik war fließender und nahm mehr Zeit ein. Die Zahl derjenigen Betriebe, die sich zu großen Fabriken entwickelten, war gering, was sich anhand der durchschnittlichen Beschäftigungszahlen erkennen lässt.21 Da sich diese Fabriken meist aus Handwerksbetrieben entwickelten, wurden in den ersten Jahren auch keine neuen Räumlichkeiten für die Maschinen errichtet, oft wurden die bestehenden Arbeitsräume verwendet. Diejenigen Betriebe, die sich in den Städten entwickelten, stießen so sehr schnell an ihre Erweiterungsgrenzen. Erst mit der steigenden Nachfrage nach maschinenproduzierten Waren und der somit erforderlichen Erweiterung der Fabrikationsfähigkeiten ließen in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts Zweckbauten für Maschinenfabriken entstehen. Wo anfangs noch Maschinen jeglicher Art und jeden Zwecks nebeneinander standen, begann mit der zunehmenden Massenproduktion die zweckmäßige Anordnung der Fabrikationsanlagen entsprechend den notwendigen Arbeitsschritten zur Herstellung eines Produktes.22

Eine der größten Schwierigkeiten für die Entwicklung von Maschinen in Deutschland war das fehlende Know How der einheimischen Maschinenbauer. England hatte einen enormen technologischen Vorteil, der sich in der Qualität der Maschinen widerspiegelte. Um diesen Vorteil zu schützen, galt bis 1842 ein von der britischen Regierung erteiltes Exportverbot für englische Maschinen um das erreichte Monopol aufrechtzuerhalten. Trotz dieses Verbots wurden aber Maschinen ins Ausland verkauft und dienten einerseits als Vorlage für ihren Nachbau oder wurden direkt als Produktionsmittel eingesetzt. Da es in Deutschland kaum ausgebildetes Personal für diese neue Technologie gab, suchten einige Unternehmer in England nach Fachkundigen, die deutsche Handwerker und Arbeiter in diesen neuen Fertigkeiten ausbildeten.

4. Friedrich Wilhelm Harkort

Friedrich Wilhelm Harkort23 wurde am 22. Februar 1793 als sechstes Kind auf dem alten Familiensitz Harkorten (ca. 20km südlich von Dortmund) geboren.24 Er erhielt eine strenge Ausbildung, besuchte zunächst die Volksschule, anschließend mit seinen fünf Brüdern die im nur wenige Kilometer entfernten Hagen auf Veranlassung der Familie Harkort im Jahre 1799 gegründete Handelsschule.25 Zunächst hatte er den Wunsch, Kaufmann zu werden und ging 1808 bei einem Teppich- und Webwaren Händler in die Lehre. Allerdings war er weniger an der kaufmännischen Ausbildung interessiert, sondern hielt sich lieber in den Werkstätten auf um die Konstruktion der Maschinen kennen zu lernen.26 Während der napoleonischen Freiheitskriege, aus dem er verwundet zurückkehrte, war er Landwehroffizier.

[...]


1 König, Wolfgang (Hrsg.): Propyläen Technikgeschichte. Mechanisierung und Maschinisierung 1600 bis 1840. Berlin, 1991, S. 271.

2 Hermann, Armin / Charlotte Schönbeck(Hrsg.): Technik und Wissenschaft. Düsseldorf, 1991, S. 404.

3 Fischer, Wolfram: Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung. Aufsätze - Studien - Vorträge. Göttingen, 1972.

4 Henning, Friedrich- Wilhelm: Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914. 4. Auflage, Paderborn, 1978.

5 Engelsing, Rolf: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Deutschlands. Göttingen, 1973.

6 Brusatti, Alois: Wirtschafts- und Sozialgeschichte des industriellen Zeitalters. 3., völlig veränderte Auflage, Graz / Wien / Köln, 1979.

7 Ruppert, Wolfgang: Die Fabrik. Geschichte von Arbeit und Industrialisierung in Deutschland. München, 1983.

8 Berger, Louis: Der alte Harkort: ein westfälisches Lebens- und Zeitbild. Leipzig, 1890.

9 Köllmann, Wolfgang: Friedrich Harkort, Bd. 1. 1793 - 1838.Düsseldorf, 1964.

10 Matschoss, Conrad: Ein Jahrhundert Deutscher Maschinenbau. Von der Mechanischen Werkstätte bis zur Deutschen Maschinenfabrik. 1819 - 1919. Zweite, erweiterte Auflage, Berlin, 1922.

11 König, Wolfgang (Hrsg.): Propyläen Technikgeschichte. Mechanisierung und Maschinisierung 1600 bis 1840. Berlin, 1991.

12 Hermann, Armin / Charlotte Schönbeck(Hrsg.): Technik und Wissenschaft. Düsseldorf, 1991.

13 Treue, Wilhelm (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der industriellen Revolution. Göttingen, 1966.

14 Ruppert, Die Fabrik, S. 9.

15 Roth, Gemeinnütziges, S. 196.

16 Strelin, Realwörterbuch, S. 371 f.

17 Ruppert, Die Fabrik, S. 10.

18 König, Propyläen, S. 272.

19 Ruppert, Die Fabrik, S. 11.

20 Ruppert, Die Fabrik, S. 11.

21 Siehe Anlage 4 S. 14.

22 Siehe Anlage 3 S. 14.

23 Siehe Anlage 1 S. 12.

24 Köllmann, Friedrich, S. 28.

25 Matschoss, Ein Jahrhundert, S. 8.

26 Köllmann, Friedrich, S. 38.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung von Maschinenfabriken zu Beginn der industriellen Revolution in Deutschland. Die Mechanischen Werkstätten Wetter von Friedrich Wilhelm Harkort
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V203369
ISBN (eBook)
9783668325463
ISBN (Buch)
9783668325470
Dateigröße
1650 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Harkort, Maschinenfabrik, Industrielle Revolution
Arbeit zitieren
Magister Artium Sebastian Lucius (Autor:in), 2012, Die Entwicklung von Maschinenfabriken zu Beginn der industriellen Revolution in Deutschland. Die Mechanischen Werkstätten Wetter von Friedrich Wilhelm Harkort, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/203369

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