PsyCap – Die Entwicklung von psychologischem Kapital und dessen Mehrwert für Unternehmen


Masterarbeit, 2012

99 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Grundlagen und Begriffsklärung
2.1 Abgrenzung des PsyCap von Human- und Sozialkapital
2.2 PsyCap im Rahmen von Positive Organizational Behavior
2.2.1 Optimismus
2.2.2 Hoffnung
2.2.3 Widerstandsfähigkeit
2.2.4 Selbstwirksamkeit
2.3 Latentes Konstrukt PsyCap
2.3.1 Kriterien für die Gültigkeit des PsyCap
2.3.2 Potentielle Erweiterungsfaktoren

3 Messung und Entwicklung des PsyCap
3.1 Messung des PsyCap anhand des „Psychological Capital Questionnaire (PCQ)“
3.2 Entwicklungsmöglichkeiten mithilfe von „Psychological Capital Interventions (PCI)“
3.2.1 Kurze persönliche Trainingsinterventionen
3.2.2 Web-basierte Trainingsinterventionen
3.3 Auswirkungen des Trainings auf das PsyCap

4 Mehrwert für Unternehmen durch gefördertes PsyCap
4.1 Stand der Forschung zum Einfluss von erhöhtem PsyCap auf die Unternehmensleistung
4.1.1 Verbesserte Leistung bei den Mitarbeitern
4.1.2 Positive Auswirkungen auf das Betriebsklima
4.1.3 Vermindertes Auftreten von Abwesenheit, Stress und Fluktuation
4.1.4 Einfluss von Führungskräften auf die Mitarbeiter
4.2 Diskussion über PsyCap als potentieller strategischer Wettbewerbsfaktor
4.2.1 Kritische Würdigung bisheriger Forschungsergebnisse
4.2.2 Erweiterungsmöglichkeiten der Theorie
4.2.3 Einschränkungen bei den diskutierten Studien
4.3 Handlungsempfehlungen für Führungskräfte
4.3.1 Authentischer Führungsstil
4.3.2 Regelmäßige PsyCap Trainings

5 Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Vertiefung der Kapitalarten

Anhangsverzeichnis

Anhang A: Psychological Capital Questionnaire (PCQ)

Anhang B: Aufzeigen der empirischen Studien

Anhang C: Operationalisierung der Variablen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

PsyCap - Die Entwicklung von psychologischem Kapital und dessen Mehrwert für Unternehmen

Abstract - Das psychologische Kapital, kurz PsyCap, ist ein neues Konstrukt einer Bewegung der positiven Psychologie, das sich aus den vier Bestandteilen Optimismus, Hoffnung, Widerstandsfähigkeit und Selbstwirksamkeit zusammensetzt. Diese Arbeit zeigt auf, wie das PsyCap gemessen und durch kurze Trainingsinterventionen entwickelt werden kann. Die Erhöhung des PsyCap hat nach Analyse aktueller empirischer Studien viele Zusammenhänge mit begehrenswerten Unternehmenszielen. Es wird zusammenfassend dargestellt, wie die Unternehmensleistung durch das PsyCap beeinflusst werden kann und welche Handlungsempfehlungen sich daraus für Manager ergeben. Eine kritische Würdigung bisheriger Forschungsergebnisse stellt auch die Probleme und Erweiterungsmöglichkeiten der behandelten Studien dar.

1 Einleitung

Was würde einem Unternehmen zu einem wirklichen Wettbewerbsvorteil verhelfen? Mit dieser Frage beschäftigt man sich wohl auf der ganzen Welt. Um heutzutage mit der Konkurrenz mithalten zu können, müssen sich die Unternehmen auf permanente Veränderungen, stetigen Termin- und Leistungsdruck, schwierigere Anforderungen, Mitarbeiterfluktuation und unsichere Zukunftsaussichten einstellen. Als Folge davon wird dieses Arbeitsumfeld von zunehmendem Stress und der sich daraus ergebenden vitalen Erschöpfung, dem „Burnout“, bestimmt. Den Medien zufolge bewegt sich bereits jeder vierte Manager in einem kritischen Zustand (Financial Times Deutschland, 2011). In diesem Zusammenhang steigt auch die Bedeutung von Work-Life-Balance und persönlichen Werten während der Arbeit.

Seit etwa einem Jahrzehnt beschäftigen sich Forscher mit einem neuen Teilbereich der positiven Psychologie, der seine Anwendungen weg von dem medizinischen Umfeld allein auf den heutigen Arbeitsplatz beschränkt. Man untersucht dabei die psychologischen Stärken und Fähigkeiten der Menschen und versucht diese zu messen, zu fördern und sie anschließend erfolgreich zu managen. Das Ziel dabei ist, dieses immaterielle Kapital des Unternehmens bewusst einzusetzen und die sich daraus ergebenden Vorteile zu nutzen. Dabei haben Wissenschaftler ein neues Konstrukt namens „Psychological Capital“ oder kurz „PsyCap“, herausgearbeitet, das sich aus den vier Eigenschaften Optimismus, Hoffnung, Widerstandsfähigkeit und Selbstwirksamkeit zusammensetzt. An dieser Stelle knüpft auch diese Arbeit an. Der Fokus liegt dabei auf der Entwicklung, im Sinne von Erhöhung, des PsyCap und den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf diverse Unternehmensziele. Der Hauptteil beschäftigt sich vor allem mit der Frage, welchen Mehrwert eine PsyCap Erhöhung für ein Unternehmen haben könnte. Ist es möglich, das PsyCap seiner Angestellten zu verbessern und als Folge daraus eine Leistungssteigerung des Unternehmens zu erzielen? Kann durch ein kurzes Training Stress am Arbeitsplatz längerfristig reduziert werden? Mit Fragen wie diesen haben sich bereits viele Wissenschaftler beschäftigt und ihre Ergebnisse in empirischen Studien dargestellt. Um den Überblick über relevante einzelne Studien zu behalten, ordnet diese Arbeit sie in thematische Bereiche ein und gibt den aktuellen Stand der Forschung auf einer breitgefächerten Ebene wieder.

Bezüglich des Aufbaus der Arbeit werden nach Einordnung des PsyCap in den wissenschaftlichen Kontext dessen vier Bestandteile definiert und weitere Grundlagen des Konstrukts erläutert. Eine geeignete Methode zur Messung des PsyCap wird zu Beginn des Hauptteils in Form eines speziell dafür entwickelten Fragebogens vorgestellt. Dadurch lässt sich der Erfolg von bestimmten Interventionen zur Entwicklung des PsyCap feststellen. Im Kernpunkt der Arbeit, dem Gliederungspunkt 4, werden Ansätze vorgestellt, wie Unternehmen vom PsyCap allgemein profitieren können. Ein kritischer Blick auf die bisherige Forschung zeigt auf, welche Chancen und Probleme die Studien mit sich bringen und wie gut sich das PsyCap letztendlich als strategischer Wettbewerbsfaktor eignet. Handlungsempfehlungen für das Management runden das Kapitel ab. Diese Arbeit soll einen Beitrag dazu leisten, dem Leser und den Unternehmen zu zeigen, welche Vorteile sich aus dem PsyCap ziehen lassen. Es soll ein Einblick in das weite Forschungsgebiet gewährt werden, um das Interesse auf praktische Umsetzung zu wecken. Die Erkenntnis, dass ein verborgenes und noch relativ unbekanntes Kapital im eigenen Unternehmen ruht, könnte den Unternehmen der Zukunft einen deutlichen Vorteil verschaffen.

2 Grundlagen und Begriffsklärung

Um sich mit der Entwicklung des PsyCap befassen zu können, müssen erst die theoretischen Grundlagen definiert werden. Zu aller erst gilt es zu verstehen, wo das PsyCap im Rahmen vom Human Resources einzuordnen ist. Die Darstellung seiner einzelnen Komponenten und die Grundlagen für das PsyCap als ein eigenes Konstrukt werden in diesem Kapitel anschließend behandelt.

2.1 Abgrenzung des PsyCap von Human- und Sozialkapital

„Our most important asset walks out the door every night“, ist ein bekanntes Zitat von Bill Gates über seine Mitarbeiter. Humankapital wird zwar nicht ausdrücklich ausgewiesen, gehört aber genauso wie beispielsweise das Anlagevermögen zu einem Unternehmen dazu und führt zum strategischen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz, solange es nicht leicht zu imitieren ist. Beim Humankapital handelt es im Allgemeinen um die Bildung, Erfahrung und Intelligenz, einfacher ausgedrückt, um die Fähigkeiten und das Wissen eines Menschen (Barney, 1991, S. 101f.). Seit vielen Jahren untersuchen Forscher die unterschiedlichsten Beziehungen zwischen Unternehmen und Mitarbeitern und streben danach, diesen Zusammenhang zu optimieren. Die Wissenschaft um das Humankapital ist heutzutage so weit verbreitet, dass in diesem Kontext nicht weiter darauf eingegangen werden muss.

Eine etwas weniger bekannte Dimension evaluiert und beurteilt die Mitarbeiter auf einer tiefer gelegenen Stufe. Es handelt sich dabei um das so genannte Sozialkapital (Larson, Luthans, 2006, S.77). Während das Humankapital in jedem einzelnen Menschen liegt, befindet sich das Sozialkapital zwischen den Menschen in ihren jeweiligen Beziehungen (Coleman, 1988, S.100f.). Die Idee dahinter ist, dass jeder Mensch bei anspruchsvollen Aufgaben dazu neigt, sich Informationen und Ratschläge von Arbeitskollegen, Freunden und Bekannten einzuholen, die mehr Expertise auf dem Gebiet haben als man selbst (Wright, Snell, 1999, S.62). Das Sozialkapital liegt also nicht in einem selbst, sondern in all den anderen Personen und Gruppen, mit denen die Person interagiert. Im Allgemeinen versteht die Literatur unter Sozialkapital „(...) the ability of actors to secure benefits by virtue of membership in social networks or other social structures” (Portes, 1998, S.6f.). Man kann dies auch einfach als den Wert von Beziehungen ansehen. Netzwerke sind nicht von Natur aus gegeben und können unbegrenzt angeeignet werden. Jede einzelne Verbindung entsteht durch eine bewusste oder unbewusste Handlung, die es darauf abzielt, eine soziale Beziehung herzustellen, aus der man auf kurze oder lange Sicht einen Nutzen ziehen kann. (Bourdieu, 1986, S.247f.) Sozialkapital kann beispielsweise durch offene Kommunikationskanäle wie positives Feedback, funktionsübergreifende Teams oder Work-Life Balance Programme gefördert werden (Luthans, Youssef, 2004, S.16f.).

Auf einer noch tieferen Stufe des menschlichen Kapitals liegt schließlich das PsyCap, das in der Wissenschaft und Praxis noch relativ unbekannt ist (Larson, Luthans, 2006, S.78). Um die Einordnung des PsyCap besser veranschaulichen zu können, kann man das Humankapital als das „what you know“, das Sozialkapital als das „who you know“ und das PsyCap als das „who you are“ ansehen. Da das PsyCap eine Entwicklungsmöglichkeit vorsieht, kann man es auch als „who you are becoming“ präzisieren (Luthans et al., 2007, S.20). Die folgende Grafik schildert noch einmal die Vertiefung der vier möglichen Kapitalarten von den traditionellen Aktiva des Unternehmens über Human- und Sozialkapital bis hin zum PsyCap:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Vertiefung der Kapitalarten (Darstellung nach Luthans et al., 2004, S.45).

Der Ursprung des PsyCap liegt in der positiven Psychologie. Martin Seligman, ehemaliger Präsident der American Psychological Association, gilt als Gründer dieser Bewegung und richtet seine Ansätze nach den Stärken der Menschen, anstatt sich wie bisher üblich auf deren Schwächen zu konzentrieren. Daraufhin nahmen sich parallel zwei unterschiedliche Bewegungen vor, die angewandte Psychologie und das Management von Stärken allein auf den Arbeitsplatz zu fokussieren. (Luthans, Youssef, 2004, S.18) Zum einen entstand dabei das „Positive Organizational Scolarship (POS)“ (Cameron et al., 2003), ausgehend von Wissenschaftlern an der University of Michigan, die sich insgesamt eher auf die makroökonomische Ebene konzentrieren und das Unternehmen als Ganzes betrachten. Das Gallup Leadership Institute von der University of Nebraska entwickelte hingegen unabhängig davon einen anderen Ansatz, der hauptsächlich die mikroökonomische und individuelle Ebene untersucht. (Luthans et al., 2007, S.9f.) Dieses so genannte „Positive Organizational Behavior (POB)“ wird definiert als „(...) the study and application of positively oriented human resource strengths and psychological capacities that can be measured, developed, and effectively managed for performance improvement in today´s workplace” (Luthans, 2002a, S.59). Dieser Bewegung werden auch die psychologischen Fähigkeiten Optimismus, Hoffnung, Widerstandsfähigkeit und Selbstwirksamkeit zugeordnet, die alle zusammen das PsyCap ergeben. Alle Wissenschaft im Zusammenhang mit dem PsyCap wird also innerhalb des übergeordneten Forschungsgebiet des POB betrieben (Luthans, Youssef, 2004, S.18f.).

2.2 PsyCap im Rahmen von Positive Organizational Behavior

Die theoretischen Grundlagen, die hinter jeder PsyCap Komponente stehen, werden im nachfolgenden Punkt einzeln behandelt. Das Verständnis davon ist später vor allem bei der Entwicklung des PsyCap wichtig. Wie man sich das PsyCap bereits an dieser Stelle grob vorzustellen hat, zeigt folgende Definition:

“PsyCap is an individual’s positive psychological state of development that is characterized by: (1) having confidence (self-efficacy) to take on and put in the necessary effort to succeed at challenging tasks; (2) making a positive reference (optimism) about succeeding now and in the future; (3) persevering toward goals and, when necessary, redirecting paths to goals (hope) in order to succeed; and (4) when beset by problems and adversity, sustaining and bouncing back and even beyond (resilience) to attain success.” (Luthans et al., 2007, S.3)

2.2.1 Optimismus

Eine einfache und verständliche Definition lautet: „Optimists are people who expect good things to happen to them; pessimists are people who expect bad things to happen to them” (Carver, Scheier, 2009, S.330). Seligman definiert drei Dimensionen des Optimismus, mit deren Hilfe Menschen eine bestimmte Situation bzw. ihre Umwelt, für sich erklären. Aus Beständigkeit, Durchdringung und Personalisierung ergibt sich der so genannte Erklärungsstil derjenigen Person (Seligman, 1990, S.44). Menschen mit einer allgemein optimistischen Einstellung sehen auftretende Probleme als temporär, situationsbezogen und fremdverursacht an, während die eher pessimistischen Menschen sie als dauerhaft, global und eigenverursacht einschätzen. Bei angenehmen Ereignissen ist es genau der umgekehrte Fall. Da sehen die Optimisten diese als dauerhaft, alle Lebensbereiche betreffend und eigenverursacht an, und die Pessimisten sie nur als zeitlich beschränkt, der jeweiligen Situation zugeschrieben und von externen zufälligen Gegebenheiten verursacht. (Buchanan, Seligman, 1995, S.2)

Bei allzu optimistischen Menschen besteht allerdings die Gefahr, dass sie sich selbst höheren Risiken aussetzen und bei auftretenden Enttäuschungen die Umwelt dafür verantwortlich machen, anstatt sich mit den Ursachen zu beschäftigen und daraus zu lernen (Luthans et al., 2007, S. 94f.). Um Kritik bezüglich einer solchen falschen Wahrnehmung von Optimismus zu vermeiden, sieht das POB vor, nur den so genannten realistischen Optimismus zu nutzen (Luthans, 2002a, S.64). Beim realistischen Optimismus geht man nicht bedenkenlos davon aus, dass alle wünschenswerten Ergebnisse auch ohne eigenes Handeln eintreffen werden. Man knüpft stattdessen seine Hoffnungen, Bestrebungen und Erwartungen an die realistischen Möglichkeiten an und akzeptiert ungewisse Tatsachen. So erhöht man die Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Ausgang, befindet sich aber dennoch im Rahmen des realistischen Denkens. Realistische Optimisten sind in der Lage, flexibler und nachsichtiger auf misslungene Ziele zu reagieren und können sich auch mit einem abweichenden Ergebnis zufriedenstellen. (Schneider, 2001, S.253f.)

Das PsyCap sieht also einen Optimismus vor, der keine extremen Ausmaße annimmt und auch kein allgemeines Gebilde zum Wohlbefinden ist. Er beinhaltet strenge Selbstdisziplin, die Auseinandersetzung mit vergangenen Ereignissen sowie eine verantwortungsbewusste Haltung gegenüber künftigen Plänen. (Luthans et al., 2007, S. 96)

2.2.2 Hoffnung

Eine positive Erwartung wird in der Alltagssprache laut Wörterbuch als Hoffnung bezeichnet. Als Bestandteil des PsyCap wird allerdings auch auf die umfangreiche theoretische Forschung und Entwicklung von Hoffnung zurückgegriffen. Weit verbreitet ist dabei der Ansatz des Psychologen Rick Snyder. Er definiert Hoffnung als ein kognitives Konstrukt mit den zwei Komponenten „Agency“ und „Pathways“, die zwar einen positiven Zusammenhang aufweisen, aber keine Synonyme sind (Snyder et al., 1996, S.321). Unter Agency versteht man die zielgerichtete Willenskraft einer Person, die den Menschen vorantreibt und motiviert. Es ist der Glaube daran, man selbst in der Lage zu sein, eine Handlung in Richtung Zielerreichung zu beginnen und aufrecht erhalten zu können. (Snyder, 2000, S.10) Pathways spiegelt dagegen den Glauben an die eigene Fähigkeit wider, einen erfolgreichen Weg zum Ziel ausfindig zu machen (Snyder et al., 1991, S.571). Eine Person mit viel Hoffnung ist zwar zuversichtlich, dass der gefundene Weg zum Ziel führt, ist aber auch gleichzeitig in der Lage, mehrere alternative Wege herauszuarbeiten, falls der ausgewählte scheitern sollte (Snyder, 2002, S.251). Agency und Pathways bilden zusammen den Willen und den Weg zu einem bestimmten Ziel. Das Konstrukt Hoffnung besteht demnach aus der Summe der beiden (Snyder et al., 1991, S.571), die in der Literatur auch als „Willpower“ (Agency) und „Waypower“ (Pathways), bezeichnet werden (Snyder, 1994, S.322). Im Laufe der Zeit ergänzte Snyder seine ursprüngliche Definition noch um das Ziel selbst, sodass die Hoffnung aus der Trilogie „goals, pathways, and agency“ besteht (Snyder, 2002, S.250).

Es existieren in der Literatur gegensätzliche Ansichten, ob das Konstrukt Hoffnung eher ein zeitlich begrenzter Zustand oder ein fester Charakterzug ist. Um im Rahmen des POB Anwendung finden zu können, beschränkt man sich der Definition nach nur auf das entwicklungsfähige Konstrukt Hoffnung. (Luthans, Jensen, 2002, S.307) Die Erläuterung dieses Kriteriums wird später im Punkt 2.3.1 näher dargestellt.

2.2.3 Widerstandsfähigkeit

Resilienz oder die psychische Widerstandsfähigkeit bezieht sich auf das Phänomen, dass manche Menschen gegenüber Stress und Belastungen jeder Art relativ standhaft bleiben können bzw. sich schnell davon erholen, während andere unter den gleichen Bedingungen recht anfällig für psychische und physische Störungen sind (Rutter, 2001, S.13). Bisher war die Resilienz vor allem im medizinischen Bereich und in der positiven Psychologie ein Begriff. Seit einigen Jahren wird sie aber auch auf den Arbeitsplatz bezogen (Luthans et al., 2008c, S.222). In diesem Zusammenhang bezeichnet Luthans die Widerstandsfähigkeit als „(…) the positive psychological capacity to rebound, to 'bounce back' from adversity, uncertainty, conflict, failure or even positive change, progress and increased responsibility” (Luthans, 2002b, S.702). Masten (2001) stellt dabei zwei Bedingungen. Von Resilienz kann erstens nur dann gesprochen werden, wenn das Individuum im bisherigen Leben tatsächlich ernstzunehmenden Gefahren ausgesetzt war bzw. große Risiken vorhanden waren und zweitens, muss es diese schwierigen Lebensumstände auch erfolgreich bewältigt haben. (Masten, 2001, S.228) Widerstandsfähige Menschen erleben genauso viele negative Affekte wie alle anderen. Der Unterschied ist jedoch, dass diese bei ihnen nicht allzu lange andauern (Davidson, 2000, S.1198).

Aus der Literatur geht es nicht eindeutig hervor, ob es sich bei der Widerstandsfähigkeit um eine stabile Persönlichkeitseigenschaft oder um einen dynamischen Prozess handelt. Unter anderem plädieren die Autoren Luthar und Kollegen (2000, S.545f.) für die dynamische Sichtweise, ebenso auch Leipold und Greve (2009, S.42). Im Punkt 2.3.1 dieser Arbeit wird näher darauf eingegangen, warum nur eine flexible Widerstandsfähigkeit für das PsyCap von Bedeutung ist.

2.2.4 Selbstwirksamkeit

Theorien zur Selbstwirksamkeit besagen, dass Motivation, Gefühlszustände und Handlungen von Menschen eher auf deren Glauben als auf einen objektiven Tatbestand beruhen (Bandura, 1995, S.2). Die wahrgenommene Selbstwirksamkeit ist somit die Überzeugung einer Person über ihre eigenen Fähigkeiten, mit deren Hilfe sie eine bestimmte Aufgabe erfolgreich meistern kann (Bandura, 1997, S.3). Stajkovic und Luthans (1998) weiten Banduras Ansatz auf das Arbeitsumfeld aus und definieren die Selbstwirksamkeit als „(...) an individual's convictions (or confidence) about his or her abilities to mobilize the motivation, cognitive resources, and courses of action needed to successfully execute a specific task within a given context”. Demnach bringen Menschen mit einer hohen Selbstwirksamkeit Erfolge hervor, während andere vorzeitig aufgeben, weil sie glauben, nicht in der Lage zu sein, eine bestimmte Aufgabe erfolgreich meistern zu können. (Stajkovic, Luthans, 1998, S. 66)

Die Selbstwirksamkeit unterscheidet sich von den anderen PsyCap Komponenten insofern, da sie auf die persönlichen Fähigkeiten innerhalb einer bestimmten Situation bzw. eines bestimmten Projekts beruht. Die anderen Konstrukte hingegen sind allgemeine Haltungen und Erwartungen, die keinen direkten Zusammenhang mit dem konkreten Handeln einer Person aufweisen. (Luthans et al., 2010, S.46.) Selbstwirksame Menschen gelten im Allgemeinen als sehr motiviert, setzen sich relativ hohe Ziele und sehen diese als ihre Herausforderungen an. Bei auftretenden Schwierigkeiten beharren sie an der Aufgabe anstatt die Kraft zu verlieren und aufzugeben. (Luthans et al., 2007, S.38)

2.3 Latentes Konstrukt PsyCap

Die vier oben beschriebenen Konstrukte bilden zusammen das multidimensionale oder latente (Law et al., 1998, S.744) Konstrukt PsyCap. Hobfoll’s (2002) Theorie nach können diese vier einzelnen unabhängigen Bestandteile als Indikatoren für ein höheres Konstrukt, in diesem Fall PsyCap, angesehen werden (Hobfoll, 2002, S.317ff.). Dieses daraus resultierende „second-order core construct“ (oft auch „higher-order core construct“ genannt; Norman et al., 2010, S.382) ist die gemeinsame Varianz zwischen den einzelnen vier „first-order constructs“. Dies bedeutet, dass das PsyCap eine höhere Auswirkung zeigt als die Summe der jeweils einzelnen vier Konstrukte. (Avey et al., 2011, S.128) Man kann es sich am einfachsten so vorstellen, dass die einzelnen Komponenten auch Synergien untereinander aufweisen und deren Effekt deswegen bei gleichzeitigem Auftreten größer ist als wenn man sie einzeln summiert (Larson, Luthans, 2006, S.85). Eine konfirmatorische Faktorenanalyse konnte diese Behauptung empirisch belegen (Luthans et al., 2007b, S.557f.). Damit das PsyCap als ein eigenständiges Konstrukt betrachtet werden kann, müssen die folgenden zwei Voraussetzungen erfüllt werden: (a) Es muss die konvergente und diskriminante Validität zwischen dem PsyCap und anderen positiven Konstrukten gegeben sein, und (b) Es muss die konvergente und diskriminante Validität von jedem der vier Bestandteile des PsyCap gegeben sein (Avey et al., 2010, S.437). Nachdem das PsyCap diese Bedingungen erfüllt, stellt der nächste Punkt dar, welche weiteren Voraussetzungen das Konstrukt selbst im Rahmen des POB erfüllen muss.

2.3.1 Kriterien für die Gültigkeit des PsyCap

In den letzten Jahren haben es viele Bücher über Selbsthilfe durch positive Gedanken in die weltweiten Bestsellerlisten geschafft. Um das wissenschaftliche PsyCap von den Unterhaltungsmedien abzugrenzen, muss es als ein dem POB unterlegenes Konstrukt zusätzlich zu den oben genannten Voraussetzungen auch dessen eigene Kriterien erfüllen. (Luthans et al., 2007a, S.12)

Erstens muss es sich somit um ein positives Gebilde handeln, damit es dem Forschungsgebiet der positiven Psychologie überhaupt zugeordnet werden kann (Luthans et al., 2007, S.11f.). Jede Eigenschaft, die unter die Rahmenbedingungen des POB fällt, muss zudem auf einem Fundament aus Theorie und Forschung beruhen und messbar sein (Luthans, 2002a, S.59). Die Messbarkeit an sich gilt als Kern jedes wissenschaftlichen Ansatzes. Dadurch, dass das POB nur auf gültige und gängige Messbarkeitsinstrumente zurückgreift, unterscheidet es sich von losen Behauptungen und der Unterhaltungsliteratur. (Luthans et al., 2007, S.13)

Die wichtigste Bedingung für das POB ist jedoch das so genannte „state-like“ Kriterium. Da dieses Kriterium „open-to-development“ ist, unterscheidet es sich von allen anderen gängigen Ansätzen in der positiven Psychologie und bezieht sich vor allem auf Eigenschaften, die entwickelt und verbessert werden können. Somit sind der Definition nach auch fest veranlagte Charakterzüge eines Menschen, wie beispielsweise die „Big Five“ – Persönlichkeitsmerkmale (Barrick, Mount, 1991), beim PsyCap ausgeschlossen. (Luthans, 2002b, S.698) Um sich den Begriff state-like besser vorzustellen, kann man sich die „states“ und „traits“ als zwei extreme Punkte gegenüberstellen. Während die states wie Gefühlszustände stark variieren, sind die traits, einschließlich Intelligenz und Talent, sehr stabil und kaum veränderbar. Zwischen diesen beiden stehen zweit untergeordnete Eigenschaften, nämlich „state-like“ und „trait-like“, die nur relativ veränderbar bzw. relativ stabil sind (Luthans et al., 2007b, S.544). Da sich die letzteren beiden ziemlich ähnlich sind, ist nicht immer eine eindeutige Zuordnung von Konstrukten möglich. Bezüglich dieser Zuordnung gibt es daher in der Literatur kontroverse Ansichten, wobei beide Auffassungen vertretbar sind. Das POB beinhaltet in seiner Wissenschaft aber nur die state-like Ansichten, um die Entwicklungsmöglichkeit mit einzubeziehen. (Avey et al., 2008, S.706)

Es gibt bereits viel Forschung über die Beziehung von bestimmten Charaktereigenschaften und begehrenswerten Ergebnisvariablen, wie beispielsweise Leistung. Allerdings geht man dabei von Eigenschaften aus, die auf lange Zeit konstant sind und eine Entwicklung in den meisten Fällen gar nicht möglich ist. Luthans und seine Kollegen (2007a) sehen hier eine neue Chance für das heutige Arbeitsumfeld, das von anhaltendem Leistungsdruck und stetiger Verbesserung bestimmt ist. Bisher richten sich die Unternehmen nach der so genannten „War-for-Talent“ Perspektive und suchen nach High-Potentials, die diesen hohen Anforderungen gerecht werden können. (Luthans et al., 2007a, S.4) Den Forschern nach sei es zwar notwendig, die besten Kandidaten im Bewerbungsprozess für sich zu gewinnen, es stecke aber noch viel mehr Potential in jedem von ihnen, wenn man die positiven psychologischen Eigenschaften nach ihrer Einstellung im Unternehmen weiterentwickeln würde (Luthans et al., 2007a, S.11f.).

Diese oben genannten Kriterien unterscheiden das POB von anderen verwandten, aber doch unterschiedlichen Ansätzen innerhalb der positiven Psychologie, wie z.B. dem POS (Youssef, Luthans, 2007, S.775). Nachdem das PsyCap alle POB Kriterien erfüllt, gilt es als ein latentes Konstrukt, das entwickelt werden kann und welches Unternehmen als Investition nutzen sollten um ihr Wachstum sowie ihre Leistung und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern (Luthans et al., 2008c, S.224).

2.3.2 Potentielle Erweiterungsfaktoren

Bisher erfüllen die vier Komponenten des PsyCap die POB Kriterien am besten. Es handelt sich allerdings um keine endgültige Fassung und es ist zu vermuten, dass in Zukunft weitere Objekte hinzukommen werden. (Luthans, Youssef, 2004, S.22) Viele weitere Eigenschaften werden in der positiven Psychologie behandelt, teils auch messbare und entwicklungsfähige; es stellt sich nur die Frage, ob sie auch für das POB geeignet sind (Luthans, et al., 2007a, S.145).

Es gibt bereits Ansätze für neue Aufnahmen, die aber mehr Forschung benötigen, um eine eindeutige Zugehörigkeit bestätigen zu können. Luthans und seine Kollegen (2007a) haben sich mit den potentiellen Erweiterungsfaktoren beschäftigt und von vornherein einige Objekte ausgeschlossen. Negative Gebilde wie beispielsweise Stress und Burnout widersprechen der positiven Psychologie und können nicht herangezogen werden. Auch schwer zu erforschende Konstrukte wie Selbstwertgefühl oder Engagement werden vom POB genauso wenig akzeptiert wie eindeutig stabile Charaktereigenschaften, die nicht bzw. nur langfristig veränderbar sind. Positive Konstrukte die keinen direkten Zusammenhang mit dem heutigen Arbeitsplatz aufweisen, bleiben ebenfalls unberücksichtigt. (Luthans, et al., 2007a, S.148)

Relevant hingegen erscheinen nach heutigem Forschungsstand vor allem die kognitiven Konstrukte Kreativität und Weisheit sowie die affektiven Konstrukte Wohlbefinden, Flow und Humor. Bei jedem von ihnen stehen aber noch unerforschte Einzelheiten im Vorfeld, die eine Aufnahme ins POB zurzeit noch verhindern. (Luthans et al., 2007a, S.146)

3 Messung und Entwicklung des PsyCap

Wie bereits erwähnt, ist Messbarkeit für die Wissenschaft unentbehrlich. Neben der erforderlichen Reliabilität und Validität verlangt das POB zudem, dass eine geeignete Skala den Bezug zum Arbeitsplatz haben muss und state-like Konstrukte messen kann (Luthans et al., 2007b, S. 553). Durch den Vergleich von unterschiedlichen Messungen kann dann festgestellt werden, ob bestimmte Entwicklungsmethoden, wie beispielsweise eine neu ausgearbeitete Intervention, erfolgreich waren.

3.1 Messung des PsyCap anhand des „Psychological Capital Questionnaire (PCQ)“

Um das neue Konstrukt PsyCap ordnungsgemäß messen zu können, hat ein Forschungsteam bereits vorhandene und in der Wissenschaft bewährte Instrumente zur Messung der einzelnen PsyCap Komponenten verwendet (Luthans et al., 2007b, S. 553). Die folgenden Skalen sind die Grundlagen, anhand von denen dann der neue Fragebogen zur Messung des PsyCap entwickelt wird. Zur Beurteilung von Optimismus wird somit auf die bewährte Skala von Scheier und Carver (1985) zurückgegriffen. Als Grundlage für die Messung von Hoffnung nahm man die „State Hope Scale“ (Snyder et al., 1996), auch wenn hierbei ausdrücklich „state hope“ gemessen wird und das state-like Kriterium deswegen nur vage beachtet wird. Widerstandsfähigkeit kann mithilfe der Resiliency Scale von Wagnild und Young (1993) gemessen werden und Selbstwirksamkeit mit einer neu entwickelten Skala von Parker (1998). Zwar gibt es für die Selbstwirksamkeit auch traditionelle Messungen nach Bandura (1997), die Methode von Parker weicht aber von den klassischen Stärken ab und bezieht sich vielmehr auf das hier behandelte Arbeitsumfeld. (Luthans et al., 2007b, S.553f.) Zudem besagen Forschungsergebnisse, dass eine ordinal-skalierte Skala, wie es im Falle von Parker ist, vergleichbare Ergebnisse bietet, jedoch die Messungen praktischer und einfacher durchzuführen sind (Maurer, Pierce, 1998, S.329).

Bezüglich der Länge von Fragebögen herrscht immer ein Konflikt zwischen möglichst genauer Messung aller notwendigen Variablen und den Ermüdungserscheinungen von Befragten bei zu viel gefordertem Aufwand (Luthans et al., 2007, S.209). Da alle vier PsyCap Komponenten als gleichgewichtig angesehen werden sollten, selektierte man für den so genannten Psychological Capital Questionnaire (PCQ) die jeweils geeignetsten sechs Punkte aus den einzelnen Skalen heraus, die für eine funktionsfähige und aussagekräftige Messung ausreichen. Die ausgewählten Punkte müssen auf den Arbeitsplatz bezogen sein und eine Entwicklungsmöglichkeit zulassen. Zum Beispiel wurden bei der „State-Hope-Scale“ (Snyder et al., 1996, S.323) die jeweils passendsten drei Punkte zu Agency und zu Pathways ausgewählt. Diese insgesamt 24 Punkte wurden anschließend in Form einer sechsstufigen Likert-Skala[1] dargestellt. (Luthans et al., 2007b, S.554) Davon beinhalten 21 Fragen die Worte „work“, „company“ oder „job“, um es konkret auf die Arbeit zu fokussieren. Der Befragte kann sich für eine der sechs Möglichkeiten zwischen absoluter Zustimmung und völliger Abneigung bezüglich der Fragestellung entscheiden (Luthans et al., 2007a, S.237f.). Als Beispiel für Widerstandsfähigkeit kann der Satz „I feel I can handle many things at a time at this job“ genommen werden, während mit der Aussage „when things are uncertain for me at work, I usually expect the best“ der Optimismus gemessen wird (Sweetman et. al, 2011, S.8). Der vollständige Fragebogen ist im Anhang A dieser Arbeit zu finden.

Um den PsyCap Wert eines ausgefüllten Fragebogens zu bestimmen, summiert man anschließend die Punkte in jeder der vier Kategorien auf und bildet den Durchschnitt. Normalerweise nimmt man pro Frage einfach die angekreuzte Zahl, bei drei Ausnahmen nimmt man die Reverse der Skala. Anschließend werden diese vier Durchschnittswerte summiert und ebenfalls der Mittelwert gebildet, um das PsyCap zu bestimmen. (Luthans et al., 2008c, S. 228f.)

Nachdem sich der PCQ mit 24 Elementen etabliert hat, versuchte man, diesen auf die Hälfte zu reduzieren und nur mit 12 Elementen zu arbeiten. Vor allem für längerfristige Forschung empfiehlt es sich, die Quantität der Fragen auf das Mindeste zu verringern. Mithilfe von empirischen Daten konnte man eine ausreichende Validität des neuen PCQ-12 feststellen. (Avey et al., 2008, S.708) Im Gegensatz zum originalen PCQ enthält er nur zwei Fragen zum Optimismus, vier Fragen zu Hoffnung, und je drei zu Widerstandsfähigkeit und Selbstwirksamkeit. Zusätzlich reduzierte man die sechs-stufige Likert-Skala auf nur fünf Stufen. Dieser vereinfachte Fragebogen wurde beispielsweise auch in einer Studie mit chinesischen Mitarbeitern angewendet, um Abweichungen aufgrund der Übersetzung so gering wie möglich zu halten. Man versuchte zumindest 12 der 24 Fragen nach einem aufwendigen Übersetzungsverfahren sinngemäß und korrekt in Mandarin-Chinesisch wiederzugeben. (Luthans et al., 2008b, S.823)

Wie sämtliche Fragebögen ist auch der PCQ gewissen Verzerrungen ausgesetzt. Zu den häufigsten Methodenverzerrungen gehören Zweideutigkeit der Fragen, Neigung nach Konsistenz, die so genannte soziale Erwünschtheit, Nachsichtigkeitsverzerrung, und Zustimmungstendenz. (Podsakoff et al., 2003, S.882) Ob die Reliabilität von Messungen gegeben ist, lässt sich unter anderem mit der Kennzahl Cronbachs α[2] feststellen (Luthans et al., 2007b, S.555). Aufgrund der Tatsache, dass die Messung vom PsyCap relativ neu ist, wird der Modellfit häufig mit einer zusätzlichen konfirmatorischen Faktorenanalyse auf dessen Zuverlässigkeit überprüft (Luthans et al., 2010, S.53f.). Als Ergebnis davon, werden die Kennzahlen Root Mean Square Error of Approximation (RMSEA), Standardized Root Mean Square Residual (SRMR) und Comparative Fit Index (CFI) interpretiert (Luthans et al., 2007b, S.557f.). Für das übergeordnete Konstrukt, in diesem Fall PsyCap, kann nach allgemein anerkannten Faustregeln[3] auch dann ein akzeptabler Fit zugesagt werden, wenn nur zwei der drei Kennzahlen in ihren jeweils optimalen Grenzen liegen (Hu, Bentler, 1999, S.27f.).

3.2 Entwicklungsmöglichkeiten mithilfe von „Psychological Capital Interventions (PCI)“

Vor kurzem haben Wissenschaftler ein Verfahren entwickelt, mit dem das PsyCap entwickelt, im Sinne von verbessert, werden kann. Diese Mikro-Intervention wurde bereits in einem Versuch getestet und hat erste empirische Erfolge gezeigt. Unter dem Begriff „Psychological Capital Intervention“, kurz PCI, verbirgt sich eine Art Trainingssession, die je nach Anzahl der beteiligten Personen und durchgeführten Übungen zwischen einer und drei Stunden dauert. (Luthans et al., 2006b, S.387f.) Zu den Zielen einer solchen PCI gehört vor allem die kurze Dauer der Anwendung, um möglichst wenige Unterbrechungen im Entwicklungsprozess herbeizuführen, und die Behandlung jeder einzelnen PsyCap Dimension sowie des Kernkonstrukts PsyCap als Ganzes (Luthans et al., 2010, S.51). Neben der PCI mit anwesenden Teilnehmern unter der Leitung einer Person gibt es als Alternative noch die web-basierte PCI.

3.2.1 Kurze persönliche Trainingsinterventionen

Für die Entwicklung des PsyCap kehrt man zu den Grundlagen von Optimismus, Hoffnung, Widerstandsfähigkeit und Selbstwirksamkeit zurück, zu denen bereits bewährte Entwicklungsmethoden existieren. Bei der PCI werden diese in vermischter Form und auch teils miteinander gekoppelt angewendet, um Verbindungen zwischen den vier Komponenten zu verdeutlichen. Bedeutende Unterschiede bezüglich der Reihenfolgen in den Anwendungen ließen sich nicht feststellen. (Luthans et al., 2010, S.50) Um das natürliche Verhalten der Teilnehmer möglichst nicht zu beeinflussen, wurde ihnen bei durchgeführten Teststudien meist nur ganz allgemein mitgeteilt, man würde ihre Arbeitsweisen in aggregierter Form beobachten (Larson, Luthans, 2006, S.83).

Eine PCI läuft in der Regel nach einem bestimmten zweistufigen Schema ab. Nach zahlreichen Beispielen und Videoclips zu jeder einzelnen PsyCap Dimension werden die Teilnehmer in intensiveren Übungen zum Handeln aufgefordert, unter anderem zum bewussten Nachdenken, Schreiben und Diskutieren. Dadurch sollten die theoretischen Grundlagen auf den eigenen Wertebereich übertragen und für jeden Teilnehmer personalisiert werden. (Luthans et al., 2010, S.51) Auf den nächsten Seiten werden die Inhalte einer PCI und die Entwicklungsmöglichkeiten der vier PsyCap Komponenten näher beschrieben.

Wie bereits oben erläutert, besteht Hoffnung nach Snyder aus Agency, Path-ways und Goals. Im Rahmen der PCI soll sich jeder Teilnehmer ein persönliches Ziel setzen, das die ganze Session über behandelt wird. Ein ideales Ziel soll aus Gründen der Messbarkeit einen deutlichen Anfangs- und Endpunkt haben, spezifisch sein und für die Person zwar eine wahre Herausforderung darstellen, aber dennoch realistisch und erreichbar sein (Luthans et al., 2007a, S.69). Ein geeignetes Ziel ist Ausgangspunkt für Motivation und somit für die Entwicklung der Agency Dimension. Ein Brainstorming über möglichst viele unterschiedliche Ansätze zum eigenen Ziel fördert hingegen das Pathway Thinking. In kleinen Gruppen werden Ziele und Wege für jeden einzelnen Teilnehmer diskutiert, neue gefunden und unrealistische ausgesondert. Jeder Teilnehmer soll sich bewusst werden, dass es mehrere alternative Wege gibt, falls man auf einem scheitern sollte. (Luthans et al., 2010, S.51f.)

Ein weiterer Schritt bei der Entwicklung von Hoffnung ist die persönliche Auseinandersetzung mit Hindernissen, die die Zielerreichung gefährden könnten. Nachdem sich jeder Teilnehmer mit der Frage „what can stop you from accomplishing your goal?“ beschäftigt hat, folgt wiederum eine Gruppendiskussion, in der weitere potentielle Hindernisse und deren Überwindung besprochen werden. Der Moderator achtet stets auf positive Ausrichtung der Gespräche und auf einen sinnvollen Bezug zum Arbeitsplatz. (Luthans et al., 2006b, S.389) Schwierige und langfristige Ziele sollten durch die Methode „Stepping“ in mehrere kleine Unterziele aufgeteilt werden. So werden die einzelnen Etappen bis hin zum Ziel überschaubar und man erlebt und realisiert den Erfolg bei jedem einzelnen Schritt, wodurch neue Hoffnung bezüglich des ursprünglichen großen Ziels geschöpft wird. (Snyder, 1994, S.241f.)

Zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit wurden vor allem im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen drei proaktive Strategien herausgearbeitet (Masten et al., 2009, S.128f.), die Luthans und seine Kollegen (2007a, S.124ff.) in leicht abgewandelter Form auf den Arbeitsplatz übertragen haben. So versteht man unter einer „asset-focused“ Strategie die persönliche Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Fähigkeiten und vor allem die Förderung von Human- und Sozialkapital der Mitarbeiter. Durch den Aufbau einer starken und vertrauenswürdigen Unternehmenskultur sollen laut der „risk-focused“ Strategie potentielle Risiken richtig gehandhabt oder gar gänzlich vermieden werden (Luthans et al., 2006a, S.33f.). Die „process-focused“ Strategie betrachtet die gesamte Entwicklung der eigenen Fähigkeiten bei der Anwendung auf potentielle Risikofaktoren. Durch sie soll die Art und Weise, wie jemand auf Erfahrungen und Vorfälle reagiert, beeinflusst werden. (Luthans et al., 2007a, S.126)

Konkret auf die PCI bezogen beschäftigen sich die Teilnehmer noch einmal mit möglichen Hürden, die ihren Erfolg gefährden könnten. Während man sich bei der Hoffnung darauf konzentriert, Hemmnisse erfolgreich zu überwinden, geht es beim Entwickeln der Widerstandsfähigkeit vor allem darum, Pläne auszuarbeiten, damit Hürden gar nicht erst auftreten bzw. zumindest zu keinen schwerwiegenden Folgen führen. (Luthans et al., 2010, S.66f.) Die Teilnehmer sollen sich an persönliche Rückschläge erinnern, die sie vor kurzem in Zusammenhang mit ihrer Arbeit erlitten haben, sowie ihre unmittelbaren Reaktionen darauf. Mit Hilfe von Beispielen des Moderators analysiert man dann einzeln und auch in Gruppendiskussionen die realistischen Auswirkungen der Niederlage, genau genommen, was in so einem Fall tatsächlich innerhalb und was außerhalb der persönlichen Macht steht. Durch das Bewusstwerden der eigenen Talente und Fähigkeiten und einem zuversichtlichen Blick auf die Realität werden die Teilnehmer geschult, sich von künftigen Niederlagen nicht unterkriegen zu lassen und besser darauf eingestimmt zu sein. (Luthans et al., 2006b, S.390)

Mit den verschiedenen Entwicklungstheorien zur Selbstwirksamkeit hat sich vor allem Bandura (1997) beschäftigt, der dazu vier effektive Quellen herausgearbeitet hat. Die eigenen Erfahrungen haben ihm nach den größten Einfluss auf die Entwicklung von Selbstwirksamkeit. Schon das Erlebnis von kleinen Erfolgen verstärkt den Glauben an sich selbst, noch mehr erreichen zu können. Hier wird noch einmal deutlich, warum das oben bei der Hoffnung geschilderte „Stepping“ wichtig ist. Ferner kann das Individuum durch Nachahmungslernen profitieren, indem es die Erfolge und Misserfolge von anderen Menschen in einem relevanten Umfeld beobachtet und daraus Schlüsse zieht. Auch Ansporn und positives Feedback fördern die eigene Selbstwirksamkeit, genauso wie der psychologische und physiologische Zustand, im Sinne von allgemeinem Wohlbefinden des Menschen. (Bandura, 1997, S.79ff.)

Diese vier Quellen der Selbstwirksamkeit werden auch in die PCI integriert. Die Teilnehmer zerlegen ihre Ziele in kleinere Unterziele und stellen sie ihren Mitmenschen explizit vor. Jeder einzelne Schritt bis hin zur Zielerreichung wird erläutert. Bei Fragen und Unklarheiten zur geplanten Bewältigung jedes Schritts können weitere Fragen aus der Runde kommen. Indem man die einzelnen Unterziele mental ausgestaltet und genau verfolgt, erlangt man „enactive mastery experience“, wie es Bandura (1997, S.80) bezeichnet; man macht also bereits eigene Erfahrungen mit dem imaginären Erfolg. Die Präsentationen von anderen Teilnehmern bezüglich ihrer Ziele werden nachempfunden und auf die eigene Selbstwirksamkeit übertragen. Feedback und Unterstützung des Moderator lösen eine emotionale Erregung aus und verstärken die positiven Erwartungen bezüglich des eigenen Ziels. (Luthans et al., 2006b, S.390)

Eine allgemein optimistische Haltung wird im Laufe der PCI grundsätzlich immer mit verfolgt. Vor allem das Training zur Selbstwirksamkeit übt einen großen positiven Einfluss auf den Optimismus aus. (Luthans et al., 2006b, S.389) Den realistischen Optimismus entwickelt man in den folgenden drei Perspektiven. Man soll die Vergangenheit mit Nachsicht betrachten, die Gegenwart wertschätzen und nach Chancen in der Zukunft Ausschau halten. So entgeht man im Falle einer Niederlage einer Abfolge von pessimistischen Auswirkungen. (Schneider, 2001, S.254ff.) Die Selbstüberzeugung, dass es mehrere Wege zum Ziel gibt und dass man Hindernisse von allein überwinden kann, erhöht den Glauben an die eigene Kraft. Feedback von anderen Personen verstärkt diesen Effekt noch einmal. Anfängliche Ängste und negative Erwartungen werden bei der Analyse von Hindernissen verringert, und die optimistische, aber dennoch realistische Sicht auf Zukunftsereignisse verstärkt. (Luthans et al., 2006b, S.389)

Nachdem sich die Teilnehmer mit Übungen wie diesen intensiv auseinandergesetzt haben, sollten sie sich ihrer Gedanken und Gefühle bewusster geworden sein und auch in der Lage sein, die neu gewonnenen Erfahrungen künftig auf den Arbeitsplatz zu übertragen (Luthans et al., 2010, S.51).

Eine Motivation für Unternehmen zur Durchführung von solchen Trainings könnte der finanzielle Aspekt sein. Die Kosten einer PCI belaufen sich in etwa auf die Stundenlöhne der anwesenden Mitarbeiter und den Lohn des Moderators (Luthans et al., 2006b, S.392). Verglichen mit anderen Human Resources Entwicklungsmethoden erscheint dieses 2-3-stündige Verfahren recht lukrativ zu sein, wenn man den potentiellen Erfolg betrachtet, auf den im Punkt 4.2.2 näher eingegangen wird. Noch günstiger wäre eine Online-Intervention, wie sie nun vorgestellt wird.

[...]


[1] Pro Frage existieren jeweils die folgenden Antwortmöglichkeiten: 1 = strongly disagree, 2 = disagree, 3 = somewhat disagree, 4 = somewhat agree, 5 = agree, 6 = strongly disagree

[2] Cronbachs α ist eine Maßzahl für die interne Konsistenz einer Skala mit mehreren Items. Der Koeffizient kann Werte zwischen minus Unendlich und Eins annehmen und gibt an, wie genau die Items eines Tests das Konstrukt messen. Nach einer Faustregel sprechen Werte ab 0,7 bis 1 für akzeptable bis ausgezeichnete Ergebnisse. (Peterson, 1994, S.381)

[3] Optimale Werte liegen für RMSEA zwischen 0 und 0,06, für SRMR zwischen 0 und 0,08 und für CFI zwischen 0,95 und 1. (Hu, Bentler, 1999, S.6)

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
PsyCap – Die Entwicklung von psychologischem Kapital und dessen Mehrwert für Unternehmen
Hochschule
Universität Passau  (Lehrstuhl für Management, Personal und Information)
Veranstaltung
Organizational Behavior
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
99
Katalognummer
V202885
ISBN (eBook)
9783656320098
ISBN (Buch)
9783656320753
Dateigröße
797 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
psycap, entwicklung, kapital, mehrwert, unternehmen
Arbeit zitieren
Ilona Böhle (Autor:in), 2012, PsyCap – Die Entwicklung von psychologischem Kapital und dessen Mehrwert für Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202885

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: PsyCap – Die Entwicklung von psychologischem Kapital und dessen Mehrwert für Unternehmen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden