Straßenkinder in Deutschland


Hausarbeit, 2003

30 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Begriff Straßenkind
2.1 Historischer Rückblick
2.2 Der Begriff heute

3. Zahlen und Fakten

4. Ursachen

5. Die Lebenssituation

6. Erwartungen und Wünsche

7. Hilfsangebote
7.1 Jugendhilfe
7.2 Jugendamt
7.3 Sozialpädagogen und Sozialarbeiter
7.4 Streetworker
7.5 Hilfsorganisationen
7.6 Vertrauenswürdige Ansprechpartner

8. Straßenkids erzählen...

9. Schlussbemerkung

10. Literaturverzeichnis

Wolken schimmern in den Flüssen meiner Tränen.

Die Zeit der Einsamkeit nimmt ihren Lauf.

Ich sah sie nur im Zeichen eines Schattens.

Sie flog zum Stern der Zweisamkeit hinauf.

Denke, denke, denke darüber nach.

Denke darüber nach, über das, was du verpasst:

Ob Mauern, Draht oder Flechten,

man wird immer ums Leben fechten.

Ob geboren oder Keim.

Niemand will alleine sein.

Bäume sprachen oft zu mir:

„Schlafe doch heut´ Nacht bei mir!“

Sternenhimmel deckt mich zu,

und ich ergebe mich der Ruh´.

Denke darüber nach, über das, was du verpasst.

Doch wenn in einem Menschen das Dunkel Einzug hält,

und du selbst nicht weißt, was Sache ist:

Das ist das Schlimmste, was es gibt!

Denke darüber nach, über das, was du verpasst...

Quelle[1]

1. Einleitung

Dass es in vielen armen Ländern der Erde Straßenkinder gibt, hört und sieht man immer wieder. Es ist auch den meisten wohl bekannt, unter welchen Bedingungen diese Kinder leben und welche Folgen dies für sie hat. Die Tatsache jedoch, dass in Deutschland das Leben auf der Straße bereits auch große Formen angenommen hat, ist vielen nicht bewusst, bzw. wollen viele nicht wahrhaben. Warum sollten auch Jugendliche und Kinder in diesem ´reichen Land´ auf der Straße leben, wo sie doch alles haben, was sie brauchen? Diejenigen, die sich diesem Schicksal ausgeliefert haben, werden oft als ´Penner´, faul, verschmutzt und gewaltbereit angesehen. Man geht ihnen gerne aus dem Weg und verschließt die Augen vor dem Problem. Ihr Schicksal ist dabei für andere uninteressant. Die Hintergründe werden eher als ´nicht so schlimm´ abgetan, weil sich auch keiner ernsthaft versucht, in deren Lage zu versetzen und deren Handeln zu verstehen. Wenn man sie jedoch zu ihrem Leben befragt, kommen erschreckende Einzelschicksale ans Licht, von denen man nie geglaubt hätte, dass es sie gibt. Diese Geschichten machten mich bei der Ausarbeitung sehr nachdenklich und traurig.

Es ist schon beängstigend, dass in einem Land wie Deutschland die Zahl der ´Straßenkarrieren´ immer weiter ansteigt, im Gegenzug aber die Hilfen und das Interesse, diesen Kindern eine Zukunft zu bieten, nicht genügend vorhanden ist. Es ist wohl den Verantwortlichen immer noch nicht bewusst, welche Folgen diese Lebensweise für die Kinder hat und wie viele es bereits auf die Straße getrieben hat. Sicher kennt man im allgemeinen die Ursachen, aber sie zu beheben ist sicherlich sehr schwer. Das Ganze ist ein Kreislauf, den man kaum stoppen kann. Das fängt bei der Arbeitslosigkeit an, führt weiter über die teilweise erschreckenden Familiensituationen und endet oft in der stetig steigenden Gewalt- und Missbrauchsbereitschaft.

Glücklicherweise gibt es doch viele Hilfsorganisationen, die in Deutschland, aber auch weltweit, den Kindern Nahrung und Schlafmöglichkeiten zur Verfügung stellen, sie ärztlich behandeln oder ihnen einfach nur zuhören. Diesen Organisationen gilt meine Bewunderung und mein Respekt. Es gehört viel (unbezahltes) Engagement

und Interesse an den Kindern dazu, um so etwas auf die Beine zu stellen, da mit großen Hilfen vom Staat nur selten zu rechnen ist.

Im Folgenden werde ich mich diesem Thema widmen und verschiedene Details dieser Problematik aufführen.

2. Der Begriff Straßenkind

2.1 Historischer Rückblick

Besonders in jüngerer Zeit hat sich in der Bundesrepublik Deutschland ein Interesse an Kindern und Jugendlichen entwickelt, für die die Straße im wahrsten Wortsinn zum zentralen Aufenthalts- und Überlebensort geworden ist. Dabei ist festzuhalten, dass es sich bei dieser Thematik keineswegs um eine neuartige Form handelt, wenngleich sich die Ursachen bzw. Motivationen, die zu einem Leben auf der Straße führen, im Laufe der Zeit durchaus verändert haben. Waren in vorigen Zeiten noch vor allem Kriege dafür verantwortlich, dass Kinder ihren Eltern entzogen wurden und ohne elterliche Obhut aufwachsen mussten, so kam spätestes beim Einsetzen von Industrialisierung und Urbanisierung ein weiterer wesentlicher Grund für die Zunahme der Anzahl „herumstreunender" Kinder " und Jugendlicher hinzu. Die Verarmung großer Bevölkerungsschichten führte sowohl zum Entstehen von tatsächlichen, „klassischen" Obdachlosenexistenzen in den Armenvierteln der Städte als auch vielfach zu der Notwendigkeit, sich zwecks Arbeitssuche auf Wanderschaft begeben zu müssen. Bereits zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zogen solche „umherwandernden" Jugendlichen die Aufmerksamkeit auf sich.

Neben der vornehmlich aus existenzieller materieller Not geborenen Obdachlosigkeit gab es jedoch auch schon zu Zeiten der Weimarer Republik Kinder und Jugendliche, die nicht aus den bislang genannten Gründen von zu Hause ausrissen. Zur Erklärung dieses Phänomens wurden lange Zeit psychopathologische oder medizinisch-psychiatrische Konzepte verwendet, die den Jugendlichen geistige bzw. psychische

Anomalien unterstellten. Beispielsweise wurde bis in die sechziger Jahre von einer hirnorganisch bedingten Krankheit ausgegangen, der „Poriomanie", d.h. eine geistige Störung, die für die triebhafte und motivlose „Herumtreiberei" verantwortlich sei. Auf der anderen Seite gab es bereits zu dieser Zeit auch schon psychologisch-pädagogische Ansätze, die das Augenmerk nicht allein auf die Person des fortlaufenden Jugendlichen richteten, sondern auch auf das soziale Umfeld. In diesem Zusammenhang wurde das Davonlaufen als Ausdruck individueller „Verwahrlosung" gedeutet. Mit dieser starken Betonung des Aspekts der „Verwahrlosung", mit dem zwar Symptome beschrieben wurden, ohne jedoch tatsächlich die Kausalzusammenhänge näher zu untersuchen, wurde den Jugendlichen erneut in erster Linie eine Art von individueller Fehlentwicklung unterstellt, nämlich das Vorherrschen von negativen, d.h. von den gängigen gesellschaftlichen Normen abweichenden Persönlichkeitsmerkmalen, Eigenschaften und Verhaltensweisen. Es erschien insgesamt undenkbar, dass „normale" junge Menschen - scheinbar ohne zwingenden Grund - ihr Zuhause aufgaben. Die einzige akzeptable Begründung für dieses Verhalten konnte nur eine angeborene oder erworbene geistige Abnormität sein, die man mittels der bei der Behandlung von Geisteskranken üblichen Methoden, wie Isolierung, Stationierung und medikamentöser Therapie, in den Griff zu bekommen versuchte. Diese Sichtweise dominierte in der wissenschaftlichen Fachliteratur bis Mitte/Ende der sechziger Jahre.

Erst seit Anfang der siebziger. Jahre wurde damit begonnen, sowohl die allgemeinen gesellschaftlichen Umstände als auch den familiären Hintergrund und die Sozialisationsbedingungen der Jugendlichen differenzierter zu betrachten. Das Weglaufen wurde in zunehmendem Maße nicht mehr auf gestörte Jugendliche, sondern auf gestörte bzw. problematische Familienverhältnisse zurückgeführt.

Mit der Hinwendung zur Analyse individueller biographischer Problemlagen wurde die Grundlage für modernere sozialpädagogische Betrachtungsweisen und Lösungsansätze geschaffen. (vgl.[2])

2.2 Der Begriff heute

Der Begriff ´Straßenkinder´ bezog sich ursprünglich vor allem auf die Situation von Kindern in der Dritten Welt. Die Übertragung dieser Bezeichnung auf die Situation in Deutschland ist nicht unproblematisch. Ein wesentlicher Kritikpunkt an der undifferenzierten Übernahme dieses Begriffs ist die Tatsache, dass dadurch die gravierenden qualitativen Unterschiede zwischen beiden Phänomenen vermischt werden. In den Elendsvierteln der Dritten Welt treibt materielle Not, bitterer Hunger die Kinder auf die Straße. In unserem Wohlstandsstaat ist es jedoch emotionale Not, Hunger nach Liebe und Anerkennung, der Kindern als letzten Ausweg den schmutzigen Platz am Rande der Gesellschaft lässt.(vgl.[3])

Eine genaue und einheitliche Begriffsdefinition zu diesem Thema ist natürlich nicht zu finden. Deshalb habe ich einige Umschreibungen von unterschiedlichen Autoren aufgeführt, durch die jedoch die grundlegendsten und wichtigsten Merkmale, was den Begriff ´Straßenkinder´ angeht, erläutert werden.

„Straßenkinder sind nach einer Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) der Vereinten Nationen Minderjährige..., also Kinder und Jugendliche, für die die Straße im weitesten Wortsinn zum zentralen Aufenthalts- und Überlebensort wurde und die keinen entsprechenden Schutz genießen. Der Begriff "Straße" schließt hierbei verlassene oder heruntergekommene Gebäude bzw. Wohnungen mit ein. "Straßenkinder" sind, das belegen die wenigen vorliegenden Forschungsergebnisse, fast nie Kinder, sondern Jugendliche und junge Erwachsene. Zwar wurde von manchen Experten festgestellt, dass diese Jugendlichen im Schnitt jünger werden, Kinder unter 14 sind aber (bisher) nur die Ausnahme. Trotzdem muss gesehen werden, dass sich potentielle Straßenbiografien schon in einem viel früheren Alter abzeichnen.“[4]

Eine andere Beschreibung zu diesem Begriff liefert Specht (1989): „Sie leben allein oder in Gangs. Sie sind unterernährt und hungern seit ihrer Geburt. Es mangelt ihnen an Zuwendung, Geborgenheit, Erziehung und Bildung und vor allem an Liebe. Es

sind Kinder und Jugendliche, die auf selbsterlebte Ablehnung, Gleichgültigkeit, skrupellose Ausbeutung, Gewalt, Verführung und Ausgrenzung zu ihrem Überleben verzweifelte Auswege in Diebstahl, Prostitution, Gewalt und Drogenhandel suchen. Viele Straßenkinder verrichten unterbezahlte Arbeit. In Straßenbanden schaffen sie sich einen Familienersatz, eine psychische und emotionale Zufluchtsstätte, ein Überlebenssystem, das Sicherheit und Schutz gewährt. Etwas, das sie in ihrem Leben bitter vermisst haben. [..] Der Begriff ´Straßenkinder´ schließt viele dieser Merkmale ein, doch die wesentlichen Definitionskriterien für die eigentlichen Straßenkinder sind zum einen die schutzlose Straße als existenzieller Lebensraum und die in den Hintergrund getretene und nicht mehr existente Familie. (vgl.[5])

´Straßenkind´ ist hierzulande ein reiner Pressebegriff, der im Zusammenhang mit der Situation in der Dritten Welt entstanden ist und mit der deutschen Realität wenig zu tun hat. Hierbei achten die Medien nicht darauf, ob die Kinder tatsächlich ihr ganzes Leben auf der Straße verbringen oder ob sie noch Kontakt zu Familien oder Heimen haben und nur einen Teil ihres Lebens auf der Straße verbringen. Der Begriff ist somit nur oberflächlich anwendbar, da individuelle Unterschiede von ´Straßenkarrieren´ nicht berücksichtigt werden. Man müsste deshalb jeden ´Ausreißerfall´ für sich benennen und nicht jeden Jugendlichen diesem übergeordneten Begriff ´Straßenkind´ zuordnen. Erst dann würden die vielen individuellen Hintergründe, Ursachen, Lebenssituationen und Probleme dieser Kinder erkennbar. Zudem ist es auch wichtig, dass nicht jeder Ausreißer gleich als Straßenkind abgestempelt wird, sondern man zuerst hinterfragt, welche Gründe dahinter stehen. Sicherlich kann man dann auch gemeinsame oder ähnliche Hintergründe erkennen und Gruppierungen bilden. Romahn unterteilt den Begriff ´Straßenkind´ in folgende Typen:

Die Ausgegrenzten sind Kinder und Jugendliche, die von zu Hause oder aus Einrichtungen geflohen sind oder rausgeschmissen wurden.

Die Auffälligen sind Kinder, die die Straße als Ort der Selbstinszenierung bzw. Identitätsfindung nutzen.

Die Gefährdeten sind Kinder, die der elterlichen Kontrolle entzogen sind.

(vgl.[6])

[...]


[1] Seidel, M.-H. 1994. S. 238.

[2] Jordan, E. u. Trauernicht, G. 1981. S. 39 f.

[3] http://www.offroadkids. de («Buddy-Projekt»).

[4] http://www.schoolweb.de/millenniumobserver2/albert-schweitzer/strassenkinder/...

[5] Specht, W. 1989. S 405.

[6] Romahn, A. 2000. S. 9, 10.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Straßenkinder in Deutschland
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Soziologie)
Veranstaltung
Jugendsoziologie
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
30
Katalognummer
V20278
ISBN (eBook)
9783638242073
Dateigröße
593 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Straßenkinder, Deutschland, Jugendsoziologie
Arbeit zitieren
Nicole Laqué (Autor:in), 2003, Straßenkinder in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/20278

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