Das kurze Zwischenspiel des Goldstandards in der Zwischenkriegszeit 1923 - 1932


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

25 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

A. Einleitung

B. Der Goldstandard – Konstruktion und Wirkungsweise des Währungssystems
I. Der Ursprung und die Funktionsweise des Goldstandards vor dem 20. Jahrhundert
II. Der Goldstandard vor dem Ersten Weltkrieg

C. Der Goldstandard in der Zwischenkriegszeit
I. Der holprige Weg zurück zum Goldstandard
II. Kein Finanzzentrum und internationale Uneinigkeit
III. Die Thesaurierung von Gold
IV. Reparationen und Kriegsschulden

D. Der Niedergang des Goldstandard in der Zwischenkriegszeit
I. Ausstieg mit Symbolwirkung
II. Die USA und der Rest der Welt ziehen nach

E. Schlussbetrachtung

F. Literaturverzeichnis

A. Einleitung

Der internationale Goldstandard war vor dem Ersten Weltkrieg ein stabiles, internationales Währungssystem. Die Einführung des Goldstandards in Großbritannien im 18. Jahrhundert führte dazu, dass 150 Jahre später ein Großteil der Welt dieses Währungssystem übernahm. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs wurde die Kontinuität und Stabilität des Systems jäh unterbrochen. Aufgrund der Effektivität und der Prosperität, welche die Akteure mit dem Währungssystem verknüpften, sollte in den 1920er Jahren der Goldstandard wiederhergestellt werden. Die Phase in der das altgediente Währungssystem in der Zwischenkriegszeit operierte war ausgesprochen kurz. Deshalb versucht die vorliegende Untersuchung der Frage nachzugehen, warum der internationale Goldstandard in den 1920er Jahren nicht funktionierte.

Zu Beginn der Arbeit werden deswegen in Kapitel B. der Ursprung und die Funktionsweise des Goldstandards vor dem 20. Jahrhundert erläutert, um eine Grundlage für die weitere Untersuchung zu legen. Dabei wird sich herausstellen, dass es damals Bedingungen gab, die sich im Laufe der Zeit veränderten. Im anschließenden Hauptteil der Analyse soll der oben formulierten Frage im Detail nachgegangen werden. Schließlich trug die Überbewertung des Pfundes genauso zur Instabilität des Währungssystems bei, wie zum Beispiel die Sterilisierung von Gold. Dabei wird der Hauptuntersuchungszeitraum der Arbeit zwischen 1923 und 1932 einsetzen. Dementsprechend werden hier vor allem die USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich behandelt. Das Ende der Untersuchung markiert eine kurze Erläuterung der Absetzung des Goldstandards.

Der Forschungsstand zur Thematik ist profund und fortgeschritten und spaltet sich je nach dem in Keynsianer und Monetaristen. Auch die Quellenlage zu dieser Thematik ist ergiebig. Besonders aufschlussreich ist die Arbeit"The European Economy between the World Wars“[1] von Feinstein, Temin und Toniolo. Aber auch Barry Eichengreens Monographie „Vom Goldstandard zum Euro“[2] oder „Golden Fetters“[3] sind äußerst aufschlussreich und weiterführend für die vorliegende Thematik.

B. Der Goldstandard – Konstruktion und Wirkungsweise des Währungssystems

I. Der Ursprung und die Funktionsweise des Goldstandards vor dem 20. Jahrhundert

Der Goldstandard ist ein Währungssystem, das schon weit vor dem 20. Jahrhundert entstanden ist. Der Goldwährung habe sich aus den zahlreichen Warengeldwährungen entwickelt, behauptet Barry Eichengreen.[4] Bereits 1717 hat Sir Isaac Newton faktisch den Goldstandard eingeführt. Newton setzte einen zu niedrigen Goldpreis für Silber fest. Dadurch verschwand das Silber vollständig aus dem Zahlungsverkehr. Eichengreen meint, dass es sich hierbei um einen großartigen monetären Zufall der Neuzeit handelt.[5] Aufgrund der einsetzenden Industrialisierung Mitte des 18. Jahrhunderts in Großbritannien und der vorausgegangenen Beherrschung des Fernhandels war der Goldstandard für Länder, die mit dem Inselstaat Handel trieben und Kredite beziehen wollten, eine interessante Alternative zur Silberwährung. Eichengreen zieht daraus den Schluss, dass aus den Entscheidungen einzelner Staaten unter Schirmherrschaft Großbritanniens ein internationales Währungssystem mit festen Wechselkursen entstand.[6]

Die Bank Charter Act im Ju1i 1844 teilte die Bank of England, die sich in privater Hand befand, in eine Notenausgabe-Abteilung (issue department) und eine Bankabteilung (banking department): „[…] that the said Issue Department shall always kept separate and distinct from the Banking Department of the said Governor and Company.“[7] Mit Hilfe von diesem Gesetz sollte die Bank of England zwischen wirtschaftlichen und nationalen Interessen unterscheiden können. Immerhin befand sich die Bank, die damals im Prinzip schon eine Zentralbank war, oftmals in einem Dilemma zwischen Eigeninteresse und Pflichterfüllung. Offiziell Zentralbank und „lender of last resort“ war die Bank of England erst nach der Baringkrise 1890.[8] Der Gesetzestext zeigt, dass im Peel’s Act, wie die Bank Charter Act auch genannt wird, versucht wurde „Kollisionen zwischen […] öffentlichen Pflichten und nationalem Interesse“[9] zu vermeiden.

Das Bank Charter Gesetz bestimmte darüber hinaus, dass der Banknotenumlauf nicht die Höhe des Eigenbestands an Edelmetallen überschreiten darf. Die sich im Zahlungsverkehr befindlichen Banknoten waren durch Gold gedeckt. Das zeigt folgender Abschnitt des Peel’s Act:

[…] there shall be delivered out of the said Issue Department into the said Banking Department of the Bank of England such an Amount of Bank of England Notes as, together with the Bank of England notes then in circulation shall be equal to aggregate Amount of the Securities, Coin and Bullion so transferred […][10]

Die Bank of England konnte eine bestimmte Menge an ungedeckten Noten in Zahlungsverkehr bringen. Diese durften aber nicht die Summe von 14 Millionen Pfund, wie der Bank Charter Act[11] verfügte, überschreiten.

Trotzdem waren Goldmünzen das überwiegende Zahlungsmittel in England. Neben dem Vereinigten Königreich befanden sich auch in Deutschland, Frankreich und den USA hauptsächlich Goldmünzen im Geldumlauf. Die von der Bank of England ausgegebenen Banknoten konnten jederzeit in Gold umgetauscht werden. Eine Unze Gold war zu 3 Pfund 17 Schilling und 9 Pence festgelegt.[12]

Frankreich hielt nicht, wie das Vereinigte Königreich, an einem reinen Goldstandard fest. Dort setzte die Regierung auf eine „hinkende Goldwährung“, das heißt, dass mit Gold- und Silbermünzen gleichermaßen bezahlt werden konnte.[13] Der Vorteil des Goldstandards war, dass zu einem festgelegten Wechselkurs zum Beispiel Papiergeld in Gold gewechselt werden konnte, dass in einem anderen Land gegen die vorherrschende Papierwährung eingetauscht werden konnte. Oder die Goldmünzen konnten, wie zu dieser Zeit verbreiteter, eingeschmolzen und im eigenen Land wieder als Goldmünzen der jeweiligen Währung ausgeprägt werden.

Die Funktionsweise des Goldstandards lässt sich am Besten mit dem „price-specie-flow“ Modell von David Hume erläutern. Dieses Modell entwickelte der schottische Philosoph und Ökonom schon 1752 in seinem Aufsatz „On the balance of trade“.[14] Hume geht in seinen Ausführungen von einer vereinfachten Grundlage aus. Er betrachtet den bloßen Goldumlauf - „with regard to specie“[15] - und lässt die Rolle der Banken außen vor.

Den Goldautomatismus erklärt Hume, in dem er annimmt, dass England von heute auf morgen vier Fünftel des gesamten Geldes verliert und das Land auf den Stand einer früheren Epoche sinkt. Als Konsequenz daraus zieht Hume den Schluss, dass die Preise für Arbeit und Waren proportional sinken „and everything be sold as cheap as they were in those Ages.“[16] Kein anderes Land könnte dadurch mit England konkurrieren. Dementsprechend würde Gold solange ins Land fließen, bis das Vereinigte Königreich wieder auf dem Stand seiner Nachbarn ist. […] After we have arrived, immediately lose the advantage of the cheapness of labour and commodities; and the farther flowing in of money is stopped.”[17]

Genauso verhält es sich in der Theorie des Goldstandards. Weist ein Land ein Handelsbilanzdefizit auf, sprich es hat mehr Importe als Exporte, fließt das Gold als Zahlungsmittel in ein Käufer-Land ab. Das hat zur Folge, dass die Preise einerseits im Defizit-Land (A) sinken, weil weniger Gold im Umlauf ist. Andererseits steigen konsequenterweise die Preise im Überschuss-Land (B), da hier mehr Goldmünzen zirkulieren. Daraus resultiert, dass die Importe in A teurer werden und der Konsum der Waren zurückgeht. Gleichzeitig werden die Exporte aus A für B billiger, woraus ein erhöhter Absatz resultiert. Für A sinken nun die importierten Waren während der Export ansteigt. Das hält solange an bis die Handelsbilanz ausgeglichen ist.

II. Der Goldstandard vor dem Ersten Weltkrieg

Während der Blüte des internationalen Goldstandards vor dem Ersten Weltkrieg (1880 bis 1914) waren es Zentralbanken, die mit der Anhebung oder Senkung des Diskontsatzes den Goldfluss steuerten. Im Falle eines Goldabflusses erhöhte die Bank den Diskontsatz und verminderte dadurch das Geld. Als Folge fielen die Preise. Bei erhöhtem Goldzufluss gingen die Zentralbanken umgekehrt vor. Der Diskontsatz wurde gesenkt. In Folge dessen wurde Geld leichter verfügbar und die Preise stiegen.[18] Laut Barry Eichengreen war es durch die Änderung des Diskontsatzes möglich „das Volumen der Inlandskredite zu beeinflussen.[19] Somit konnte die Zahlungsbilanzgleichheit hergestellt werden. Schließlich erhöhte oder verringerte die Bank die Verfügbarkeit von Krediten ohne Beeinträchtigung des Goldes. Ein weiteres Instrument neben dem Diskontsatz waren Offenmarktgeschäfte, die den Goldzu- oder abfluss regulieren konnten. Hierbei wurden festverzinsliche Wertpapiere verkauft, deren Ertrag nicht in den Geldumlauf zurücklief. So wurde dieser verringert und die Preise sanken. Dieses Instrument soll zu Zeitendes klassischen Goldstandards eher weniger gebraucht worden sein, behauptet Eichengreen.[20]

Der britische Ökonom John Maynard Keynes nannte diese Instrumente zur Regulierung des Währungssystems und ihre Folgen „the rules of the Gold Standard game.“[21] Keynes prägte diesen Begriff der „Spielregeln“ erst 1925 zur Wiedereinführung des Goldstandards in seinem Aufsatz „The Economic Consequences of Mr. Churchill“. Demnach ist es fraglich, ob sich die Zentralbanken vor dem Ersten Weltkrieg wirklich an „Spielregeln“ gehalten haben. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass die Hebung und Senkung des Diskontsatzes und die Offenmarktgeschäfte zur Funktion des Währungssystems beitrugen und gewissermaßen als „Spielregeln“ – wenn auch eher unbewusst – fungierten.

Anhand des Beispiels von David Hume wird ersichtlich, dass der freie Handel aller Güter eine wichtige Prämisse des internationalen Goldstandards ist. Eine protektionistische oder isolationistische Handels- und Außenpolitik würde den Goldautomatismus behindern oder im schlimmsten Fall sogar zerstören.

It is very usual, in nations ignorant of the nature of commerce, to prohibit the exportation of commodities, and to preserve […] whatever they think valuable and usefull. They do not consider, that, in this prohibition, they act directly contrary to their intention […].[22]

Die reibungslose Funktion des Standards vor dem Ersten Weltkrieg zeigt, dass es offene und flexible Märkte gab, die dieses Währungssystem stützten. Das isolierende Verhalten der USA trug in der Zwischenkriegszeit durchaus dazu bei, dass der Goldstandard aufgegeben werden musste.

Dietmar Rothermund problematisiert in seinen Ausführungen über den internationalen Goldstandard vor dem Ersten Weltkrieg, dass es sich um gar keinen Standard im Sinne des Wortes handelte. Vielmehr ist es laut Rothermund ein sorgfältig manipulierter Standard, der das goldgedeckte britische Pfund als Leitwährung hatte.[23] Das zeichnet die einflussreichen Positionen Großbritanniens und der Bank of England nach, die sie in der Zeit zwischen 1880 und 1914 inne gehabt hatten. Rothermund geht sogar so weit und bezeichnet die Bank of England als eine „Weltzentralbank“.[24] Die Behauptung Rothermunds ist sicherlich ein Grund dafür, dass der Goldstandard vor dem Ersten Weltkrieg so reibungslos funktionierte. Immerhin war der klassische Goldstandard ein Garant für einen stabilen Wechselkurs und beständige Zahlungsbilanzen.[25] Großbritannien und die Bank of England erfüllten den von Barry Eichengreen beschriebenen Idealfall, dass ein Land die Verantwortung für das gemeinsame Niveau des Diskontsatzes übernahm.[26] An der Bank of England orientierten sich weltweit die Banken, die Teil des Währungssystems waren. Da sich das britische Empire um den ganzen Globus erstreckte und Großbritannien ein lukrativer Handelspartner war, gab London zur dieser Zeit weltweit auch den Ton in diesem Währungssystem vor. Der Wirtschaftswissenschaftler Eichengreen sieht in der Bank of England einen „international lender of last resort“.[27] Eichengreen prüft die Aussage, dass „the Bank’s ability and willingness to orchestrate the operation of the prewar system had been responsible, in this view, for its success.[28] Dabei widerspricht er Rothermund und meint, dass die Blüte des klassischen Goldstandards weniger in der Vormachtstellung der Bank of England liege, sondern eher in der Glaubwürdigkeit in das System und die Kooperation der einzelnen Zentralbanken.

[...]


[1] Feinstein, Charles H. / Temin, Peter / Toniolo, Gianni: The European Economy between the World Wars. Oxford 2008.

[2] Eichengreen, Barry: Vom Goldstandard zum Euro. Die Geschichte des internationalen Währungssystems, Berlin 2000.

[3] Eichengreen, Barry: Golden Fetters. The Gold Standard and the Great Depression, 1919-1939, Oxford, 1992.

[4] Vgl. Eichengreen, Vom Goldstandard, S. 21.

[5] Vgl. Ebd., S. 21.

[6] Vgl. Ebd., S. 22.

[7] Bank Charter Act 1844: www.ledr.com/bank_act/1844032.htm#7, Section 1, Stand: 15.06.2011.

[8] Vgl. Eichengreen, Vom Goldstandard, S. 58.

[9] Eichengreen, Vom Goldstandard, S. 41f.

[10] Bank Charter Act, Section 2.

[11] Vgl. Ebd., Section 2.

[12] Vgl. Ebd., Section 4.

[13] Vgl. Eichengreen, Vom Goldstandard, S. 39.

[14] Hume, David: On the balance of trade, in: Eichengreen, Barry/Marc Flandreau (Hg.): The Gold Standard in Theory and History, 2. Aufl., London 1997, S. 24-30.

[15] Hume, On the balance., S. 25.

[16] Ebd., S. 25.

[17] Ebd., S. 25.

[18] Vgl. Cunliffe Committee on Currency and Foreign Exchanges after the War, in: Eichengreen, Barry/Marc Flandreau (Hg.): The Gold Standard in Theory and History, 2. Aufl., London 1997, S. 166-176, hier S. 167.

[19] Eichengreen, Vom Goldstandard, S. 48.

[20] Vgl. Ebd, Fußnote 41, S. 258.

[21] Keynes, John Maynard: The economic consequences of Mr. Churchill. London 1925, S. 18.

[22] Ebd., S. 24.

[23] Vgl. Rothermund, Dietmar: Die Welt in der Wirtschaftskrise 1929 – 1939. Münster [u.a.] 1993, S. 14.

[24] Ebd., S. 16.

[25] Eichengreen, Golden Fetters, S. 29.

[26] Vgl. Eichengreen, Vom Goldstandard, S. 54.

[27] Eichengreen, Golden Fetters, S. 30.

[28] Ebd., S. 30.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Das kurze Zwischenspiel des Goldstandards in der Zwischenkriegszeit 1923 - 1932
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Weltwirtschaftskrisen im Vergleich
Note
2.0
Autor
Jahr
2011
Seiten
25
Katalognummer
V202777
ISBN (eBook)
9783656291336
ISBN (Buch)
9783656293446
Dateigröße
544 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
zwischenspiel, goldstandards, zwischenkriegszeit
Arbeit zitieren
Dominik Schneider (Autor:in), 2011, Das kurze Zwischenspiel des Goldstandards in der Zwischenkriegszeit 1923 - 1932, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202777

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