Wie hat sich der Begriff der Entfremdung seit dem 18. Jahrhundert verändert?

Die Idee der Entfremdung bei Hegel, Feuerbach und Marx


Hausarbeit, 2011

17 Seiten, Note: 2.3


Leseprobe


Gliederung

0 Einleitung

1 Vom vollkommenen Ausdruck des Göttlichen über die Umkehrung von Subjekt und Attribut bis zur Verdinglichung des Menschen: Ein kurzer Überblick

2 Hegel und Die Phänomenologie des Geistes
2.1 Entfremdung
2.2 der Begriff der Negation

3 Feuerbach: Theologie als eine in sich missverstandene Anthropologie
3.1 Von der Religion zur Philosophie
3.2 Feuerbachs Theorie der Entfremdung

4 Ökonomische Entfremdung bei Marx
4.1 Der Mensch als Gattungswesen
4.2 Arbeit
4.3 Das Produkt der Arbeit

5 Entfremdung: Ein Problem der Gegenwart?

6 Fazit

7 Literaturverzeichnis

0 Einleitung

"Die Entfremdung im Sinne des Wortes bei Hegel und Marx ist die Tatsache, daß ein Sein sich dessen entäußert, was in ihm ist, was sein Wesen konstituiert und das, was Ergebnis der Entäußerung ist, als eine von ihm verschiedene Sache betrachtet, als eine Wirklichkeit, die ihm zugleich entgegengesetzt undfremd ist" (Auguste Cornu 1984, S.42).

Diese Vorstellung von Entfremdung bildet die Grundlage vieler Philosophen der Vergangenheit. Dennoch ein Thema, das bis heute die Basis wissenschaftlicher Arbeiten und zahlreicher Debatten liefert. Der Begriff, ganz allgemein, stammt aus dem Lateinischen und ist auf das Wort alienatio zurückzuführen. Der Bedeutung nach kann es mit Entäußerung oder Weggeben, beispielsweise in fremden Besitz, übersetzt werden. Dabei handelt es sich um einen Prozess, der seit der Antike das Fremdwerden von Personen oder Gegenständen beschreibt.

Seit dem 18. Jahrhundert hat ein langsamer aber wirkungsvoller Wandel des Terminus Entfremdung stattgefunden. Im Zentrum dieser wissenschaftlichen Arbeit steht die Frage nach der Modalität des Wandels. Um den Rahmen nicht zu sprengen, liegt das Hauptaugenmerk dabei auf drei Vertreter, die sich mit dem Entfremdungsbegriff auseinandergesetzt und analytisch betrachtet haben. Hegel, Feuerbach und Marx sind die Repräsentanten gleichfalls für die differenzierte Auffassungen über die Begrifflichkeit. Auch vor dem 18. Jahrhundert gab es bereits Geisteswissenschaftler, die mit der Idee der Entfremdung konfrontiert wurden, wie beispielsweise Aurelius Augustinus (4. Jahrhundert), Blaise Pascal (17. Jahrhundert) oder auch Jean - Jaques Rousseau (Anfang 18. Jahrhundert). Häufig aber in einen anderen Kontext beziehungsweise auf eine ganz andere Art und Weise. Da die Arbeit zeitlich, so wie inhaltlich begrenzt ist, muss eine Einschränkung auf die wahrscheinlich repräsentativsten Vertreter der Entfremdungstheorie gemacht werden.

Somit wird in einem ersten Schritt ein grober Überblick über die drei Philosophen und ihrem historischen Kontext verschaffen. Der Reihenfolge der Namen entnehmbar, steht in dieser Untersuchung Hegel an erster Stelle und, historisch betrachtet, am weitesten in der Vergangenheit zurückliegend. Marx ist für viele, im Gegensatz zu Hegel, auch heute noch ein Begriff. Zunächst scheint Marx' Auffassung ähnlich gegensätzlicher Natur zu sein. Allerdings, als Schüler der Hegel'schen Lehre, hat er dessen Idee aufgegriffen und auf die Umstände seiner Zeit angewendet. Stand der Begriff bei Hegel überwiegend im Kontext der Religion, so setzt

Marx ihn in Beziehung zum Sozialismus und Kommunismus, Kapital, sowie Produkt und Produktionsverhältnisse spielen eine Rolle. Eine Schlüsselfunktion in der Betrachtung des Wandels kommt Ludwig Feuerbach zu. Zeitlich betrachtet steht er zwischen Hegel und Marx. Ähnlich zwiespältig ist auch seine begriffliche Auffassung. Bezeichnet man Feuerbach als eine Art Wendepunkt, so macht das bereits deutlich, dass eine Umkehrung stattgefunden haben muss. Infolge des Überblicks werden Hegel, Feuerbach und Marx einzeln betrachtet. Ihre unterschiedlichen Auffassungen des Entfremdungsbegriffs stehen im Interessenzentrum. Was den Begriff bei den Vertretern charakterisiert und mögliche Ursachen für diese Unterscheidungen sollen hier den Kern bilden.

Der Begriff Entfremdung ist nicht mit Marx verstorben. Noch heute debattieren zahlreiche Geisteswissenschaftler über den Terminus mit seinen Ursachen und Folgen. Die Auffassung aus heutiger Sicht ist nicht ansatzweise vergleichbar mit der von Hegel. Nicht nur die religiösen, sondern auch die gesellschaftlichen Umstände haben sich verändert und weiterentwickelt. In einen dritten Schritt versuche ich zu klären, wie Entfremdung gegenwärtig zum Ausdruck kommt und wer besonders davon betroffen ist.

Abschließend werde ich als Verfasserin dieser Arbeit zusammenfassend den Wandel beschreiben und zu dem Thema Stellung nehmen. Folglich so in einem Fazit die Antwort auf die anfangs gestellte Frage, wie sich der Begriff der Entfremdung seit dem 18. Jahrhundert verändert hat, geben.

1 Vom vollkommenen Ausdruck des Göttlichen über die Umkehrung von Subjekt und Attribut bis zur Verdinglichung des Menschen: Ein kurzer Überblick.

Der Begriff der Entfremdung, oder auch der Entäußerung, hat im Laufe der Zeit einen massiven Wandel durchlaufen. Zurückzuführen ist die verschiedenartige Begrifflichkeit möglicherweise auf den historischen Kontext. Politische und gesellschaftliche Ereignisse können so Ursache für eine Entfremdungstheorie geworden sein.

Georg Friedrich Wilhelm Hegel wurde am 27.08.1770 in Stuttgart geboren und starb am 14.11.1831 in Berlin. Er wächst in einer Zeit auf, die von Ständeordnung, Partikularismus und die Folgen des 30-Jährigen Krieges gekennzeichnet ist. Er erlebt den Ersten Weltkrieg sowie die Erfahrungen und Einflüsse der Französischen Revolution mit. Hegel als Hauptvertreter des Deutschen Idealismus, ist bekannt und umstritten wegen der von ihm zwar nicht begründeten, aber entscheidend ausgebauten dialektischen Methode und seiner teleologischen Geschichtsauffassung (vgl. Möller 2007). Tätig als Hauslehrer, Redakteur und Professor in Jena, Heidelberg und Berlin, beeindruckte ihn vor allem der alte griechische Philosoph Heraklit, als Begründer der Dialektik. Auch Schelling und Fichte, Vertreter der idealtypischen Philosophie der Romantik, konnten sich zu Hegels Vorbildern zählen. Die Entfremdung als Trennung des Menschen von Gott durch Sünde, konnte durch Bewusstwerden der Schwäche überwunden werden. Sie betrachten die Welt als Ganzheit und Gott als absoluten Geist. Diese Anschauung wurde von Hegel übernommen und weiterentwickelt (vgl. Cornu 1975, S.43f). In den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts gelangt er zu größtem Ansehen und Einfluss. Er wurde Preußischer Staatsphilosoph und galt als Oberhaupt der deutschen Philosophie (vgl. Möller 2006). Sein Denken prägt die Nachwelt enorm, so dass er selbst zum Vorbild vieler Philosophen wurde. Ludwig Feuerbach wurde am 28. Juli 1804 in Landshut geboren und verstarb 1872 bei Nürnberg. Seine Philosophie fällt in eine Zeit des Umbruchs, als der spekulative Idealismus in Deutschland sich auf eine grundlegende Identitätskrise zubewegt (Weckwerth 2002, S.7). Als

Theologiestudent der Universität Heidelberg wendet er sich bald vom herrschenden Rationalismus ab und der Hegelschen Philosophie zu. Feuerbach gilt als Begründer des neueren Naturalismus und Anthropologismus, indem er an die Stelle der Verehrung übernatürlicher Wesenheiten die Natur in ihrer Unendlichkeit setzt. Ausgegangen von Hegel, tritt er in Gegensatz zum absoluten Idealismus, indem er als das Wirkliche nicht die Idee, nichts Abstraktes, Übersinnliches, sondern das konkrete Sein setzt, welches wir äußerlich und innerlich wahmehmen (Eisler 1912, S.512). Der Wendepunkt kommt, als sich Feuerbach immer mehr von Hegel distanziert. In seinen späteren Werken kritisiert er zunehmend die Religion und mit ihr auch Hegel. Im Zentrum dieser Kritik steht die auf Basis des Geistbegriffs vollzogene Idealsynthese der kulturellen Felder, in der Feuerbach nunmehr zugleich einen ideellen Ausdruck für die versachlichte Struktur der christlich-bürgerlichen Welt sieht (Weckwerth 2002, S.7). Er wird zum Gegner der absoluten, immateriellen Spekulation. Feuerbachs Bestrebungen liegen darin kulturelle Formen, wie Kunst, Religion und Wissenschaft als eigenständige Prinzipien zu entwickeln (vgl. ebd.).

Karl Marx, geboren am 5. Mai 1818 in Trier und verstorben am 14. März 1883 in London, war deutscher Philosoph, Gesellschaftstheoretiker, politischer Journalist, Protagonist der Arbeiterbewegung, Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft, der deutschen idealistischen Philosophie und der politischen Ökonomie. In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts herrscht in Deutschland das Zeitalter der Restauration und, wie auch bei Hegel, der Partikularismus. Die Preußischen Reformen von 1807 proklamierten die Bauernbefreiung, die erheblich zum Elendspotential in den Städten beitrug. Eine Demokratisierung blieb nach dem Sieg über Napoleon aus. Die Revolution von 1848, an die sich viele Hoffnungen der Sozialrevolutionäre knüpften, scheiterte. Die Zeit, in der Marx aufwächst und lebt ist geprägt von einem rationalistischen Weltbild der Aufklärung und bahnbrechender Entdeckungen der

Naturwissenschaften, die auch zu medizinischen Fortschritt führten. Allmählich setzt sich auch in Deutschland die Industrielle Revolution in Bewegung. Doch die wirtschaftliche Gesamtentwicklung brachte nicht nur Erfolge. Aufgrund niedriger Löhne kam es für einen Großteil der Bevölkerung zur Armut, schlechte Ernährung, überlange Arbeitszeiten, Frauen- und Kinderarbeit, völliger Mangel an sozialer Absicherung, Streikverbot, schreckliche Wohnverhältnisse, miserable Zustände im Bereich der Gesundheit und ein Mangel an Bildung lagen an der Tagesordnung. Zumindest für die sogenannten Proletarier. Die Proletarier besaßen nichts weiter als ihre Arbeitskraft, die sie den Kapitalisten anbieten mussten, um überleben zu können. Die Menschen wurden selbst zur Ware. Die hergestellten Produkte gehören den Arbeitgebern, so dass die Arbeiter nicht mehr über das Hergestellte verfügen. Diese Entwicklung liefert den Kontext zu Karl Marx' Entfremdungstheorie. Entfremdung tritt immer dann auf, wenn die Produzenten sich selbst nicht mehr in ihrem Produkt wiederentdecken können. Der Arbeiter entfremdet sich nicht nur von dem Produkt, sondern auch von der Arbeit selbst und vom Gattungswesen. Marx hat den Begriff der Entfremdung, von Hegel geprägt, auf die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse bezogen und angewendet.

2 Hegel und Die Phänomenologie des Geistes

In Bezug auf Heraklit, Platon und Diderot entsteht Hegels Geschichte der Dialektik. Das Geistige allein ist das Wirkliche (Hegel 1832, S.19) - ein Satz, der eine wichtige Funktion in Hegels Gedanken annimmt. Die gesamte Welt, mit Menschen, Tieren und der Natur, macht die Wirklichkeit aus und ist geistigen Charakters. Dieses Alleben des Geistes wird von Hegel als Gottheit bezeichnet und führt ihn zur philosophischen Theologie. Im Unterschied zum Christentum tendiert er von der Transzendenz zur Immanenz überzugehen (vgl. Cornu 1975, S.57). Hegel sieht in der Entwicklung einen Fortschritt. Fortschritt wiederum bedeutet für ihn absolut (vgl. Ley 1982, S.29). In Folge dessen entsteht die Idee eines Gottes als absoluten Geist.

2.1 Entfremdung

Hegel verwendet in seiner Theorie die Begriffe Entfremdung und Entäußerung. Er beschreibt die Entfremdung folgendermaßen: Das unmittelbare Daseyn des Geistes, das Bewusstseyn, hat die zwei Momente, des Wissens und der dem Wissen negativen Gegenständlichkeit. Indem in diesem Element sich der Geist entwickelt und seine Momente auslegt, so kommt ihnen dieser Gegensatz zu, und die treten alle als Gestalten des Bewusstseyns auf. Die Wissenschaft dieses Wegs ist die Wissenschaft der Erfahrung, die das Bewusstseyn macht; die Substanz wird betrachtet, wie sie und ihre Bewegung sein Gegenstand ist. Das Bewusstseyn weiß und begreift nichts, als was in seiner Erfahrung ist; denn was in dieser ist, ist nur die geistige Substanz, und zwar als Gegenstand ihres Selbst. Der Geist wird aber Gegenstand, denn er ist diese Bewegung, sich ein Anderes, d.h. Gegenstand seines Selbst zu werden und dieses Andersseyn aufzuheben. Und die Erfahrung wird eben diese Bewegung genannt, worin das Unmittelbare, das Unerfahrne, d.h. das Abstrakte, es sey des sinnlichen Seyns oder des nur gedachten Einfachen, sich entfremdet, und dann aus dieser Entfremdung zu sich zurückgeht, und hiermitjetzt erst in seiner Wirklichkeit und Wahrheit darstellt, wie auch Eigenthum des Bewußtseyns ist (Hegel 1832, S.28). Hiermit verdeutlicht Hegel, dass er Entfremdung als objektiven Vorgang versteht. Ein Vorgang, oder vielmehr ein notwendiger Prozess, der die gesamte Bewegung des Bewusstseins zum Gegenstand hat (vgl. Ley 1982, S.45). Die Schöpfung der Welt als ein göttlicher Akt entspricht der religiösen Schöpfungslehre. In einer Art triadischen Bewegung lässt Gott die Welt heranwachsen. Ausgangspunkt liegt in der Einheit Gottes. Das heißt, der Geist befindet sich zunächst in einem Stadium des An-sich-seins.

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Details

Titel
Wie hat sich der Begriff der Entfremdung seit dem 18. Jahrhundert verändert?
Untertitel
Die Idee der Entfremdung bei Hegel, Feuerbach und Marx
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Politikwissenschaft und Japanologie)
Veranstaltung
Entfremdung als Schlüsselbegriff einer kritisch-marxistischen Theorie
Note
2.3
Autor
Jahr
2011
Seiten
17
Katalognummer
V202757
ISBN (eBook)
9783656290971
Dateigröße
420 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
begriff, entfremdung, jahrhundert, idee, hegel, feuerbach, marx
Arbeit zitieren
Claudia Ebert (Autor:in), 2011, Wie hat sich der Begriff der Entfremdung seit dem 18. Jahrhundert verändert?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202757

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