Der Skandal um den Sensationsfund des 'Stern' - Die Hitler-Tagebücher


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

A. Einleitung

B. Personenkonstellationen
I. Konrad Kujau, „der Meisterfälscher“
II. Gerd Heidemann, „der Spürhund“
III. Personennetzwerk

C. Stationen des Skandals
I. Die Fundlegende
II. Fälschungshinweise und journalistischer Scharfsinn
III. Das Vertragswerk
IV. Materialprüfungen
V. Die Pressekonferenz

D. Schlussbetrachtung

E. Anhang

F. Literaturverzeichnis

A. Einleitung

„Wenn ihr eine Sau durchs Dorf treibt,
dann zählt vorher alle Borsten.“[1]

Dieses etwas rustikale Zitat stammt von Henri Nannen, dem langjährigen Herausgeber und Chefredakteur des „Stern“. Inoffiziell galt diese Aussage in den Redaktionsräumen des Magazins als Richtlinie für die Mitarbeiter, um den Gehalt und die Stimmigkeit eines Themas zu gewährleisten. In Bezug auf den Skandal der Hitler- Tagebücher wurde diese Äußerung Nannens gänzlich unbeachtet gelassen.

Im Folgenden soll gezeigt werden, warum die Hitler- Tagebücher nicht schon zu Beginn und während der Recherche Heidemanns und Waldes als Fälschungen entlarvt wurden. Ein Grund dafür ist sicherlich, dass nicht alle Borsten penibel genug gezählt wurden. Die Problematik dieses Themas liegt freilich tiefer. Es ist ein mehrdimensionales Geflecht aus Kompetenzgerangel, Machtansprüchen, Lügen, Sensations- und Geldgier. Des Weiteren stellt sich bei den Hitler- Tagebüchern auch die Frage, inwieweit die Faszination an der Person Hitlers eine Rolle gespielt hat. Hierbei kommen moralische und ethische Aspekte zum tragen, welchen in dieser Analyse aber eine untergeordnete Rolle zugeordnet ist.

Zu Beginn der Untersuchung sollen die Protagonisten Kujau und Heidemann vorgestellt werden. Dies legt die Grundlage für die Erläuterung des Personennetzwerks, welches uns die Abläufe und Ereignisse des Skandals besser verstehen lässt.

Daraufhin soll anhand von Stationen der Ablauf des Skandals entfaltet und gezeigt werden. Hierbei liegt die Intention, die Konstellationen und Absichten der Personen im Kontext aufzuzeigen, um die oben formulierte Frage stimmig zu beantworten.

In der Schlussbetrachtung soll das Ergebnis und die Folgen für den „Stern“ sowie für die Medienlandschaft in Deutschland allgemein dargelegt werden.

Der Forschungsstand zu diesem Thema ist sehr aufschlussreich und fortgeschritten. Der Skandal um die Hitlertagebücher ist komplett aufgearbeitet. Nicht zuletzt ein Verdienst von Peter- Ferdinand Koch, der mit seiner Monographie „Der Fund“[2] eine bereichernde und detailreiche Analyse zu diesem Thema erarbeitet hat. Eine weitere, sehr hilfreiche Untersuchung aus jüngerer Zeit stammt von Michael Seufert[3] , der im Auftrag Henri Nannens den Skandal „ohne Ansehen der Person“ aufgearbeitet hat. Diese Untersuchung muss aber kritisch interpretiert werden, da Seufert jahrelanger Redakteur beim „Stern“ war und dementsprechend an einigen Stellen sehr subjektiv schreibt.

Nicht zuletzt hat auch Günter Pickers „Chronik eines Fälschungsskandals“[4] zur Aufarbeitung des bis heutzutage schlimmsten Fälschungsskandals beigetragen.

B. Personenkonstellationen

I. Konrad Kujau, „der Meisterfälscher“

Konrad Kujau beginnt seit den 1960er Jahren Militaria zu sammeln.[5] Auf Grund dessen nimmt er auch in der Mitte des Jahrzehnts den Zweitnamen Fischer an. Picker kann den Grund dafür nicht festmachen.[6] Die Ursache liegt jedoch klar auf der Hand. Konrad Kujau ist künstlerisch hochbegabt. Als die Nachfrage nach Schlachtengemälde aus dem Zweiten Weltkrieg zu nimmt, beginnt dieser die Gemälde kurzerhand selbst zu produzieren. Damit die Käufer keinen Verdacht schöpfen, tritt Kujau als Fischer gegenüber den Interessenten auf. Die Gemälde werden mit Kujau signiert.[7]

Als der 1938 in Löbau bei Dresden geborene Kujau mit seiner Reinigungsfirma scheitert und auch der Versuch als Campingplatzbetreiber misslingt, macht er sein Hobby zum Beruf. Konrad Fischer wird zum Militaria- Händler und produziert mit Hilfe seiner Gabe die Fundstücke größtenteils selbst. Als sich Kujau die Nachahmung Hitlers Sütterlinschrift aneignet und damit beginnt Dokumente und Urkunden prominenter Nazigrößen zu fälschen, schafft er es seinen Bekanntheitsgrad schlagartig zu vergrößern. Nach seiner Flucht aus der DDR 1958, nachdem er sich mit Funktionären der Freien Deutschen Jugend (FDJ) überworfen hat, lässt er sich im Raum Stuttgart nieder. Dort kommt es zu einer folgenreichen Begegnung mit einem Unternehmer aus dem hießigen Raum. Der solvente, aber wenig fachkundige Sammler kauft von Kujau, nach deren bekannt werden 1974, einige NS- Devotionalien ab. Darunter einige Gedichte von Adolf Hitler, wie zum Beispiel „Der Kamerad.“ Dieses Gedicht wird auch ein paar Jahre später im Skandal um die Tagebücher eine Rolle spielen. Damit kein Verdacht entsteht zertifiziert Kujau die gesamten Schriftstücke mit selbstgemachten Echtheitszertifikaten.[8]

Mitte 1975 kommt Kujau auf die Idee Hitlers Tagesablauf aufzuzeichnen.[9] Kujau besorgt ein schwarzes, gebundenes Heft aus der DDR und beginnt in Hitlers Sütterlinschrift das erste Tagebuch (erstes Halbjahr 1935) zu schreiben. Dieses leiht er an den Stuttgarter am 12. November 1975 über Jahre hinweg aus.[10] Mit dieser Idee Kujaus 1975 nimmt der Tagebuchskandal 18 Jahre, bevor es zur großen Enthüllung der Fälschungen kommt, seinen Ursprung.

II. Gerd Heidemann, „der Spürhund“

Heidemann, der am 04. 12. 1931 in Hamburg- Altona geboren wurde, war ein renommierter und angesehener Redakteur des „Stern“. Für das Magazin lieferte Heidemann zahlreiche Reportagen als Kriegsberichterstatter aus vielen Krisengebieten der Welt. Als Starreporter und knallharter Rechercheur erhielt er innerhalb der Sternredaktion den Spitznamen „der Spürhund“.

Seine Karriere begann 1951, nach seiner Ausbildung, als Fotograf für die Deutsche Presse Agentur und Hamburger Zeitung. Im Jahr 1954 erhielt er von Henri Nannen seinen ersten Auftrag. Schon 1955 war er fester freier Mitarbeiter beim „Stern“, worauf 1960 die Festanstellung folgte.

Mit dem Nationalsozialismus und dessen Folgen hatte sich Heidemann bis 1972 kaum beschäftigt. Diese Haltung änderte sich aber schlagartig, als er von einem Kollegen die Yacht „Carin II“ von Reichsmarschall Hermann Göring preiswert angeboten bekam. Heidemann versprach sich ein lukratives Geschäft und ersteht die Yacht für 160.000 DM. Er begann das Schiff zu renovieren und in seinen alten Zustand zurückzuversetzen. Der Plan, Görings Yacht, für 160.000 Dollar wiederzuverkaufen scheiterte. Dem damaligen Dollarkurs entsprechend wäre das eine Gewinnsteigerung von 300 Prozent gewesen. Heidemann ließ sich dennoch nicht entmutigen und fasste einen neuen Plan. Die Yacht sollte zur Begegnungsstätte alter Kriegsgegner werden. Das Schiff Görings entpuppte sich immer mehr zu Schuldenfalle. Auch machte er Bekanntschaften mit alten Nazigrößen wie Wilhelm Mohnke, Ex- Generalmajor der Waffen- SS und Karl Wolff, auch ein General der Waffen- SS sowie Vertrauter Heinrich Himmlers.

Die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus wurde für Heidemann mehr und mehr zur Leidenschaft, was sich auch in seinen Recherchen zu den Hitler- Tagebüchern offenbarte. Als abstruses Beispiel für die gar kranke Leidenschaft Heidemanns für die Nazi- Zeit lässt sich das Zitat aus dem Jahr 1982 vor einer Synagoge, „Da unten lebt Martin [Bormann], […] der wird da unten vom Mossad bewacht“[11] , aufführen. Eine Aussage, die an Heidemanns Zurechnungsfähigkeit zweifeln lassen.

III. Personennetzwerk

In diesem Abschnitt sollen die Verbindungen und Beziehungen der verschiedenen Personenkonstellationen herausgearbeitet werden. Dieses Gerüst dient später dazu, den Skandal um die Tagebücher im Gesamtfokus sowie die darin involvierten Personen zu sehen. Letztlich waren es nicht nur Kujau und Heidemann, die den Skandal verursacht hatten.
In dieser Makroebene[12] erkennt man, dass die Verbindung Kujau- Heidemann/ Walde- Verlag über Beziehungen und Mittelsmänner stattgefunden hat. Beide Verbindungen, Kujau- Heidemann und Heidemann- Verlag, sind essentiell für die Entwicklung des Skandals, da sie ein vorzeitiges Entlarven der Fälschungen verhindert haben.

Die Verbindung zwischen dem „Stern“- Redakteur und dem Militaria- Händler wurde durch einen gewissen Jakob Tiefenthäler arrangiert. Gerd Heidemann lernte Tiefenthäler über den SS- General Wilhelm Mohnke kennen.[13] Tiefenthäler sucht 1979 für ein Museum in Sydney NS- Devotionalien. Der Ex- SS- General weist Tiefenthäler daraufhin, dass Gerd Heidemann Besitzer der Yacht Carin II sei und einen Käufer für das Boot suche. Heidemann und der Mittelsmann lernen sich kennen. Da der Verkauf der Yacht scheiterte, suchte Tiefenthäler weiter nach einem Käufer. Dadurch kam der Kontakt zwischen Heidemann und dem Stuttgarter Unternehmer zustande. Dieser war, wie oben schon erwähnt, im Besitz eines der angeblichen Hitler- Tagebücher. Heidemann erfuhr durch den Geschäftsmann von den Tagebüchern und hatte sogar selbst eines in den Händen. Seufert mutmaßt, dass Heidemann wohl gedacht habe damit „seine finanziellen Sorgen auf einen Schlag los [zu werden].“[14] Diese Aussage Seuferts liest sich als reine Spekulation. Er zeigt weder unumstößliche Beweise auf, noch unterrichtet er den Leser über die Quelle dieser Feststellung. Man sollte nämlich nicht vergessen, dass jeder findige Journalist einen „riesen Knüller“, wie es damals im 80er Jahre Berufsjargon hieß, gewittert hätte. Ob man Heidemann hier schon finanzielle Ambitionen unterstellen sollte ist deswegen fraglich. Einerseits war Heidemann zwar verschuldet, andererseits aber wird der Tagebuchfund eher den journalistischen Enthüllungstrieb angesprochen haben. Letztenendes kann man hier aber nur mutmaßen oder Heidemann selbst fragen.

[...]


[1] Seufert, Michael: Der Skandal um die Hitler- Tagebücher. Frankfurt a. M. 2008, S. 202.

[2] Koch, Peter- Ferdinand: Der Fund. Die Skandale des Stern; Gerd Heidemann und die Hitlertagebücher, Hamburg 1990.

[3] A.a.O.

[4] Picker, Günther: Der Fall Kujau, Chronik eines Fälschungsskandals, Frankfurt a. M. 1992.

[5] Vgl. Ebd., S. 9.

[6] Vgl. Picker, Der Fall, S. 10.

[7] Vgl. Seufert, Der Skandal, S. 25.

[8] Vgl. Seufert, Der Skandal, S. 28.

[9] Vgl. Picker, Der Chronik, S. 12.

[10] Vgl. Seufert, Der Skandal, S. 27.

[11] Seufert, Der Skandal, S. 218.

[12] Siehe Anhang: Abb. 1.

[13] Vgl. Seufert, Michael: Es war einmal der Spürhund, in: Hamburger Abendblatt, 05.03 2008, http://www.abendblatt.de/kultur-live/article522943/Er-war-einmal-der-Spuerhund.html 15.09.09.

[14] Seufert, Der Skandal, S. 50.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Der Skandal um den Sensationsfund des 'Stern' - Die Hitler-Tagebücher
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Deutsches Seminar II)
Veranstaltung
HS: Literarische Fälschungen
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
19
Katalognummer
V202725
ISBN (eBook)
9783656292432
ISBN (Buch)
9783656294023
Dateigröße
648 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hitler-Tagebücher, DER STERN, Konrad Kujau, Henri Nannen, Gerd Heidemann
Arbeit zitieren
Dominik Schneider (Autor:in), 2009, Der Skandal um den Sensationsfund des 'Stern' - Die Hitler-Tagebücher, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202725

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