Simone de Beauvoir und patriachalische Strukturen - Von den Voraussetzungen einer Gesellschaft, die sich patriarchalische Strukturen leisten kann?


Essay, 2009

10 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Im Folgenden stehen dem/der LeserIn zwei Gedankenausflüge zur Verfügung, die auf vielleicht ganz unterschiedliche Weise inspirierend erscheinen könnten.

Ein Blick aus dem Fenster reicht aus, um zu begreifen: Auch heute, im Jahr 2009, besteht die Gesellschaft zur Hälfte aus Frauen und auch heute besteht die Frage der Geschlechter ebenso aktuell, wie vor Jahrhunderten. Auch wenn Frauen nicht mehr für ihre Bürgerrechte aufstehen müssen, wie Olympe de Gouges(1748-1793)es ihrerzeit tat, keine Grundsatzschriften zur Gleichstellung und Gleichberechtigung der Frau zu verfassen brauchen, wie Mary Wollstonecraft (1759-1797)ihren Vorstoß zu formulieren hatte oder die Teilnahme an dem politischen Tagesgeschäft zu erkämpfen haben, wie Louise Otto(1819-1895)es zu tun hatte, um nur einige Beispiele zu nennen[1] , ist das Ziel der Gleichberechtigung noch nicht erreicht und steht mitunter vor denselben Problemen, die, zwar weiterentwickelt, dennoch nicht als erledigt betrachtet werden können. Auch wenn die modernen Feministinnen seit 1789 nach diesem Ziel streben, ist dieses bis heute nicht erreicht und in vielen Dingen der Mangel an Gleichberechtigung und somit die Existenz von sozial konstruierten Ungleichheiten zwischen Mann und Frau, aus denen ersterer zu resultieren scheint, nur allzu deutlich.

Rechtlich wird dies ebenso deutlich, wie gesellschaftlich: Frauen verdienen weniger als Männer und sind überwiegend auf dem zweiten Arbeitsmarkt tätig und dabei angehalten für die Erziehung der Nachkommen sorge zu tragen. Darüber hinaus gelten sie übereinstimmend als das ‚schwache Geschlecht‘, das Führung benötigt und diese nicht selbst autonom übernehmen könnte. Deshalb werden sie beispielsweise durch vorherrschende Hierarchiestrukturen vor zu viel Verantwortung in Firmen und Institutionen ebenso geschützt, wie vor einer zu großen Belastung ihrer körperlichen Kräfte, denn schließlich sind sie das ‚schöne Geschlecht‘, das bei allem unentbehrlich bleibt, um die Art zu reproduzieren und das erste Kind bleibt bei allem das schönste Erlebnis im Leben eines Mannes. Gerade weil aber ihre ökonomische und politische Partizipation an der Gesellschaft dabei notwendig bleibt, kann sie heute auch alle Bürgerrechte in Anspruch nehmen, sich darüber freuen vor dem Gesetz gleichgestellt zu sein und jedes politische Amt übernehmen, das sie zu übernehmen wünscht, wenn sie das gegen alle Widerstände nur will.

Es könnte folglich der Eindruck entstehen, dass die berühmte ‚Frauenfrage‘ sich erledigt hätte und jetzt Frieden einkehren könnte zwischen den Geschlechtern. Wenn Frauen politisch und gesellschaftlich jedes Recht haben, sich zu partizipieren und dabei dennoch die Art erhalten können, ist es schließlich möglich, von einem ‚guten Zustand‘ auszugehen, der die Hürden der letzten Jahrhunderte überwunden hat.

Dennoch entstehen bei einer solchen Einschätzung Zweifel, die nicht von ungefähr zu kommen scheinen: Gibt es nicht die gesellschaftlich immanente sozial konstruierte und etablierte Ungleichheit, die sich auch heute noch in vielfältiger Weise explizit und implizit manifestiert? Warum ist es einer Frau nicht möglich, sich, ebenso wie der Mann, als souverän zu setzen und sich als sozial autonome Existenz zu denken? Warum definiert sie sich demgemäß nicht über ihr Handeln, sondern ganz oder teilweise, über ihr Geschlecht? Warum nimmt sie beispielsweise wirtschaftliche Einschränkungen mit der Begründung hin, dass sie ja gebärfähig sei, anstatt sich aktiv ihre Tätigkeit so zu gestalten, dass sie durch ihr Handeln eine souveräne Anerkennung erfährt und deutlich bleibt, dass dieser Umstand mit derselben nicht nur vereinbar, sondern kombinierbar sein muss (wie sie bei dem Mann ebenfalls gestaltet bleibt)? Letzteres müsste möglich sein, damit die Frage als aufgehoben betrachtet werden könnte und dass sie noch gestellt wird, belegt das Gegenteil.

Es erscheint heute, als könne sich eine Frau nicht über ihr Geschlecht hinwegsetzen, während der Mann gar nicht über sein Geschlecht reflektiert und sich über seine weitergehenden Ziele definiert und dadurch ebenso sozial anerkannt, wie wertvoll erscheint. Tut eine Frau selbiges, was heute möglich ist, bleibt sie etwas Besonderes und hebt sich selbst hervor. Vielleicht hat sie dabei sogar noch Kinder: In diesem Fall ist sie eine Vorreiterin, eine, die unbedingt geachtet werden muss, weil sie ihre Aufgabe um eine Dimension erweitert hat, die durch ihre Beschwernis anerkannt ist, und sie dafür umso deutlicher hervorgehoben werden muss. Schließlich hat sie das geschafft, obwohl die Kultur, das Recht und die Ökonomie ihr diesen Weg erschweren und trotz ihrer, gleichsam natürlichen, Reproduktionsaufgabe, die mit einem Mal ebenfalls wieder zu etwas besonderem wird: Etwas ganz besonderem, denn sie hat es geschafft - trotz der durch Männer kreierten und legitimierten Strukturen, die sie strukturell hindern.

Solange dieser Fall nicht gehäuft eintritt, besteht kein Grund die geltenden Regeln zu ändern und erst dann müsste darüber nachgedacht werden, dass die Gleichberechtigung gefördert würde. Selbstverständlich würde kein Mann diesen Umstand so ausdrücken und auch keine Frau, ohne betroffen zu sein, so denken: Die stilistisch richtige Ausdrucksweise eines Mannes wäre, dass diese Frau eine Bereicherung darstellt, die, sagen wir den Expansionsbestrebungen der Firma, sehr zu Gute kommt und ihr Engagement neben der Familie bewundernswert ist.

Andere Frauen betonen das vermutlich genau anders herum, denn dass diese Frau es trotz der Familie schafft so erfolgreich zu sein, sei deutlich bewundernswert.[2]

Das Beispiel erscheint dabei deckungsgleich mit Simone de Beauvoirs (1908-1986)Einschätzung von 1951 in ihrem Werk ‚Das andere Geschlecht – Sitte und Sexus der Frau‘. Auch wenn es 1951 der Frau rechtlich nicht möglich war, derart deutlich selbiges zu tun, wie der Mann, so gab es doch eben diese Frauen, die diese Wirkung erzielten. Hat sich folglich nichts wesentlich verändert? Ist jede feministische Anstrengung derart fruchtlos geblieben, dass das Grundproblem nicht gelöst werden konnte? Existieren tatsächlich mehr sozial anerkannte Legitimationen der weiblichen Unterordnung unter den Mann, als es Frauen gibt und warum akzeptiert Frau diese heute immer noch? Tatsächlich ist grundsätzlich in Frage zu stellen, warum die ‚Frauenfrage‘ aktuell besteht, wie vor Jahrhunderten und wie es sein kann, dass das Problem der Existenz von sozial konstruierten Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern sich mit allen Veränderungen nicht verändert zu haben scheint.

[...]


[1] Alle Daten und Kurzinformationen stammen aus: Karsch, Margret: „Feminismus für Eilige“, Aufbau Taschenbuch Verlag, 1.Auflage, 2004

[2] Hiermit soll nicht behauptet sein, dass jeder Mann und jede Frau in ihrer Individualität diese Intention idealisieren würde. „Der Mann“ und „die Frau“ stehen hier für zwei rivalisierende Gruppen, die im sozialen Gefüge zueinander in einer Ungleichheit stehen und sich, ohne es bewusst zu erkennen, ja zu einem großen Teil als ‚natürlich‘ anzusehen, eben so positionieren, weil sie ein Teil der Gesellschaft und ihrer Normen und Werte bleiben, die vielfach nicht realisiert, aber gelebt werden. Diese Verwendung wird auch im Weiteren auf diese Art identisch erfolgen.

Ende der Leseprobe aus 10 Seiten

Details

Titel
Simone de Beauvoir und patriachalische Strukturen - Von den Voraussetzungen einer Gesellschaft, die sich patriarchalische Strukturen leisten kann?
Hochschule
Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg)
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
10
Katalognummer
V202711
ISBN (eBook)
9783656295228
ISBN (Buch)
9783656295358
Dateigröße
409 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
simone, beauvoir, strukturen, voraussetzungen, gesellschaft
Arbeit zitieren
Melanie Johannsen (Autor:in), 2009, Simone de Beauvoir und patriachalische Strukturen - Von den Voraussetzungen einer Gesellschaft, die sich patriarchalische Strukturen leisten kann?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202711

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