Pornorap. Ein ‚heißes’ Thema für den Musikunterricht


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

21 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Pornorap in aller Munde

2. Vorbemerkungen
2.1 Pornografie im rechtsstaatlichen Diskurs
2.2 Geschichte des Pornorap
2.3 Gibt es pornografische Musik?

3. Ursachen und Auswirkungen von Pornorap
3.1 Ursachen
3.1.1 Entstehung
3.1.2 Rezeption
3.2 Effekte
3.2.1 Sexuelle Verrohung?
3.2.2 Gewalt?
3.2.3 Anstiegseffekt?
3.2.4 Veränderungen des Männer-/Frauenbildes?

4. Fazit und Hinweise zum pädagogischen Umgang

5. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Pornorap in aller Munde

Ich habe das Thema „Pornorap“ bewusst gewählt, da es einerseits im schulischen Alltag überaus präsent ist, sich aber andererseits nur wenige pädagogische Schriften mit diesem Thema auseinandersetzen. Bisher ist erst ein einziger Aufsatz in musikpädagogischen Periodika erschienen, der sich konkret mit der Gewalt im HipHop beschäftigt.[1] Zur explizit sexuellen Problematik, die eindeutig zur verbalen Gewalt gerechnet werden muss, ist bisher noch gar nichts erschienen. Glänzt das Thema im wissenschaftlichen Diskurs mit Abwesenheit, so scheinen sich die populistischen Medien der Sache umso intensiver zu widmen. 2007 war eindeutig das Jahr der Gewalt-/Pornorap-Debatte – keine Talkshow ließ es sich entgehen, Monika Griefahn mit irgendeinem berüchtigten Pornorapper zu konfrontieren, in keiner Tageszeitung, in keinem Magazin fehlten Interviews und Artikel. Insbesondere die taz brachte nahezu wöchentlich einen Beitrag, was immerhin einen aufschlussreichen Blick auf die strukturelle Verortung dieses Diskurses innerhalb der Gesellschaft ermöglicht, denn es liegt zumindest nahe, das gesellschaftliche Hauptinteresse an dieser Debatte, der Leserschaft eben jener Tageszeitung zuzuweisen, welche die mit Abstand höchste Dichte relevanter Artikel aufweist. Auch mangelte es nicht an TV-Beiträgen und Radio-Interviews.[2] All das geschürt, durch die Suche nach Einem, der sich verantwortlich zeichnen lässt, für den Zuwachs von Gewalt und sexueller Verrohung auf deutschen Schulhöfen. Der entscheidende Aspekt der Zunahme ist jedoch in Fachkreisen durchaus umstritten.[3] Vielleicht gibt es hier ähnlich wie bei Gewaltverbrechen ein Phänomen der Überrepräsentierung in den Medien und damit einhergehend eine gesellschaftliche Überbewertung der tatsächlichen Gefahr. Bezeichnenderweise hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) im Mai 2008 eine umfassende Informationsbroschüre[4] zum Thema HipHop herausgebracht, sicherlich um der zunehmenden Desorientierung bei Eltern wie Pädagogen eine Richtlinie entgegenzusetzen.

Da die massive Verbreitung von Gewalt verherrlichendem HipHop erst vor etwa vier Jahren eingesetzt hat[5] , ist die epistemologisch fundierte Suche nach Effekten m. E. nach verfrüht. Es lassen sich zwar bereits erste Auswirkungen beobachten, aber eine aussagekräftige Bewertung bzw. Prognose ist auf Grund der unzureichenden Datenlage nicht möglich. Ich werde mich daher im Folgenden um die Darstellung der Ursachen bemühen, die zur heutigen Situation geführt haben mögen, sowie anschließend die in den Medien thematisierten Auswirkungen kritisch analysieren. Des Weiteren sehe ich die Notwendigkeit, eingangs zentrale Begriffe zu klären, sowie die relevanten Aspekte der geschichtlichen Entwicklung im Diskursfeld hervorzuheben. Abschließend werde ich einige Methoden und Möglichkeiten im pädagogischen Umgang mit Pornorap aufzeigen.

2. Vorbemerkungen

2.1 Pornografie im rechtsstaatlichen Diskurs

Im Strafgesetzbuch gibt es keine Ausführung zum Begriff Pornografie. Aber es gibt eine Reihe von Paragraphen (Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung §§ 174 - 184f), in denen ein direkter Bezug zur Pornografie vorliegt - z.B. Verbreitung pornografischer Schriften § 184 StGB. Gemäß den Ausführungen des Strafgesetzbuches ist unter dem Begriff Schriften nicht nur das geschriebene Wort im eigentlichen Sinne zu verstehen, sondern gleichermaßen Tonträger, Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und Darstellungen anderer Art. Nun ist jedoch einleuchtenden, dass in der richterlichen Spruchpraxis eine trennscharfe Definition von Pornografie unumgänglich ist. So erfolgte durch den Bundesgerichtshof mehrfach eine Ausführung dieses Begriffes.[6] Heute wird diese als allgemein gültig angesehen:

"Als pornografisch ist eine Darstellung anzusehen, wenn sie unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher, anreißerischer Weise in den Vordergrund rückt und ihre Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf das lüsterne Interesse des Betrachters an sexuellen Dingen abzielt".[7]

Sowohl in der Rechtsprechung innerhalb der Bundesrepublik als auch in der Literatur zu diesem Thema besteht Einigkeit dahingehend, dass die Abbildung eines nackten menschlichen Körpers, seiner Genitalien oder des Geschlechtsverkehrs keine Pornografie darstellt. Es fehlen hier wesentliche Merkmale. Um von Pornografie sprechen zu können, müsste der unbekleidete Mensch in einer entsprechenden Stellung abgebildet oder das Bild so gestaltet sein, dass die Geschlechtsorgane in den Mittelpunkt treten und die Darstellung des Körpers sekundär erscheint.[8] Zusätzlich dazu, wird im HipHop der Aspekt der Gewalt immer vordergründiger, so dass ich noch eine weitere Definition hinzuziehen möchte. Sie ist zwar schon etwas älter, aber erstaunlicher Weise gerade im Hinblick auf die heutige Situation äußerst treffend. Nach Herbert Selg ist Pornografie die Darstellung von Material, „das sexuell stimuliert oder stimulieren kann, dabei aber deutlich aggressive Anteile enthält, wobei Aggressivität bereits vorliegt, wenn Menschen abgewertet bzw. degradiert werden, ohne dass der Kontext zu einer Reflexion darüber anregt.“[9]

Es ist also in jedem Fall das Problem vorhanden, eine Grenze zu ziehen, an welcher Stelle Pornografie anfängt und wo sie endet. Zusammenfassend und vereinfachend lässt sich sagen, dass unterm Strich in jedem Fall die konkrete Absicht des Materials entscheidet. Was soll es hervorrufen: physische oder rein sinnliche Erregung? Letzteres gilt als Erotik.

2.2 Geschichte des Pornorap

Auf der Suche nach den Wurzeln des Pornorap, stößt man unweigerlich, wie bei jeder Form populärer Musik, auf den Blues. Diese Tatsache ist einerseits fast schon zu trivial, um sie zu bemühen, andererseits war sie für mich völlig überraschend. Der erstaunliche Zusammenhang betrifft eben nicht die Musik, sondern die Texte und ihren offensichtlich sexuellen Bezug.[10] Irgendwie merkwürdig, dass diese wichtige Komponente in meinem eigenen Musikunterricht kaum Erwähnung fand.

Ich möchte im Folgenden keine Geschichte des HipHop niederschreiben, sondern ganz zielgerichtet nur die wesentlichen Stationen ansprechen, die zur heutigen Ausprägung des Pornorap in Deutschland geführt haben. Zwangsläufig beginnt diese Reise in den USA.

Im Jahr 1979 landete die Sugarhill Gang mit dem Party-Song Rappers Delight den ersten HipHop-Hit und machte HipHop nicht nur in den USA, sondern weltweit bekannt. Faszinierend ist die Tatsache, dass zu diesem Song bereits 1979 ein Musikvideo existierte, welches in seinem Sexismus sogar heutzutage schwer zu überbieten sein dürfte.[11] Sieben Jahre später initiierte die Rapformation 2 Live Crew das Genre des ‚dirty rap’ mit ihrem Miami Bass[12] Debütalbum 2 Live Crew Is What We Are und dem wohl bekanntesten Track We Want Some Pussy. 1989 folgte As Nasty As They They Wanna Be, das dem jungen Genre endgültig einen Platz im Popgeschäft sicherte, sowie auch zu einem handfesten Skandal und mehreren Gerichtsverhandlungen führte. Darüber hinaus war es eines der ersten Alben, welches mit dem schwarz-weißen „Parental Advisory“-Sticker versehen wurde, um auf den potentiell jugendgefährdenden Inhalt hinzuweisen. In Folge der enormen Popularität von 2 Live Crew gab es einige Rapper die sich dem ‚dirty rap’ zuwandten, ohne jedoch an deren Erfolge anknüpfen zu können. Mittlerweile dominieren in den USA Frauen[13] das einst ausschließlich Männern vorbehaltene Genre - ein interessanter Punkt, auf den ich später noch zurückkommen werde.

Nach der üblichen zehnjährigen Inkubationszeit war es der Berliner Rapper King Kool Savas, der 2000 mit seiner EP Warum Rappst Du? den Startschuss für den heutigen Pornorap in Deutschland abgab. Das Album wurde im März 2001 von der BPjM indiziert und ist seit dem im Handel nicht mehr erhältlich. Berlin gilt heute als Mittelpunkt des aggressiven und sexistischen Battlerap, so wie Stuttgart für Conscious Rap und Hamburg für Party-Rap.[14] Ich möchte im Folgenden einen stichwortartigen Überblick über die derzeit wichtigsten Akteure des Genres geben.

Bushidos erste Veröffentlichung war auf dem 2000 erschienenen Frauenarzt-Tape von King Orgasmus One zu finden. 2001 kam sein erstes Soloalbum King of Kingz auf den Markt. Doch erst vier Jahre später wurde die Platte auf Grund von Textstellen wie: „Ein Schwanz in den Arsch, ein Schwanz in den Mund. Ein Schwanz in die Fotze, jetzt wird richtig gebumst“ indiziert. Der Song dem diese Zeilen entnommen sind trägt den Titel Gangbang und beschreibt eine Form des Gruppensexes die in letzter Zeit unter Jugendlichen immer populärer wird. Hauptmerkmal ist, dass eine Frau mit mehreren Männern Geschlechtsverkehr hat. Entgegen der herrschenden Meinung spielt der Umstand, ob die Handlung erzwungen oder freiwillig geschieht, keine Rolle. Zur Imagepflege des Rappers gehört in erster Linie seine ‚street credibility’ – seine Glaubwürdigkeit – und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass Bushido im November 2005 in einem Interview ausführte, Paris Hilton sei für ihn „einfach so'n dummes Stück Fleisch“, das er gerne einmal „für den Geschlechtsakt“ hätte: „erniedrigen und dann tschüss“.[15] Die Verschmelzung von öffentlicher und privater Person ist in diesem Genre absolut unerlässlich. Nicht umsonst heißt das derzeit erfolgreichste Berliner HipHop-Label Aggro Berlin.

[...]


[1] Neumann (2003), S. 6.

[2] Bericht von Beate Frenkel im ZDF heute-journal vom 18. Mai 2007.

Doku von Arte Jugend im Pornofieber. Teenager und Sex ausgestrahlt am 27. Mai 2008.

Bericht Nach der Schule Pornos in Frontal21 (ZDF) vom 26. Juni 2007

Bericht Pornorap statt erster Liebe in Polylux (ARD) vom 19. April 2007.

Früher, härter, unromantischer – Sex ohne Liebe? in der Talkshow Menschen bei Maischberger (ARD) vom 10. April 2007.

[3] Fuchs, u.a. (2005).

[4] Carus u. a. (2008).

[5] Siehe Zunahme der Indizierungen bei der BPjM

[6] Verw. auf den Artikel Zimmer (1977), S. 39ff.

[7] Vgl. BGH 23,44; 37,55.

[8] Vgl. BGH 5 StR 153/78.

[9] Selg (1997), S. 48-51.

[10] Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Blues. Was die Wissenschaftlichkeit dieses Artikels betrifft sollte ein Blick auf die zu Grunde liegenden Quellen genügen.

[11] Vgl. http://www.youtube.com/watch?v=YqFpAF70UWI. Eine eingehende Analyse der Symbole, die in diesem Video eingesetzt wurden, scheint mir ein lohnendes Unterfangen z.B. für den Unterrichtseinstieg in die vorliegende Problematik.

[12] Miami Bass ist ein HipHop-Stil der in den 80er und 90er Jahren populär war und von schnellen elektronischen Beats geprägt ist. Der genretypische Sound entsteht hauptsächlich durch den Einsatz des Drumcomputers Roland TR-808. Vgl. Papawheelie: Miami Bass. The Primer. In: Stylusmagazine vom 1. August 2005. http://www.stylusmagazine.com/articles/weekly_article/miami-bass-the-primer.htm (18.05.2008)

[13] Z.B. Lil Kim, Foxy Brown, Gangsta Boo, Khia, and the Miami-based Jacki-O und Trina.

Vgl. dazu Philippe (2005), S. 17.

[14] Vgl. ebd., S. 21f.

[15] netzeitung (2005)

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Pornorap. Ein ‚heißes’ Thema für den Musikunterricht
Hochschule
Hochschule für Musik Köln
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
21
Katalognummer
V202537
ISBN (eBook)
9783656293712
ISBN (Buch)
9783656294979
Dateigröße
513 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hip-Hop, Battlerap
Arbeit zitieren
Sebastian Madyda (Autor:in), 2007, Pornorap. Ein ‚heißes’ Thema für den Musikunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202537

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