Raumplanung im Nationalsozialismus

Der Dr.-Hellmuth-Plan für die Rhön (1933-45)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

29 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. EINLEITUNG

II. WAS IST RAUMPLANUNG BZW. RAUMORDNUNG?

III. RAUMORDNUNG IN DER NS-ZEIT

IV. DER DR.-HELLMUTH-PLAN FÜR DIE RHÖN
IV.I. WIRTSCHAFTSSTRUKTURELLE ASPEKTE DES DR. - HELLMUTH - PLANS
IV.II. RASSENBIOLOGISCHE DURCHMUSTERN DER RHÖNBEVÖLKERUNG ALS TEIL DES HELLMUTH PLANES

V. DIE RHÖN - EIN NOTSTANDSGEBIET?

VI. FAZIT

VII. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

I. Einleitung

Die Raumplanung in der Bundesrepublik Deutschland hat besonders im 20. Jahrhundert zahlreiche Umwälzungen und Umbrüche erlebt. Dabei entwickelte sie sich von einem, zunächst regionalen, Planungsinstrument zu einer staatlichen Institution und wieder zurück zu regionalen Planungsinstitutionen, welche unter dem Dach des Bundesraumordnungsgesetzes agieren. Heutzutage ist sie eine anerkannte Disziplin, frei von ideologischen Prämissen und nicht, wie zur Zeit des Nationalsozialismus, eine Verschränkung von raumplanerischer Aufbauarbeit mit den Ideologien eines Regimes.

Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit der Raumplanung im Nationalsozialismus am Beispiel der im Herzen Deutschlands gelegenen Rhön. Dort wurde vom mainfränkischen Gauleiter Dr. Otto Hellmuth gleich nach der ‚Machtergreifung’ der Nationalsozialisten, ein umfangreiches und allumfassendes Aufbauwerk in die Wege geleitet, welches als Musterbeispiel für die Verschränkung von Rassenideologie und Raumplanung galt. Ziel war es, die wirtschaftliche und soziale Struktur der kompletten Rhön im nationalsozialistischen Sinne neu zu ordnen und nach rassen-, agrar- und bevölkerungspolitischen Vorstellungen zu erschließen. Im Rahmen dessen kam es zu zahlreichen Enteignungen. Doch nicht nur das, denn tausende Menschen wurden gnadenlos durchmustert, kastriert, verschleppt oder ermordet.

In der Forschung haben die Vorgänge zu dieser Zeit in der Rhön bisher wenig Beachtung gefunden. Bisher gibt es zahlreiche Veröffentlichungen zur Raumplanung im Nationalsozialismus und besonders zum ‚Generalplan Ost’ und auch z.B. der Berliner Historiker Uwe Mai widmete sich ausgiebig dem Thema der Raumplanung im NS-Staat mit der Verschränkung von „Rasse und Raum“. Dennoch erscheint der Dr.-HellmuthPlan in der Rhön, mit all seinen Vorgängen und Aspekten eher vereinzelt in der Forschung. Zu diesem Thema gibt es bisher ein umfassendes Werk, was vom ortsansässigen Historiker Joachim S. Hohmann mit Hilfe seiner Studenten zusammengetragen wurde. In seiner umfangreichen Studie legt dieser seine Forschungsergebnisse zu diesem Thema dar und trägt zahlreiche Dokumente zum Dr.-Hellmuth-Plan in einem ebenfalls umfangreichen Quellenband zusammen. Darin beschreibt er die Entwicklungen vor und während des Plans und geht besonders auf die Bedeutung für die Nationalsozialisten auf der einen und für die Rhönbevölkerung auf der anderen Seite ein.

Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich zwei Fragestellungen nachgehen. Zum einen möchte ich herauszufinden inwieweit die nationalsozialistische Aufbauarbeit in der Rhön als Innovation gegolten haben kann oder ob es sich dabei eher um einen Kontinuität gehandelt hat, welche vorherige Planungen einfach übernommen hat und lediglich mit den NS-Ideologien aufgeladen wurde. Außerdem möchte ich dem Anspruch und der Wirklichkeit der Geschehnisse um den Dr.-Hellmuth-Plan nachgehen. Gefragt wird danach, ob die Rhön tatsächlich ein Notstandsgebiet gewesen ist und der Hilfe des Hellmuth Plans bedurfte und ob die Darstellung des Plans auch der Wirklichkeit der Umsetzung entsprochen hat.

Dazu soll zunächst dargestellt werden, was Raumplanung überhaupt ist und welche Aufgaben sie hat. Weiterhin möchte ich die Entwicklung der Raumplanung in Deutschland skizzieren, um anschließend die Bedeutung der Raumplanung während der NS-Zeit genauer zu beleuchten. Die folgenden Kapitel befassen sich ausschließlich mit der Rhön und zeigen zunächst die wirtschaftsstrukturellen Aspekte im Dr.-Hellmuth-Plan und dessen Entwicklung auf. Darauf folgend, gehe ich näher auf die rassenbiologische Durchleuchtung der Rhöndörfer und deren Ausmaß und Bedeutung ein. Das letzte Kapitel befasst sich schließlich genauer mit der Fragestellung, ob die Rhön ein Notstandsgebiet ist und greift unterschiedliche Aspekte zur Beantwortung der Frage auf.

. Was ist Raumplanung bzw. Raumordnung?

Der Begriff der „Raumordnung“ ist „gesetzlich nicht definiert“1, doch laut Georg Albers beinhaltet diese "das Bemühen um eine, den menschlichen Bedürfnissen entsprechende, Ordnung des räumlichen Zusammenlebens auf der Ebene von Regionen und Ländern“.2 Dieses Bemühen orientiert sich generell an unterschiedlichen Zielen, welche das Zusammenleben und Handeln von Menschen in einem bestimmten „Raum“ beeinflussen.3 In einem solchen Raum kommen unterschiedliche Faktoren, wie Wirtschaft, Erholung, Ernährung, Infrastruktur, Bildung etc. zusammen, was zu Konflikten führen kann.

Die Aufgabe der Raumplanung besteht nun darin, solchen Konflikten vorzubeugen bzw. die sich wandelnden und unterschiedlichen Anforderungen an den Raum auszugleichen. Die Raumordnung greift Aufgaben aus den oben genannten Gebieten heraus und versucht diese systematisch zu planen. Das Augenmerk liegt dabei grundsätzlich auf drei Bereichen: die längerfristige Konzeption, im Sinne von Richtlinien und planerischen Vorgaben (Nachhaltigkeit), die gleichmäßige räumliche Entwicklung d.h. Ausgleich zwischen wirtschaftlich starken und schwachen Regionen (Gleichwertigkeit) und Regionalentwicklung im Hinblick auf Ökonomie, Ökologie und sozialen Gefügen, um die Abwanderung in Peripherie-Räume zu verhindern (Regionalisierung).4

Die Entwicklung der systematischen Raumplanung in Deutschland beginnt in kleinen Ansätzen schon in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts, mit dem Aufkommen von Ballungsräumen im Zuge der Industrialisierung. Man begann damit, die Raumplanung unter dem Begriff der „Landesplanung“ zu institutionalisieren und es bildeten sich raumplanerische Gemeinschaften, wie der Zweckverband Groß-Berlin (1911) oder der westfälische Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk (1920). Zu dieser Zeit handelte es sich bei der Raumordnung noch nicht um ein von oben gesteuertes Instrument und wurde keinesfalls als Aufgabe des Staates angesehen. Viel mehr entsprangen diese Bemühungen direkt von den betroffenen Städten bzw. Gebieten. Der Beginn einer übergeordneten Planung des Raumes ausgehend vom Staat, liegt zusammen mit der ‚Machtergreifung’ der Nationalsozialisten im Jahre 1933. Die Raumplanung entwickelte sich im Dritten Reich zu einem „Machtinstrument der Nationalsozialisten“ und wurde unmittelbar als „Errungenschaft“ dieser bezeichnet.5

Diese Sichtweise erschwerte in der Nachkriegszeit die weitere Entwicklung der Raumplanung. In der Gesellschaft befürchtete man, dass eine zentrale Ordnung des Raumes, einer freiheitlichen Entwicklung der Bürger und der Marktwirtschaft entgegen stehe. Es war wahrscheinlich nicht nur diese Sichtweise, welche der Raumordnung den (erneuten) Weg auf eine höhere Ebene erschwerte, sondern wohl auch die Tatsache, dass die meisten der im Nationalsozialismus beschäftigten Raumplaner auch nach dem Krieg einen festen Platz in der Raumplanung der frühen Bundesrepublik hatten.6

Die erste rechtliche Festlegung einer übergeordneten Raumordnung auf Bundesebene folgte im Jahre 1965 mit der Verabschiedung des Bundesraumordnungsgesetzes (ROG).7 Dieses Gesetz wurde seit seiner Einführung mehrfach geändert und ergänzt.8 Solche Ergänzungen und Änderungen waren bzw. sind nötig, da sich im Laufe der Zeit die Anforderungen an die Raumplanung, mit dem Ziel des Ausgleichs der Lebensverhältnisse verändert haben. Dies führt dazu, dass die Raumplanung nun nicht mehr nur ökonomische Aspekte mit einbeziehen muss, sondern auch auf Themen wie Klimawandel, demographischer Wandel, Mobilität und dergleichen achten muss. Die Erweiterung der Themenfelder der Raumplanung, wie sie zu Beispiel im Jahre 2006 mit den vorgelegten „Leitbildern der Raumentwicklung“ gefestigt wurden, geht einher mit der Änderung des Rechtsrahmens für eine übergeordnete Raumplanung. Im Zuge dessen wurde die Raumordnung als „Rahmengesetz“ quasi ‚entmachtet’ und in die Hände der Länder gelegt, welche fortan innerhalb eines gewissen Handlungsspielraumes Maßnahmen, abweichend vom Bundesraumordnungsgesetzes beschließen konnten. Eine jüngere Novellierung (2009) des Gesetzes erlaubt ein neues Planungsinstrument, nämlich „Raumordnungspläne für den Gesamtraum“, welches die deutsche Raumordnung wieder hin zu einer auf den gesamtdeutschen Raum abgezielte Raumordnung führt.9

Raumordnung in der NS-Zeit

In diesem Abschnitt soll auf die Entwicklung der Raumordnung während der Zeit des Nationalsozialismus eingegangen werden. Dazu möchte ich herausstellen, welche neuen Strukturen sich während dieser Zeit herausgebildet haben, welche Ziele diese Raumordnung verfolgte und welchen Stellenwert diese hatte.

Mit der ‚Machtergreifung’ der Nationalsozialisten, bekam die Raumordnung einen neuen Stellenwert und wurde, nicht wie in den Jahren zuvor, als ausdrückliche Aufgabe des Staates angesehen. Das ist nicht verwunderlich. Denn eine zentrale Ordnung war nötig, um Wirtschaft und Gesellschaft gleichsam auf den Krieg vorzubereiten und alle nur möglichen Ressourcen auszuschöpfen. Die Umstrukturierung der Raumplanung in der NS-Zeit war geprägt von einigen personellen und auch institutionellen Veränderungen, welche dazu führten, dass einige Persönlichkeiten aus der Weimarer Raumplanung entlassen und durch Neue ersetzt wurden.10 Eine Kontinuität auf personeller Ebene wie sie in der Nachkriegszeit stattgefunden hat, war beim Übergang der Weimarer Raumplanung in die der NS-Zeit also nicht gegeben.

Die Ausschöpfung und Neuordnung des Raumes bedingte es, neue organisatorische und gesetzliche Möglichkeiten zu schaffen. Auch die militärische Aufrüstung des NS-Staates, ließ Stimmen nach einer staatlichen Zentralbehörde für Raumordnungsfragen laut werden.11 Dieser Forderung kam man am 29. März 1935, mit dem Entwurf für eine „Reichsstelle zur Regelung des Landbedarfs der öffentlichen Hand“ nach. Leiter dieser Stelle, welche sich fortan „Reichsstelle für Raumordnung (RfR)“ nannte, war zunächst Hanns Kerl und später der Jurist Hermann Muhs. Besonders bedacht war man bei dieser Stelle darauf, sich von der „bisherigen Raumordnung abzugrenzen“12 und die Fehler des „liberalistischen Zeitalters“13 auszumerzen. Schon an dieser Stelle ist zu erkennen, dass die Raumordnung sich fortan auch an die „weltanschaulichen Standpunkte der Staatsleistung anzupassen“ hatte. Dabei sollte diese Ordnung des Raumes alle Lebensbereiche umfassen und in einen „totalen Raumplan“ integrieren.14 Die Aufgaben der Raumplanung innerhalb eines solchen totalen Raumplans waren nicht sehr verschieden von denen der Weimarer Landesplanung. Hauptaugenmerk lag auf der Herstellung eines Gleichgewichts auf dem deutschen Wirtschaftsgebiet, mit dem Ausbau von Verkehrsnetzen, Angleichung von Betriebs- und Bevölkerungsdichte, Schutz des Waldbestandes, Stärkung der Landwirtschaft und nicht zuletzt Schutz der Erbhofgebiete als „rassisch wertvollste Blutsträger des Volkes“.15 Ferner sahen die nationalsozialistischen Raumplaner die Ordnung des Raumes als synonym mit der Ordnung des Volkes16, welche ein elementarer Schritt auf dem Weg zu „deutschen Lebens- und Leistungslandschaften“ sei und vorsieht, dass überall auf deutschem Reichsboden „gesunde[s] Volk auf bestem Mutterboden in einem starken Vaterland“ hervorgebracht wird.17 Auch hier ist die Wandlung und Vermischung der Aufgaben der Weimarer Landesplanung, mit denen der nationalsozialistischen Landesplanungspolitik und vor allem der Einbeziehung von rassenpolitischen Komponenten zu erkennen.

Ein weiteres Argument der NS-Raumplaner war die herrschende „Raumnot“, welche eine systematische Raumplanung bedingte, um so ein „optimales Verhältnis von Raum und Bevölkerung“ zu schaffen. Das Argument der Raumnot, war ein vielerlei verwendetes, im Bezug auf die Rechtfertigung von raumplanerischen Konzepten während der NS-Zeit, wie dem Dr.-Hellmuth -Plan für die Rhön.18 So euphorisch und klar diese Ziele bzw. Forderungen zunächst klingen mögen, so war die praktische Umsetzung in den Anfangsjahren der RfR jedoch weit davon entfernt. Ihre Arbeit entwickeltes sich eher in Richtung einer Wirtschafts- bzw. Strukturpolitik.19

[...]


1 Gesa Bartram: Die Ziele der Raumordnung. Ein Planungsinstrument im Spannungsfeld zwischen gewachsenem Steuerungsanspruch und verfassungsrechtlichen Anforderungen, Baden-Baden 2010 (Studien zu Staat, Recht und Verwaltung 20), S. 26 [i.F.z.a. Bartram: Raumordnung].

2 Georg Albers: Stadtplanung, Darmstadt 1988, S. 4.

3 Christian Langhagen-Rohrbach: Raumordnung und Raumplanung, Darmstadt 22010 (GEOWISSEN Kompakt), S. 1; [i.F.z.a. Rohrbach: Raumordnung und Raumplanung].

4 Ulrike Weiland und Sandra Wohlleber-Feller: Einführung in die Raum- und Umweltplanung, Paderborn 2007, S. 34.

5 Rohrbach: Raumordnung und Raumplanung, S. 8.

6 Ariane Leendertz: Ordnung schaffen. Deutsche Raumplanung im 20. Jahrhundert, Göttingen 2008, S. 7; [i.F.z.a. Leendertz: Ordnung].

7 Karl Haubner: Zur Entwicklung der Raumplanung in Deutschland, in: Disp 127(1996), S. 21.

8 Ebenda, S. 22.

9 Rohrbach: Raumordnung und Raumplanung, S. 18-19. 7

10 Leendertz: Ordnung, S. 108.

11 Ulrich Battis: Öffentliche Baurecht und Raumordnungsrecht, Stuttgart 52006, S. 22.

12 Leendertz: Ordnung, S. 112.

13 Hermann Muhs: Die Raumordnung in der nationalsozialistischen Staatspolitik, in Raumforschung und Raumordnung 1 (1937), S. 519.

14 Leendertz: Ordnung, S. 112 - 113.

15 Ebenda, S. 114.

16 Willi Oberkrome: Deutsche Heimat. Nationale Konzeption und regionale Praxis von Naturschutz, Landschaftsgestaltung und Kulturpolitik in Westfalen-Lippe und Thüringen (1900-1960), Paderborn 2004, S. 194.

17 Heinrich Wiepking-Jürgensmann: Aufgaben und Ziele der deutschen Landschaftspolitik, in: Raumforschung und Raumordnung 3 (1939), S. 365.

18 Leendertz: Ordnung, S. 113.

19 Leendertz: Ordnung, S. 115.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Raumplanung im Nationalsozialismus
Untertitel
Der Dr.-Hellmuth-Plan für die Rhön (1933-45)
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Historisches Institut)
Veranstaltung
How Green Were The Nazis - Umweltpolitik im Dritten Reich
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
29
Katalognummer
V202447
ISBN (eBook)
9783656286318
ISBN (Buch)
9783656286554
Dateigröße
1003 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Raumplanung, NS-Zeit, Raumplanung in der NS-Zeit, Rhön, Dr. Hellmuth Plan, Raumplanung in der RHön, bayrische Rhön, Willi Marschler, Geschichte der Raumplanung, Fulda, Bad Neustadt, Wildflecken
Arbeit zitieren
Romina Zeller (Autor:in), 2012, Raumplanung im Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202447

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