Mediale Herrschaftskommunikation der römischen Kaiserzeit unter Berücksichtigung moderner Medienwirkungsforschung

Am Beispiel von Kaiser Augustus


Masterarbeit, 2010

97 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Protagonisten vor antiker Kulisse
2.1. Der Kommunikator: Augustus
2.1.1. Herkunft, Machtergreifung und Machtsicherung
2.2. Die Rezipienten: Das römische Volk
2.2.1. Gesellschaft und Struktur
2.3. Die Transmitter: Die Medien
2.3.1. Was sind Medien?
2.3.2. Antike Massenmedien?
2.3.3. Medien der römischen Kaiserzeit
a) Münzen
b) Inschriften
c) Bauten
d) Statuen und Bildnisse
e) Sonderfall: Theater

3. Die Regie: Wer steuert wen? Produzent vs. Rezipient
3.1. Medien- und wirkungszentrierte Ansätze
a) Agenda-Setting
b) Anschlusskommunikation
c) Schweigespirale
3.2. Rezipientenorientierte und nutzenzentrierte Ansätze
a) Uses- and Gratification-Approach
b) Eskapismus-Konzept
3.3. Exkurs: Problematik der Messbarkeit
3.4. Zwischenfazit

4. Das Stück und seine Umsetzung: Formen der Herrschaftskommunikation
4.1. Exkurs: Terminus Propaganda
4.2. Agitation
4.2.1. Machtkampf mit Marcus Antonius
4.2.2. Medien und Medienwirkung
a) Das Augustus-Mausoleum I
b) Programmatische Münzserien
4.3. Integration
4.3.1. Republikanische Leitbegriffe neu belebt: pietas und pax
4.3.2. Medien und Medienwirkung
a) Via Labicana-Statue „ toga capite velato
b) Der Panzer der Prima Porta-Statue
4.4. Repräsentation
4.4.1. Direkte und indirekte Repräsentation
4.4.2. Medien und Medienwirkung
a) Die Bildnisse des Herrschers
b) Das Augustus-Mausoleum II

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

Jede Gemeinschaft von Lebewesen mit all ihren verschiedenen Individuen hat einen gemeinsamen Nenner: Die Kommunikation. Sie ist nicht nur Existenzbedingung von Gemeinschaften, sondern auch Vorrausetzung ihrer Entstehung. Ihre Funktionen sind dabei so heterogen wie die Gemeinschaftsmitglieder, die sie verbindet: Kommunikation kann verständigend wirken, aber auch abgrenzend, sie ist mal absichtsvoll, mal unbewusst, sie informiert, beeinflusst und strukturiert. Während bei den Menschen evolutionsgeschichtlich zunächst Stimme, Gestik und Mimik wesentliche Transportkanäle der Kommunikation waren, sind im Laufe der Jahrtausende unterschiedliche Formen von Medien ein immer wichtigeres Werkzeug geworden, um die Grenzen der Face-to-face-Kommunikation zu überschreiten. Diese Entwicklung wird üblicherweise als Prozess von der interaktiven (archaische Gesellschaft: Medium Sprache, Anwesenheit als Voraussetzung) über die noninteraktive Kommunikation (Hochkultur: Medium Sprache und Schrift) bis hin zur Medienkommunikation (Industriegesellschaft) beschrieben (vgl. Merten 2007, S. 203). Jeder Gesellschaftstypus hat auch „seine“ Medien hervorgebracht.

Im Jahr 1980 verwendet „Der Spiegel“ in seiner Berichterstattung erstmals den Begriff „Medienzeitalter“ (vgl. Spiegel 46/1980, S. 85), durch welchen unsere postindustrielle Gesellschaft heute oftmals charakterisiert wird. Der Ausdruck –seit seiner erstmaligen Verwendung in dem Magazin vor 30 Jahren noch durch die digitale Entwicklung erweitert – verdeutlicht, dass Medien in den hochentwickelten Staaten der Erde heute nicht nur Teil des Alltages, sondern auch konstitutiv für die gesellschaftliche Struktur geworden sind. Insbesondere innerhalb von Machtsystemen hat die mediale Kommunikation große Bedeutung gefunden: In Politik und Wirtschaft gilt das richtige „Wording“ sowie die vorteilhafte Positionierung von Botschaften nicht zuletzt als wichtige Erfolgsvariable. Durch ein Zitat Gerhard Schröders, er brauche zum Regieren lediglich „Bild, BamS und Glotze“ (zit. nach Deggerich 2003), wird dieses Bewusstsein explizit deutlich: Machtausübung und mediale Kommunikation partizipieren unmittelbar voneinander. Während man unter dem Stichwort „politische Kommunikation“ vornehmlich an Agitationen der Moderne denkt, Kommunikation an sich aber wie beschrieben ursprünglich und existenziell ist, stellt sich die Frage, in welcher Relation Macht und mediale Kommunikation in anderen Epochen standen.

Untersuchungszeitraum dieser Arbeit ist die frühe römische Kaiserzeit der Antike: Am Beispiel der Machtergreifung und Herrschaft von Kaiser Augustus soll 1.) untersucht werden, welche (Massen-)Medien zur Verfügung standen und was für die Epoche der Antike überhaupt unter ihnen zu verstehen ist. Diese theoretischen Überlegungen sind notwendig, um 2.) an konkreten Beispielen der medialen Herrschaftskommunikation von Augustus darzustellen, wie das System der politischen Kommunikation damals funktionierte und wie es beschrieben werden kann. Eine untersuchungsleitende Frage soll hierbei sein, inwiefern die augusteische Kommunikation einseitig von Herrscher zu Beherrschten verlief oder ob das System durchaus von Wechselwirkungen geprägt war.

Die Fragestellung der Arbeit zielt auf eine Analyse eines komplexen Systems ab. Die wissenschaftliche Untersuchung bedarf daher einer breiten Folie interdisziplinärer Theorien: Sowohl medien- und geschichtswissenschaftliche Aspekte sind zu berücksichtigen, als auch soziologische Komponenten. Ausgehend von einem vielschichtigen System der Herrschaftskommunikation, welches sich aus Anzahl seiner Teile zu einem „großen Ganzen“ zusammenfügt, ist auch die Arbeit in diesem Verständnis aufgebaut: Angelehnt an ein Theaterstück, welches ebenfalls aus der Summe seiner Komponenten entsteht, widmet sich Kapitel 2 zunächst den „Protagonisten“. Für diese Arbeit sind das: Kommunikator (Augustus), Transmitter (Medien) und Rezipienten (das römische Volk). Neben gesellschaftlichen Grundlagen und einer kurzen Erläuterung des Werdegangs von Kaiser Augustus, liegt der Fokus auf dem Terminus Medien und seiner Bedeutung. Ziel dieses Kapitels ist es, für den Zeitrahmen der frühen römischen Kaiserzeit einen Medienbegriff herauszuarbeiten und ferner konkrete Massenmedien zu benennen.

Unter dem Stichwort „Regie“ wird in Kapitel 3 die theoretische Grundlage der zu untersuchenden Relation, die Medien zwischen Herrscher und Beherrschten herstellen, herausgearbeitet. Frageleitend ist hierbei, inwiefern von einer Beeinflussung der Rezipienten durch die Medien auszugehen ist oder ob vielmehr von einem Bedürfnis der Nutzer gesprochen werden muss, welches durch Medien befriedigt wird. Dazu werden die moderne Medienwirkungsforschung diskutiert und verschiedene Ansätze und Perspektiven vorgestellt, um schließlich deren Mehrwert für den antiken Untersuchungsrahmen, aber auch einhergehende Problematiken, aufzuzeigen.

Kapitel 4 führt schließlich die theoretischen Überlegungen mit Analysen konkreter Beispiele antiker Medien zusammen, um so exemplarisch die augusteische Herrschaftskommunikation zu erläutern und mögliche mediale Wirkungen aufzuzeigen. Es soll bereits hier betont werden, dass sich durch den Untersuchungszeitraum der frühen römischen Kaiserzeit insbesondere die Problematik ergibt, dass Annahmen über Medienwirkung und Absichten nicht mehr empirisch verifiziert werden können. Die einzigen „Spuren“ oder „Indizien“, an denen der Versuch unternommen werden kann, die 2000 Jahre alte Herrschaftskommunikation unter Augustus zu beschreiben und zu verstehen, sind die uns überlieferten Medien, wie z.B. Münzen oder Statuen. Im Gegensatz zu den Möglichkeiten der modernen Medienwirkungsforschung (Interviews, Fragebögen), können Kommunikator und Rezipienten in diesem Kontext nicht mehr befragt werden. Der Aufbau des Kapitels 4 orientiert sich an einer Grafik aus eigener Erstellung, welche die Komponenten der Herrschaftskommunikation visualisiert und drei Kategorien entwirft (Agitation, Integration, Repräsentation). Letztere dienen dazu, die untersuchten Medien in ihrer Funktion bestimmten Themenfeldern zu zuordnen und so das komplizierte System der Herrschaftskommunikation zum besseren Verständnis zu gliedern.

Das Fazit soll die Ergebnisse schließlich zusammenfassen und ferner einen Ausblick auf weitere Untersuchungsmöglichkeiten geben. Da die Arbeit schon in ihren Überlegungen und Analysen sehr problemorientiert ist und die zahlreichen Einschränkungen und Herausforderungen bereits in den jeweiligen Kapiteln benannt werden, sollen sich die Abschlussbemerkungen nur kurz darauf beziehen. Stattdessen sollen hier Perspektiven und Ideen für weitere Forschung in diesem Themenbereich ihren Platz finden.

2. Protagonisten vor antiker Kulisse

Um zu erläutern, wie die Herrschaftskommunikation in der römischen Kaiserzeit funktioniert hat, müssen im Vorfeld die „Beteiligten“ benannt werden. Dabei soll im ersten Schritt von einem völlig basalen Verständnis von Kommunikation ausgegangen werden. Ein solches skizziert folgendes Modell (nach eigener Erstellung)[1] :

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Basierend auf dem Erkenntnisinteresse dieser Arbeit, ist unter dem Kommunikator, also dem Sender der Botschaften, Augustus bzw. sein Umfeld zu verstehen. Prinzipiell kann jeder Mensch innerhalb einer Gesellschaft zum Kommunikator werden. Da aber die vorliegende Arbeit die Herrschaftskommunikation des Kaisers untersucht, die per se ein Top-down-Prinzip impliziert, sind insbesondere seine politischen Botschaften relevant. Unter Transmitter sind alle dem Kommunikator zur Verfügung stehende Medien zu verstehen, „über die durch Techniken der Verbreitung und Vervielfältigung mittels Schrift, Bild, und/oder Ton optisch bzw. akustisch Aussagen an eine unbestimmte Vielzahl von Menschen vermittelt werden.“ (Burkart 2002, S. 171). Als Rezipient gilt für die spezielle Fragestellung dieser Arbeit das römische Volk.

Auch wenn dieses Modell vorerst einen einseitigen Kommunikationsprozess postuliert (Kommunikator→Rezipient), soll im Verlauf der Arbeit gezeigt werden, inwiefern es – indirekt oder direkt – auch Wechselwirkungen gab, welche die Herrschaftskommunikation beeinflusst haben. Unter Abschnitt 2.1. bis 2.3. werden die als „Protagonisten“ bezeichneten Gruppen näher erläutert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Kapitel 2.3. und den Medien als Transmitter zwischen Kaiser und römischen Volk.

2.1. Der Kommunikator: Augustus

Wenn von Augustus als Kommunikator die Rede ist, sind damit auch all jene gemeint, die zu seinem engsten politischen Umfeld gehörten bzw. Vertraute und in seinem Sinne an der Herrschaftskommunikation beteiligt waren. Da Augustus jedoch diejenige Person darstellt, auf welche sich die gesamte Herrschaftsform und die zu diesem Zweck erfolgte Kommunikation projizierte, kann davon ausgegangen werden, dass er öffentlich als zentraler Kommunikator wahrgenommen worden ist. Über das Leben, die Herkunft, den Aufstieg und Werdegang von Kaiser Augustus gibt es bereits zahlreiche und sehr ausführliche Arbeiten.[2] Im Erkenntnisinteresse dieser Arbeit sollen jedoch nur die wichtigsten Aspekte in aller Kürze dargestellt werden, um einen chronologischen Überblick über den Ablauf der politischen Ereignisse und den Wandel von der Republik zur Alleinherrschaft von Augustus zu verdeutlichen. Zudem soll das spezielle Selbstverständnis von Augustus als Mitglied der Oberschicht thematisiert werden, da dieses auch bei seiner Herrschaftskommunikation von Bedeutung war.

2.1.1. Herkunft, Machtergreifung und Machtsicherung

Herkunft und Selbstverständnis: Augustus wurde 63 v. Chr. als C. Octavius geboren. Die Abstammung der Mutter als Nichte von C. Iulius Caesar schaffte die Verbindung zu einer Patrizier-Familie (alteingesessene Oberschicht in Rom) und war gleichsam „familiäres Kapital“ (vgl. Eck 1998, S. 10ff.). Denn der kinderlose Caesar, der sich im Zuge des römischen Bürgerkrieges (49 – 45 v. Chr.) zum Diktator auf Lebenszeit hatte ernennen lassen, bestimmte seinen Großneffen in seinem Testament zum Erben, welches dieser nach der Ermordung seines Onkels (44 v. Chr.) antrat. Nach der Aufnahme in den Senat und die Bekleidung des Konsulats (43 v. Chr.) gehörte nun auch der 20-jährige Octavian zur Spitze der Oberschicht (eine detaillierte Beschreibung der römischen Gesellschaft, vgl. Kapitel 2.2.). Diese kann als äußerst elitär (nicht für jeden zugänglich) beschrieben werden und pflegte in ihrer öffentlichen Darstellung ein traditionell-republikanisches Selbstverständnis unter Rückbesinnung auf ihre verdienstvollen Vorfahren (mores maiorum): „Einfachheit und Bedürfnislosigkeit, harte Erziehung, Sittenstrenge […], Fleiß, Tapferkeit und Aufopferungsbereitschaft, das waren die Tugenden, die in Rom […] unter dem Schlagwort mores maiorum beschworen wurden“ (Zanker 1987, S. 161).

Auch für den späteren Kaiser Augustus war dieses „Idealbild“ wohl handlungsleitend, zumindest waren Eigenschaften wie „Tapferkeit“ oder „Frömmigkeit“ während seiner Herrschaft immer wieder Themen seiner politischen Kommunikation, wie die späteren Untersuchungen dieser Arbeit ebenfalls zeigen werden. Somit war sich Octavian durchaus der Wirkung dieser Tugenden in der Gesellschaft bewusst: Als Kennzeichen eines „guten“ Römers kommunizierte er diese sowohl schriftlich als auch bildlich.

Machtergreifung: Octavian, der sich seit Antritt des Erbes wie sein Großonkel C. Iulius Caesar nannte, begründete 43 v. Chr. ein Triumvirat mit Marcus Antonius und Lepidus. Letzterer verlor jedoch zunehmend an Einfluss, sodass sich die Macht auf Antonius (Ostreich) und Octavian (Westreich) verteilte und sich allmählich ein Konkurrenzkampf zwischen den beiden entwickelte (vgl. Eck 1998, S. 26ff.). Als Marcus Antonius Mitte der 30er-Jahre militärische Niederlagen im Osten zu verzeichnen hatte und sich die römische Gesellschaft zudem an seiner privaten Verbindung zur ägyptischen Königin Kleopatra störte, nutzte Octavian die Stimmung, um sich selbst erfolgreich als wahren und tugendhaften Römer und Antonius als Verräter der Republik darzustellen (vgl. Petersen 2005, S. 87-95). Mit Erfolg: Der Senat erkannte Antonius schließlich seine Vollmachten ab und erklärte seiner Geliebten Kleopatra und Ägypten den Krieg. Octavian konnte dagegen in den letzten Jahren militärische Erfolge nachweisen und seine politische Situation festigte sich – neben dem allgemeinen Konsens in der Bevölkerung – auch formal, indem er 31 v. Chr. sein drittes Konsulat antrat, welches er bis 23 v. Chr. ohne Unterbrechung einnahm. Der entscheidende militärische Schritt erfolgte 31 v. Chr. bei der Seeschlacht von Actium, bei der unter der Befehlsgewalt Octavians Kleopatra und Marcus Antonius von den römischen Truppen besiegt wurden (vgl. Eck 1998, S. 35-40).

Machtsicherung: Octavian hatte nach dem Sieg über Antonius seinen schärfsten Konkurrenten ausgeschaltet und als „Friedensbringer“ an Macht dazu gewonnen, doch die zukünftige politische Ordnung stand noch offen. Für Werner Eck (1998, S. 41) ist jedoch klar: „Octavian hatte nicht die Absicht, die errungene Macht wieder abzugeben. Es musste also eine Form gefunden werden, die seine Machtstellung im Kern bewahrte.“ Dieser Anspruch an die alleinige Macht musste aber mit der republikanischen Staatsform in Einklang gebracht werden, die nach Abschaffung der monarchischen Fremdherrschaft seit vielen Jahrhunderten etabliert und Stolz der Römer war (vgl. Petersen 2005, S. 32ff.). Diesen zunächst unüberwindbar scheinenden Gegensatz vereinte Octavian 27 v. Chr., indem er alle ihm (während des Krieges gegen Antonius) verliehenen Entscheidungskompetenzen zurückgab und lediglich sein Konsulat behielt. Indem er im Senat zudem die Wiederherstellung der Republik (res publica restituta) verkündete, war die traditionelle Staatsform wieder existent – wenn auch nur formal: Denn Octavians Macht war ungebrochen, ihm kam nicht nur als Konsul Entscheidungsgewalt zu, sondern ihm war die „Loyalität der Soldaten“ genauso sicher wie die Macht „seiner finanziellen Potenz“ aus dem Erbe Caesars, dessen waren sich auch die Senatsmitglieder bewusst (vgl. Eck 1998, S. 43f.). Letztendlich bedeutete die Rückgabe der Vollmachten für Octavian sogar eine Erweiterung seines Kompetenzbereichs. Denn nach seiner scheinbar selbstlosen Geste trug der Senat ihm zahlreiche Zuständigkeiten und typische Ehrungen der vormaligen Republik an, wodurch sich Octavians Macht erweiterte und sich durch den öffentlichen Beschluss zugleich legitimieren ließ. Im Zuge dessen wurde ihm auch der Beiname „Augustus“ (dt.: der Erhabene) verliehen.[3] Im römischen Verständnis war dies ein religiöser Bezug auf Romulus, den Gründer Roms und so mit hoher Bedeutung aufgeladen. Die Verleihung eines Ehrenschildes durch den Senat, welcher ihm so die Tugenden der virtus (Tapferkeit), clementia (Milde), iustitia (Gerechtigkeit) und pietas (Frömmigkeit) zusprach, repräsentierte Augustus darüber hinaus als wertebewussten und republiktreuen Mann. Auch er selbst versuchte immer wieder die Verbindung zur republikanischen Ordnung herzustellen und vermied es, seine Alleinstellung hervorzuheben, stattdessen bezeichnete er sich als princeps: Den Ersten unter Gleichen (vgl. Bleicken 1998, S. 331f; 373). Des Weiteren wurde ihm 27 v. Chr. die Verwaltung der unsicheren Provinzen (und somit die Befehlsgewalt über die Legionen) übertragen, in den Jahren darauf erhielt er mit der tribunizischen Amtsgewalt (23 v. Chr.) tiefgreifende Eingriffsmöglichkeiten innerhalb Roms, wie z.B. das Vetorecht gegen Beschlüsse oder die Erlaubnis den Senat einberufen zu können. Seine militärische Befehlsgewalt in den Provinzen wurde im Laufe der Jahre sogar in solchem Maß ausgeweitet (imperium maius), sodass sein Befehl im Zweifel über den aller anderen Prokonsulare stand (vgl. Eck 1998, S. 44f.; 54f.). Später erhielt Augustus noch das Amt des obersten Priesters (pontifex maximus), wodurch er „der höchste Vertreter Roms gegenüber den Göttern“ (Ebd., S. 62) war und so die Tugend der Frömmigkeit ganz besonders repräsentieren konnte. Seine Stellung innerhalb der Gesellschaft, die sich nicht nur durch dessen Ämter und Gewalten, sondern durch einen allgemeinen gesellschaftlichen Konsens gefestigt hatte, fand 2 v. Chr. Ausdruck: Er wurde zum Vater des Vaterlandes (pater patriae) erklärt (vgl. Ebd., S. 63).

Letztendlich kann für die Machtergreifung sowie die Errichtung des Prinzipats folgende, etwas plakative, Feststellung von Thomas Petersen gelten:

„Der Weg zur Monarchie in Rom war durch Tabus versperrt. Augustus erreichte das Ziel trotzdem, indem er nicht nur diese Tabus achtete und den Römern ihre heiligen Kühe beließ, sondern indem er sich zum Hüter und Wächter über ebendiese Tabus und heiligen Kühe aufschwang, die er nicht beseitigen konnte. Machtgewinn durch Machtverzicht.“ (Petersen 2005,S. 111)

2.2. Die Rezipienten: Das römische Volk

Das römische Imperium war riesig (vgl. Abb. 1)[4] , ebenso heterogen war seine Bevölkerung, die in den weitreichenden Provinzen teilweise auch völlig andere kulturelle und gesellschaftliche Hintergründe hatte. Trotzdem soll im Folgenden ein Bild der sozialen Schichtung skizziert und darüber hinaus der für diese Arbeit wichtige Faktor der Lesefähigkeit angesprochen werden. Sein Grad ist dann relevant, wenn im Anschluss Medien untersucht werden, die auf Schriftlichkeit basieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2.1. Gesellschaft und Struktur

Géza Alföldy schätzt die Zahl der Bevölkerung im römischen Imperium in der Kaiserzeit auf ca. 50-80 Millionen Menschen. Rom war dabei unbestritten mit rund einer Million Einwohnern das Zentrum, andere „Großstädte“ dieser Ausprägung gab es im Imperium kaum. Auch in Bezug auf die mediale Kommunikation interessant, betont Alföldy (1984, S. 88): „Das bedeutet, daß von den […] Bewohnern des römischen Kaiserreiches kaum viel weniger als neun Zehntel auf dem Lande und auch direkt von dem Lande lebten.“ Es kann davon ausgegangen werden, dass diese vielen kleinen sozialen Einheiten auch für Medien als Mittel zur Kommunikation schwer erreichbar waren.

Wie auch in der Republik war die Schichtung der römischen Gesellschaft in der Prinzipatszeit zweifach gegliedert (vgl. Abb. 2): In eine elitäre und prozentual niedrige Oberschicht und eine breite Unterschicht. Während die Unterschicht alle ihr Zugehörigen (vor allem Sklaven, Freigelassene und einfache Stadt- und

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Pyramide der römischen Gesellschaft

Landbevölkerung) zusammenfasste und im Wesentlichen in freie und unfreie Geburt unterschied, bestand die Oberschicht aus drei Rängen (ordines): Senatoren, Ritter sowie sonstige frei geborene wohlhabende Bürger. Die Zahl dieser Gruppe stellte mit ca. 150.000 bis 200.000 Personen im Vergleich zur Unterschicht jedoch eine Minderheit dar (vgl. Dortmund 2001, S. 54). Die Zugangsvoraussetzungen zur Oberschicht setzten sich teils aus materiellem Reichtum, teils aber auch aus Herkunft und Ansehen zusammen. „Unfreie Geburt schloß selbst bei großem Reichtum den Zugang zu staatlichen und städtischen Ämtern und damit zu einem der ordines aus“ (Zanker 1987, S. 156).

Die Lesefähigkeit der Bevölkerung hat William V. Harris untersucht. In „Ancient Literacy“ bestimmt er für 250 v. Chr. bis 50 n. Chr. einen Alphabetisierungsgrad, der nur etwa bei 15 Prozent lag und sich fast ausschließlich auf die Oberschicht beschränkte (vgl. Harris 1989, S. 267). Für die Untersuchung von Medien der Antike ist diese Kenntnis wichtig, denn Medien, die ausschließlich auf Schriftlichkeit beruhten und für uns heute selbstverständliches Massenmedium sind, konnten damals offensichtlich nur von einem geringen Teil der Bevölkerung decodiert werden.

2.3. Die Transmitter: Medien

Das einfache Ausgangsverständnis von Kommunikation als Kette aus Kommunikator – Transmitter – Rezipient und die visuelle Darstellung (vgl. Anfang Kapitel 2) verdeutlichen, dass das als „Transmitter“ bezeichnete und in der Mitte des Dreigespanns liegende tatsächlich auch eine vermittelnde Funktion zwischen dem Kommunikator als Sender von Botschaften und den Rezipienten als Empfänger dieser einnimmt. Zugespitzt könnte man sagen: Die Transmitter, also Medien, sind zwingende Voraussetzung der Kommunikation. Ihnen muss deshalb besonderes Gewicht zukommen, wenn es darum geht, Kommunikationsabläufe in bestimmten Kontexten zu untersuchen.

Liegt darüberhinaus als zeitlicher Rahmen des Untersuchungsgegenstands die römische Kaiserzeit der Antike vor, zeigt sich, dass in der Literatur bisher kaum vollständige Arbeiten zu der Gesamtheit der Medien dieser Zeit vorliegen. Viele Darstellungen zur Geschichte dieser beginnen entweder mit dem Buchdruck Gutenbergs Mitte des 15. Jahrhunderts[5] oder beschäftigen sich mit Ausführungen zu Einzelmedien der Antike.[6]

An der Oberfläche betrachtet und aus moderner Perspektive sind die damaligen Medien wohl zwangsläufig dem Vergleich mit denen uns heute zur Verfügung stehenden ausgesetzt. Die Unterschiede liegen dabei schnell auf der Hand: Während in der Moderne die mediale Kommunikation bereits in den meisten Fällen auf komplexer Technik und Digitalisierung basiert (z.B. Fernsehen oder Internet), standen dem antiken Menschen nur basale Transportmedien zur Verfügung, die unter den Schlagwörtern Schriftlich-, Mündlich- und Bildlichkeit zusammengefasst werden können.

Präzisiert wird dieser Eindruck noch durch die Einteilung von Harry Pross, der in primäre, sekundäre und tertiäre Medien unterscheidet. Unter ersteren versteht man die Vermittlung von Botschaften ohne Technik (hier im Sinne von Werkzeug), d.h. durch Sprache und non-verbale Ausdrucksweisen wie Mimik oder Gestik. Medial wird diese primäre Kategorie in der Antike beispielsweise beim Tanz oder im Theater umgesetzt. Sekundäre Medien (in der Antike z.B. Münzen oder Schriftrollen) benötigen für ihre Produktion Technik. Die Rezeptionsseite kommt jedoch ohne Hilfsmittel aus, muss aber die Bedeutung (von z.B. gedruckten Symbolen, Schriftzeichen) erfassen können. Die von Harry Pross in seiner Einteilung benannten tertiären Medien, die ihrerseits Technik auf Produzenten- und Rezipientenseite (z.B. Fernsehen, Rundfunk oder Internet) voraussetzen, besitzen für die Antike derweil keine Relevanz (vgl. Pross 1972, hier nach Hickethier 2003, S. 22), während sie in der Moderne immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Bevor Abschnitt 2.3.3. dieses Kapitels erläutert, welche Einzelmedien der Herrschaftskommunikation von Kaiser Augustus zur Verfügung standen, stellt sich zunächst die Frage, was unter Medien dieser Zeit überhaupt zu verstehen ist. Deshalb soll unter 2.3.1. der wissenschaftliche Medienbegriff und das Feld der Forschung erläutert werden. Ziel ist es, nicht auf eine vorhandene, moderne Definition zurückzugreifen, sondern vielmehr einen Medienbegriff herauszuarbeiten, der sich auf die noch folgenden spezifischen Diskussionen und Untersuchungen dieser Arbeit anwenden lässt, aber über das Alltagsverständnis von Medien hinaus geht.

Unter 2.3.2. soll die Betrachtung der antiken Einzelmedien noch dadurch eingrenzt werden, indem nur solche näher untersucht werden, die auch für die Herrschaftskommunikation, im Sinne one-to-many, relevant waren. Inwiefern kann in der Antike also von Massenmedien gesprochen werden, deren transportierte Botschaften ein dementsprechendes Publikum erreichten? Aus dieser Eingrenzung schlussfolgernd können unter 2.3.3. schließlich einzelne Medien der Antike vorgestellt und hinsichtlich ihrer Bedeutung in der damaligen Gesellschaft beurteilt werden.

2.3.1. Was sind Medien?

Fragt man seine Mitmenschen im Jahr 2010 danach, was Medien sind, so kann man davon ausgehen, dass die verschiedenen Verbreitungsmedien wie „Internet“, oder „Fernsehen“ aufgezählt werden. Darüber hinaus mag das Medium an sich bei einer solchen Spontan-Umfrage als Transportmittel von Informationen charakterisiert werden, das Kommunikation zwischen den Menschen organisiert bzw. vermittelt. Dieses Verständnis von Medien ist zwar sehr alltäglich und basal, gleichzeitig können aber alle weiteren Untersuchungen zur näheren Bestimmung von Medien auf dieser populären Definition aufbauen.

Denn der „vermittelnde“ Charakter oder das „dazwischen sein“ spiegelt sich auch bei der etymologischen Bedeutung wider: Aus dem lateinischen von dem Adjektiv „medius“ abgeleitet, unterscheidet Thomas Mock drei historische Grundbedeutungen von „Medium“: (1) „Mitte“, „Mittelglied“, (2) „(Hilfs-)Mittel“ sowie (3) „vermittelndes (Element)“ (vgl. Mock 2006, S. 185). Die Bedeutungszuweisung in kommunikativer Hinsicht ist hingegen ein moderner Akt und „tritt in etwa ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf“, wie Mock herausstellt (Ebd., S. 186). Bezüglich der Fragestellung dieser Arbeit und dem damit einhergehenden historischen Zeitraum stellt sich also folgendes Problem: Wie können Medien aus dieser Zeit begrifflich erfasst werden, wenn die Definition eine moderne Zuweisung ist – mit all ihren andersartigen sozialen, gesellschaftlichen aber auch technischen Voraussetzungen als man sie in der Antike findet?

Bereits für die Gegenwart sind die wissenschaftlichen Forschungsansätze zum Medienbegriff äußerst heterogen und ebenso zahlreich: Hans-Dieter Kübler arbeitete in seinem Aufsatz jüngst sechs verschiedene Forschungsperspektiven heraus, die alle versuchen, den Medienbegriff für ihre Interessen zu umreißen (vgl. Kübler 2003, S. 17-24). Auch Knut Hickethier sieht darin die Begründung für die Varianz der Begriffsverwendung:

„Der vieldeutige Gebrauch des Begriffs ‚Medium‘ resultiert zum einen aus der Mehrdimensionalität und Komplexität des Gegenstandbereichs und zum anderen daraus, dass die Wissenschaften unterschiedliche Interessen und Fragestellungen verfolgen und deshalb den Begriff verschieden ‚konzeptionalisieren‘.“

(Hickethier 2003, S. 18)

Im Rahmen dieser Arbeit kann kein umfassender Überblick über die unterschiedlichen Medientheorien und Ansätze der verschiedenen Disziplinen gegeben werden. Exemplarisch sollen aber einige Strömungen aufgegriffen und in Kürze erläutert werden: Es herrschen in der modernen Forschung enge und weite Medienbegriffe. Ein eng gefasstes Verständnis von Medien scheint für das Erkenntnisinteresse dieser Arbeit ungeeignet, denn es konzentriert sich überwiegend auf die traditionellen Massenmedien der Moderne wie Presse oder Rundfunk und deren Übertragungskanäle (vgl. Dittmar 2009, S. 48f.). In der Antike standen solche – schon rein technisch – zum einen gar nicht zur Verfügung, zum anderen ist die Vorstellung von Massenmedien, als organisierte und institutionalisierte Kommunikationsform, ebenfalls kaum auf diese Zeit übertragbar.

Ein weit gefasster Medienbegriff, z.B. nach Marshall McLuhan, hat dagegen den Nachteil der Präzisionslosigkeit. Hiernach sind es die Medien selbst, die die Botschaft bilden: „The medium is the message“ (McLuhan 1970, S.13). So steht bei McLuhan die Form des Mediums im Vordergrund, erst danach der zu übertragende Inhalt (vgl. Leschke 2003, S. 245). Medien sind für ihn die „Ausweitung des Menschen“ (McLuhan 1970, S. 9), somit können alle Artefakte auch grundsätzlich Medien sein, sofern sie als Mittler menschlicher Kommunikation und Interaktion dienen – also auch Füße, Zahlen, Uhren etc. Eine solche Überdehnung ist deshalb kritisch zu beurteilen, denn

„wenn schlicht Alles Medium wäre, dann wäre Medium nichts.“

( Engell 1999, S. 127)

Zudem ist McLuhans Herausstellung von technischen Fragen gegenüber inhaltlichen und sozialen Aspekten fraglich, denn die Bedeutung einzelner Medien hängt doch insbesondere von deren „Benutzung“ innerhalb der Gesellschaft ab. Gerade für die Zeit der Antike sind soziale Aspekte, wie z.B. Infrastruktur oder Lesefähigkeit, durchaus wesentlich für Bestimmung, ob und wie Medien als Mittel zur Kommunikation dienen konnten.

Aus Sicht der Systemtheorie sind Medien Instanz der Selbstbeobachtung, indem sie als Mittler zwischen denen nach Luhmann aus verschiedenen Systemen bestehenden Gesellschaften fungieren: „Die Funktion der Massenmedien liegt nach all dem im Dirigieren der Selbstbeobachtung des Gesellschaftssystems […]“ (Luhmann 1996, S. 173). Bereits durch die Verwendung des Begriffs Massenmedien im angeführten Zitat wird deutlich, dass auch Luhmann seine Überlegungen auf moderne Gesellschaften und deren Funktionsweise bezieht. Diese Annahmen können für die Antike nicht gelten: Denn Luhmann geht von einer Gesellschaft aus, die sich durch die Ausdifferenzierung funktionaler Teilsysteme (z.B. Wirtschaft, Recht, Wissenschaft etc.) kennzeichnet, was frühestens ab dem 18. Jahrhundert festgestellt werden kann (vgl. Gerhards/Neidhardt 1991, S. 36), nicht aber für die römische Kaiserzeit.

An diesen Ausführungen zeigen sich die Vielzahl von Definitionsmöglichkeiten und gleichzeitig die Schwierigkeit, daraus einen Arbeitsbegriff von Medien der Antike herzuleiten. Wie schon zu Anfang dieses Kapitels durch das Zitat von Knut Hickethier angedeutet, muss der Medienbegriff tatsächlich immer hinsichtlich einer speziellen Sichtweise und Fragestellung, in diesem Fall dem besonderen Zeitalter der Antike, abgesteckt werden. Medien können demnach nicht ohne ihren historischen und gesellschaftlichen Kontext definiert werden. Darum erscheint es sinnvoll, nicht nach einer allgemeingültigen Definition zu suchen und danach zu fragen was Medien sind, sondern zu erklären, wie sie sind.

Wie funktionieren Medien also? In der Kommunikationswissenschaft werden Medien in zwei Funktionsbereiche unterteilt: Als (1) Mittel von Kommunikation gliedern sie sich in die Teilbereiche (a) Wahrnehmung, (b) Verständigung und (c) Verbreitung (vgl. Mock 2006, S. 189-192) . Diese sollen im Folgenden ausführlicher erläutert und gleichzeitig beispielhaft auf die Antike bezogen werden.

(a) Mittel der Wahrnehmung: Hierbei handelt es sich um die Grundvoraussetzung von Kommunikation. Unter Mittel der Wahrnehmung fallen physikalische Medien, also z.B. Farben, Licht etc.; kurz gesagt: verschiedene Stoffe in ihren unterschiedlichen Aggregatzuständen. Diese werden in Verbindung zu den menschlichen Sinnen wie Hören, Riechen, Tasten etc. gesetzt. Letzere nehmen die Kommunikation jedoch nicht nur mit einem Kanal, z.B. visuell, auf, sondern mehrere Sinne sind gleichzeitig beteiligt. Insbesondere für die Epoche der Antike, in es weder technische (im Sinne von elektrisch) oder digitalisierte Medien gab, ist diese Zuweisung von großer Bedeutung: So können die vom Kaiser errichteten Tempel oder Ehreninschriften bereits als Medien gelten, indem sie von den Menschen durch mehrere Kanäle sowohl visuell/optisch (z.B. Welche Farbe, welches Gestein hat das Bauwerk?) als auch haptisch (z.B. Welche Struktur hat das Bauwerk?) wahrgenommen worden sind.

(b) Mittel der Verständigung: Medien als Mittel zur Verständigung meint speziell Zeichen und Zeichensysteme, die in Form von Mündlich- und Schriftlichkeit, aber auch durch konventionalisierte Symbole beispielsweise bei Bildern, ihren Beitrag zur Kommunikation leisten und Gedanken in übertragbare Signale umsetzen. Sie bilden „die Grundlage für ‚Transfer‘, ‚Austausch‘ oder ‚Konstruktion‘ von Bedeutungen etc. zwischen Kommunikationsbeteiligten“ (Mock 2006, S. 191). Die Zeichen unterliegen hinsichtlich ihrer Interpretation/Bedeutung immer sozialen und kulturellen Konventionen. Das bedeutet, dass einem Zeichen, indem der Zeichenbenutzter dieses in Relation mit Bezeichnendem und dem Bezeichneten setzt, eine Bedeutung auferlegt wird.[7] Den „Mehrwert“ führt Hartmut Winkler (2004, S. 14) an: „Zeichensysteme haben die Pointe, dass sie wesentlich einfacher strukturiert sind als die Welt, die sie repräsentieren. Medien und Zeichen sind Maschinen zur Reduktion von Komplexität.“ Für die kaiserliche Herrschaftskommunikation hätte dies zur Folge, dass „ein reduzierter/überschaubarer Satz von Zeichen fast beliebig komplexe Sachverhalte repräsentieren“ (Ebd.) kann, ergo politische Botschaften des Kaisers durch wenige Zeichen relativ eindeutig verständlich gemacht werden konnten.

(c) Mittel der Verbreitung: Sie dienen zur Übermittlung und Speicherung von kommunikativen Äußerungen über die räumlichen und zeitlichen Grenzen hinaus. Thomas Mock hebt hervor, dass diese Medien überwiegend als technische Artefakte begriffen werden. Hinsichtlich der Antike muss aber ein erweiterter Technikbegriff zu Grunde gelegt werden, der über das Alltagsverständnis von Technik im Sinne von „Hardware“ hinaus geht und unter Technik „sowohl das Inventar an gegenständlichen Instrumenten und Installationen als auch das Repertoire an Kunstfertigkeiten und Kenntnissen“ (Rammert 2000, S. 42) versteht. Technik ist in diesem Sinne an den sozial-historischen und gesellschaftlichen Kontext der jeweiligen Zeit, hier die Antike, geknüpft: „Medien(-techniken) bestimmen die Gesellschaft und jede Gesellschaft bringt ihre Medien hervor. […] Man kann die Technik selbst als eine gesellschaftliche Form der ‚Einschreibung‘ betrachten“ (Winkler 2004, S. 17).

Zusammenfassend kann also für Medien als Mittel von Kommunikation festgehalten werden, dass sie eine bestimmte physische Beschaffenheit aufweisen, die sich je nach Ausprägung mit einem oder mehreren menschlichen Sinnen verbindet. Sie schaffen so die Voraussetzung für Kommunikation durch Wahrnehmung. Ferner dienen Zeichen bzw. Schriftsysteme als Medium der Verständigung und des Transfers von Botschaften. Als letztes unterstützen Verbreitungsmedien die Distribution von Botschaften über Zeit und Raum hinaus, indem sie sich Verfahren bedienen, die durch ihre Form zur Übermittlung und Speicherung von Botschaften beitragen. Thomas Mock weist darauf hin, dass die Trennung der drei Ebenen nur als eine analytische zu verstehen sei, im Kommunikationsprozess jene aber untrennbar und parallel abliefen (vgl. Mock 2006, S. 193).

Die insbesondere unter (b) und (c) erwähnten Wechselwirkungen von Gesellschaft und Zeichensystemen bzw. Technik deuten bereits an, dass Medien auch durch gesellschaftliche Implementierung und ihren Gebrauch eine kommunikative Bedeutung zukommt, die ihrerseits dann wiederum gesellschaftliche Effekte erzielt. Dieses Phänomen soll im Folgenden unter der Bezeichnung Medien als (2) Form von Kommunikation erläutert werden. Thomas Mock umschreibt diese zweite Funktion als die Hinzunahme des sozialen Aspekts und einer dadurch folgenden Erweiterung des Medienfunktionsbegriffs zu einem Kompaktbegriff (vgl. Ebd.). Medium meint danach, „dass der Zusammenhang von Kommunikationsmitteln, Akteuren, Themen, darauf bezogenen Regelungen etc. als etablierte, sozial anerkannte Art und Weise zu kommunizieren, zum eigenwertigen Zusammenhang, zum ’Medium‘ wird“ (Ebd., S. 193f.).

Durch die Feststellung, dass es sich bei Medien auch um ein soziales Phänomen handelt, wird umso deutlicher, weshalb viele moderne Mediendefinitionen nicht auf die Antike angewandt werden können: Denn die Forschung bedient sich in der Regel der gegenwärtigen Verbreitungsmedien und ihrer Verwendung in der Gesellschaft. Das Theater beispielsweise weist in der Antike eine andere soziologische Institutionalisierung auf als in der Moderne, indem es für ein größeres Publikum angelegt war und in dem römischen Alltag eine weitaus höhere gesellschaftliche Bedeutung hatte als heute, wohl auch auf Grund der Abwesenheit der uns heute zur Verfügung stehenden Unterhaltungs- und Informationsmedien.[8] Insofern kann der Standpunkt von Hartmut Winkler (2004, S. 18) gelten: „Indem es dem Kommunizierten eine Form auferlegt, schreibt das Medium sich in die Inhalte ein.“

Wenn auch nicht zu einer festen Definition zu gelangen ist, kann der Medienbegriff für die Antike nur abgesteckt werden, wenn man von einer „Anatomie“ der Medien ausgeht, die mehrdimensional ist und auf verschiedenen Ebenen verläuft. Um beim Beispiel des Theaters zu bleiben: In ihrer Kombination subsumieren sich die oben erläuterten Medien als Mittel der Kommunikation – nämlich die dem Theater eigene Symbolik und Zeichenhaftigkeit sowie das Schauspiel/der Tanz als Technik, welche vom Publikum in diesem Fall vornehmlich über die audio-visuellen Sinneskanäle wahrgenommen wird – zu einer bestimmten medialen Form der Kommunikation, die sich wiederum in Relation der jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen und kulturellen Konventionen ausbildet.

2.3.2. Antike Massenmedien?

Neben der obig vorgenommenen Begriffseingrenzung von Medien hat das vorangegangene Kapitel auch die wesentlichen Transportkanäle (Bildlichkeit, Schriftlichkeit und Mündlichkeit) der Antike und deren primäre bzw. sekundäre Vermittlungsweise angedeutet. Die Fragestellung dieser Arbeit zielt insbesondere auf diejenigen Medien ab, die der Kaiser zur politischen Kommunikation nutzen konnte. Daher ist es eine wichtige Voraussetzung, Medien abzugrenzen, die auch ein gewisses Publikum erreichten, um überhaupt als relevantes politisches Werkzeug gelten zu können. Aus dieser Perspektive sind die drei Transportkanäle nicht gleichwertig zu betrachten. So schränkt beispielsweise der geringe Grad der Alphabetisierung dieser Zeit (vgl. Kapitel 2.2.1.), die Fähigkeit der Menschen, die unter Schriftlichkeit fallenden Medien und ihre Botschaften zu decodieren, von vornherein ein. Welche Medien hatten also in der Antike „massenmedialen“ Charakter? Welche Rahmenbedingungen eine One-to-Many-Kommunikation fordert, soll im Folgenden an Hand der Überlegungen von Gerhard Maletzke aufgezeigt und speziell auf die Antike übertragen werden. Auf dieser Grundlage sollen ferner Einzelmedien der Antike eingeführt und bezüglich ihrer sozialen und geographischen Verbreitung sowie ihrer besonderen Merkmale untersucht werden.

Massenmedien wirken – als „Organisationen, Träger und Medien des Transports“ beschrieben (Jäckel 2008, S. 53) – innerhalb des sozialen Prozesses der Massenkommunikation und sind mit dieser deshalb eng verbunden. Dies wird bei der Darstellung Gerhard Maletzkes „Psychologie der Massenkommunikation“ deutlich, in welcher er signifikante Merkmale der Massenkommunikation herausgearbeitet hat. Sie definiert sich dadurch, dass die Aussagen

a) öffentlich sind, d.h. an keinen zuvor eindeutig definierten und abgrenzten Personenkreis gerichtet sind,
b) indirekt erfolgen, d.h. mit einer gewissen geographischen und temporären Distanz zwischen Sender und Empfängern,
c) einseitig verlaufen, bedingt durch den Mangel an direkten Möglichkeiten zur Rückkopplung und zum Rollentausch,
d) mit Hilfe technischer Verbreitungsmittel (Massenmedien) erfolgen und
e) sich an ein disperses Publikum richten. Dieser Terminus tritt an die Stelle des negativ konnotierten Begriffs „Masse“ und kennzeichnet sich durch ein unüberschaubares (durch große Anzahl von Mitgliedern), anonymes, äußerst heterogenes (sozial und kulturell) und zufällig entstandenes soziales Gebilde (unabhängig vom räumlich/zeitlichen Faktoren), deren Mitglieder in der Regel keine zwischenmenschlichen Beziehungen pflegen (vgl. Maletzke 1963, S. 21-32).

Die Massenmedien sind nach dieser Definition technische Verbreitungsmittel im Prozess der Massenkommunikation. Die Problematik des Begriffs Technik ist bereits aufgegriffen worden (vgl. dazu auch Kapitel 2.3.1., Medien als Mittel der Verbreitung). Auch in diesem Fall erscheint es sinnvoll, die Charakterisierung „technisch“ relativ weit zu fassen und nicht nur elektronische und digitalisierte Medien darunter zu fassen, die in der Antike nicht verfügbar waren. Darüberhinaus weist Burkart mit Recht und in Konsens zu der aufgeführten Auffassung dieser Arbeit (vgl. dazu auch Kapitel 2.3.1., Medien als Form von Kommunikation) darauf hin, dass ein Massenmedium nicht allein durch den Einsatz von Technik definiert werden dürfe, sondern entscheidend sei, „daß diese technischen Medien auch in einen sozialen Prozess integriert sein müssen, der als ‚Massenkommunikation‘ […] bezeichnet werden kann“ (Burkart 2002, S. 172).[9] Massenmedial vermittelte Kommunikation muss darüber hinaus aber noch etwas Grundsätzliches erfüllen: Denn nur wenn die Aussage in ihrer vom Kommunikator getroffenen Absicht auch in annähernder Form so beim dispersen Publikum ankommt, kann von Massenkommunikation gesprochen werden (vgl. Ebd., S. 174). Für die Antike würde dies beispielsweise voraussetzen, dass Medien genutzt wurden, die auch von der Masse decodierbar waren.

Anhand der vorangegangen Überlegungen lässt sich hinsichtlich massenmedialer Kommunikation in der römischen Kaiserzeit folgendes festhalten: Nach den Kriterien Maletzkes können als antike Massenmedien nur diejenigen gelten, die nicht auf Mündlichkeit sondern auf Zeichenhaftigkeit (Schriftlich- und Bildlichkeit) beruhen. Denn nur diese erfüllen das Kriterium der Überbrückung von räumlich-zeitlicher Distanz. Schriftlichkeit als Zeichensystem ist, wie schon angedeutet, wiederum deswegen kritisch zu betrachten, als dass der Alphabetisierungsgrad dieser Zeit nicht besonders hoch war. Trotz dieser Einschränkungen sind einige Verbreitungsmedien[10] zusammengetragen worden, die für die Antike zumindest annähernd als Massenmedien (im obigen Sinne) bezeichnet werden können. Sie werden im Verlauf noch näher diskutiert und bewertet. Es handelt sich um:

- Münzen
- Inschriften
- Bauten
- Statuen/Bildnisse
- Sonderfall: Theater

Grundsätzlich können die beschriebenen Merkmale Maletzkes für die Zeit der Antike nicht so uneingeschränkt gelten wie für die Moderne. Denn die Unterschiede hinsichtlich der Professionalisierung und Institutionalisierung von Medien – wie wir sie heute kennen – sind groß. Auch ihr Zyklus war deutlich langsamer bzw. über einen längeren Zeitraum angelegt. Während für die Gegenwart vor allen Dingen die Schnelllebigkeit der medial transportierten Botschaften typisch ist, sind antike Medien (z.B. Münzen, Inschriften) weitaus länger im Umlauf oder wahrnehmbar gewesen. Andererseits kann auf Grund der infrastrukturellen Voraussetzungen nicht von einer flächendeckenden Distribution jedes einzelnen Mediums ausgegangen werden (vgl. dazu auch Kapitel 2.2.1.), d.h. nicht jede politische Botschaft konnte wahrgenommen werden, weil sie nicht in jeden Teil des römischen Reiches vordrang.

2.3.3. Medien der römischen Kaiserzeit

Die unter 2.3.2. benannten Medien der Antike lassen sich mit Ausnahme des Theaters grob in die Bereiche Schriftlich- und Bildlichkeit unterteilen. Das Theater, auf welches als „Sonderfall“ noch eingegangen wird, basiert im Kern auf Mündlichkeit. Der Kategorie Bildlichkeit werden Bauten sowie Statuen und Bildnisse zugeordnet, unter Schriftlichkeit fallen dagegen die Inschriften. Eine prinzipielle Kombination aus beiden Bereichen beanspruchen die Münzen, denn sie vereinen sowohl Schrift- als auch Bildelemente. Durch diese multimodale Verständigungsweise kommt ihnen eine besonders hohe Bedeutung bei der Herrschaftskommunikation zu und sollen daher als erstes in Funktion, Wahrnehmung und Verbreitung vorgestellt werden. Bei der Bewertung der einzelnen Medien wird als geographische Grundlage Rom als Zentrum des Imperium Romanum genommen, trotzdem soll die Bedeutung der Medien in den Provinzen und ihre eventuelle Problematik dort kurz erläutert werden.

[...]


[1] [1] Angelehnt an die Vorstellung des Stimulus-Response-Modell (vgl. z.B. Jäckel 2008, S. 67ff.).

[2] z.B. Bleicken 1998; Eck 1998.

[3] Hier sowie im Folgenden wird der Name Octavian gebraucht, sofern es sich um die Zeit vor 27 v. Chr. handelt und der Name Augustus, sofern es um die Zeit nach der „Wiederherstellung der Republik“ und der Verleihung dieses Ehrennamens geht. Als Synonym für Augustus wird ferner die Bezeichnung Princeps oder Kaiser benutzt.

[4] Die Quellen der Abbildungen finden sich unter 7.) im Abbildungsverzeichnis dieser Arbeit.

[5] z.B. Beginn mit dem Buchdruck, vgl. Kümmel/Scholz/Schumacher 2004.

[6] z.B. Einzelmedium Brief, vgl. Glaser/Werner 1990.

[7] Vgl. dazu: Zeichenmodell von Saussure, hier in: Linke/Nussbaumer/Portmann 2001, S. 30ff.

[8] Auf die Funktion des Einzelmediums Theater in der antiken Gesellschaft wird in Kapitel 2.3.3. noch genauer eingegangen.

[9] Anschaulich macht dies das Beispiel einer Festzeitung: Während die „normale“ Zeitung (in der Gegenwart) als Massenmedium gilt und sich in der Regel an alle richtet, hat die Festzeitung (z.B. zur Hochzeit) einen bestimmten Empfängerkreis zur Zielgruppe, d.h. die indirekte und einseitige Kommunikation ist zwar gegeben, nicht jedoch der Aspekt der Öffentlichkeit im Sinne eines undefinierten Empfängerkreises. Somit kann in diesem Kontext nicht von Massenkommunikation bzw. Massenmedium gesprochen werden.

[10] Die hier ausgewählten Medien sind exemplarisch zu verstehen, daneben gab es im römischen Kaiserreich noch weitere mediale Transmitter. Die jedoch hier aufgeführten ist hinsichtlich ihrer geographischen und sozialen Verbreitung die höchste Bedeutung beizumessen.

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Mediale Herrschaftskommunikation der römischen Kaiserzeit unter Berücksichtigung moderner Medienwirkungsforschung
Untertitel
Am Beispiel von Kaiser Augustus
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
97
Katalognummer
V202352
ISBN (eBook)
9783656321408
ISBN (Buch)
9783656324621
Dateigröße
1704 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Antike, Herrschaftskommunikation, Kaiser Augustus, Medienwirkungsforschung, Agenda Setting, römisches Reich
Arbeit zitieren
Rebekka Grupe (Autor:in), 2010, Mediale Herrschaftskommunikation der römischen Kaiserzeit unter Berücksichtigung moderner Medienwirkungsforschung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202352

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