Charakterisierung des Korrespondenzstranges zwischen Usbek und dem Obereunuchen


Seminararbeit, 2007

16 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Charakterisierung des Korrespondenzstranges zwischen Usbek und dem Obereunuchen
2.1. Aufbau des Korrespondenzstranges
2.2. Stellung im Gesamtzusammenhang
2.3. Inhaltliche Analyse[1]
2.3.1. Briefe II – XCVI
2.3.2. Briefe CXLVII und CXLVIII
2.4. Analyse der Figuren
2.4.1. Usbek
2.4.2. Der schwarze Obereunuch
2.4.3. Beziehung der beiden Figuren
2.5. Erzähltechnische Analyse auf discours -Ebene
2.5.1. Analyse des Zeitgerüsts
2.5.2. Erzählsituation und Erzählperspektive
2.5.3. Formale, sprachliche und stilistische Besonderheiten
2.5.4. Äußere Rahmenbedingungen

3. Zusammenfassung und Ausblick

4. Bibliographie

1. Einleitung

Die sarkastische Satire Lettres Persanes ist ein Briefroman aus 161 Briefen, der 1721 anonym in Amsterdam erschienen ist. Es wurde jedoch schnell klar, dass Montesquieu der Autor ist, obwohl dieser sich in dem Werk nur als Übersetzer bezeichnete. Damit wollte er u.a. der Zensur und der Anschuldigung, gegen das politische Regime zu agieren, entgehen. Der Roman wurde zur Zeit der Régence veröffentlicht, einer Zeit, die von dem Streben nach politischen Freiheiten und erotischer Freizügigkeit geprägt war. Montesquieu war ein französischer Schriftsteller und Staatsrechtler, er gilt als der Erfinder der Gewaltenteilung und setzte sich stark für die Aufklärung ein. In den Lettres Persanes kritisierte er anhand der fiktiven Korrespondenz zweier Perser, die durch Europa reisen und sich lange Zeit in Frankreich aufhalten, die Politik und die sozialen und religiösen Verhältnisse seiner Zeit. Die beiden persischen Edelmänner, Usbek und Rica, berichten ihren Freunden zu Hause über ihre Erlebnisse und Beobachtungen in der fremden Welt. Sie sehen Traditionen und bestehende Verhältnisse in Frankreich aus dem Blickwinkel des Exoten und beschreiben sie auf naive und humorvolle, übertriebene Art. Durch sie wird das ansonsten Selbstverständliche verfremdet. Sie sind die Hauptpersonen, wobei aber eine Vielzahl von Briefschreibern auftritt. Aufgrund der Konzeption als Briefroman war es leicht für Montesquieu, eine große Leserschaft zu erreichen und seine Ideen der Aufklärung im Verborgenen mitzuteilen.

Ein weiterer Vorteil des Briefromans ist, dass alle Themen angesprochen werden können, da es bei Briefen keine Regeln für den Inhalt gibt und Montesquieu so von Brief zu Brief ein anderes Thema aufgreifen konnte, wobei er zwischen «philosophie», «politique» und «morale» wechselte.[2]

Mit seinem Werk, das nie an Aktualität verlor, erreichte er eine gewaltige Rezeption. Es handelt sich hierbei auch um ein spannendes, faszinierendes, dynamisches Werk, das Enthusiasmus auslöst und in dem eine gewisse Fröhlichkeit und Hoffnung enthalten ist. In der folgenden Arbeit soll einer der zahlreichen Korrespondenzstränge, der Strang zwischen Usbek und seinem Obereunuchen, auf der histoire- und der discours -Ebene näher betrachtet und seine Bedeutung herausgearbeitet werden, wobei zuallererst das Werk kurz beschrieben werden soll.

2. Charakterisierung des Korrespondenzstranges zwischen Usbek und dem Obereunuchen

Das Werk besteht aus zwei parallel verlaufenden, durch eine chaîne sécrète verbundenen Handlungssträngen, den Harems-Briefen und den Pariser-Briefen, wobei die Pariser-Briefe, in denen über die Erfahrungen und Eindrücke der Reisenden geschrieben wird, deutlich in der Mehrheit sind und das Hauptdarstellungsinteresse vermitteln. Die Korrespondenz zwischen Usbek und ihm untergeordneten Personen, also bspw. seinen fünf Frauen oder seinen Eunuchen, die den Harem verwalten, wird in den Harems-Briefen vermittelt. Diese stehen in starker inhaltlicher Diskrepanz zu den Pariser-Briefen, in denen die Schreiber sich an Freunde wenden und über Dinge philosophieren, die sie bewegen. Die Pariser-Briefe haben eine aufklärungstheoretische Aussage, sie übermitteln bestimmte Ideen, Werte und Beobachtungen. Dadurch soll der Leser zum Nachdenken angeregt werden. Die Harems-Briefe zeigen dem europäischen Rezipienten eine ihm völlig unbekannte Art der Unterdrückung und Unterordnung. Dies bildet den absoluten Gegenpol zu den aufgeklärten Gedanken und auch zu den Erlebnissen der beiden Perser in Europa und steht doch in Verbindung mit ein und denselben Hauptpersonen. Die Harems-Briefe befriedigen den Voyeurismus der Franzosen der damaligen Zeit am Exotischen und halten die Fremdperspektive und die Distanz der Perser ständig aufrecht. Sie scheinen eine spannende, zur Auflockerung dienende Nebenhandlung zu bilden.

Dies war aber nicht, wie früher angenommen, der einzige Zweck dieses zweiten Inhaltsstranges, sondern er sollte als Schlüssel des Romans dienen.

Die Harems-Briefe sind eine von mehreren Veranschaulichungen der Hauptaussage des Werkes: die Entwicklung zu freiem Denken und die damit verbundenen Konsequenzen.[3]

Der Korrespondenzstrang zwischen Usbek und dem Obereunuchen ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Harems-Briefe.

2.1. Aufbau des Korrespondenzstranges

Der betrachtete Korrespondenzstrang ist im Vergleich zu Anderen sehr klein. Er besteht aus nur sieben Briefen. Diese finden sich über das ganze Werk verteilt, sie tragen die Nummern II, XLI, LXIV, LXXIX, XCVI, CXLVII und CXLVIII. Lediglich Brief II und Brief CXLVIII gehen von Usbek aus, also der erste und der letzte Brief in diesem Korrespondenzgeflecht. Brief II ist der einzige Brief, den Usbek von allein, also nicht als Antwortbrief, schreibt. Darauf folgt keine direkte Antwort von Seiten des Eunuchen, jedoch verfasst dieser die nächsten fünf Briefe: XLI, LXIV, LXXIX, XCVI und CXLVII. Usbek verhält sich in dieser Zeit sehr desinteressiert seinem Harem gegenüber und schreibt nicht zurück. Erst auf den letzten Brief antwortet er dem Eunuchen schließlich (Brief CXLVIII).

2.2. Stellung im Gesamtzusammenhang

Der schwarze Obereunuch ist der Machthaber über den Harem in Isfahan während Usbeks eigener Abwesenheit und soll dort für Ordnung sorgen. Usbek lässt sich in Paris von ihm regelmäßig über die Zustände dort unterrichten, um sicherzustellen, dass in seiner Heimat alles beim Alten bleibt und er weiterhin der Treue seiner Untergebenen sicher sein kann. Hiermit möchte er seine Stellung wahren. Die Briefe dieses Korrespondenzstranges stehen anfangs eher im Hintergrund, da das Augenmerk auf die Pariser-Briefe gerichtet ist, treten jedoch mit den letzten beiden Briefen deutlich hervor.

Das hängt auch mit der allgemeinen Einteilung der Lettres Persanes zusammen: Die Reise der Hauptpersonen nach Paris, ihr Aufenthalt in Paris und die Haremsrevolte, in der das Abenteuer der beiden Perser schließlich gipfelt.[4]

Der Briefwechsel wird jedoch gleich zu Beginn aufgenommen, was davon zeugt, dass er für das Werk von großer Bedeutung ist und ständig stattfinden muss. Usbek und der Obereunuch stehen dann in Kontakt während der Reise Usbeks und seinem Aufenthalt in Europa. Der Höhepunkt der Korrespondenz wird erreicht, als sich die Unruhen im Harem ankündigen und die beiden Personen versuchen, diesen entgegenzuwirken. Der Briefwechsel zwischen Usbek und dem Obereunuchen setzt sich jedoch nicht bis zum Schluss des Werkes und zum bitteren Ende der Tragödie im Harem fort, da schon im nächsten Brief im Werk, der auf den Briefwechsel der beiden in den Briefen CXLVII und CXLVIII folgt, vom Tod des Obereunuchen berichtet wird. Usbek muss also letztendlich ohne diesen treuen Diener auskommen.

2.3. Inhaltliche Analyse

2.3.1. Briefe II – XCVI

Usbek schreibt im ersten Brief aus Täbris über die Bewachung seiner Frauen und über Vergnügungen, die ihnen erlaubt werden können. Hier werden außerdem die Aufgaben eines Eunuchen erklärt. Eunuchen sollen sowohl Zucht und Ordnung als auch die Laune und die Liebe der Frauen aufrechterhalten.[5]

Der schwarze Obereunuch äußert sich zu der Haltung eines Eunuchen gegenüber den Frauen wie folgt:

(…) moi, qui, exempt des passions qui peuvent alarmer la pudeur, suis inanimé sous l´empire de ce sexe ; et qui, ministre de la modestie, dans les actions les plus libres, ne porte que de chastes regards, et ne puis inspirer que l´innocence. (…)[6]

Bald berichtet der Obereunuch Usbek zum ersten Mal vom «désordre»[7] und den schlimmen Zuständen, die derzeit im Harem herrschten. Sowohl die Frauen als auch die Bediensteten seien untereinander zerstritten und der Obereunuch könne nur bedingt eingreifen, da Usbek den Harem mild verwaltet wissen mag. Der Obereunuch ist sich seiner Kompetenzen sicher und erzählt von seiner Vergangenheit. Er scheint es als Vorteil zu betrachten, Eunuch zu sein, und ist der Meinung, dass ihm damit eine ehrenwerte, wichtige, schwierige Aufgabe zuteil geworden ist. Er schreibt von einem gut verwalteten Harem, in dem er früher gedient hatte. Dabei erwähnt er die Notwendigkeit strenger Disziplin. Er spricht auch das Konkurrenzdenken der Frauen an und bittet Usbek um mehr Rechte und die Erlaubnis, härter durchzugreifen und strenger gegen jeden Ungehorsam vorzugehen. Er meint, es sei nur dann möglich, die Frauen zu kontrollieren und mit ihnen zurechtzukommen, wenn man sie stark einschränke und bisweilen auch überliste.[8]

Der Obereunuch berichtet Usbek zudem von dem Kauf einer tscherkessischen Sklavin. Er schreibt, wie er sie geprüft, für würdig befunden und anschließend ordnungsgemäß in das Serail eingeführt habe.[9]

Dem europäischen Leser fallen hier für sein Verständnis sehr befremdliche Bräuche auf.

Des Weiteren erzählt der Eunuch vom Kauf einer braunen Frau für Usbeks Bruder. Wiederholte Male bittet er Usbek eindringlich zurückzukehren, um sich seines Serails anzunehmen, denn dieser drohe gänzlich aus dem Ruder zu geraten und von dem Obereunuchen unter normalen Umständen nicht mehr zu retten zu sein.[10]

[...]


[1] Inhaltliche Auffassung des Korrespondenzstranges nach: GOLDZINK (1984): 23f.

[2] RIEGER 2005: 51.

[3] BRADY 1984: 157.

[4] MONTESQUIEU (Vernière) 1960: XII f.

[5] MONTESQUIEU (Starobinski) 2003: 52f.

[6] MONTESQUIEU (Starobinski) 2003: 193.

[7] MONTESQUIEU (Starobinski) 2003: 160.

[8] MONTESQUIEU (Starobinski) 2003: lettre LXIV.

[9] MONTESQUIEU (Starobinski) 2003: lettre LXXIX.

[10] MONTESQUIEU (Starobinski) 2003: lettre XCVI.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Charakterisierung des Korrespondenzstranges zwischen Usbek und dem Obereunuchen
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V202351
ISBN (eBook)
9783656288824
ISBN (Buch)
9783656289371
Dateigröße
775 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Französisch, Literaturwissenschaft, lettres persanes, Montesquieu, Aufklärung
Arbeit zitieren
Sandra Ilg (Autor:in), 2007, Charakterisierung des Korrespondenzstranges zwischen Usbek und dem Obereunuchen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202351

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