Integration - ein hehres Ziel


Hausarbeit, 2012

27 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen zur Thematisierung und Behandlung von Menschen mit Behinderung
2.1 Definition von Behinderung
2.2 Ursachen über die Entstehung von Behinderung
2.3 Rechtliche Grundlagen zu den Rechten von Menschen mit Behinderung
2.4 Schulische Implikationen

3. Aktuelle Situation von Menschen mit Behinderung an bayerischen Schulen

4. Soziale Integration als fächerübergreifende Aufgabe
4.1 Begründung
4.2 Möglichkeiten soziale Integration zu unterstützen
4.3 Lehren und Lernen von Menschen mit geistiger Behinderung – didaktische Implikationen

5. Chancen und Gelegenheiten zur Integrationsförderung im Religionsunterricht
5.1 Theologische Begründungslinien
5.2 Integrative Elemente in modernen religionsdidaktischen Konzeptionen
5.3 Prinzipien einer integrativen Religionsdidaktik
5.4 Methodische Konkretionen
5.5 Weitere Anregungen

6. „Inklusion“ als bessere Sichtweise

7. Kritische Anmerkungen zur praktischen Umsetzung

8. Fazit

9. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Alle Menschen sind gleich“ – so lautet ein häufig genutztes und plakatives Statement, das nicht nur von Menschenrechtsorganisationen und sozialen Hilfseinrichtungen gewählt wird, sondern auch der deutschen Gesetzgebung und internationalem Recht entspricht. Dabei wird allerdings häufig „gleich“ mit „gleichwertig“ verwechselt, was bei radikaler Fortführung der Gleichheitsidee zu gravierenden Problemen geführt hat und weiter führen wird, so wie es beispielsweise der Kommunismus gezeigt hat.

In dieser Arbeit ist allerdings nicht die Idee der Gleichheit wissenschaftlicher Gegenstand, sondern die Verpflichtung integrativen bzw. inklusorischen Unterrichts auf Grund der nationalen und internationalen Bestimmungen, die auf Chancengleichheit bzw. Chancengerechtigkeit abzielen. Anders formuliert: Wie kann die Gleichwertigkeit eines Menschen bei gleichzeitiger individueller Andersartigkeit in der Schule umgesetzt werden und wie kann trotz oder gerade wegen ausgesprochener Heterogenität gemeinsam gelernt und gelehrt werden, um eine fruchtbares und bereicherndes gesellschaftliches Zusammenleben zu ermöglichen?

Diese hochkomplexe Thematik lässt sich allerdings nicht in wenigen Seiten fassen, so dass in diesem Werk nur die Grundzüge, ideeller und pragmatischer Natur, dargestellt werden können. Da es hier bei Integration um die Eingliederung und die Eröffnung von Partizipationsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung geht, ist es erforderlich heilpädagogische Grundlagen zu erörtern und die rechtliche Situation darzustellen. Um die Praxisfähigkeit dieser Arbeit zu gewährleisten ist es im Folgenden erforderlich, schulische Implikationen sowie die aktuelle Situation an bayerischen Schulen aufzuzeigen.

Ferner bezieht sich Integration nicht auf ein spezielles Fach, sondern ist als fächerübergreifende Bildungs- und Erziehungsaufgabe zu verstehen, die bestimmte Möglichkeiten bietet, aber auch ihre Grenzen hat. Der Religionsunterricht bietet vielfältige Chancen und Gelegenheiten erfolgreich Integration umzusetzen, was ausgiebig erläutert werden wird.

Daran anschließend soll geklärt werden, ob es angebrachter ist von Integration oder Inklusion zu sprechen bzw. es soll herausgearbeitet werden, wo die Unterschiede genau liegen.

Abschließend erfolgen eine kritische Auseinandersetzung zur schulischen Umsetzung sowie ein zusammenfassendes Fazit.

2. Grundlagen zur Thematisierung und Behandlung von Menschen mit Behinderung

Menschen mit Behinderungen haben in der geschichtlichen Entwicklung häufig Nachteile in Form von Ausgrenzung und Stigmatisierung erfahren müssen und sie sind auch heute nicht davor gefeit, auf Grund von ihren individuellen Besonderheiten isoliert zu werden. Dies hängt zum einen von systemischen und strukturellen Rahmenbedingungen ab (z.B. Sonderschulwesen, zweiter Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung, spezialisierte Wohnstätten etc.) und zum anderen von soziologischen Aspekten (z.B.: wenig Erfahrung und Kontakt von Menschen ohne Behinderung zu Menschen mit Behinderung führt zu Unsicherheit im „richtigen“ Handeln, da entsprechende Muster nicht bekannt sind; Situation der Begegnung werden vermieden um „falsches“ Handeln zu verhindern).

Aber was bedeutet es eigentlich „behindert“ zu sein? Ab wann gilt man als „behindert“?

Welche Faktoren spielen eine Rolle?

Diese und weitere Fragen sollen in diesem Punkt geklärt werden.

2.1 Definition von Behinderung

Bisher gibt es keine eindeutige und unumstrittene Definition von Behinderung, da der Gegenstand sehr komplex ist und viele Facetten beinhaltet wie z.B. Einschränkungen der

- physischen Fähigkeiten (körperliche Behinderung)
- kognitiven Fähigkeiten (geistige Behinderung)
- psychisch-emotionalen Fähigkeiten (seelische Behinderung)
- sozialen Fähigkeiten (soziale Behinderung)
- Sinneswahrnehmung (Sinnesbehinderung).

Auch ist es sehr strittig festzulegen, ab wann eine Beeinträchtigung als Behinderung einzustufen ist (vgl. Gradwanderung Sinnesbehinderung Sehschwäche – Blindheit).

Da aber mit Behinderungen auch rechtliche Implikationen berücksichtigt werden müssen und in der BRD im Regelfall spezifische soziale Leistungen verbunden sind (vgl. dazu: SGB IX[1] ), werden Behinderungen auch klassifiziert (insbesondere ICD-10/international classification of diseases[2] ) und es erfolgen Einteilungen nach eindeutig festgelegten Kriterien. Dieses „In-eine-Schublade-stecken“ begünstigt allerdings auch die Prozesse der Stigmatisierung[3] und somit der Isolation bzw. Segregation.

Die am ehesten anerkannte Definition von Behinderung, die somit häufig auch als Grundlage zur Diskussion über diese Thematik verwendet wird, stammt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO)[4] :

Behinderung bezeichnet eine dauerhafte und gravierende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe bzw. Teilnahme einer Person, verursacht durch das Zusammenspiel ungünstiger Umweltfaktoren (Barrieren) und solcher Eigenschaften der behinderten Person, die die Überwindung der Barrieren erschweren oder unmöglich machen. Behindernd wirken in der Umwelt des behinderten Menschen sowohl Alltagsgegenstände und Einrichtungen (physikalische Faktoren) als auch die Einstellung anderer Menschen (soziale Faktoren).

Die WHO geht bei Behinderung immer von 3 Begriffen aus:

impairment (Schädigung)
= Mängel oder Abnormitäten der anatomischen, psychischen oder physiologischen Funktionen und Strukturen des Körpers

disability (Beeinträchtigung)
= Funktionsbeeinträchtigung oder -mängel aufgrund von Schädigungen, die typische Alltagssituationen behindern oder unmöglich machen.

handicap (Behinderung)
= Nachteile einer Person aus einer Schädigung oder Beeinträchtigung

Der Lernbehindertenpädagoge Ulrich Bleidick bringt in seiner Definition Wesentliches sehr prägnant auf den Punkt:

"Als behindert gelten Personen, welche infolge einer Schädigung ihrer körperlichen, seelischen oder geistigen Funktionen soweit beeinträchtigt sind, dass ihre unmittelbaren Lebensverrichtungen oder die Teilnahme am Leben der Gesellschaft erschwert wird."[5]

Wichtig bei den ausgewählten Definitionen ist, dass zwischen der Ursache (Schädigung) und den Auswirkungen (Beeinträchtigung und Behinderung) differenziert wird und dass eine Behinderung stets mit Nachteilen verbunden ist. Die Benachteiligung äußert sich in einer erschwerten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und der Verrichtung alltäglicher Aufgaben (s. dazu: „Aktivitäten des täglichen Lebens“[6] ).

Von entscheidender Bedeutung ist, dass das Problem nicht nur aus einer Schädigung resultiert, sondern, dass durch physische bzw. materiale und soziale Rahmenbedingungen verstärkt wird:

Man ist nicht „behindert“, sondern viel mehr wird man auch „behindert“!

2.2 Ursachen über die Entstehung von Behinderung

Ende des Jahres 2007 lebten, laut Statistischem Bundesamt[7] in Deutschland ca. 6,9 Mio. Menschen mit schwerer Behinderung in Deutschland (Tendenz steigend). Bei den Ausführungen über die Entstehung der Behinderungen heißt es:

Überwiegend (82%) wurde die Behinderung durch eine Krankheit verursacht; 4% der Behinderungen waren angeboren oder traten im ersten Lebensjahr auf, 2% waren auf einen Unfall oder eine Berufskrankheit zurückzuführen. Am häufigsten litten schwerbehinderte Menschen unter körperlichen Behinderungen (64%): Bei 25% der Personen waren die inneren Organe beziehungsweise Organsysteme betroffen. Bei 14% waren Arme und Beine in ihrer Funktion eingeschränkt, bei weiteren 13% Wirbelsäule und Rumpf. In 5% der Fälle lag Blindheit oder Sehbehinderung vor. 4% litten unter Schwerhörigkeit, Gleichgewichts- oder Sprachstörungen. Auf geistige oder seelische Behinderungen entfielen zusammen 10% der Fälle, auf zerebrale Störungen 9%. Bei den übrigen Personen (17%) war die Art der schwersten Behinderung nicht ausgewiesen.

Insgesamt lässt sich die Entstehung einer Behinderung in drei Kategorien einteilen, die sich in der zeitlichen Abfolge auf den Zeitpunkt der Geburt beziehen. Die folgende Tabelle liefert einen vorläufigen Überblick, kann aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, da die Ursachen nahezu unerschöpflich sind.

Weiter wichtig erscheint, wie bereits konstatiert, dass genetische und andere vorgeburtliche Ursachen eine absolut untergeordnete Rolle spielen.

Eigene Tabelle in Anlehnung an: www.heilpaedagogik-info.de[8]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Thema Behinderung kann also jeden betreffen und während des ganzen Lebens aktuell werden und es besteht keine Möglichkeit, einen absoluten Schutz davor zu erlangen. Selbstverständlich können Risiken minimiert werden, aber ein Ausschluss kann davor nicht erwirkt werden.

Um so wichtiger erscheint es, sich über Behinderungen, deren Konsequenzen und über soziale Hilfseinrichtungen frühzeitig zu informieren, damit man sich selbst im Falle einer Behinderung weniger hilflos fühlt und man auch Freunden, Verwandten und Bekannten in akuten Notsituationen adäquat Beistand leisten kann.

2.3 Rechtliche Grundlagen zu den Rechten von Menschen mit Behinderung

„(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. […]

(3) […]. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

heißt es in Artikel 3 des Grundgesetzes[9] der Bundesrepublik Deutschland. Dies lässt sich von der garantierten Menschenwürde (Artikel 1) herleiten, welche letztendlich aus der Ebenbildlichkeit des Menschen zu Gott resultiert (Diese Argumentation vertritt seitens der Politik bereits der Regierungstheoretiker John Locke im 17. Jahrhundert in seinem Werk The Second Treatise of Civil Government 1690).

Aus der deutschen Verfassung lassen sich weitere Gesetze ableiten, wie beispielsweise das Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz[10] (AGG) oder das Bayerisches Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung[11] (Bayerisches Behindertengleichstellungsgesetz - BayBGG ), welche den rechtlichen Umgang mit Menschen mit Behinderung regeln sollen und die Gleichstellung stärken sollen (In wie fern dies tatsächlich der Fall ist wird in dieser Arbeit nicht erörtert).

Auch im Schulwesen finden sich bedeutsame Verlautbarungen, unter anderem gibt es die „Empfehlungen zur sonderpädagogischen Förderungen in den Schulen der Bundesrepublik Deutschland“[12] , herausgegeben von der ständigen Konferenz der Kultusminister im Jahr 1994. Diese Handreichung wurde 2008 fortgeführt, mit der folgenden Begründung:

Dadurch (KMK 1994; Anmerkung des Autors) wurden in den Ländern Entwicklungen in Gang gesetzt, die den Abbau von Barrieren und die gleichberechtigte Teilhabe junger Menschen als Ziel haben. Um diese Entwicklungen aufzugreifen und sie systematisch weiterzuentwickeln, hat die Kultusministerkonferenz im Frühjahr 2008 beschlossen, die Empfehlungen fortzuschreiben. Sie setzt damit ein Signal für den Stellenwert der Bildung für Menschen mit Behinderungen, für ihr Bestreben, schulische und berufliche Eingliederung, gesellschaftliche Teilhabe und selbstständige Lebensgestaltung zu gewährleisten.“[13]

[...]


[1] http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9/ ; aufgerufen am 18.11.2011

[2] http://www.dimdi.de/static/de/klassi/diagnosen/icd10/ ; aufgerufen am 18.11.2011

[3] vgl. dazu: Goffman, Erving (1967): Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität

[4] vgl. http://www.who.int/topics/disabilities/en/; aufgerufen am: 6.11.2011

[5] Bleidick (1998) S.9

[6] vgl. dazu u.a. :http://www.sign-lang.uni-hamburg.de/glex/konzepte/l7367.htm ; aufgerufen am 18.11.2011

[7] vgl. http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2008/07/PD08__258__227,templateId=renderPrint.psml ; aufgerufen am 21.11.2011

[8] http://www.heilpaedagogik-info.de/fachwissen/medizin-klinische-psychologie/213-behinderung-ursachen-organisch.html ; aufgerufen am;: 6.11.2011

[9] http://www.gesetze-im-internet.de/gg/index.html ; aufgerufen am 21.11.2011

[10] http://www.gesetze-im-internet.de/agg/ ; aufgerufen am 21.11.2011

[11] http://by.juris.de/by/BehGleichG_BY_rahmen.htm ; aufgerufen am 21.11.2011

[12] http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1994/1994_05_06-Empfehl-Sonderpaedagogische-Foerderung.pdf ; aufgerufen am 21.11.2011

[13] http://www.kmk.org/bildung-schule/allgemeine-bildung/sonderpaedagogische-foerderung.html ; aufgerufen am 21.11.2011

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Integration - ein hehres Ziel
Hochschule
Universität Passau
Note
2,0
Jahr
2012
Seiten
27
Katalognummer
V202089
ISBN (eBook)
9783656282631
Dateigröße
611 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Integration, Inklusion, Behinderung, Leid, integrativer Unterricht
Arbeit zitieren
Anonym, 2012, Integration - ein hehres Ziel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/202089

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