Der Aufsichtsrat in der Genossenschaft: Besonderheiten und Probleme


Bachelorarbeit, 2012

107 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einführung in die Bedeutung der Genossenschaft
2.1 Entstehung des Genossenschaftswesens
2.2 Genossenschaftsideologie
2.2.1 Genossenschaftsbegriff
2.2.2 Genossenschaftsgedanke
2.2.3 Genossenschaftswerte
2.2.4 Prinzipien der Genossenschaft
2.2.4.1 Selbsthilfeprinzip
2.2.4.2 Selbstverwaltungsprinzip
2.2.4.3 Demokratieprinzip
2.2.4.4 Selbstverantwortungsprinzip
2.2.4.5 Identitätsprinzip
2.3 Stellenwert in der Wirtschaft

3. Ausgewählte Erscheinungsformen der Genossenschaften
3.1 Kreditgenossenschaften
3.2 Konsumgenossenschaften
3.3 Wohnungsbaugenossenschaften
3.4 Energiegenossenschaften
3.5 Neue Erscheinungsformen der Genossenschaften

4. Corporate Governance in Genossenschaften
4.1 Bestimmung des Begriffs Corporate Governance
4.2 Deutscher Corporate Governance Kodex
4.2.1 Relevanz des Deutschen Corporate Governance Kodex in Genossenschaften
4.2.2 Wesensmerkmale des Corporate Governance Kodex für Genossenschaften
4.3 Die Ausrichtung auf den Member Value

5. Der Aufsichtsrat der Genossenschaft
5.1 Zusammensetzung
5.2 Die Rechte, Pflichten und Aufgaben des Aufsichtsrats
5.3 Qualifikation von Aufsichtsratsmitgliedern
5.4 Wesentliche Unterschiede zu Aufsichtsräten in Kapitalgesellschaften

6. Empirische Erhebung zur Aufsichtsratsarbeit in Genossenschaften
6.1 Methodik
6.2 Stichprobe
6.3 Fehlerbetrachtung
6.4 Ergebnisse

7. Fazit und Ausblick

Anhang 1: Corporate Governance Kodex für Genossenschaften (Stand 20.11.2010)

Anhang 2: Besonderheiten und Unterschiede des Deutschen Corporate Governance Kodex und des Corporate Governance Kodex für Genossenschaften

Anhang 3: Auswertung Fragebogen

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Merkmale des Prinzips der Selbstverwaltung

Abbildung 2: Anzahl der Neugründungen

Abbildung 3: Wohnungsbaugenossenschaften

Abbildung 4: Komplexität von Corporate Governance

Abbildung 5: Kritiken am Corporate Governance System in Deutschland

Abbildung 6: Aufbau des DCGK.

Abbildung 7: Einheitliche Ziele des DCGK und des GCGK

Abbildung 8: Frauenanteil am Aufsichtsrat

Abbildung 9: Anteil der D&O-Versicherung

Abbildung 10: Sitzungshäufigkeit der Aufsichtsräte

Abbildung 11: Sitzungshäufigkeit mit Einladungsfrist

Abbildung 12: Anzahl der Ausschüsse

Abbildung 13: Häufigkeit der Strategieüberprüfung

Abbildung 14: Verteilung der Unterlagen nach Genossenschaftsgruppen

Abbildung 15: Häufigkeit von Fortbildungsmöglichkeiten

Abbildung 16: Häufigkeit der Beurteilungsgruppen

Abbildung 17: Zielvorgaben nach Genossenschaften

1. Einleitung

Im Zuge von Unternehmenskrisen, Insolvenzen und den Auswirkungen der Finanzkrise steigt die Bedeutung einer verantwortungsvollen Unternehmensführung und -kontrolle. Im besonderen Blickpunkt stehen dabei die Kapitalgesellschaften mit ihrem Management und ihrem Aufsichtsrat. Sie prägen die Debatten über Shareholder Value und Corporate Governance. Die wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Bedeutung von Genossenschaften wird in der Öffentlichkeit und in der Wissenschaft kaum wahrgenommen, obwohl unter anderem das Jahr 2012 durch die Vereinten Nationen als Internationales Jahr der Genossenschaften ausgerufen wurde.

Im Hinblick auf die steigende Bedeutung einer verantwortungsvollen Unternehmensführung und -überwachung widmet sich diese Arbeit den Besonderheiten und Problemen des Aufsichtsrats in Genossenschaften. Die Funktionen und Aufgaben des Gremiums in Genossenschaften sind mit denen in Kapitalgesellschaften identisch. Sowohl bei Aufsichtsräten in Aktiengesellschaften als auch in Genossenschaften ist der Aufsichtsrat das Zentrum der Unternehmenskontrolle. Dennoch werden Aufsichtsräte von Genossenschaften in den Debatten über Corporate Governance wenig berücksichtigt. Ihre Relevanz bei der Überwachung und Kontrolle des Vorstands ist indes nicht minder groß. Im Vordergrund stehen die Wesensmerkmale von Aufsichtsräten in Genossenschaften. Ziel der Arbeit ist es, die Rolle des Aufsichtsrats in der Unternehmensüberwachung bei Genossenschaften herauszuarbeiten und darauf aufbauend auf die existierenden Probleme einzugehen.

Ausgangspunkt dieser Arbeit bildet die Einführung in die Bedeutung der Unternehmensform Genossenschaft mit seinen charakteristischen Merkmalen. Anschließend werden im dritten Kapitel einige Erscheinungsformen der Genossenschaft kurz erläutert. Die Darstellung der Corporate Governance in Genossenschaften erfolgt im vierten Kapitel. Im folgenden Abschnitt wird der Aufsichtsrat der Genossenschaften mit seiner Zusammensetzung, den Rechten und Pflichten, den Qualifikationsanforderungen und den Wesensmerkmalen näher erfasst. Eine empirische Erhebung der Arbeit im Aufsichtsrat einer Genossenschaft wird im sechsten Kapitel einerseits dargestellt und auch ausgewertet. Die Absicht ist es, einen Einblick über die Besonderheiten und Probleme im Aufsichtsrat von Genossenschaften zu geben.

2. Einführung in die Bedeutung der Genossenschaft

2.1 Entstehung des Genossenschaftswesens

Ein genauer Entstehungsort oder ein festgelegter Zeitpunkt für die genossenschaftliche Idee ist nicht zu bestimmen.[1] Erste Formen der Genossenschaften tauchten dort auf, wo die rechtlichen, gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen wirtschaftliche Kooperationen befähigten. Bereits im alten Ägypten gab es Ansätze von Steuerpachtgenossenschaften für Wein- und Obstgärten und im antiken Griechenland sind frühe Formen von Bergbau- und Fischereigenossenschaften entstanden.[2] Diese Zusammenschlüsse waren meistens Zwangsorganisationen, die durch staatliche Gewalt entstanden sind. Sie hatten einen genossenschaftsähnlichen, aber keinen freiwilligen Charakter.[3]

Das heutige Genossenschaftswesen geht bis in das frühe Mittelalter zurück[4] und als Vorläufer moderner Genossenschaftsbildung sind sowohl die ländlichen Sippen-, Markt- und Deichgenossenschaften als auch die städtischen Gilden und Zünfte zu sehen.[5] Allerdings übten die Gilden und Zünfte starke Bindungen in allen Beziehungen und Bereichen des Lebens aus. Vorgaben für die Arbeitsweise, das Arbeitsmaß, Löhne und Anzahl der Beschäftigten bewirkten einen Zwang, ermöglichten aber auch eine Monopolstellung. Ziel war die Sicherheit und Gleichheit aller Mitglieder, um deren Wohlstand zu gewährleisten.[6]

In der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten modernen Genossenschaften in Deutschland. Die Ursache dafür war das wirtschaftliche und soziale Ungleichgewicht, welches durch den wirtschaftlichen Liberalismus mit der zunehmenden freien Konkurrenz entstand.[7] Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation vieler Bevölkerungskreise, besonders bei den Landwirten, Handwerkern und Arbeitern, kam durch die Auflösung des Zunftwesens und durch die Möglichkeit der Gewerbefreiheit. Somit entfaltete sich durch die Industrialisierung in Deutschland die Genossenschaftsideologie[8] ,während keine der früheren Formen der Kooperation die Industrialisierung überlebte.[9]

Die historische Genossenschaft unterscheidet sich von der modernen dahingehend, dass dies eine Ordnungsgemeinschaft mit einer Ordnungsfunktion war und nur eine Art Gemeinschaftsbewusstsein hatte. Wohin gehend die modernen Genossenschaften wirtschaftliche Gemeinschaften waren. Jedoch hatten beide Genossenschaften das Ziel, durch kollektive Verbindungen eine wirtschaftliche Stellung zu erreichen.[10]

Die modernen Genossenschaften existieren seit über 150 Jahren.[11] Erst durch das Reichsgesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 01.05.1889 besteht die Unternehmensform Genossenschaft seit 123 Jahren, und große Veränderungen bzw. Anpassungen erfolgten erst mit den Genossenschaftsnovellen aus den Jahren 1973 und 2006.[12]

2.2 Genossenschaftsideologie

2.2.1 Genossenschaftsbegriff

In der genossenschaftswissenschaftlichen Literatur existieren verschiedene Ansätze für die Erläuterung des Begriffes Genossenschaft. Im rechtlichen Sinne ist der Begriff Genossenschaft nach § 1 des Genossenschaftsgesetz (GenG) folgendermaßen definiert:[13] „Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern (Genossenschaften), erwerben die Rechte einer „eingetragenen Genossenschaft“ nach Maßgabe dieses Gesetzes.“ In dieser Definition wird deutlich, dass der gemeinschaftliche Geschäftsbetrieb, das Förderungsprinzip gegenüber den Mitgliedern und die nicht geschlossene Mitgliederzahl besondere Merkmale der Genossenschaft sind.[14]

Nach § 1 Abs. 1 GenG ist die Genossenschaft eine Körperschaft und besitzt in ihrem Aufbau die Organe der Generalversammlung bzw. Vertreterversammlung[15] , des Vorstandes und des Aufsichtsrats. Sie ist keine Personengesellschaft im Sinne der §§ 705ff. BGB oder Kapitalgesellschaft im Sinne des § 264d HGB. Durch besondere reichsgesetzliche (bundesgesetzliche) Vorschriften nach § 22 BGB ist die eingetragene Genossenschaft (eG) ein wirtschaftlicher Verein. Die Rechtsfähigkeit erlangt die eG durch die Eintragung ins Genossenschaftsregister nach § 13 GenG und wird dadurch zu einer juristischen Person im Sinne des § 17 Abs. 1 GenG. Somit kann die eG Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben sowie vor Gericht klagen und verklagt werden. Der Förderzweck nach § 1 Abs. 1 GenG ist eine gesetzlich zweckgebundene Vereinigungsform. Verfolgt eine eG die nichtgenossenschaftlichen Zwecke, so kann sie nach § 81 GenG durch ein Gerichtsurteil aufgelöst werden.[16]

Die genossenschaftlichen Grundprinzipien der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung spiegeln sich im Genossenschaftsgesetz wider und zeigen, wie stark die sozialen Kräfte auf die Gesetzgebung einwirken.[17]

2.2.2 Genossenschaftsgedanke

Der Genossenschaftsgedanke oder auch die Idee der Genossenschaft, wird oft in der Literatur als „Wirtschaftsgesinnung“, als „Gestaltungsprinzip“ oder als „Leitbild“ bezeichnet. Es ist die Idee einer förderzweckorientierten Vereinigung von Menschen, die eine gemeinsame solidarische Wirtschaftsanschauung vereint.[18] Die Verbindung zu einer Genossenschaft soll den einzelnen Mitgliedern durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb dem wirtschaftlichen Überleben dienen und vor dem finanziellen Risiko bewahren.[19] Es ist die Absicht, einen wirtschaftlichen Nutzen im Kollektiv zu erhalten, der durch die Förderung eines jeden Einzelnen ermöglicht wird.[20] Der uralte Grundgedanke der Kooperation ist die Zusammenarbeit. Nur im Kollektiv können wirtschaftliche Ziele eines Einzelnen erreicht werden. Die gemeinsamen Ziele und Interessen führen zu einem organisatorischen Zusammenhalt und sind ein Wesensmerkmal von genossenschaftlichen Vereinigungen.[21]

Der Genossenschaftsgedanke hat seine Wurzeln beim Vordenken des schweizerischen Sozialpädagogen Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827), von Robert Owen (1771-1858) und Wilhelm King (1786-1865) aus England, Charles Fourier (1772-1837) und Luis Blanc (1813-1882) aus Frankreich sowie des deutschen Sozialpolitikers Victor Aimé Huber (1800-1869).[22] Besonders in Deutschland zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts legte sowohl bei ländlichen Genossenschaften Friedrich Wilhelm Raiffeisen als auch bei den Handwerkern und Kleingewerbetreibenden Hermann Schulze-Delitzsch das geistige Fundament des Genossenschaftswesens.[23] Sie sahen die Genossenschaft nicht nur als Institution zur Unterstützung der schwachen Bevölkerungsschichten, sondern als Vereinigung mit dem Ziel, den gesellschaftlichen Frieden durch die Übernahme von Bildungs- und Entwicklungsaufgaben zu sichern.

Somit ist der Genossenschaftsgedanke besonders von einem sozialethischen Gehalt geprägt und wurde von den sozialpolitischen Spannungen im 19. Jahrhundert beeinflusst.[24] Denn soziale Krisen, soziale Gruppengegensätze und Phasen der sozialen Not sind eine ideale Voraussetzung für ökonomische Kooperationen.[25] Zusammenfassend beinhaltet der Genossenschaftsgedanke die Bewältigung von ökonomischen und gesellschaftlichen Angelegenheit im Kollektiv unter Bewahrung der Individualität eines Mitglieds und ist noch heute ein Grundziel der Genossenschaften.[26]

2.2.3 Genossenschaftswerte

In der Literatur ergeben sich verschiedene Ansätze der Bedeutung von Werten. Mit dem Begriff Werte nach Horn werden die „bewussten oder unbewussten Orientierungsstandards und Leitvorstellungen, von denen sich Individuen oder Gruppen bei ihrer Handlungswahl leiten lassen“, bezeichnet.[27] Unter Werte wird in der Moralphilosophie ein System von Aussagen verstanden, das sich in bestimmter Weise auf menschliches Verhalten bezieht. Wertevorstellung als ein Komplex zu erfassen, wird auch als Ideologie bezeichnet, welche den Rahmen zur Orientierung vom praktischen Handeln geben soll. Werte sind an einem Endziel von menschlichem Handeln orientiert, und geben ideologisch eine Anleitung für faires und erstrebenswertes Handeln.[28]

Die Werte der Genossenschaften beruhen auf der Selbsthilfe, Demokratie, Selbstverantwortung, Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität. Ergänzt werden sie durch Ehrlichkeit, Offenheit, Fürsorge für andere und soziale Verantwortung.[29] Die Gründung und die Tätigkeit einer Genossenschaft beruht auf den Werten und Prinzipien des genossenschaftlichen Gedankens und sind eines der charakteristischen Merkmale von Genossenschaften. Jedoch stehen diese der Genossenschaft in einer ständigen Diskussion und sind stets geprägt vom Wandel der Interpretation.[30]

In der aktuellen Kampagne der Genossenschaftlichen Finanz Gruppe Volksbanken Raiffeisenbanken werden die Genossenschaftswerte als Solidarität, Genossenschaftlichkeit, Fairness, Partnerschaftlichkeit, Verantwortung und Nähe interpretiert.[31] Es wird dabei deutlich, dass die Genossenschaftswerte an die jeweilige Genossenschaftsart angepasst werden und durch die Auswirkungen der Finanzkrise die genossenschaftlichen Werte eine stärkere Beachtung in der Öffentlichkeit erfahren.[32]

2.2.4 Prinzipien der Genossenschaft

Die bedeutsamsten Komponenten des Wertebestandes von Genossenschaften sind die Prinzipien der Genossenschaft. Diese wurden bereits von den Gründungsvätern des Genossenschaftsgedankens ab der Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitet. Die Wertevorstellungen, Leitgedanken, Normen und Grundsätze sollten eine Anleitung für generationsübergreifendes genossenschaftliches Handeln sein und für einer mitgliederbezogenen Struktur dienen.[33] Andeutungsweise setzen sich aus den Zielen und den Werten des genossenschaftlichen Handels die Grundprinzipien zusammen. Auf ein Prinzip reduziert, ist die kooperative Form der Genossenschaft eine Vorgehensweise, die der Erlösung aus der Abhängigkeit sachlich-materieller, sozialer und politischer Art dient und gemeinschaftliches Handeln als Voraussetzung sieht.[34]

Als alleiniger Unternehmenszweck[35] , als das zentrale Unternehmensziel[36] und als einziger, gesetzlicher Zweck der Genossenschaft[37] wird das Förderprinzip oder der Förderauftrag gesehen.[38] Die Förderung der Mitglieder ist die Basis der Unternehmensphilosophie der Genossenschaft und stellt das Wesen ihres Unternehmensleitbildes dar. Die Förderung der Genossenschaftsmitglieder ist auf lange Sicht ausgerichtet. Eine generationsübergreifende Mitgliederförderung steht im Mittelpunkt jeder Genossenschaftspolitik und wird als Dauerauftrag der Mitglieder wahrgenommen.[39] Durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb in einer Genossenschaft soll das einzelne Mitglied vor dem finanziellen Risiko bewahrt und ein wirtschaftliches Überleben ermöglicht werden. Somit ist das Förderprinzip ein absolutes Wesensprinzip.[40] In der Literatur wird das Förderprinzip als zentrales genossenschaftliches Grundprinzip[41] , aber auch als Grundauftrag[42] oder als oberste Leitmaxime[43] bezeichnet.

Festzustellen ist, dass das primäre Ziel einer Genossenschaft die Erfüllung des Förderauftrags ist und dieser nur durch die Erzielung von Gewinnen realisiert werden kann. Die Orientierung erfolgt nicht auf eine Profitmaximierung, wie bei Kapitalgesellschaften, sondern auf einen fördernotwendigen Gewinn. Dieser Gewinn dient der Sicherung, Entwicklung und dem Fortschritt der Genossenschaft.[44]

Neben dem Grundprinzip der Genossenschaft hat der Internationale Genossenschaftsbund (ICA) Richtlinien für die Umsetzung von genossenschaftlichen Prinzipien für die Praxis erstellt. Diese gliedern sich wie folgt auf:[45]

- Grundsatz 1 freiwillige und offene Mitgliedschaft
- Grundsatz 2 demokratische Entscheidungsfindung durch die Mitglieder
- Grundsatz 3 wirtschaftliche Mitwirkung der Mitglieder
- Grundsatz 4 Autonomie und Unabhängigkeit
- Grundsatz 5 Ausbildung, Fortbildung und Information
- Grundsatz 6 Kooperation mit anderen Genossenschaften
- Grundsatz 7 Vorsorge für die Gemeinschaft der Genossenschaft

Grundsätzlich werden die Prinzipien der ICA auch mit den Schlüsselwörtern Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung in Verbindung gebracht und prägen die grundsätzlichen Merkmale von Genossenschaften.[46] Jedoch stehen die Genossenschaftsprinzipien, genauso wie die Genossenschaftswerte in einem stetigen Wandel der Interpretation. Sie sind einem intensiven und konstruktiven Meinungsaustausch von Genossenschaftsexperten ausgesetzt. Die Prinzipien werden verändert, angepasst, hinterfragt und teilweise abgeschafft.[47] Für die einzelnen Genossenschaftsformen existieren eigene Prinzipienkataloge. Diese werden als Rockdale-, Raiffeisen- und Schulze-Delitzsch-Prinzipien bezeichnet.[48] Auch wenn die Prinzipien der einzelnen Genossenschaftsformen unterschiedlich sind und an die jeweilige Branche angepasst wurden, ist die Verwaltung der Genossenschaft durch ihre Mitglieder und die Mitgliederhaftpflicht jedoch in allen Prinzipienkatalogen enthalten.[49] Neben dem Grundprinzip des Förderauftrages existieren weitere genossenschaftliche Prinzipien, die sich in zahlreichen Bestimmungen des GenG widerspiegeln.[50]

Die Prinzipien Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung werden auch als die drei S-Prinzipien bezeichnet. Ergänzt werden diese durch das Identitätsprinzip.[51] Diese Prinzipien treten in der Literatur als Strukturprinzipien auf und stellen das Grundgerüst der Genossenschaft dar.[52] Zusätzlich existieren die variablen Verfahrensprinzipien, welche die Richtlinien für das operative Geschäft in der Genossenschaft angeben[53] und die als Verhaltensnormen der Geschäftspolitik im Sinne des Genossenschaftsgedankens gelten.[54]

2.2.4.1 Selbsthilfeprinzip

Das Selbsthilfeprinzip ist die Unterstützung des Einzelnen im Kollektiv.[55] Hilfe vom Staat oder von karitativen Einrichtungen wird abgelehnt, um Lösungen als Gemeinschaft selbst zu finden. Durch den Zusammenschluss Gleichgesinnter werden die Kräfte gebündelt, um so die wirtschaftliche Lage eines Einzelnen zu verbessern.[56] Dadurch werden Synergieeffekte realisiert[57] und es entsteht ein Kreislauf der Selbstförderung.[58]

2.2.4.2 Selbstverwaltungsprinzip

Auf der Grundlage des demokratischen Selbstverwaltungsprinzips werden Entscheidungen durch alle Mitglieder getroffen.[59] Die Mitglieder nehmen die Geschicke der Genossenschaft selbst in die Hand.[60] Die eigenen Angelegenheiten regeln die Mitglieder durch Kontroll- und Verwaltungsrechte nach dem GenG. Ziel des Selbstverwaltungsprinzips ist die Beteiligung der Mitglieder an der Verwaltung der Genossenschaft.[61] Eine Fremdverwaltung wird kategorisch abgelehnt, denn durch den Zusammenschluss erhalten die Mitglieder gleiche Rechte und Pflichten.[62] Das Prinzip der Selbstverwaltung weist die folgenden Merkmale auf:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Merkmale des Prinzips der Selbstverwaltung. In Anlehnung an: Eichwald/Lutz (2011), S. 47.

Es zeigt sich, dass die Mitglieder die Unternehmenspolitik selbst mitbestimmen und nach § 48 Abs. 1 GenG in der Generalversammlung bzw. Vertreterversammlung die Verwendung des Gewinns beschließen können.[63] Die Generalversammlung bzw. die Vertreterversammlung ist die höchste Autorität in der Genossenschaft, in der die Mitglieder alle Belange und Entscheidung treffen.[64] Zum Selbstverwaltungsprinzip gehört auch die Personalhoheit der Mitglieder. Sie wählen und berufen die Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder bzw. können diese abwählen und abberufen.[65] Die Organe der Genossenschaft setzen sich gemäß § 9 GenG (Selbstorganschaft) aus Mitgliedern zusammen, und in der Satzung werden die Regularien für die Mitgliederversammlung und Mitgliederinformation festgelegt.[66]

2.2.4.3 Demokratieprinzip

Neben dem Selbstverwaltungsprinzip reiht sich das Demokratieprinzip ein. Ohne das Prinzip, „ein Mitglied, eine Stimme“ nach § 43 GenG, können die Mitglieder nicht ihre Entscheidungs- und Kontrollrechte ausüben.[67] Jedes Mitglied kann sich durch seine Stimme unabhängig von der Höhe seiner Kapitalbeteiligung demokratisch am genossenschaftlichen Entscheidungs- und Willensbildungsprozess beteiligen.[68] Die persönliche Gleichheit spiegelt sich im Demokratieprinzip wider, indem alle Mitglieder dieselben Rechte und Pflichten haben.[69] Aufgrund des Demokratieprinzips haben die Mitglieder die Freiheit, sich an den Gremien der Selbstverwaltung zu beteiligen. Gemäß § 43 GenG gilt nicht nur das Mehrheitsprinzip[70] bei Abstimmungen, sondern auch die Untersagung der Stimmrechtsübertragung.[71] Zusammenfassend ist das Demokratieprinzip gekennzeichnet durch eine direkte Beteiligung an der internen Willensbildung[72] und stellt einen partizipatorischen Prozess dar, der erst durch das Mitwirken eines jeden Mitgliedes gewährleistet wird.[73] Indem das Mitglied im Fokus steht, ergibt sich die Dominanz des personalen Elements der Genossenschaft.[74]

2.2.4.4 Selbstverantwortungsprinzip

Beim Selbstverantwortungsprinzip stehen die Mitglieder persönlich für ihr Handeln ein. Sie haften solidarisch für alle Angelegenheiten und Verbindlichkeiten der Genossenschaft.[75] Die Eigenverantwortlichkeit der Mitglieder steht im Vordergrund, indem sich die Mitglieder aktiv an der Organisation beteiligen und die gemeinsamen Interessen nach Innen und Außen bestimmen.[76] Die Mitglieder haften mit ihrem eingezahlten Geschäftsguthaben gemäß § 23 GenG. Sie können jedoch einer beschränkten oder unbeschränkten Nachschusspflicht gemäß § 6 GenG unterzogen werden, wenn das die jeweilige Satzung vorsieht.[77] Die satzungsmäßig bestimmte Nachschusspflicht ist die persönliche Haftung der Mitglieder in der Insolvenz der Genossenschaft und stellt zugleich eine Besonderheit in der Genossenschaft dar.[78] Somit übernehmen die Mitglieder, die Verantwortung durch eine satzungsmäßige Haftung, um genossenschaftsschädliches Verhalten auszuschließen. Ihre Mitverantwortung erhält einen gewichteten Stellenwert. Die Haftungspflicht verbindet die Mitglieder bei der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten und gibt der Genossenschaft finanzielle Stabilität bei einer unbeschränkten Haftung.[79]

2.2.4.5 Identitätsprinzip

Das Identitätsprinzip ist die Kongruenz zwischen Mitglied und Leistungsempfänger, welches die Grundvoraussetzung für den Förderauftrag einer Genossenschaft darstellt.[80] Die Mitglieder stehen in einer doppelten Beziehung zur Genossenschaft. Zum einen als Eigenkapitalgeber mit dem Recht der Entscheidung und Kontrolle. Zum anderen als Kunde, der die Leistung der Genossenschaft in Anspruch nimmt.[81] Nur die Mitglieder können und dürfen die Leistungsangebote wahrnehmen.[82] Nichtmitglieder sind vom Geschäftsverkehr mit der Genossenschaft ausgeschlossen.[83] Zusammengefasst geht das Identitätsprinzip aus dem Förderprinzip hervor. Es umschließt die genossenschaftlichen Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung und soll keinen Raum für den Einfluss von nutzerfremden Kapitalinteressen ermöglichen.[84]

Die genossenschaftlichen Prinzipien sind das Grundgerüst der Genossenschaft. Jedoch ist strittig, ob die Prinzipien in ihrer Umsetzung praktikabel sind. Genossenschaften stehen im Wettbewerb zu anderen Unternehmensformen und müssen sich im Konkurrenzverhältnis behaupten. Es ist für Genossenschaften im Zuge der Globalisierung eine Herausforderung, die Grundprinzipien der Genossenschaft einzuhalten und sie an die Gegebenheiten anzupassen.[85]

2.3 Stellenwert in der Wirtschaft

Die Wirtschaft ist geprägt durch die Chancen und Risiken der Globalisierung. Die Auswirkungen der Globalisierung und die Folgen beeinflussen die Wirtschaft. Vor der Finanzkrise 2008 herrschte eine globale Aktieneuphorie und die bedingungslose Ausrichtung der Wirtschaft am Shareholder Value. Der Stellenwert des genossenschaftlichen Gedankens wirkte altmodisch und die Unternehmensform Genossenschaft war im Zuge der weitverbreiteten Unternehmensform Kapitalgesellschaft eine Art Auslaufmodell.[86] In der Ausgabe der Financial Times Deutschland vom 25. Oktober 2011 lautet die Überschrift „Gleich gestimmte auf dem Vormarsch“. Die Unternehmensform Genossenschaft steht in einem neuen Fokus. Die Wirkung der Genossenschaft auf die Wirtschaft hat sich gewandelt, auch im Zuge der Finanzkrise.[87] Die öffentliche Wahrnehmung der Genossenschaften entspricht aber nicht der international ökonomischen und sozialen Bedeutung. Weiterhin stehen global agierende börsennotierte Unternehmen im Vordergrund der öffentlichen Wahrnehmung,[88] obwohl weltweit ca. 800 Millionen Menschen Mitglied in einer Genossenschaft sind.[89] In Argentinien gibt es über 17.941 Genossenschaften mit 9,1 Millionen Mitgliedern und jeder dritte Einwohner in Kanada ist Mitglied in einer Genossenschaft. In Kolumbien sind über 8% der Einwohner Mitglied in einer Genossenschaft. Jede dritte Familie in Japan ist Genossenschaftsmitglied. Mitglied in einer Genossenschaft in Indien sind 239 Millionen Menschen und in den USA gehören ein viertel der Bevölkerung einer Genossenschaft an.[90] Die Genossenschaften in Brasilien vermarkten 72% der Getreideproduktion und in Finnland werden nahezu 100% der Milchprodukte von Genossenschaften vertrieben. In Norwegen wird fast die gesamte Milchproduktion von Genossenschaften verarbeitet und vermarktet und in Kuwait ist der Einzelhandel zu 80% genossenschaftlich organisiert.[91] Über 140 Millionen Menschen in der europäischen Union sind in einer von 300.000 Genossenschaften Mitglied.[92]

Speziell in Deutschland haben Genossenschaften einen großen Stellenwert im ökonomischen Leben.[93] Jeder vierte Einwohner in Deutschland ist Mitglied einer Genossenschaft und bei über 7.600 genossenschaftlichen Unternehmen sind ca. 20,7 Millionen Menschen Teilhaber.[94] Dagegen sind nur 4,1 Millionen Menschen in Deutschland Aktionäre. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung beträgt 13,4%.[95] Im Einzelhandel sind REWE und EDEKA genossenschaftlich organisiert und gemessen am Gesamtumsatz sind beide die größten Lebensmittelhandelsunternehmen in Deutschland.[96] Im Finanzsektor agieren die Volksbanken, Raiffeisenbanken und Sparda-Banken als Kreditgenossenschaften mit ihren Produkten und haben zusammen einen Marktanteil von 25%.[97]

Die Jahressteuerbescheinigung bzw. der Gehaltsnachweis wird von der DATEV, einer Genossenschaft für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sowie deren Mandanten, durchgeführt.[98] In der Hotelbranche sind die Best Western Hotels genossenschaftlich aufgebaut.[99] Die Vergabe von Internetadressen in Deutschland wird durch die Genossenschaft DENIC eG ausgeführt.[100]

Im Bereich der Neugründung von Genossenschaften erhält die Unternehmensform eine Art Renaissance. In den Sektoren Wohnungsbau, Kreditwesen, Landwirtschaft, Konsum und Gewerbe sind die Genossenschaften stark verbreitet. Aktuell gründen sich im Bereich Umwelt, Energiewirtschaft und Wasserversorgung neue Genossenschaften, aber auch im Dienstleistungssektor, Gesundheitswesen und im Einzelhandel. Viele Freiberufler, Selbstständige und Kreative aus der Werbebranche finden in der Unternehmensform eine Alternative zu gängigen Geschäftsmodellen, die in der Finanzkrise in die Kritik geraten sind.[101] In der Abbildung 2 wird deutlich, dass ein starker Anstieg von Neugründungen bei Genossenschaften zu verzeichnen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Anzahl der Neugründungen. In Anlehnung an: Groth (2011), S. 1.

3. Ausgewählte Erscheinungsformen der Genossenschaften

3.1 Kreditgenossenschaften

Die Genossenschaftsform mit der höchsten Anzahl von Mitgliedern ist die der Kreditgenossenschaften. Zu ihr gehören die Volksbanken, Raiffeisenbanken, Post-Spar und Darlehnsverein-Banken (PSD-Banken) und Sparda-Banken. Der Ursprung der Kreditgenossenschaften war die Selbsthilfe zur Kreditbeschaffung für Landwirte und Gewerbetreibende. Heute hingegen sind Kreditgenossenschaften Universalbanken, die ein breites Portfolio von Finanzdienstleistungen anbieten.[102] Sie sind flächendeckend in ganz Deutschland vertreten und ihre besonderen Stärken sind die genauen Informationen des Marktes und der persönliche Kontakt zu den Kunden auf regionaler Ebene.[103] Ihre Kreditvergabe erhöhte sich um 4,5% auf 435 Mrd. Euro im Jahr 2011 und sie konnten im Kreditgeschäft einen Marktanteil von 13,1% ausbauen. Die 1121 Volks- und Raiffeisenbanken mit ihren 30 Millionen Kunden, von denen 17 Millionen Genossenschaftsanteile haben, sind nach den Sparkassen der zweitgrößte Kreditgeber am deutschen Markt.[104]

3.2 Konsumgenossenschaften

Das Ziel von Konsumgenossenschaften besteht darin, der Bevölkerung ein vielfältiges Angebot von preisgünstigen Konsumgütern des täglichen Bedarfs zur Verfügung zu stellen. Besonders in ländlichen Regionen versorgen die Konsumgenossenschaften die Bevölkerung, in die sich die großen LEH-Unternehmen zurückgezogen haben.[105] Sie stellen eine besondere Form der Genossenschaft im Einzelhandel dar und die Coop-Genossenschaften[106] sind bedeutende Vertreter der Konsumgenossenschaften.[107]

3.3 Wohnungsbaugenossenschaften

Ziel von Wohnungsbaugenossenschaften, die auch Bauverein oder Baugenossenschaft genannt werden, ist die Bereitstellung von Wohnraum für die Mitglieder.[108] Ursprünglich wurden Wohnungsbaugenossenschaften konzipiert für eine Zielgruppe, die sich durch sehr geringe finanzielle Mittel keine Wohnungen zur Miete oder zum Erwerb leisten konnten. Basierend auf den genossenschaftlichen Prinzipien sollte das existentiell notwenige Gut Wohnraum den Mitglieder zur Verfügung gestellt werden.[109] Der Wohnraum sollte preisgünstig sein, damit Wohnungsbaugenossenschaften private Haushalte fördern können.[110] Als Selbsthilfeeinrichtung verbessern die Wohnungsbaugenossenschaften die Wohnverhältnisse. Ihre Arbeit ist nicht nur darauf begrenzt Wohnungen zu erbauen und zu bewirtschaften, sondern diese auch zu modernisieren und in Stand zu halten.[111] Durch die Mitgliedschaft und durch die Annahme der Nutzungsverträge für eine Wohnung erhält das Mitglied nicht nur einen unbegrenzten Kündigungsschutz, sondern auch die Gewährleitung für Sanierungen und Modernisierungen der Wohnungen.[112] Die Mitgliedschaft in einer Wohnungsbaugenossenschaft hat einen typischen genossenschaftlichen Charakter. Auf der einen Seite ist das Mitglied Teilhaber der Genossenschaft und kann über das Organ der General- bzw. Vertreterversammlung auf demokratischem Wege über die Aktivitäten der Genossenschaft mitbestimmen. Auf der anderen Seite ist das Mitglied gleichzeitig auch Kunde der Genossenschaft und kann alle Leistungen in Anspruch nehmen.[113] Aktuell gehören den ca. 2000 Wohnungsbaugenossenschaften knapp 11% aller Mietwohnungen in Deutschland.[114] Die Wohnräume liegen in begehrten Stadtvierteln, besonders in den wachsenden Metropolen wie München, Hamburg, Berlin oder Frankfurt. Der Ansturm von Wohnungssuchenden führt zum Bespiel in Hamburg dazu, dass Wohnungsbaugenossenschaften keinen Leerstand mehr haben[115] und in Berlin die Genossenschaften durch die Hohe Nachfrage bis zu 600 neue Wohnungen bauen wollen.[116] In der Abbildung 3 ist zu erkennen, dass ca. 50% aller Wohnungsbaugenossenschaften unter 500 Wohnungen besitzen und somit sehr viele kleine Wohnungsbaugenossenschaften existieren. Nur knapp 4% der Wohnungsbaugenossenschaften haben mehr als 5000 Wohnungen in ihrem Bestand.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Wohnungsbaugenossenschaften. In Anlehnung: Sommer (2011), S. 6.

Die Wohnungsbaugenossenschaften achten auch auf die Existenz eines sozialen Netzes der Mieter[117] und versuchen, sich den Herausforderungen des demografischen Wandels zu stellen, indem sie ihren Mitglieder Mehrgenerationshäuser, Concierge-Service und altersgerechtes Wohnen anbieten.[118] Außerdem erstreckt sich der Tätigkeitsbereich nicht nur in der Bereitstellung von Wohnraum, sondern auch in dem Betrieb von Spareinrichtungen oder von Gemeinschaftseinrichtungen für die Mitglieder.[119] Zusammenfassend sind Wohnungsbaugenossenschaften eine Sicherheit zur Wahrung des existentiellen Guts Wohnraum und stellen eine Fortsetzung eines eigennutzbestimmten Verhaltens im Kollektiv dar.[120]

3.4 Energiegenossenschaften

Im Bereich Umwelt, Energie und Wasser entstanden in den letzten Jahren viele Genossenschaften. Im Jahre 2010 wurden 215 Genossenschaften neu gegründet, davon sind 111 im Bereich Umwelt, Energie und Wasser.[121] Bei den privaten Haushalten stieg die Nachfrage nach Strom bzw. Wärme aus erneuerbaren Energien. Die Unsicherheit der Energieversorgung, die immer stärkere Abhängigkeit von Heizöl und fossilen Energieträgern, aber auch das wachsende Umweltbewusstsein führten zu einer starken Nachfrage der Genossenschaften nach erneuerbaren Energien, die eine Alternative zum nachhaltigen Umwelt- und Klimaschutz darstellen.[122] Um sich von den konventionellen Energieversorgern unabhängig zu machen, erbauen die Genossenschaften Blockheizkraftwerke oder Biogasanlagen, errichten Windräder und installieren Fotovoltaikanlagen.[123] Gleichzeitig werden Fernwärmenetze betrieben und ganze Bioenergiedörfer gegründet.[124] Die Neugründung wird durch eine Art Lokalpatriotismus unterstützt, indem das Geld der Bürger für Strom vor Ort genutzt werden soll um nicht die Kassen der Strom- und Gaskonzerne zu füllen. Energiegenossenschaften sind eine Art Wertegemeinschaft, die das Ziel haben, regionale und umweltfreundliche Energieversorgung aufzubauen.[125] Das genossenschaftliche Konzept fördert den Aufbau sozialer Netzwerke zwischen den Mitgliedern und führt zur Bündelung von Bürgerinteressen.[126]

[...]


[1] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2008), S. 155.

[2] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 29-30.

[3] Vgl. Faust (1965), S. 14.

[4] Vgl. Helios (2009), S. 2.

[5] Vgl. Winter (1982), S. 15-22.

[6] Vgl. Aschhoff/Hennigsen (1985), S. 16.

[7] Vgl. Steding (2006), S. 7.

[8] Vgl. Helios (2009), S. 2.

[9] Vgl. Aschhoff/Henningsen (1985), S. 17.

[10] Vgl. Faust (1965), S. 24.

[11] Vgl. Helios (2009), S. 2-4.

[12] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim(2008), S. 1.

[13] Vgl Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 01.05.1889 (RGBl. S. 55), in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Oktober 2006 (BGBl. S. 2230)

[14] Vgl. Mändle (1989), S. 97.

[15] Vgl. bei Genossenschaften mit mehr als 1500 Mitgliedern kann nach §43a, die Generalversammlung aus Vertretern der Mitglieder bestehen.

[16] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2008), S. 1.

[17] Vgl. Steding (1994), S. 23.

[18] Vgl. Steding (2006), S. 8.

[19] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2008), S. 156.

[20] Vgl. Aschhoff /Henningsen (1985), S. 110.

[21] Vgl. Faust (1965), S. 58.

[22] Vgl. Steding (2006), S. 8.

[23] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2008), S. 1.

[24] Vgl. Helios (2009), S. 2.

[25] Vgl. Brazda/Schediwy (1997), S. 13.

[26] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 13.

[27] Vgl. Göbel (2010), S. 155.

[28] Vgl. Laurinkar/Brazda (1990), S. 70.

[29] Vgl. http://www.ica.coop/coop/principles.html, Stand 15.04.2012.

[30] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 41.

[31] Vgl. http://www.werte-schaffen-werte.de/unsere-werte.html, Stand 15.04.2012.

[32] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 42.

[33] Vgl. Ringle (2007), S. 5ff.

[34] Vgl. Laurinkari/Brazda (1990), S. 70.

[35] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2008), S. 156.

[36] Vgl. Volz (2011), S. 290.

[37] Vgl. Steding (1998), S. 13-14.

[38] Vgl. Volz (2011), S. 290.

[39] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 62.

[40] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2008), S. 156.

[41] Vgl. Volz (2011), S. 290.

[42] Vgl. Schulte (2006), § 1 Rdnr. 2.

[43] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 62.

[44] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 74.

[45] Vgl. http://www.ica.coop/coop/principles.html, Stand 15.04.2012.

[46] Vgl. Higl (2008), S 8.

[47] Vgl. Lauinkari/Brazda (1990), S. 70.

[48] Vgl. Ringle (2007), S. 5ff.; Lauinkari/Brazda (1990); S. 70. und Higl (2008), S.6.

[49] Vgl. Ringle (2007), S. 7

[50] Vgl. Helios (2009), S. 14 Rdnr. 18.

[51] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 19.

[52] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim(2008), S. 156.

[53] Vgl. Ringle (2007), S. 9.

[54] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2009), S.158.

[55] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 19.

[56] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 44.

[57] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2008), S. 157.

[58] Vgl. Helios (2009), S. 14 Rdnr. 19.

[59] Vgl. Lüke (2001), S. 78.

[60] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 46.

[61] Vgl. Helios (2009), S. 14 Rdnr. 20.

[62] Vgl. Grosskopf/Münker/Ringle (2009), S. 20.

[63] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle(2009), S. 20.

[64] Vgl. Mändle (1992), S. 510.

[65] Vgl. Helios (2009), S. 14 Rdnr. 20.

[66] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 20.

[67] Vgl. Beuthien/Diekes/Wehrheim (2009), S.157.

[68] Vgl. Zerche et al. (1998), S. 122.

[69] Vgl. Helios (2009), S. 15 Rdnr. 23.

[70] Nach 43 Abs. 2 und Abs. 3 GenG kann die Satzung auch eine abweichende Regelung treffen und Voraussetzung für die Gewährung von Mehrstimmrechten bestimmen.

[71] Vgl. Kluge (1991), S. 20-21.

[72] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 20.

[73] Vgl. Kluge (1991), S. 20-21.

[74] Vgl. Aschhoff/Henningsen. (1985), S. 113.

[75] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2009), S. 157.

[76] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 21.

[77] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2009), S. 157.

[78] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 48.

[79] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 21.

[80] Vgl. Kluge (1991), S. 19.

[81] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2009), S. 157.

[82] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 21.

[83] Vgl. Helios (2009), S. 16 Rdnr. 24.

[84] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2009), S. 157.

[85] Vgl. Lauinkari/Brazda (1990), S. 75-76.

[86] Vgl. Hanisch (2002), S. 202.

[87] Vgl. Groth (2011), S. A1.

[88] Vgl. Eichwald/Lutz. (2011), S. 15.

[89] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 23.

[90] Vgl. http://www.genossenschaften.de/genossenschaften-weltweit, Abruf 13.05.2012.

[91] Vgl. http://www.genossenschaften.de/genossenschaften-weltweit, Abruf 13.05.2012.

[92] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 23.

[93] Vgl. Beuthie/Dierkes/Wehrheim (2008), S. 160.

[94] Vgl. Grosskopf/Münkner/Ringle (2009), S. 23, Stappel (2011), S. 3.

[95] Vgl. http://www.manager-magazin.de/finanzen/boerse/0,2828,808686,00.html, Abruf 13.05.2012.

[96] Vgl. Stappel (2011), S.

[97] Vgl. http://www.dzbank.de, Abruf 13.05.2012.

[98] Vgl. http://www.datev.de/portal/ShowPage.do?pid=dpi&nid=2155, Abruf 13.05.2012.

[99] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 17.

[100] Vgl. http://www.denic.de/hintergrund/geschichte-der-denic-eg.html, Abruf 13.05.2012.

[101] Vgl. Groth (2011), S. 1.

[102] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim (2008), S. 160-161.

[103] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 75.

[104] Vgl. Lebert (2012), S. 1.

[105] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 81.

[106] Vgl. http://www.alles.coop/, Abruf 24.07.2012.

[107] Vgl. Beuthien/Dierkes/Wehrheim. (2008), S. 161.

[108] Vgl. Schlelein 2007, S.19.

[109] Vgl. Opalka (2001), S. 48.

[110] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 86.

[111] Vgl. Aschhoff/Henningsen (1985), S. 103-105.

[112] Vgl. Opalka (2001), S. 45.

[113] Vgl. Schlelein (2007), S. 20.

[114] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 86.

[115] Vgl. Sommer (2011), S. 6.

[116] Vgl. Mundt (2012), S. 15.

[117] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 86.

[118] Vgl. Haimann (2012), S. 12.

[119] Vgl. Schlelein (2007), S. 19.

[120] Vgl. Opalka (2001), S. 49 bis 50.

[121] Vgl. Groth (2011), S. 1.

[122] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 90.

[123] Vgl. Diermann (2011), S. 2.

[124] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 90.

[125] Vgl. Diermann (2011), S. 2.

[126] Vgl. Eichwald/Lutz (2011), S. 90-91.

Ende der Leseprobe aus 107 Seiten

Details

Titel
Der Aufsichtsrat in der Genossenschaft: Besonderheiten und Probleme
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Berlin früher Fachhochschule
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
107
Katalognummer
V201524
ISBN (eBook)
9783656316039
ISBN (Buch)
9783656316633
Dateigröße
4169 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aufsichtsrat, Genossenschaft
Arbeit zitieren
Alexander Weitling (Autor:in), 2012, Der Aufsichtsrat in der Genossenschaft: Besonderheiten und Probleme, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201524

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Aufsichtsrat in der Genossenschaft: Besonderheiten und Probleme



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden