Die zwei großen Kontraktionen der Weltwirtschaft 1929 und 2008 im Vergleich


Diplomarbeit, 2012

88 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung:

2. Die Große Depression:
2.1 Der Gold Devisen Standard
2.1.1 Funktionsweise:
2.1.2 Probleme des Golddevisenstandards in der Zwischenkriegszeit:
2.1.2.1 Störungen des Ausgleichsmechanismus:
2.1.2.2 Problem der Sterilisation des Goldes:
2.1.2.3 Der Zusammenhang zwischen Abwertung und Weltmarktpreis:
2.1.2.4 Wie der Goldstandard die Bankenrettung blockierte:
2.2 Schulden als dauernde Systembelastung:
2.2.1 Schuldendefinition:
2.2.2 Maßstab für die Schuldentragfähigkeit:
2.2.3 Entstehung eines staatlichen Zahlungsausfalls:
2.2.4 Reparationen und Kriegsschulden:
2.2.5 Zunehmende Verschuldung der Privatwirtschaft:
2.3 Der Spekulationsboom in den USA:
2.3.1 Voraussetzungen für die Entstehung von Spekulationsblasen:
2.3.2 Finanzmarktinnovationen der 20´er Jahre:
2.3.3 Kredite treiben die Kurse und nähren die Spekulation:
2.3.4 Ablauf der Spekulation und ihr Zusammenbruch:
2.4 Die deutsche Bankenkrise und ihre Auswirkungen:
2.4.1 Die Krisenanfälligkeit des Bankensystems in Mitteleuropa:
2.4.2 Kapitalakkumulation in Deutschland:
2.4.3 Bankenkrise in Deutschland, Zusammenbruch und Rettung:
2.5 Lehren aus der Krise, die deutsche Antikrisenpolitik
2.5.1 Reichskanzler Heinrich Brüning, wie richtig doch falsch sein kann:
2.5.2 Wirtschaftspolitische Maßnahmen Brünings:
2.5.3 Beginn Antizyklische Konjunkturpolitik unter Papen und Schleicher:
2.5.4 Inwieweit waren die Maßnahmen keynesianisch:

3. Die Rezession von
3.1 Wie ein Traum zum Albtraum wird, die Immobilienkrise der USA:
3.1.1 Entstehung der Immobilienblase in den USA:
3.1.2 Traditionelles Bankgeschäft, Vergangenheit und Zukunft:
3.1.3 Zukunftsweisende Innovationen?
3.1.4 Fehlgeleitete Anreizstrukturen und ihre Folgen:
3.1.5 Die Blase ist geplatzt, Situation in Deutschland und der EU:
3.2 Die Antikrisenmaßnahmen von EZB und Bundesregierung:
3.2.1 Geldpolitische Maßnahmen der europäischen Zentralbank:
3.2.2 Maßnahmen der Bundesregierung:
3.2.2.1 Direkte und indirekte Steigerung der Nachfrage durch Konjunkturprogramme:
3.2.2.2 Maßnahmen für den Arbeitsmarkt:
3.2.2.3 Aufrechterhaltung des Kreditflusses an Unternehmen:
3.2.3 Die Maßnahmen greifen, Deutschland im Aufschwung:
3.3 Entwicklung der staatlichen Verschuldung:

4. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Krisen:

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Reichsbankbilanz auf Grundlage des Dawes-Plan:

Abb. 2: Internationale Kapitalströme 1924 bis 1937:

Abb. 3: Leitzins im Vergleich EU vs. USA:

Abb. 4: Veränderung der privaten Kreditvergabe:

Abb. 5: Umsätze aus KFZ-Handel und Reparatur:

Abb. 6: Anzahl der Kurzarbeiter nach Betriebsgröße:

Abb. 7: Entwicklung von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit:

Abb. 8: Jährliche Neuverschuldung gemessen am BIP:

Abb. 9: Entwicklung der Verbraucher- und Erzeugerpreise im Euro-Raum:

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Rendite festverzinslicher Wertpapiere in Deutschland in Prozent:

Tabelle 2: Wirtschaftsdaten für den Euro-Raum:

Tabelle 3: Berechnung der Arbeitslosenquote von 2007 bis 2011:

Tabelle 4: Entwicklung der Staatsschulden im Verhältnis zum BIP:

Tabelle 5: Entwicklung der Staatsschulden in Schweden:

Abkürzungsverzeichnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung:

Wirtschaftskrisen zählen zu den ständig wiederkehrenden und prägenden Ereignissen der Geschichte. Sie sind oftmals mit großem sozialem Elend verbunden, weshalb sie dazu in der Lage sind, auch Änderungen des politischen Systems herbeizuführen oder zu begünstigen. In der Volkswirtschaftslehre wird unter einer Krise eine Phase mit deutlich negativem Wirtschaftswachstum verstanden. Zur Identifizierung eines solchen können wir das Bruttoinlandsprodukt kurz BIP zu Rate ziehen. Das BIP gibt den Auslastungsgrad des Produktionspotentials einer Volkswirtschaft an.[1] Lässt sich bei zwei aufeinanderfolgenden Betrachtungszeiträumen kein BIP-Anstieg feststellen sprechen wir von Stagnation. Ist das BIP rückläufig, herrscht Rezession[2] und eine Expansion hingegen bezeichnet einen Anstieg des BIP. Die jeweiligen Phasen vor den Wendepunkten werden als Depression und Boom bezeichnet. Im Boom erreicht die Volkswirtschaft ihren oberen Wendepunkt. Die Produktionsmöglichkeiten sind hier voll ausgelastet und müssen, um weiter zu wachsen erweitert werden. Die Depression stellt den unteren Wendepunkt dar. Sie ist besonders gefährlich und kann als eine langanhaltende Rezession mit rückläufigem BIP betrachtet werden. Eine langanhaltende Unterauslastung der Kapazitäten führt dazu, dass notwendige Ersatzinvestitionen der Unternehmen unterbleiben. Hierdurch nimmt das Produktionspotential also das maximal erreichbare BIP ab.[3] Bereits Joseph A. Schumpeter stellte dies 1939 fest und grenzte die Rezession daher scharf von der Depression ab[4] . So stellen Rezessionen seiner Meinung nach einen normalen Vorgang dar, während dessen Überinvestitionen, welche aus der Boom-Phase etwa aufgrund einer zu positiven Erwartungshaltung heraus gebildet wurden, beseitigt werden. Die Rezession ist also nach Schumpeter als eine „Reinigung der Volkswirtschaft“ zu sehen.[5] Krisen bedingen stets einen Strukturwandel, da sie eine Reallokation von Ressourcen aus unproduktiven in produktive Sektoren zur Folge haben. Da dieses Phänomen allen Krisen gemein ist, wurde früher auch gerne von Reinigungskrisen gesprochen. Kurzfristig ziehen Krisen also höhere Abschreibungen auf den Kapitalstock und damit Verluste nach sich. Mittel- bis langfristig führen sie zu einem Anstieg der Produktivität. Bei einer Krise in Form einer tiefen lang anhaltenden Depression erfolgt wie oben dargestellt ein Abbau wirtschaftlich sinnvoller Kapazitäten. Sie stellt daher eine besondere Notlage dar, in der auch Schumpeter ein Eingreifen des Staates zum Schutz wirtschaftlicher Werte als unbedingt erforderlich ansieht.[6] Die Ursache für die verschiedenen Phasen wird von Wirtschaftswissenschaftlern in exogenen Schocks oder endogenen Faktoren gesehen. Exogene Schocks bezeichnen Umstände, die außerhalb des Marktsystems ihren Ursprung haben, sich aber auf dieses auswirken. Klassische Beispiele wären Ölpreiserhöhungen, welche die Inputfaktoren verteuern und zu einer Rezession führen oder Kriege, welche die staatliche Nachfrage steigern und einen Boom auslösen. So hatte der zweite Weltkrieg z.B. wesentlichen Anteil daran, dass die USA die wirtschaftlichen Folgen der Großen Depression endgültig überwand. Endogene Faktoren haben ihren Ursprung im Marktmechanismus selbst. So neigen die Wirtschaftssubjekte in einer Expansion häufig dazu, zu optimistisch in die Zukunft zu blicken. Unternehmer schätzen daher die Entwicklung der Nachfrage zu hoch ein und investieren zu viel. Es kommt zu einem Anwachsen der Lagerbestände. Deren Abbau führt dann zu Produktionseinschränkungen und damit zur Rezession.[7] Wirtschaftliche Expansionsphasen gehen daher stehts mit einem Anstieg der Spekulation einher. Die Wirtschaftssubjekte (WISU) sind also zunehmend bereit, höhere Risiken zur Renditeerzielung einzugehen. Per se ist Spekulation somit nichts schlechtes, sondern sogar notwendig, um den Innovationsprozess voranzubringen. Sie bergen jedoch immer das Risiko des künftigen Abschwungs in sich, sobald die stetig wachsenden Erwartungen nicht mehr erfüllt werden können.[8] Wie wir bisher festgestellt haben, handelt es sich bei einer Krise um eine Phase mit sinkendem Wirtschaftswachstum, also einem Rückgang des BIPs im Vergleich zur Vorperiode, welche oftmals mit dem Platzen einer Spekulationsblase in Verbindung stehen. Umschwünge vom Boom zum Abschwung werden somit als Krise begriffen. Bis zur Großen Depression wurden Krisen im Allgemeinen entsprechend der Juglar-Zyklen in regelmäßigen Abständen von 6 bis 10 Jahren für normal und reinigend erachtet.[9] Knut Borchardt unterscheidet zwischen „Krisen an sich“ und „Krisen für sich“. Er trägt damit dem Umstand Rechnung, dass nicht jede Abschwung-Phase von den Zeitgenossen gleich als Krise wahrgenommen wird. Jeder BIP-Rückgang stellt eine Krise dar. Bei einer „Krise an sich“ wird von der Mehrheit der beteiligten WISUs keine direkte Auswirkung auf ihre eigene Existenz durch die Krise erwartet. Es läuft eine Reinigung der Wirtschaft ab, bei der Fehlallokationen beseitigt werden. Nehmen die WISUs hingegen die Krise als Bedrohung war, verlieren Sie das Vertrauen in die positive Zukunftsentwicklung. Eine Rezession in Form eines tiefen wirtschaftlichen Absturzes ist die Folge. Borchardt spricht hierbei von der „Krise für sich“. Solche Krisen gehen dann häufig mit Bankenkrisen einher, da bereits geringfügige Liquiditätsengpässe zum Zusammenbruch des Bankensystems führen können.[10] Krisen sind somit nicht allein an Veränderungen des BIPs festzumachen, sondern in erheblichem Umfang von sozialpolitischen Reaktionen abhängig. Die „Krisen für sich“, welche Bankenkrisen bzw. Verwerfungen auf den Finanzmärkten beinhalten, können als Finanzkrisen bezeichnet werden. Reinhart und Rogoff kennzeichnen drei Merkmale einer schweren Finanzkrise, lang anhaltende Einschnitte am Aktien- und Immobilienmarkt, Bankenkrisen verbunden mit scharfen aber kurzen inländische Produktionseinschnitten, geringe aber langfristige Erhöhung der Arbeitslosigkeit und eine drastische Zunahme der staatlichen Verschuldung. Der Staat leidet einmal aufgrund des krisenbedingten Steuerausfalls, ist aber gleichzeitig durch höhere Sozialausgaben, Bankenrettung, Konjunkturpakete zur Steigerung seiner Ausgaben gezwungen.[11] Alle diese Merkmale traten zum einen in der großen Depression der 30´er Jahre und bei der Rezession 2008 auf. Dennoch hatte die Rezession 2008 weltweit aber vor allem in Deutschland wesentlich geringere wirtschaftliche Auswirkungen. Im Folgenden möchte ich daher den Ursachen, Folgen aber auch der Bewältigung dieser beiden Krisen nachgehen. Zu Beginn wende ich mich der Großen Depression zu. Die Funktionsweise des Gold-Devisen-Standards und eine hohe langfristige Auslandsverschuldung schwächten die Weltwirtschaft der Zwischenkriegszeit von Beginn an und stellen daher den Ausgangspunkt meiner Untersuchungen dar. Wachsende Spekulation in den USA der 20´er Jahre führte zum Börsenboom, welcher schließlich im Crash endet und die Große Depression initiiert. Über das Vehikel der kurzfristigen Verschuldung findet die Krise endgültig den Weg von den USA nach Deutschland und Europa. Die Krise erreicht mit der Bankenkrise 1931 in Deutschland ihren Höhepunkt. Die Krisenbekämpfungsmaßnahmen des Deutschlands basieren zunächst auf falschen Annahmen. Erst durch die Anwendung neuer wirtschaftswissenschaftlicher Ansätze gelingt es schließlich, die Krise zu überwinden. Die Rezession 2008 hat ihre Ursache in einem Traum, dem Traum vom Eigenheim. Ausgelöst durch ein günstiges Zinsniveau möchten sich Millionen Amerikaner diesen erfüllen, eine Immobilienblase entsteht. Falsche Anreizstrukturen lösen eine Jagd nach Gebühren aus. Im Verlaufe derer quasi ständig steigende Gewinne ohne Risiko erzielbar sind. Doch auch diese Blase platzt. Über die Investments der Banken gelangt die Krise nach Europa. Die EZB und Bundesregierung unternehmen große Anstrengungen, um die Auswirkungen der Krise einzudämmen. Den Abschluss der Arbeit bildet dann eine kurze Rekapitulation der wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Krisen.

2. Die Große Depression:

2.1 Der Gold Devisen Standard

2.1.1 Funktionsweise:

Die Funktionsweise des Goldstandards wurde bereits 1754 von David Hume erläutert. Er ging in seinem einfachen Modell davon aus, dass bei Exporten aufgrund der Bezahlung der Waren ein Zustrom an Gold und bei Importen ein Goldabfluss stattfand. Die Erhöhung bzw. Senkung des Goldbestandes hatte dann eine Erhöhung bzw. Senkung des Goldmünzenumlaufs zur Folge. Dadurch änderte sich das Preisniveau innerhalb der jeweiligen Länder. Länder mit einem Handelsbilanzüberschuss[12] waren gezwungen, ihre Geldmenge zu erhöhen, wodurch das Preisniveau stieg. Ihre Waren verteuerten sich, der Export ging zurück und die Importe nahmen zu, da ausländische Waren nun relativ gesehen günstiger waren. Länder mit Handelsbilanzdefizit[13] mussten ihre Geldmenge senken, ihre Waren wurden dadurch billiger. Der Export stieg an, die Importe verteuerten sich und nahmen daher ab (Geldmengen-Preis-Mechanismus).[14] Das frühe und einfache Modell von Hume sieht, selbst wenn nur die Defizite/Überschüsse ausgetauscht würden, beträchtliche Goldtransaktionen vor. Dies war in der Realität in diesem Umfang aber nie der Fall. Hume hat in seinem Modell einen wichtigen Akteur nämlich die Zentralbank noch nicht berücksichtigt. Die Zentralbank konnte durch das Instrument des Diskontsatzes die Anpassung des Geldumlaufs beschleunigen, so dass der Goldabfluss verhindert wurde. Der Diskontsatz ist ein Abschlag vom Nominalwert eines Wechsels auf den eine Geschäftsbank verzichten muss, wenn sie einen Wechsel vor Fälligkeit bei der Zentralbank einlöst. Die Geschäftsbanken verliehen Geld gegen Wechsel an die Wirtschaft, mit deren Hilfe Geschäfte zwischenfinanziert wurden. Ein Wechsel ist ein Wertpapier, welches eine Zahlung zu einem festgelegten Zeitpunkt in der Zukunft gegen Vorlage des Wechsels garantiert. Mittels Indossament einer Unterschrift kann der Wechsel übertragen werden. Der aus dem Wechsel Berechtigte ist immer der letzte auf dem Indossament.[15] Erhöht die Zentralbank den Diskontsatz, so müssen die Geschäftsbanken bei einer vorzeitigen Einlösung über die Zentralbank einen höheren Abschlag hinnehmen. Mithilfe dieses Mechanismus steuert die Zentralbank die Kreditvergabe. Bei niedrigem Diskontsatz beschaffen sich die Geschäftsbanken eher Liquidität, indem sie ihre Wechsel bei der Zentralbank diskontieren. Die Geschäftsbanken haben nun eine höhere Liquidität und verleihen mehr Kredite zu niedrigeren Zinsen. Ist die Refinanzierung für die Geschäftsbanken hingegen teuer weil Sie einen hohen Diskontsatz an die Zentralbank zahlen müssen, werden Sie selbst hohe Zinsen verlangen und weniger Kredite vergeben. In Erwartung von Goldabflüssen erhöht die Zentralbank also den Diskontsatz. Die Geschäftsbanken werden infolge der eigenen höheren Refinanzierungskosten ihre Zinsen erhöhen, wodurch die Kredite abnehmen. Höhere Zinsen bedeuten ein Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Investitionen und damit von der Produktion und des Einkommens. Niedrigere Einkommen senken die Importe und das Preisniveau, was einen Exportanstieg zur Folge hat (Geldmengen-Einkommens-Mechanismus). Aufgrund des höheren Inlandzinses kommt es zudem zu ausländischem Kapitalzufluss[16] (Geldmengen-Zins-Mechanismus). Bei einer Absenkung des Diskontzinssatzes bedeutet dies, dass die Geschäftsbanken sich eher Refinanzieren und Wechsel bei der Notenbank einreichen. Geschäftsbanken vergeben verstärkt und günstiger Kredite, die Geldmenge steigt.[17] Das oben erläuterte System funktioniert solange, wie sich alle an die ihm zugrunde liegenden Voraussetzungen, welche 1925 von John Maynard Keynes als „Spielregeln“ bezeichnet wurden, hielten. Da der Goldstandard als Währungsordnung niemals vertraglich festgelegt wurde, gibt es in der Literatur verschiedene Definitionen dieser Spielregeln. Von Viktor Argy wurden das Zulassen eines grenzüberschreitenden Goldverkehrs, eine Einlösepflicht von Banknoten in Gold und eine parallele Entwicklung von Goldbestand und inländischer Geldmenge als Wesentlich angesehen.[18] Als der Goldstandard nach dem ersten Weltkrieg wieder eingeführt wurde, musste das oben erläuterte System allerdings etwas modifiziert werden. Aufgrund des höheren Preisniveaus, bedingt durch die Kriegsinflationen und der damit einhergehenden steigenden Nachfrage nach Bargeld und Sichteinlagen, wurde befürchtet dass die verfügbare Goldmenge zu gering sein würde, um zum Goldstandard der Vorkriegszeit zurückzukehren. Es galt eine Geldknappheit und damit einhergehende Deflation zu vermeiden. Daher wurden andere goldgedeckte Währungen, d.h. Devisen in die Währungssicherung der einzelnen Nationen mit aufgenommen.[19] Da alle Versuche ein internationales Währungssystem zu schaffen scheiterten, kam es zu einzelnen nationalen Währungsordnungen.[20] /[21] Als Beispiel möchte ich die Währungsordnung des deutschen Reiches anbringen.

Abb. 1: Reichsbankbilanz auf Grundlage des Dawes-Plan:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Kindleberger (2010), S.55, eigene Darstellung.

Mit Annahme des Dawes-Plan 1924, welcher die laufenden Reparationszahlungen des deutschen Reiches regelte, wurde es Deutschland möglich, eine neue Währungsordnung zu etablieren. Die alte Mark und die Rentenmark wurden durch die Reichsmark ersetzt. Die erforderlichen Reserven hierzu konnte Deutschland durch die sog. Dawes-Anleihe über 800 Millionen RM generieren. Des weiteren schrieb der Dawes-Plan die Unabhängigkeit der Reichsbank vor.[22] Die Abb. 1 macht uns die Vorteile einer goldgebundenen Währung deutlich. So ist die Geldmenge M1 die Summe aus der umlaufenden Banknoten sowie der täglich fälligen Bankeinlagen sog. Sichtverbindlichkeiten begrenzt. Durch die 60% Deckung mithilfe der Handelswechsel konnte die Deflationsgefahr vermindert werden, da ein Anstieg des Handelsvolumens dazu führt, dass die Geschäftsbanken mehr Wechsel bei der Zentralbank diskontieren und somit die Geldmenge erhöht wird. Sofern die Zentralbank über genügend Mittel an Devisen und Gold verfügt um die 40%ige Mindestdeckung zu gewährleisten. Da Gold und Devisen aber nicht in beliebig großen Mengen vorhanden waren, bestand im Gold-Devisen-Standard ein dauerhaftes Liquiditätsproblem.

2.1.2 Probleme des Golddevisenstandards in der Zwischenkriegszeit:

2.1.2.1 Störungen des Ausgleichsmechanismus:

Ragnar Nurkse deckte in einer 1944 veröffentlichten Abhandlung auf, dass die Spielregeln des Goldstandards in der Zwischenkriegszeit nicht konsequent angewandt wurden. Die Zentralbanken setzten ihren Diskontsatz nicht entsprechend um, damit ihre jeweiligen Handelsbilanzsalden auszugleichen. Vermutlich aufgrund der Auswirkungen welche eine Zinserhöhung auf die Binnenwirtschaft und die Staatsverschuldung hat. Nurske sieht hierin die Ursache für die Instabilität des Goldstandards der Zwischenkriegszeit. Doch Arthur Bloomfield konnte diese These bereits 1959 wiederlegen, da er feststellte, dass in der Phase des Vorkriegsgoldstandards die Einhaltung der Spielregeln ebenfalls eher eine Ausnahme darstellte.[23] Dass der Goldstandard vor dem ersten Weltkrieg dennoch so gut funktionierte, ist in der Tatsache zu sehen, dass keinerlei Zweifel darin bestand, dass die Zentralbanken im Notfall die Goldreserven verteidigen und die Konvertibilität (Umtausch in Gold) aufrechterhalten würden! Jeder konnte somit davon ausgehen, für eine Währungseinheit eine fest definierte Menge an Gold zu erhalten. In einem solchen System war es selbst bei leichten Wechselkursschwankungen lohnend, auf dem Devisenmarkt die Währung mit dem Kursverlust aufzukaufen. Anschließend konnte sie bei der jeweiligen Zentralbank gegen Gold eingetauscht werden, wofür die eigne Zentralbank wiederum Währungseinheiten auszahlte. Da immer fest mit der Goldeinlösung durch die Zentralbank gerechnet wurde, verbesserte sich der Wechselkurs somit, ohne dass die Zentralbank übermäßig intervenieren musste. Den Zentralbanken war es dadurch möglich, Interventionen wie sie die Spielregeln erfordert hätten hinauszuzögern, solange Sie langfristig eingehalten wurden. Der Glaube, dass die Zentralbanken für die Konvertibilität und die Goldreserven intervenierten würden, sorgte für das stabile Funktionieren des Systems. Doch warum war dieser Glaube im Goldstandard der Zwischenkriegszeit scheinbar erschüttert? Die Zeiten hatten sich grundlegend geändert. Durch die organisierte Arbeiterschaft und die Einführung von Tarifverträgen war eine Senkung der Löhne und damit der Preise nicht mehr ohne weiteres möglich. Traten nun Handelsbilanzdefizite auf, führte eine Erhöhung der Zinsen zwangsläufig zu einem höheren Anstieg der Arbeitslosigkeit als dies im 19 Jh. der Fall war. Durch die verbesserte Organisation der Arbeiter und ihr Wählerpotential übten sie in der Nachkriegszeit verstärkt politischen Druck aus. Das Schreckgespenst des russischen Bolschewismus im Nacken mussten die Zentralbanken verstärkt auf die Binnenwirtschaft Rücksicht nehmen, so dass die Anleger nicht mehr an die unbedingte Bereitschaft zur Verteidigung der Konvertibilität/Goldreserven glaubten.[24] Was zur Folge hatte, dass der sich selbst verstärkende Effekt, wie oben beschrieben, nicht mehr in der Intensität eintrat. Um den Goldstandard funktionsfähig zu halten, hätten sich die Zentralbanken der Zwischenkriegszeit noch strenger als ihre Vorgänger an die Spielregeln halten müssen, um das Vertrauen in ihr Handeln zurückzugewinnen. Der verstärkte politische Druck aufgrund der binnenwirtschaftlichen Auswirkungen ließ dies jedoch nicht zu.

2.1.2.2 Problem der Sterilisation des Goldes:

Von 1924 bis 1929 war eine Zeit weltweiten Wirtschaftswachstums mit einer starken Nachfrage nach Geld und Krediten. Aufgrund der geringen Goldförderung stand der zunehmende Menge an Banknoten eine relativ immer kleiner werdende Golddeckung gegenüber. Zudem waren diese weltweiten Goldreserven noch sehr ungleichmäßig in der Welt verteilt. Die USA hatten durch Kreditvergabe und den Verkauf von Rüstungsgütern während des ersten Weltkrieges mehr als 40% der weltweiten Goldreserven angehäuft. Aufgrund der Unterbewertung des France, welcher durch Interventionen der französischen Zentralbank langfristig aufrecht erhalten wurde, sammelte Frankreich in den folgenden Jahren von 1926 bis 1932 massiv Gold an. Frankreich untersagte seiner Zentralbank, Kredite an die Regierung zu vergeben. Mit dem Stabilitätsgesetz des Jahres 1928 kehrte Frankreich zum Goldstandard zurück. Es schrieb unter anderem eine Mindestdeckung von 35% der Banknoten und Einlagen in Gold vor und beschränkte die Offenmarkttätigkeiten der Zentralbank. Normalerweise hätte die Zentralbank die Geldmenge um 3 Franc erhöhen können, sobald ein Franc in Gold vorhanden wäre. Stattdessen wurden beträchtliche Gold- und Devisenreserven angelegt. Das zusätzliche Gold wurde somit sterilisiert, d.h. nicht zur Erhöhung der Geldmenge genutzt. Aus Angst, dass die Devisen an Wert verlieren würden, begann Frankreich bereits 1927 mit dem Verkauf von Devisen aus seinen Reserven. Von Devisen als Währungsreserven hielten die Franzosen nicht viel. Sie sahen im Beschluss der Konferenz von Genua 1922 den Golddevisenstandard einzuführen, d.h. Devisen in die Deckung mitaufzunehmen ein Manöver der Britten, London als Finanzplatz zu stärken. Da dem Pfund offensichtlich die Rolle der Reservewährung zufallen sollte, weshalb Frankreich die Idee der Devisendeckung ablehnte.[25] Da Frankreich immer mehr Devisen gegen Gold eintauschte und das Gold hortete, wurde das Gesamtsystem gefährdet. Der ständige Goldabfluss gefährdete die Golddeckung der Handelspartner Frankreichs. Frankreich genoss weiterhin günstige Exportmöglichkeiten, da der France ohne eine Geldmengenerhöhung international unterbewertet blieb. Durch eine expansive Offenmarktpolitik oder eine Herabsetzung der Diskontsätze hätte eine gerechtere Verteilung des Goldes erreicht werden können. Doch zu einer solchen Politik der Geldmengenerhöhung waren weder Frankreich noch die USA bereit.[26] Die USA war das zweite Land mit großen und wachsenden Goldreserven. Eigentlich hätte aufgrund des großen Goldbestandes der USA, wenn dem Ausgleichsmechanismus entsprochen worden wäre, die Geldmenge derart erhöht werden müssen, dass eine Verdopplung des Preisniveaus unvermeidlich gewesen wäre. Ziel der Fed in den 20´er Jahren war es jedoch, dass Preisniveau zu stabilisieren. Die Fed schränkte daher die Kreditsumme, welche Sie an die Geschäftsbanken vergab ein, um jeder zusätzliche Liquidität durch Goldzuflüsse auszugleichen. Damit wurde das Gold, sobald es in die USA kam, entgegen der Regeln des Goldstandards dem System entzogen.[27] Die sowieso schon knappen Goldbestände, welche einen ständigen Liquiditätsengpass im System darstellten, wurden von Frankreich und den USA zusätzlich verknappt. Damit legten beide Zentralbanken bereits in den 20´er Jahren eine Grundlage für die spätere Deflation.

2.1.2.3 Der Zusammenhang zwischen Abwertung und Weltmarktpreis:

Die Zentralbanken legten mit der Goldparität fest, wie viele Geldeinheiten für eine Feinunze Gold zu entrichten waren. Die Kaufkraft des Goldes stieg, wenn mehr Waren für den Gegenwert einer Feinunze Gold herzustellen waren als zuvor. Um seine Geldmenge und damit sein Preisniveau zu steigern und damit das Absinken des Preisniveaus die sogenannte Deflation zu verhindern, hätte ein Land nun seine Goldmenge erhöhen müssen. Erhöht ein Land nun aber seine Zinsen um Gold anzuziehen, so hat es damit keinen Erfolg, wenn die anderen Nationen ihre Zinsen ebenfalls anheben. Dies führt lediglich zum Einbruch von Investition und Nachfrage, was letztendlich weltweit zur weiteren Senkung der Produktion führt. Eine Ausweitung der Kreditvergabe, eine Zinssenkung und staatliche Investitionen wären erforderlich gewesen, um die Nachfrage wieder zu beleben und der Deflation Einhalt zu gebieten. Doch solche Maßnahmen vertrugen sich nicht mit den Regeln des Goldstandards und unterblieben daher. Sie hätten zu einer Senkung der Gold- und Devisenreserven geführt, woraufhin aus Angst vor einer baldigen Währungsabwertung eine massive Kapitalflucht eingesetzt hätte. Mit der Währungsabwertung war eine Währungseinheit weniger Gold wert. Um die aus einer Abwertung entstehenden eigenen Verluste zu begrenzen, reagierten die damaligen Devisenspekulanten überaus empfindlich, selbst auf bloße Andeutungen einer expansiven Geldpolitik.[28] Die größten Devisenspekulanten waren die Zentralbanken allerdings selbst. Sie zeigten kein allzu großes Interesse, Devisen zu halten, sondern flüchteten vermehrt in das sichere Gold. Dadurch, dass Sie ihre Devisen vermehrt in Gold tauschten, verknappten sie die Geldmenge zusehends und leisteten der Deflation immer weiter Vorschub. Durch die allmähliche weltweite Herausnahme der Devisen aus der Deckung wurde der Gold-Devisenstandard immer mehr zu einem reinen Goldstandard. Um den Goldabfluss Einhalt zu gebieten und Gold anzuziehen, erhöhte eine Zentralbank nach der anderen ihre Diskontsätze und damit das inländische Zinsniveau[29] , was die Geldmenge weiter verknappte und die Deflation verstärkte.[30] Eine Abwertung führt zu einer Erhöhung der Geldsumme an Inlandswährung, welche das Ausland im Gegenzug für die Exporte zu zahlen bereit ist, da der gleichen Goldmenge durch die Abwertung eine größere Geldmenge gegenübersteht. Je nachdem wie groß das abwertende Land ist, könnte seine Abwertung den Weltmarktpreis für das entsprechende Gut absenken. Handelt es sich bei dem entsprechenden Land um den Hauptanbieter eines Gutes bzw. ist sein Anteil an der gesamten erzeugten Menge eines Gutes entsprechend hoch, senkt er mit seinem niedrigen Preis den Weltmarktpreis. Da der Preis in Inlandswährung jedoch höher ist, steigt die inländische Produktion, was aufgrund des größeren Angebotes weiteren Preisverfall nach sich zieht. Die Verbesserung der Wettbewerbsposition eines abwertenden Landes geht zu Lasten der verbliebenen Goldstandardländer. Eine Abwertungspolitik wird daher auch als „Beggar-thy-neighbor-Policy“ bezeichnet, was soviel bedeutet wie „Schädige deinen Nachbarn“. Denn der durch den Exportüberschuss entstehende Goldabfluss im Ausland hat dort ein Anheben der Diskontsätze zur Folge, um den Goldabfluss durch Kapitalimporte zu begegnen. Durch die Abwertung wurden also diejenigen Länder, welche im Goldstandard verblieben geschädigt, da sie nun stärker unter Goldabfluss zu leiden hatten.[31] Aufgrund des Preisverfalls und des Goldabflusses sahen sich immer mehr Nationen zur Abwertung gezwungen, wodurch der deflationäre Druck stetig stieg. Zwar verbessert ein Absinken des Preises für Importgüter die Realeinkommen der dortigen Bevölkerung, da diese sich mit ihrem Geld nun mehr Importwaren leisten können, wodurch eigentlich der Konsum ansteigt. Doch braucht dieser Prozess Zeit, da die Konsumenten diesen Effekt erst zeitverzögert registrieren und ihre Konsumgewohnheiten erst allmählich anpassen. Die Deflation schritt damals schneller voran und ein Land nach dem anderen ergriff durch Abwertung, Schutzzölle und Kontingentierung Maßnahmen, um die heimische Wirtschaft vor einem weiteren Absinken der Preise zu schützen.[32] Die Weltwirtschaft war in einer Deflationsspirale gefangen.[33] Die Abwertung der einzelnen Währungen hatte entscheidenden Einfluss auf die wirtschaftliche Erholung. So setzte die Englands 1931 und die der USA 1933 jeweils mit der Abwertung ihrer Währungen ein, da es jetzt möglich war, eine expansive Politik zu betreiben, also die Geldmenge zu erhöhen und damit die Deflation zu überwinden. Durch niedrige Diskontzinssätze wurde den Banken die Refinanzierung ermöglicht, die nationalen Zinssätze sanken und die Binnennachfrage stieg. Der Rückgang der Wechselkurse aufgrund des Geldmengenwachstums verbesserte die Exportchancen und trug somit zur wirtschaftlichen Belebung bei. Besonders zinsempfindliche Wirtschaftssektoren wie die Wohnungsbauindustrie wurden durch die Zinssenkung angeregt. Mithilfe von Devisenausgleichsfonds konnten allzu große Wechselkursprünge verhindert werden.[34] /[35]

2.1.2.4 Wie der Goldstandard die Bankenrettung blockierte:

Durch die Deflation sank das Preisniveau immer weiter ab, was es den Kreditnehmern zunehmend schwerer machte, ihren Zins- und Tilgungsverpflichtungen nachzukommen. Da auch der Wert ihrer Sicherheiten stetig abnahm, waren die Banken nicht bereit, Kredite zu verlängern oder neue zu vergeben. Vormals profitable Unternehmen erhielten keine Mittel mehr und mussten den Betrieb einstellen bzw. gingen in den Besitz der Bank über.[36] Betriebsschließungen erhöhten die Arbeitslosigkeit, was eine Verringerung der Investitionen und somit eine weitere Abnahme der Nachfrage nach sich zog. Dies brachte wiederum andere Betriebe in Bedrängnis, wie ein Virus bereitete sich eine Pleitewelle über die Weltwirtschaft aus. Irgendwann nahmen die Kreditausfälle solche Ausmaße an, dass die kreditvergebenden Banken selbst in ihrer Existenz bedroht waren und auch sie von der Pleitewelle mitgerissen wurden. Hier spätestens hätten die Zentralbanken eingreifen müssen und gemäß ihrer Rolle als „Lender of last Resort“ den Banken die erforderliche Liquidität zur Verfügung stellen müssen. Doch ihr unbedingter Wille am Goldstandard festzuhalten, hinderte die Zentralbanken daran. Eine Intervention z.B. durch eine Kreditvergabe an die Geschäftsbanken hätte unweigerlich eine Erhöhung der Geldmenge bedeutet. Diese wäre aber nicht durch entsprechende Gold- und Devisenreserven gedeckt gewesen, woraufhin unmittelbar eine Kapitalflucht aufgrund von Abwertungsängsten eingesetzt hätte. Den Geschäftsbanken wäre das Geld schneller abgezogen worden als es die Zentralbank hätte bereitstellen können.[37] Der Goldstandard schränkte also die Handlungsfähigkeit der Zentralbanken ein und verurteilte sie zunehmend zur Handlungsunfähigkeit. Die Lösung des ganzen Problems hätte in einer internationalen Kooperation bestanden. Wenn alle Zentralbanken ihre Geldmenge erhöht hätten, wäre zum einen der weltweiten Kapitalknappheit begegnet worden, zum anderen wäre eine Kapitalflucht zwecklos gewesen und somit unterblieben. Leider herrschte international keine Einigkeit über die Ursachen der herrschenden Krise. So standen Frankreich und Deutschland, welche beide im Laufe der zwanziger Jahre eine große Inflation durchlebt hatten, einer Geldmengenerhöhung äußerst kritisch gegenüber. Sie sahen wie auch zunächst die USA in einer expansiven Kreditschöpfung durch die Fed, welche die Spekulationsblase von 1929 in den USA erst ermöglicht hatte, die eigentliche Ursache für die ganze Misere. Daher hielten sie es für sinnvoller, überschuldete Betriebe und Banken zu liquidieren.[38]

2.2 Schulden als dauernde Systembelastung:

2.2.1 Schuldendefinition:

Inlandsstaatsschulden sind alle Verbindlichkeiten die ein Staat unter seiner eigenen Rechtsprechung aufnimmt, unabhängig ob Sie auf Eigen- oder Fremdwährung lauten.[39] Bei Inlandsschuldenkrisen kommt nun der Staat den Verpflichtungen aus seinen inländischen Schulden nicht mehr nach.[40] Inlandsschulden werden in der Regel in Eigenwährung emittiert und zumeist von Inländern gehalten. Inlandsschulden sind somit Schulden, die ein Staat bei der eigenen Bevölkerung hat. Im ricardianischen Äquivalenztheorem von Robert Barros spielen sie keine Rolle, weil die Bürger bei einer höheren Verschuldung vermehrt sparen, da sie zukünftig mit Steuererhöhungen zur Schuldentilgung rechnen. Die Analyse geht jedoch von der Rückzahlung der Schulden aus![41] Auslandsstaatsschulden stellen die gesamten Schulden eines Staates gegenüber ausländischen Gläubigern dar. Die Konditionen des Schuldvertrages werden zumeist vom Gläubiger festgelegt und unterstehen dessen oder internationaler Rechtsprechung.[42] Von einer Auslandsschuldenkrise sprechen wir immer dann, wenn ein Land seine Staatsschulden die nicht der eigenen Rechtsprechung unterliegen, nicht mehr bedient. In der Regel sind die Gläubiger zum Großteil Ausländer und die Schuld lautet auf eine Fremdwährung. Somit erweisen sie sich auch in wirtschaftlichen Krisenzeiten als wertstabil. Trotz Inflation bzw. Abwertung der eigenen Währung bleiben Auslandschulden auf Fremdwährung in unveränderter Höhe bestehen. Real wachsen sie sogar an, da aufgrund eines niedrigeren Wechselkurses zu ihrer Begleichung und zur Erbringung des Schuldendienstes nun mehr an inländischer Währung aufgebracht werden muss. Da die Steuereinnahmen in Inlandswährung erbracht und am Devisenmarkt getauscht werden müssen, erhöhen Inflation und Abwertung die Auslandsschulden und machen somit eine Auslandsschuldenkrise wahrscheinlicher. Als Schuldenintoleranz wird bezeichnet, wenn ein Staat in der Auslandsverschuldung ein Instrument sieht, sich vor harten Steuerentscheidungen und Ausgabenkürzungen zu drücken und bewusst Geld im Ausland aufnimmt, ohne die Absicht seinen daraus resultierenden Verpflichtungen langfristig nachzukommen.[43] Je höher die Inflationsraten und die Anzahl der bereits in der Vergangenheit stattgefundenen Zahlungsausfälle ist, umso höher ist die Schuldenintoleranz eines Staates.[44] Muss ein Staat sich über Fremdmittel refinanzieren, so ist eine langfristige Inlandsverschuldung am zweckdienlichsten, da ein schneller Mittelabfluss sowie die Probleme bei der Devisenbeschaffung nicht auftreten können. Oft vergeben die Kreditgeber Kredite mit kurzen Laufzeiten, um die Schuldner zu mehr Disziplin zu zwingen. Denn somit ist der Schuldner zu ständiger Prolongation, d.h. Ablösung alter Schulden durch neue gezwungen. Verschlechtert sich seine wirtschaftliche Lage, sind die Kredite schneller abzuziehen. Damit sinkt das Risiko des Gläubigers, weshalb die Zinssätze für kurzfristige Kredite erheblich niedriger sind. Dadurch entsteht allerdings ein neues Problem. Ein Land könnte nun in eine Liquiditätskrise geraten, d.h. obwohl es willens und in der Lage ist, seine Schulden langfristig zu bedienen, könnte es vorübergehend zahlungsunfähig werden, wenn sich seine Gläubiger weigern, die Schulden zu pologieren.[45] Wie wir später zeigen, breitete sich die Weltwirtschaftskrise von den USA über den Abzug der kurzfristigen Auslandsschulden aus. Sie stellen somit einen der Mittelpunkte unseres Schuldenproblems dar. Den anderen bilden die langfristigen Auslandsschulden der Nationen untereinander in Form von Reparationen und Kriegsschulden aus dem WK I. Der hierdurch zu erbringende Schuldendienst schwächte das System des Goldstandards von Beginn an.

2.2.2 Maßstab für die Schuldentragfähigkeit:

Mit der Schuldentragfähigkeit wird festgestellt, ob ein Schuldner dazu in der Lage ist, seinen Schuldendienst zu erbringen. Dazu werden die Höhe der Schulden mit dem zur Verfügung stehenden Vermögen oder dem laufenden Einkommen verglichen. Am zweckmäßigsten ist es, die Gesamtschulden oder die Auslandsschulden des Staates mit den Staatseinnahmen also den Einnahmen aus allen Steuern, Abgaben, Beiträgen usw. zu vergleichen. Für Deutschland ergibt sich 1932 folgendes Bild. Werden lediglich die Auslandsschulden mit den Staatseinnahmen verglichen, liegt ein Verhältnis von 64% vor. Werden die Inlandsschulden mitberücksichtigt und die Gesamtschulden mit den Staatseinnahmen verglichen beträgt das Verhältnis 243%.[46] Die Schulden betrugen damals nahezu das 2,5-fache der jährlichen Einnahmen. Da der Staat die Möglichkeit hat, durch Steuererhöhungen seine Einnahmenbasis zu verbessern, erscheint ein Vergleich mit dem Steuerpotenzial der jeweiligen Volkswirtschaft, also der nationalen Wertschöpfung dem BIP sinnvoll. Bei der Schuldenquote vergleichen wir die Gesamtschulden eines Staates mit seinem BIP. Nach dem Maastricht-Kriterium der EU sollte die Staatsverschuldung nicht mehr als 60% des BIP betragen. Die Auslandsschuldenquote gibt das Verhältnis der Auslandsschulden am BIP wieder. Eine Abwertung der nationalen Währung führt aufgrund einer Verschlechterung des Wechselkurses automatisch zu einem Quotenanstieg, da die Schuld in nationaler Währung nun an Wert gewinnt und einen größeren Anteil am BIP ausmacht.[47] Um die Schuldenquoten zu senken, gilt es entweder das BIP durch Wirtschaftswachstum zu steigern oder die Schulden durch entsprechende Einsparungen im Staathaushalt zu tilgen.[48] Eine weitere wichtige Kennzahl ist die Auslandsschuldendienstquote. Hierbei werden die Schuldendienstzahlungen, also Zins und Tilgungszahlungen an das Ausland in Beziehung zu den Exporterlösen gebracht.[49] Als sinnvoll würde es besonders infolge der bereits angesprochenen Probleme mit kurzfristigen Auslandsschulden sein, diese mit den freien Devisenreserven zu vergleichen. Dadurch wäre ein Maßstab geschaffen, mit deren Hilfe eine Beurteilung möglich wäre, ob bzw. wie lange eine Nation den schnellen Abzug ihrer kurzfristigen Verbindlichkeiten tragen kann. Da eine Nation, nachdem sie einen Zahlungsausfall erlitten hat, einen Anstieg ihrer Schuldenintoleranz erfährt, wird sie nach jedem Zahlungsausfall bereiter sein, einen solchen hinzunehmen. Diese Erkenntnis ist erschreckend für sämtliche Tragfähigkeitskonzepte. Da es somit nicht ohne weiteres möglich ist anhand konkreter Zahlen festzumachen, ob ein Land seine Schulden bedienen wird. Mithilfe von Tragfähigkeitskonzepten lässt sich allenfalls abbilden, ob ein Land seine Schulden tragen kann, doch es muss dies auch wollen. Eine Bekämpfung der Korruption, Regulierung des inländischen Bankensektors und eine überwiegend langfristige anstatt auf kurzfristige Kredite basierte Verschuldung erhöhen die interne Zahlungsdisziplin und wirkt der Schuldenintoleranz somit entgegen.[50]

2.2.3 Entstehung eines staatlichen Zahlungsausfalls:

Eine Staatsinsolvenz unterscheidet sich grundlegend von der eines Unternehmens. Bei Staaten gibt es keinen Gerichtsvollzieher der die Möglichkeit hätte, Vermögenswerte zu sichern oder den Offenbarungseid abzunehmen. Ich kann einen Staat also zu nichts zwingen![51] Weshalb sollte eine Nation, wenn sie nicht zur Zahlung verpflichtet werden kann, diese überhaupt leisten? Jonathan Eaton und Mark Gersovitz gingen dieser Frage nach und stellten hierbei den Nutzen des internationalen Kapitalmarktes in den Vordergrund. In wirtschaftlich schlechten Zeiten können sich Nationen Geld leihen, um durch produktive Infrastrukturprojekte die Wirtschaft anzukurbeln. Durch Inlandsverschuldung wäre dies aufgrund des Crowding-Out-Effektes[52] nicht in entsprechendem Umfang möglich. Der Zugang zu internationalen Kapitalmärkten und damit der Nutzen steht einer Nation jedoch nur solange zur Verfügung, wie das Land eine gute Reputation aufweist. Eine Weigerung, die Schulden zu bedienen, würde die Reputation zerstören und zur Folge haben, dass die Nation keine Kredite über den internationalen Kapitalmarkt mehr erhält. Nach dieser Theorie liegt also ein Schneeballsystem vor, da eine Nation ja nur ihre Schulden bedient, um weitere Schulden anhäufen zu können. Irgendwann ist dann ein Punkt erreicht, an welchem die bestehende Schuldenlast so hoch ist, dass sie aus Sicht des Schuldners den Nutzen zukünftiger Kredite übersteigt, weshalb er sich für Zahlungsunfähig erklärt und jeden weitern Schuldendienst verweigert.[53] Bulow und Rogoff weisen daraufhin, dass der Gläubiger zwar keinerlei Handhabe hat auf Vermögenswerte des Schuldnerlandes in dessen Inland zuzugreifen, da diese nicht seiner Rechtsordnung unterstehen, sich dies aber bei ausländischen Vermögenswerten des Schuldners anders verhält. Auf diese kann der Gläubiger, insofern es die rechtlichen Rahmenbedingungen der anderen Nationen zulassen, jederzeit zugreifen. So können z.B. Direktinvestitionen des Schuldners im eigenen Land oder im Ausland beschlagnahmt werden. Infolge dessen kommt es zu weitreichenden Störungen des Außenhandels der Gläubigernation. Sie läuft nun Gefahr, dass einige Nationen Exporterlöse beschlagnahmen und dem Gläubiger zuführen. In der Praxis verhandeln Gläubiger und Schuldner um solche Störungen abzuwenden daher über einen partiellen Zahlungsausfall. Die Gläubiger verfügen also durchaus über Möglichkeiten, den Schuldner zumindest so unter Druck zu setzen, dass eine Neuverhandlung der Schulden in beiderseitigem Interesse ist. Zur Zahlung von Auslandsschulden kann jedoch kein Staat gezwungen werden.[54] Anhand von Kosten-Nutzen-Abwägungen überlegt die Schuldnernation zu welchen Leistungen sie bereit ist, um ihre internationale Reputation und einen störungsfreien Außenhandel zurückzuerhalten. Der Gläubiger hingegen steht vor der Wahl, keine Leistungen oder eben entsprechend geringere zu erhalten. In Umschuldungen erklärt sich der Gläubiger daher dazu bereit, auf einen Teil der Gesamtschuld zu verzichten, die Rückzahlungsdauer zu verlängern oder geringere Zinsen zu verrechnen. Für Länder mit höherem Ausfallrisiko verlangen die Gläubiger daher eine Risikoprämie, d.h. höhere Zinsen, um eben das Risiko der späteren Umschuldung einzupreisen.[55] Die Gefahren der Kreditvergabe an Staaten wurde gerade im Verlauf der Weltwirtschaftskrise anschaulich dargestellt. Bolivien löste sich zuerst vom Goldstandard und stellte im Januar 1931 den Schuldendienst ein, Peru im März, Chile im Juli, Brasilien und Kolumbien im Oktober. Doch auch mitteleuropäische Industrienationen blieben vor Zahlungsausfall nicht verschont. So wurden Jugoslawien, Ungarn und Griechenland 1932 und Deutschland, Österreich 1933 zahlungsunfähig.[56]

2.2.4 Reparationen und Kriegsschulden:

Im Versailler Vertrag wurden zwar Reparationen festgesetzt, es wurde jedoch keine Gesamtsumme genannt, da jede konkrete Summe für die Franzosen zu niedrig und für die Deutschen zu hoch ausgefallen wäre, weshalb diese durch eine Reparationskommission zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt werden sollte. Die Zahlungen sollten in Sachwerten also Devisen und Warenexporten erfolgen. Bereits nach den ersten Warenlieferungen kam es zu Protesten der heimischen Industrie, da deutsche Exportwaren deren Waren auf dem Heimatmarkt verdrängten, weshalb eine vollständige Zahlung in Devisen bzw. in Form von Rohstoffen wie z.B. Kohle angestrebt wurde. Doch ohne Export war es Deutschland nicht möglich, die Devisen für die Reparationen zu erwirtschaften und die Kohle wurde als Rohstoff für die eigene Industrie dringend gebraucht. England und Frankreich wiederrum brauchten das Geld von Deutschland, um ihre Schulden an die USA abzuzahlen. Im April 1921 legte die Reparationskommission eine Gesamtsumme von 132 Mrd. Goldmark (12,5 Mrd. Dollar)[57] fest, wovon die Deutschen bereits 7,9 Mrd. Goldmark in Form Auslandsvermögen, Schiffen und Warenlieferungen erbracht hätten.[58] Um dem Schuldendienst nachzukommen, musste Deutschland zwischen 600 und 800 Mio. Dollar jährlich zahlen, was in etwa 5% seines damaligen BIPs entsprach. Da Devisenzahlungen an Frankreich stark abnahmen, marschierte Frankreich im Januar 1923 ins Ruhrgebiet ein.[59] Mit passivem Widerstand wurde gewaltlos die Produktion sabotiert. Die Löhne wurden durch Subventionen des Staates finanziert. Diese Politik führte in Deutschland zur Hyperinflation des Jahres 1923, zur völligen Entwertung der Mark, Vernichtung sämtlicher Geldwerte und machte eine Währungsreform unumgänglich.[60] /[61] Im Dezember wurde die Dawes-Kommission eingesetzt. Aufgabe war, eine Stabilisierung der deutschen Währung und eine Festlegung regelmäßiger Reparationszahlungen zu erreichen. Deutschland sollte jährlich steigende Raten von 1 Mrd. bis 2,5 Mrd. Goldmark im fünften Jahr erbringen. Der sog. Transferschutz besagte, dass der Umtausch der deutschen Reparationszahlungen in Devisen von einem Reparationsamt unter alliierter Kontrolle durchgeführt wird. Die Durchführung des Tausches hing davon ab, ob Deutschland über genug Devisenreserven verfügt, also Handelsbilanzüberschüsse erwirtschaftet. Wenn die Reparationen auf dem Reparationskonto innerhalb der letzten drei Jahre nicht tauschbar waren, erhält Deutschland das Geld zurück. Die Reparationsleistungen sind somit direkt von den Exporten abhängig. Zudem wurde die sog. Dawes-Anleihe an der Wallstreet und in London aufgelegt. Sie war durch eine Hypothek auf das Eigentum der Reichsbahn besichert und stellte das nötige Kapital bzw. die Reserven zur Währungsreform und Einführung des Gold-Devisenstandards bereit.[62] Das Vertrauen in die deutsche Finanzwirtschaft steigt dadurch wieder an. Mit der Emission der Dawes-Anleihe in New York begann in den USA die Spekulation mit ausländischen Anleihen, welche sich erst ab 1930 abschwächte. Deutschland konnte sich neben vielen anderen mitteleuropäischen und lateinamerikanischen Staaten über die USA refinanzieren. Obwohl die deutsche Handelsbilanz mit Ausnahme des Jahres 1926 ständig einen Passivsaldo aufwies und auch die Dienstleistungsbilanz nur schwach positiv war, befand sich die Leistungsbilanz durchgehend in einem positiven Bereich. Dies ist der Kapitalbilanz mit ihren umfangreichen Kapitalimporten zuzuschreiben. Im Jahr 1930 belief sich die deutsche Auslandsverschuldung auf insgesamt 17,4 Mrd. RM, wobei lediglich 10 Mrd. RM langfristiger Art waren, d.h. 7,4 Mrd. RM konnten innerhalb relativ kurzer Fristen aus Deutschland abgezogen werden. Trotz eines ständigen Haushaltsdefizit zahlte Deutschland zwischen 1924 bis 1929 8,4 Mrd. RM an Reparationen.[63] Damals fand lediglich eine Umschuldung von öffentliche in private Schulden statt. Große private deutsche Unternehmen, vor allem Banken, legten Anleihen auf oder ließen sich Kreditlinien bei ausländischen Banken einräumen. Somit beschafften sie sich Kapital und kompensierten die fehlenden Spareinlagen der Deutschen, die ein Opfer der Inflation von 1923 geworden waren. Die hierdurch hereinkommenden Devisen wurden bei der Reichsbank gegen RM getauscht. Das Kapital wurde überwiegend langfristig an Industrie, Gewerbe, Haushalte oder Staat zu höheren Zinssätzen verliehen. Der Reichsbank standen nun die entsprechenden Devisen zum Transfer der Reparationen zur Verfügung. Nur resultierten diese Überschüsse ja nicht aus einem Wertschöpfungsprozess, also aus dem Verkauf von Waren sprich Export, sondern es handelte sich weiterhin um Schulden. Anstatt öffentlicher Schulden in Form von Reparationen hatte Deutschland nun viele private Gläubiger in Form der Anleiheninhaber und Banken. Sollten diese Deutschland irgendwann nicht mehr prolongieren, stand ein Zahlungsausfall bevor.[64] Die Reparationen waren zwar nicht ursächlich für die Depression, zusammen mit den Kriegsschulden stellten sie jedoch eine ständige Störgröße im damaligen Währungssystem dar, weshalb Keynes bereits im November 1919 vorschlug, einen kleinen Reparationsbetrag z.B. 6 Mrd. Dollar festzusetzen, da ansonsten Deutschland umfangreiche Exporte zu Lasten der eigenen Wirtschaft zu ermöglichen wären.[65] Zur Finanzierung des ersten Weltkrieges und unmittelbar danach hatten die Alliierten Staaten hohe Kriegsschulden bei den USA angehäuft. Insgesamt schuldeten sie den USA 12 Mrd. Dollar, wovon ca. 5 Mrd. auf GB und 4 Mrd. Dollar auf Frankreich entfielen. In der Ansicht von Briten, Franzosen, Italiener und Belgier bildeten die Kriegsschulden und Reparationen von Beginn an eine Einheit. Wie dies in der sog. Balfour-Note vom 1. August 1922 deutlich wird. In welcher die Briten erklären, ihre Außenstände nur in der Höhe einzutreiben, welche zur Tilgung der US-Schulden erforderlich ist. Die USA legten jedoch Wert auf die Unterscheidung, dass Reparationen einer Art Strafe sind während es sich bei Schulden um freiwillige Verpflichtungen in beidseitigem Einvernehmen handelt.[66] Die Amerikaner bestanden daher auf die Rückzahlung der gewährten Anleihen. Zu Neuverhandlungen waren sie nur mit jedem Schuldner einzeln unter Berücksichtigung der individuellen Zahlungsfähigkeit bereit. Auf diese Weise schloss die USA zwischen 1923 und 1926 13 Schuldenabkommen, wobei die zu zahlenden Zinssätze für die Kriegsschulden je nach individueller Leistungsfähigkeit festgelegt wurden. So zahlte GB ca. 3,5%, Frankreich aber nur ca. 1,6% Zins. Um Druck auszuüben, erlaubten sie nur jenen Länder Zugang zur Wallstreet und damit zum bedeutsamsten Refinanzierungsmarkt der damaligen Welt, die entsprechende Abkommen zur Zahlung ihrer Schulden gegenüber der USA ratifizierten. Das Problem sowohl der Kriegsschulden als auch der Reparationen war das Transferproblem. Wie konnten die zur Bezahlung nötigen Devisen erwirtschaftet werden?[67] Dies konnte nur in Form von Handelsbilanzüberschüssen also einer Steigerung des Exportes geschehen. Der Young-Plan sollte zu einer endgültigen Regelung der Reparationsfrage führen. Der Reparationsagent Patrik Gilbert war über die Kreditaufnahme zur Finanzierung der Reparationen beunruhigt. Die Deutschen wollten das Ende der Rheinlandbesetzung, welche seit 1923 andauerte und die Abschaffung des Reparationsagenten, um die nationale Souveränität in allen Finanzfragen zurück zu erhalten. Die Franzosen wollten sichere regelmäßige Zahlungen. Somit waren alle Interessengruppen zu einer Neuverhandlung bereit. Diese endete im Januar 1930. Vorteil des neuen Abkommens war, dass eine Kürzung bei den Kriegsschulden nun eine Kürzung um 2/3 des gekürzten Betrags bei den Reparationen nach sich zog, womit endlich ein Zusammenhang zwischen Reparationen und Kriegsschulden hergestellt war. Die Überwachung durch den Reparationsagenten entfiel, die Gesamtzahlungsdauer und Summe der Reparationen wurde endgültig festgelegt. In 59 Jahreszahlungen sollten gestaffelt von 1,7 Mrd. RM auf 2,35 Mrd. RM bis 1966 und dann bis 1988 1,452 Mrd. RM jährlich insgesamt 110,7 Mrd. RM an Reparationen gezahlt werden. Zum Nachteil Deutschlands war der Wegfall des Transferschutzes bzw. die Unterscheidung in einen fixen und variablen Reparationsteil. 700 Mio. RM waren als Fixbetrag vorgesehen und mussten von Deutschland jährlich in Devisen gezahlt werden. Der Restbetrag war variabel und konnte durch die BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) max. 2 Jahre zurückgestellt werden. Die Deutschen hatten also auch den variablen Teil in RM zu erbringen. Sein Umtausch in Devisen und damit die Auszahlung konnte jedoch durch die BIZ zurückgestellt werden.[68] Eine Young-Anleihe in Höhe von 300 Mio. Dollar wurde zu Lasten Deutschlands aufgelegt, wovon 2/3 an die Gläubiger und 1/3 an Deutschland floss.[69] Die Reparationszahlungen machten zwischen 1925 und 1931 9,7% bis 14,3% der Exporterlöse aus.[70] Das Hoover-Moratorium welches US-Präsident Hoover am 20 Juni 1931 vorschlug, beinhaltete den Vorschlag Kriegsschulden und Reparationen für ein Jahr auszusetzen. Da Frankreich zunächst nur auf seine variablen Reparationsanteil aus dem Young-Plan verzichten wollte, zogen sich die Verhandlungen bis zum 6. Juli 1931 hin. Das Moratorium sollte die Märkte entlasten, die gerade die Bankenkrise Mitteleuropas durchlebten. Die Verschärfung der Bankenkrise konnte diese Maßnahme indes nicht verhindern. Ausländische Einleger zogen ihr Geld weiterhin ab und ausländische Banken kürzten die Kreditlinie ihrer deutschen Geschäftspartner. Da die Deutschen die einmal geliehenen Devisen in Form von Reparationen weitergereicht hatten, waren sie nun bald nicht mehr in der Lage, die nötigen Kapitaltransfers zu bewerkstelligen und gingen zur Devisenzwangswirtschaft über. Die kurzfristigen Schulden bzw. ihr Abzug waren also, wie im Abschnitt „deutsche Bankenkrise“ noch deutlich wird, ursächlich für die Bankenkrise mit ihren wirtschaftlichen Folgen. Zu diesen hohen deutschen Auslandsschulden kam es aufgrund des günstigen Zinsniveaus in Deutschland. Dieser wiederum war nötig, um entsprechende Devisen zur Bezahlung der Reparationen zu erhalten. Die Reparationen selbst wurden aufgrund der Zahlungsunfähigkeit Deutschlands neu verhandelt. Im Sommer 1932 wurde auf der Konferenz von Lausanne festgelegt, dass die Reparationen gegen eine Restzahlung von 3 Mrd. Goldmark in Schuldscheinen von Deutschland beendet würden.[71] Die Schuldscheine wurden bei der BIZ von Deutschland zwar vorgelegt, aber nie eingelöst und schließlich vernichtet. Von 1924 bis 1930 wurden 9 bis 11 Milliarden Dollar an Krediten vergeben, wobei 60% der Gesamtsumme von den USA verliehen wurden. Großbritannien gewährte Kredite über 1,3 Mrd. Dollar und Frankreich über 1,34 Mrd. Dollar. Das Kapital aus GB und der USA wurde zum Großteil über langfristige Anleihen vergeben. Im Umfang reicht das Kreditvolumen während der Zwischenkriegszeit jedoch nicht an die Vorkriegszeit heran, so dass man nicht von einer Phase exzessiver Kreditvergabe sprechen kann.[72] Die Abb. 2 illustriert die Kapitalströme der 20´er und 30´er Jahre. Stieg die Kreditvergabe und daher der Kapitalstrom in die Gläubigerländer zunächst an, so war ab 1931 eine Umkehrung des Kapitalstroms zurück an die Gläubigerländer zu beobachten.

[...]


[1] Vgl. Stiglitz (1999), S. 652.

[2] Vgl. Stiglitz (1999), S. 653.

[3] Vgl. Stiglitz (1999), S. 652.

[4] Vgl. Schumpeter (2008), S. 159.

[5] Vgl. Schumpeter (2008), S. 151.

[6] Vgl. Schumpeter (2008), S. 159.

[7] Vgl. Stiglitz (1999), S. 977.

[8] Vgl. Plumpe (2011), S. 12f.

[9] Vgl. Plumpe (2011), S. 10.

[10] Vgl. Bohmann, Schülein (1994), S. 301.

[11] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 317f.

[12] liegt vor wenn die Exporte größer als die Importe sind.

[13] liegt vor wenn die Importe größer als die Exporte sind.

[14] Vgl. Eichengreen (2000), S. 45.

[15] Vgl. Obst, Kloten (1993), S. 424.

[16] Vgl. Kindleberger (2010), S. 81.

[17] Vgl. Eichengreen (2000), S. 47f.

[18] Vgl. Stahl (2008), S. 3.

[19] Vgl. Kindleberger (2010), S. 80.

[20] Vgl. Eichengreen (2000), S. 95.

[21] Vgl. Ahamed (2010), S. 181ff.

[22] Vgl. Kindleberger (2010), S. 55.

[23] Vgl. Eichengreen (2000), S. 48f.

[24] Vgl. Eichengreen (2000), S. 51ff.

[25] Vgl. Eichengreen (2000), S. 96ff.

[26] Vgl. Bernanke, James (1990), S. 6.

[27] Vgl. Ahamed (2010), S. 190f.

[28] Vgl. Eichengreen (2000), S. 107.

[29] Vgl. Eichengreen (2000), S. 108.

[30] Vgl. Bernanke, James (1990), S. 5.

[31] Vgl. Eichengreen (2000), S. 127.

[32] Vgl. Kindleberger (2010), S. 130 ff.

[33] Vgl. Kindleberger (2010), S. 219.

[34] Vgl. Ahamed (2010), S. 516ff.

[35] Vgl. Eichengreen (2000), S. 126.

[36] Vgl. Bernanke, James (1990), S. 11.

[37] Vgl. Eichengreen (2000), S. 110.

[38] Vgl. Eichengreen (2000), S. 112ff.

[39] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 56.

[40] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 61.

[41] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 120ff.

[42] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 55.

[43] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 71.

[44] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 76.

[45] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 114ff.

[46] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 194ff.

[47] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 72f.

[48] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 86.

[49] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 77.

[50] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 83.

[51] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 105.

[52] Vom Crowding-Out-Effekt wird gesprochen, wenn staatliche Nachfrage private Nachfrage verdrängt. Da durch die staatliche Kreditnachfrage der Zins ansteigt, nehmen private Investitionen ab.

[53] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 109f.

[54] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 111ff.

[55] Vgl. Reinhart, Rogoff (2011), S. 117ff.

[56] Vgl. James (2003), S. 82.

[57] Vgl. Ahamed (2010), S. 134.

[58] Vgl. Kindleberger (2010), S. 47.

[59] Vgl. Ahamed (2010), S. 137.

[60] Vgl. Kindleberger (2010), S. 48.

[61] Vgl. Ahamed (2010), S. 139.

[62] Vgl. Kindleberger (2010), S 50.

[63] Vgl. Meister (1991), S. 42f.

[64] Vgl. Kindleberger (2010), S. 98.

[65] Vgl. Ahamed (2010), S. 125.

[66] Vgl. Ahamed (2010), S. 148.

[67] Vgl. Kindleberger (2010), S. 51ff.

[68] Vgl. Meister (1991), S. 44f.

[69] Vgl. Kindleberger (2010), S. 98ff.

[70] Vgl. Meister (1991), S. 45.

[71] Vgl. Kindleberger (2010), S.226.

[72] Vgl. james (2003), S.84.

Ende der Leseprobe aus 88 Seiten

Details

Titel
Die zwei großen Kontraktionen der Weltwirtschaft 1929 und 2008 im Vergleich
Hochschule
Universität Hohenheim  (Lehrstuhl für Wirtschaftstheorie)
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
88
Katalognummer
V201463
ISBN (eBook)
9783656321606
ISBN (Buch)
9783656328308
Dateigröße
2113 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kontraktionen, weltwirtschaft, vergleich
Arbeit zitieren
Jens Moll (Autor:in), 2012, Die zwei großen Kontraktionen der Weltwirtschaft 1929 und 2008 im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201463

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