Lehrprüfung und Lehrbeanstandung im Recht der katholischen Kirche

Eine kanonistische Studie


Masterarbeit, 2012

73 Seiten, Note: 2,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das gesamte Gottesvolk als Träger der Lehrverkündigung und die besondere Zuständigkeit des kirchlichen Lehramts

3. Schutz der Glaubens- und Sittenlehre

4. Sorge der Hirten der Kirche für die Bücher

5. Das geltende Recht der katholischen Kirche hinsichtlich Lehrprüfung und Lehrbeanstandung
5.1 Die beiden römischen Verfahrensordnungen
5.2 Inhaltliche Klassifikation abgeschlossener Verfahren
5.2.1 John McNeill SJ
5.2.2 Jacques Pohier OP
5.2.3 Anthony Kosnik
5.2.4 Hans Küng
5.2.5 Charles Curran
5.2.6 Edward Schillebeeckx OP
5.2.7 Leonardo Boff OFM
5.2.8 André Guindon OMI
5.2.9 Tissa Balasuriya OMI
5.2.10 Jeannine Gramick SSND und Robert Nugent SDS
5.2.11 Reinhard Meßner
5.2.12 Jacques Dupuis SJ
5.2.13 Marciano Vidal CSsR
5.2.14 Roger D. Haight SJ
5.2.15 Jon Sobrino SJ
5.3 Systematisierung, Analyse und Diskussion der Ergebnisse

6. Ertrag der Untersuchung und Ausblick

Anhang: Text (lat./dt.) der „Agendi ratio in doctrinarum examine“ (1997)

Ordensakronyme

Literaturverzeichnis

Personenregister

1. Einleitung

Als an die Lehre und den Glauben der Kirche gebundene Wissenschaft unterscheidet die Theologie „sich hinsichtlich der objektiven Gebundenheit nur graduell, nicht aber in wesentlichen Bezügen von anderen wissenschaftlichen Disziplinen.“[1]

Unter der Voraussetzung, dass die Kirche Gemeinschaft eines Glaubens ist, und dieser Glaube auf bestimmten geoffenbarten Wahrheiten aufruht, ist die Theologie auf diese Fundamente verwiesen. Wer eine dieser „den Glauben begründenden Wahrheiten leugnet, bricht aus dieser Gemeinschaft des Glaubens aus; deshalb geschieht ihm kein Unrecht, wenn die Instanzen, die in dieser Gemeinschaft des Glaubens über die sachliche wie formale Unversehrtheit der Lehre wachen, ihm das Recht entzieht (sic!), im Raum dieser Gemeinschaft zu lehren.“[2]

Aus juristischer Sicht „verlangen eine Lehrbeanstandung und deren Folgen eine Rechtsgrundlage. Wer im Auftrag der kirchlichen Autorität katholische Theologie lehrt, muß Inhalt und Umfang der ihm dabei obliegenden Rechtspflichten kennen. Er muß wissen, welche Sanktionen ihn bei einer Verletzung der Rechtspflichten treffen werden oder können. Unklarheiten schaffen Rechtsunsicherheit.“[3]

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Rechtsgrundlagen der Lehrbeanstandung in der katholischen Kirche – ausgehend von ihren historischen Voraussetzungen – darzustellen, auf allfällige Unzulänglichkeiten hinzuweisen und Unklarheiten aufzuzeigen. Dies soll stets von dem Bemühen getragen sein, in der einschlägigen Fachliteratur genannte Verbesserungsvorschläge dankbar aufzugreifen, um auf diese Weise – in aller gebotenen Bescheidenheit – einen Beitrag zur Erhöhung der Rechtssicherheit auf diesem sensiblen Terrain zu leisten.

Bei der Lehrbeanstandung in der katholischen Kirche handelt es sich keineswegs um ein Massenphänomen. Dieser Feststellung kann die Beobachtung gegenübergestellt werden, dass ein derartiges Verfahren für den betroffenen Autor existenzbedrohend werden kann, was nicht nur gilt, wenn „gegen ihn Sanktionen verhängt werden, etwa ein Entzug der Lehrbefugnis, sondern auch schon dann, wenn nur vor seinen Schriften gewarnt wird.“[4]

Als ein weiteres Merkmal der Lehrbeanstandung kann festgehalten werden, dass es im Allgemeinen von einer kritischen Öffentlichkeit aufmerksam verfolgt wird, wobei die Sympathien der Beobachter von vornherein dem inkriminierten Autor gelten. Unabhängig davon, um welche Lehren es im Einzelnen geht, „sehen Außenstehende den in Frage gestellten Autor in der Rolle eines Dissidenten, der zu Unrecht verfolgt wird, so wie ein Journalist oder eine Menschenrechtlerin in einem politischen System ohne Meinungsfreiheit.“[5] Lehrbeanstandungsverfahren stehen daher häufig im Mittelpunkt medialen Interesses.

Bei den Betroffenen dieser Verfahrenstyps handelt es sich exklusiv um die Berufsgruppe der Theologen. Während Bischöfe sich vage ausdrücken und heikle Fragen umgehen können, wird von Theologen, die als Lehrer und Autoren tätig sind, erwartet, dass sie Stellung zu bestimmten Themen beziehen und sich einer klaren und verständlichen Sprache bedienen. Wenn ihre Schriften kritisiert werden, können „sie sich nicht darauf hinausreden, falsch zitiert worden zu sein.“[6]

Theologen stehen mit ihren Lehren, Schriften und Interpretationen naturgemäß unter besonderer Beobachtung der zentralen Kirchenleitung, weil sie das in Ausbildung befindliche, angehende Personal der Kirche, d.h. zukünftige Priester, Diakone, Katecheten, Pastoralassistenten und Religionspädagogen, unterrichten. Bei Nichtübereinstimmung ihrer Ansichten mit der Linie des kirchlichen Magisteriums sieht sich der Vatikan „in der Rolle des Wächters der dogmatischen Einheit, auch wenn er dafür Theologen disziplinieren oder zum Schweigen bringen muss.“[7]

Thomas Reese gibt zu bedenken, dass das Verhältnis zwischen Theologen und Papsttum nicht immer antagonistisch war. In der Vergangenheit war es oft das Papsttum, „das Theologen und Universitäten vor den Einmischungen von Ortsbischöfen und säkularen Autoritäten schützte. Wurde einer Universität die päpstliche Charta verliehen, war damit automatisch ein gewissen Ausmaß an Autonomie und Unabhängigkeit gewährleistet.“[8]

Während somit in früheren Zeiten die akademischen Gremien eine Selbstkontrolle ausübten, führten die Erfindung der Druckerpresse mit beweglichen Lettern und die protestantische Reformation zu zunehmenden Bemühungen der Kurie um Unterdrückung häretischer Äußerungen, wobei jedoch immer noch „im wesentlichen die örtlichen Inquisitionsgerichte, nicht Rom, die Untersuchungsverfahren anstrengten und Häretiker zum Schweigen verurteilten.“[9]

Für die Gegenwart konstatiert Reese den Versuch der obersten Kirchenleitung, „die Kontrolle über katholische Theologen schrittweise zu verschärfen“, worin die Ansicht des Vatikans zum Ausdruck komme, dass „Theologen dem ordentlichen Lehramt zu dienen und dieses keinesfalls in Frage zu stellen haben – eine Einstellung, die mit dem heutigen Verständnis von akademischer Freiheit kaum in Einklang zu bringen ist.“[10]

Indessen betrachten sich viele Theologen einfach nicht „als offizielle Vertreter der Kirche, die ‚im Namen der Kirche‘ lehren, sondern als Professoren, die ihre Lehrberechtigung aus ihrer Ausbildung und Kompetenz beziehen. Im Übrigen ist die Trennung zwischen Lehre und Forschung ihrer Meinung nach völlig künstlich, da ein guter Lehrer notwendigerweise forschen muss.“[11]

Wie Reese darlegt, muss ein Theologe „zwar die Ansichten des Papstes und der Bischöfe exakt und respektvoll darlegen, aber gleichzeitig in der Lage sein, sie zu evaluieren und seine eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen, vor allem wenn es sich nicht um unfehlbare Lehre handelt.“[12] Das Zweite Vatikanum habe – so Reese – die Ansicht unterstützt, dass mehr Freiheit für Diskussion und Forschung geboten ist, indem es frühere Positionen des römischen Lehramts revidierte. So kam es zur Rehabilitation von in den 1950er-Jahren noch beargwöhnten Theologen, womit das Konzil implizit die Legitimität und sogar den Wert des Dissenses bestätigte.[13]

Diese Theologen wurden durch ihre Berufung und Mitarbeit am Konzil rehabilitiert. Ob die gegen sie verhängten Sanktionen formell aufgehoben waren oder nicht, spielte keine Rolle. Die Verdikte gegen die Dominikaner Marie-Dominique Chenu und Yves Congar sowie den Jesuiten Henri de Lubac waren noch in den frühen fünfziger Jahren unter dem Pontifikat Pius XII. ergangen, während Karl Rahner noch an Pfingsten 1962 – als er bereits an der Vorbereitung für das Konzil mitarbeitete – von einer Vorzensur seiner Arbeiten getroffen wurde. Die Sanktion gegen letzteren wurde ein Jahr später aufgehoben.[14] „In dem Masse, als diese ganze Art des Umgangs des Heiligen Offiziums mit den Theologen bekannt wurde, verbreitete sich ein Gefühl der Beschämung. Viele am Konzil waren überzeugt, so etwas könne und dürfe nicht mehr vorkommen.“[15]

Im Anschluss an die während des Zweiten Vatikanischen Konzils erhobenen Forderungen, „auch denen, die den Glauben verkünden und die Glaubenswahrheiten erforschen, größeren rechtlichen Schutz zukommen zu lassen, wurden – allerdings unterschiedliche – Ordnungen für die Prüfung theologischer Lehraussagen und Lehrbeanstandungsverfahren erlassen. Das kirchliche Gesetzbuch nimmt darauf keinen Bezug.“[16]

2. Das gesamte Gottesvolk als Träger der Lehrverkündigung und die besondere Zuständigkeit des kirchlichen Lehramts

Zur Frage der Bewahrung, Erforschung und Weitergabe des Glaubensschatzes als der Kirche und damit allen Glaubenden aufgetragene Aufgabe formuliert das geltende Gesetzbuch der lateinischen Kirche wie folgt:

Can. 747 — § 1. Christus der Herr hat der Kirche das Glaubensgut anvertraut, damit sie unter dem Beistand des Heiligen Geistes die geoffenbarte Wahrheit heilig bewahrt, tiefer erforscht und treu verkündigt und auslegt; daher ist es ihre Pflicht und ihr angeborenes Recht, auch unter Einsatz der ihr eigenen sozialen Kommunikationsmittel, unabhängig von jeder menschlichen Gewalt, allen Völkern das Evangelium zu verkündigen.

§ 2. Der Kirche kommt es zu, immer und überall die sittlichen Grundsätze auch über die soziale Ordnung zu verkündigen wie auch über menschliche Dinge jedweder Art zu urteilen, insoweit die Grundrechte der menschlichen Person oder das Heil der Seelen dies erfordern.

Diese Regelung steht an der Spitze einer Reihe einleitender Canones, die für alle folgenden Titel des kodikarischen Verkündigungsrechts gelten. Es handelt sich dabei gewissermaßen um die Grundnorm des Verkündigungsrechts. Es geht dabei um die Sicherung der Identität der christlichen Lehre, wozu auch rechtliche Mittel beitragen können. Dazu gehören etwa die Bevollmächtigung des Verkündigenden und Verfahrensfragen bei Delikten. Als Gliederungsschema der Norm des c. 747 dienen die Stichworte „fides“ und „mores“: in § 1 geht es um die Verkündigung des Glaubensgutes, in § 2 um die Verkündigung der Sittenlehre der Kirche.[17]

Mit der Weitergabe der göttlichen Offenbarung hat sich das Zweite Vatikanische Konzil in der Konstitution Dei Verbum (Kapitel II, Die Weitergabe der göttlichen Offenbarung, Art. 7) auseinandergesetzt:

Was Gott zum Heil aller Völker geoffenbart hatte, das sollte – so hat er in Güte verfügt – für alle Zeiten unversehrt erhalten bleiben und allen Geschlechtern weitergegeben werden. Darum hat Christus der Herr, in dem die ganze Offenbarung des höchsten Gottes sich vollendet (vgl. 2 Kor 1,20; 3,16 - 4,6), den Aposteln geboten, das Evangelium, das er als die Erfüllung der früher ergangenen prophetischen Verheißung selbst gebracht und persönlich öffentlich verkündet hat, allen zu predigen als die Quelle jeglicher Heilswahrheit und Sittenlehre und ihnen so göttliche Gaben mitzuteilen.

Dieser Text nennt zwei Inhalte der göttlichen Verfügung hinsichtlich der Offenbarung: Bewahrung und Weitergabe. Bei der getreuen Darlegung des Wortes Gottes geht es um das Glaubensgut. Der lateinische terminus technicus für das Glaubensgut heißt depositum fidei, wobei depositum das anvertraute Gut bezeichnet. Dieses darf aber nicht vergraben werden, um es vor Verlust zu bewahren. Hinter dem Begriff des depositum fidei steht das Rechtsinstitut des Depositenvertrags, wobei der griechische Begriff Paratheke im römischen Recht mit depositum wiedergegeben wird, also mit dem Wort, das auch c. 747 § 1 CIC verwendet. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass das Glaubensgut der Kirche treuhänderisch anvertraut ist.

In Dei verbum Art. 8 Abs. 2 wird dieser wesentliche Aspekt der apostolischen Aufgaben der Kirche wie folgt formuliert:

Diese apostolische Überlieferung kennt in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt: es wächst das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen (vgl. Lk 2,19.51), durch innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt, durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben; denn die Kirche strebt im Gang der Jahrhunderte ständig der Fülle der göttlichen Wahrheit entgegen, bis an ihr sich Gottes Worte erfüllen.

Der rechte Umgang mit dem anvertrauten Wort Gottes hat nach der Lehre der Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung also einen dreifachen Inhalt: Bewahren, Erforschen und Weitergabe des Glaubens.

Nach Dei Verbum Art. 8 Abs. 2 kommt sowohl allen Gläubigen als auch den Bischöfen eine Aufgabe hinsichtlich der Weitergabe der göttlichen Offenbarung zu. Der Dienst am Wort Gottes ist also allen Gläubigen aufgetragen: durch Taufe und Firmung ist allen Christgläubigen Anteil am prophetischen Amt Christi übertragen worden.

Der Anteil der gesamten Kirche am prophetischen Amt Christi wird in Lumen Gentium Art. 12 Abs. 1 mit aller Klarheit gelehrt:

Das heilige Gottesvolk nimmt auch teil an dem prophetischen Amt Christi, in der Verbreitung seines lebendigen Zeugnisses vor allem durch ein Leben in Glauben und Liebe, in der Darbringung des Lobesopfers an Gott als Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen (vgl. Hebr 13,15).

Von der Berufung aller Christgläubigen zur Bewahrung, Erforschung und Weitergabe des geoffenbarten Glaubensgutes muss das kirchliche Lehramt unterschieden werden. Dabei geht es um eine formale Unterscheidung, insofern die Ausübung des kirchlichen Lehramtes auf einem besonderen Auftrag beruht, der über die in Taufe und Firmung gegebene Sendung hinausgeht. Diese Vollmacht wird in der Weihe auf die Bischöfe übertragen. Diese sind die Träger des hoheitlichen Lehramtes der Kirche, die „als mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer den authentischen Glauben zu bezeugen haben.“[18]

Die Grundlage für diese Auffassung finden wir in Lumen Gentium Art. 18, womit das dritte Kapitel der Konstitution mit der Überschrift „Die hierarchische Verfassung der Kirche, insbesondere das Bischofsamt“ eingeleitet wird:

Um Gottes Volk zu weiden und immerfort zu mehren, hat Christus der Herr in seiner Kirche verschiedene Dienstämter eingesetzt, die auf das Wohl des ganzen Leibes ausgerichtet sind. Denn die Amtsträger, die mit heiliger Vollmacht ausgestattet sind, stehen im Dienste ihrer Brüder, damit alle, die zum Volke Gottes gehören und sich daher der wahren Würde eines Christen erfreuen, in freier und geordneter Weise sich auf das nämliche Ziel hin ausstrecken und so zum Heile gelangen.

Im Rahmen ihrer Aufgaben ist das kirchliche Lehramt für die Kontinuität und Identität der Glaubensverkündigung zuständig. Das Glaubensgut und der Inhalt der Glaubensverkündigung müssen gleich bleiben, zugleich muss die Glaubensverkündigung aber so geschehen, dass sie auch die Menschen von heute erreicht. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn die Glaubensverkündigung von den Menschen als relevant wahrgenommen wird. Daraus resultiert ein Dilemma, das von dem protestantischen Theologen Jürgen Moltmann präzise beschrieben wurde.

Nach Moltmann stehen die christliche Existenz von Theologien, Kirchen und Menschen heute mehr denn je in einer doppelten Krise: der Relevanzkrise und der Identitätskrise, wobei beide Krisen komplementär zusammenhängen. „Je mehr Theologie und Kirche in den Problemen der Gegenwart relevant zu werden versuchen, um so tiefer werden sie in eine Krise ihrer eigenen christlichen Identität hineingezogen. Je mehr sie ihre Identität in traditionellen Dogmen, Riten und Moralvorstellungen zu behaupten versuchen, um so irrelevanter und unglaubwürdiger werden sie. Diese Doppelkrise kann zutreffender als identity-involvement-dilemma bezeichnet werden.“[19]

Aufgrund der Komplementarität beider Krisen gilt somit: „Wo Identität gefunden wird, wird Relevanz fraglich. Wo Relevanz erreicht wird, wird Identität fraglich. Wir können diese Doppelkrise jetzt im Blick auf den christlichen Glauben so präzisieren, daß jede dieser Krisen nur die Kehrseite der anderen ist und darum beide Krisen auf einen Nenner gebracht werden können. […] Christliche Existenz ist in der Nachfolge des Gekreuzigten eine den Menschen selbst und die Verhältnisse verändernde Praxis.“[20]

Nunmehr besteht aber „das Glaubensleben der Kirche nicht in einem bloßen Gegenüber von Autorität und Gehorsam, von Über- und Unterordnung. Die Besonderheit des rechtlichen Wesens der Lehrautorität ist es, dass sie weder eine ‚Autorität über die Kirche‘ noch eine ‚Autorität der Kirche‘ ist, sondern eine ‚Autorität in der Kirche‘; einem Glaubensurteil […] unterliegen die Träger des hoheitlichen Lehramtes selbst, gleichsam als erste Gläubige der Kirche.“[21] So kommt es zu einer wechselseitigen Beziehung, die man „die Communio-Struktur des Glaubenslebens der Kirche nennen [kann]. Darin sind die apostolische Autorität und die Gemeinschaft der Gläubigen in einer Weise verbunden, dass der Glaube der Kirche unter den veränderlichen Bedingungen von Raum und Zeit bewahrt und entfaltet werden kann, ohne dass das Lehramt zu einer Willkürherrschaft in Glaubenssachen entartet oder der Glaubenssinn der Gläubigen zu bloßen Modeansichten in Hinblick auf den Glauben verflacht.“[22]

3. Schutz der Glaubens- und Sittenlehre

Wenn wir nun die Frage stellen, welche rechtlichen Mittel dem kirchlichen Lehramt zur Erfüllung dieser Aufgaben zur Verfügung stehen, so sind dies im Wesentlichen drei:

1.) Die geordnete Übertragung und Weitergabe der amtlichen Lehrvollmacht, wobei nach der Lehre des Konzils „durch die Bischofsweihe die Fülle des Weihesakraments übertragen wird. […] Die Bischofsweihe überträgt mit dem Amt der Heiligung auch die Ämter der Lehre und der Leitung, die jedoch ihrer Natur nach nur in der hierarchischen Gemeinschaft mit Haupt und Gliedern des Kollegiums ausgeübt werden können“ (LG Art. 21 Abs. 2), während „Priesterweihe und Diakonenweihe eine graduell abgestufte Teilhabe an dem Weihesakrament vermitteln (LG Art. 28 und 29). Alle drei Stufen bilden zusammen die Hierarchie; dies bedeutet, dass ihre Glieder in verschiedenem Umfang befähigt sind, Träger geistlicher Vollmacht zu sein.“[23]

2.) Das Aufstellen von Bekenntnisformeln: Dem kirchlichen Lehramt kommt die Formulierung von Texten zu, die in verbindlicher Weise den Glauben der Kirche zum Ausdruck bringen (Glaubensformeln, Glaubensbekenntnisse, Symbola und Dogmen).

3.) Die Vertiefung des Verständnisses des Glaubensgutes in der theologischen Forschung und Lehre: Hierbei kann eine doppelte Funktion des Lehramtes unterschieden werden, einmal in negativer Weise: bei der Sicherung und dem Schutz des Glaubens vor Verfälschung – diese Funktion stand bislang fast ausschließlich im Vordergrund, wenn es um die Beziehung zwischen wissenschaftlicher Theologie und kirchlichem Lehramt ging –, ein andermal in positiver Weise: bei der Förderung vertiefter Erkenntnis des Glaubensgehaltes.

Wir können also festhalten, dass eine uneingeschränkte „Verpflichtung des gesamten Volkes Gottes, insbesondere der Theologen, in Zusammenarbeit mit den Hirten für die Reinerhaltung des Glaubens und der Sittenlehre Sorge zu tragen“,[24] besteht.

4. Sorge der Hirten der Kirche für die Bücher

Die Bestimmungen des Codex Iuris Canonici von 1917 betreffend die Sorge für die Bücher (Caput I: De praevia librorum censura, cc. 1385-1394; Caput II: De prohibitione librorum, cc. 1395-1405) mit den Rechtsaussagen über die Druckerlaubnis („Imprimatur“) sind neugeordnet und „durch Rechtsaussagen zu anderen Medien erweitert worden. Das ist einsichtig, nachdem das Zweite Vatikanische Konzil den Kommunikationsmitteln in einem eigenen Dekret seine Aufmerksamkeit zugewandt hat.“[25] Dabei handelt es sich um das Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel Inter mirifica.

Die in Caput I geregelte vorausgehende Prüfung und Beurteilung der Bücher lassen sich „bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgen und ergeben sich mit Konsequenz aus der Erfindung der Buchdruckerkunst.“[26] Dabei sollte man nicht übersehen, dass Zensur bis ins frühe Christentum zurückgeht. Nach dem Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf bietet das Decretum Gelasianum von 494 „erstmals so etwas wie einen Index der verbotenen Bücher, eine Liste von rund sechzig apokryphen und häretischen Werken – allerdings noch ohne die Androhung von Sanktionen.“[27] Dieses unter dem Namen des Papstes Gelasius I. überlieferte Werk – eigentlich: Decretum Gelasianum de libris recipiendis et non recipiendis – wurde jedoch als Falsum entlarvt.[28]

Auch im Mittelalter wurden einzelne Autoren und ihre Werke von der Kirche verurteilt. Beispielsweise: Berengar von Tours (1050), Petrus Abaelard (1120), Johannes Scotus Eriugena (1225), Marsilius von Padua (1327), John Wyclif (1387, 1413) oder Jan Hus (1415). Der jüdische Talmud „wurde mehrfach verboten und verbrannt, so in Paris 1242. Die Werke des Aristoteles waren von der Sorbonne 1210 und 1230 verboten worden, seine Bücher wurden jedoch nicht verbrannt, sondern von Dominikanern und Franziskanern konfisziert.“[29]

Produktion, Verkauf, Lektüre und Besitz der Schriften Martin Luthers waren im Wormser Edikt 1521 „unter Androhung harter Strafen verboten worden. Der Kaiser folgte hier den römischen Vorgaben, denn mit der Bulle ‚Exsurge Domine‘ waren 1520 Luthers Werke vom Papst verdammt worden.“[30]

Die Sorbonne in Paris veranlasste im Jahr 1544 erstmals „die Publikation eines Verzeichnisses mit 230 gefährlichen Büchern in lateinischer und französischer Sprache. In rascher Folge kamen in den Jahren 1545, 1547, 1549, 1551 und 1556 erweiterte Neuauflagen des Katalogs auf den Markt. Sie umfassten schließlich 530 Bücher, 278 lateinische und 258 französische. Zumeist handelte es sich um theologische Traktate, Polemiken und andere Werke der Reformatoren und ihrer Anhänger.“[31] Es liegt auf der Hand, dass Kataloge dieser Art erst nach der Erfindung des Buchdrucks notwendig waren. Davor war es ausreichend, ein handschriftlich verbreitetes Exemplar eines als gefährlich angesehenen Werks einfach dem Feuer zu übergeben. Dem Sorbonner Vorbild „folgte in den Jahren 1546, 1550 und 1558 der Index der Universität Löwen. Er umfasste schließlich 450 Bücher, darunter 60 Ausgaben der Heiligen Schrift und des Neuen Testaments.“[32]

Im Jahr 1549 erschien in Venedig der erste Index librorum prohibitorum des Nuntius Giovanni della Casa (1503-1556). Er enthielt „149 Bücherverbote in drei Gruppen: zunächst Autoren, deren ganzes Œuvre verboten war, dann einzelne Werke bestimmter Verfasser und schließlich anonyme Schriften.[33] Ausführlichere Kataloge erschienen „1552 zu Florenz, 1554 zu Mailand, der erste in späterhin gebräuchlichen Form zu Rom 1559. Er enthielt Schriften der Kardinäle, die Gedichte jenes Casa selbst. Nicht allein Druckern und Buchhändlern wurden diese Gesetze gegeben, selbst den Privatleuten ward es zur Gewissenspflicht gemacht, die Existenz der verbotenen Bücher anzuzeigen, zu ihrer Vernichtung beizutragen. Mit unglaublicher Strenge setzte man diese Maßregel durch.“[34]

Einem 1547 durch die Portugiesische Inquisition zusammengestellten Katalog (160 Bücherverbote), der noch nicht gedruckt wurde und zumindest zum Teil die Sorbonner Liste rezipierte, „folgte 1551 eine gedruckte ‚schwarze Liste‘ mit rund 500 Verdammungen, die überwiegend auf den Löwener Katalog zurückgingen. Der erste Index der Spanischen Inquisition wurde ebenfalls 1551 gedruckt. Eine erweiterte Ausgabe erschien 1559 mit 698 Bücherverboten, darunter immerhin 15 deutsche Werke protestantischer Autoren.“[35]

1571 errichtete Pius V. eine eigene Index-Kongregation, deren Aufgaben aber mit dem kirchlichen Gesetzbuch von 1917 dem Heiligen Offizium übertragen wurden, das am 7. Dezember 1965 in Sacra Congregatio pro Doctrina Fidei und im Zuge der Reform im Jahr 1988 in Congregatio de Doctrina Fidei (Art. 48 Pastor Bonus) umbenannt wurde. Die Bücherverbote des Heiligen Stuhls wurden im Päpstlichen Amtsblatt, den Acta Apostolicae Sedis, veröffentlicht; zugleich wurde jedes ausdrückliche verbotene Buch in den Index aufgenommen. Das Verbot eines Buches hatte zur Folge, dass es ohne Erlaubnis nicht herausgegeben, gelesen, aufbewahrt, verkauft, in fremde Sprachen übersetzt und in keiner Weise anderen überlassen werden durfte.

Während der Zeit des Nationalsozialismus „rückten römische Bücherverbote noch einmal in den Mittelpunkt des Interesses. Denn durch Dekret des Heiligen Offiziums vom 7. Februar 1934, also ein knappes Jahr nach der ‚Machtergreifung‘ Adolf Hitlers und rund fünf Monate nach der Ratifizierung des Reichskonkordats, war einer der Chefideologen der ‚Bewegung‘, Alfred Rosenberg (1893-1946), mit seinem Mythus des 20. Jahrhunderts auf dem Index gelandet.“[36] Auffallend ist, dass Adolf Hitlers Mein Kampf nicht auf den Index gesetzt wurde; die Gründe dafür konnten bislang nicht aufgeklärt werden.[37]

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Zahl der Indizierungen „insgesamt drastisch zurückgegangen; überdies hatte der römische Bannstrahl zumeist ‚nur‘ noch ‚progressive‘ katholische Theologen wie den Dominikaner Marie-Dominique Chenu (1895-1990) als Vertreter der ‚Nouvelle Théologie‘ (1942) oder die deutschen Reformer Georg Koepgen, Matthias Laros (1941), Ernst Michel (1952) und Josef Thomé (1955) sowie den Schweizer Otto Karrer (1942) getroffen. Die Indizierung von Intellektuellen […] blieb eher die Ausnahme.“[38]

Die letzte amtliche Neuausgabe des Index erschien auf Befehl Pius XII. im Jahre 1948. Danach „publizierte die vatikanische Druckerei am 5. Januar 1954 lediglich noch ein Beilageblatt, das die seither erfolgten 15 Indizierungen auf einer Seite auflistete.“[39] Unter den 15 Indizierten findet man z.B.: Sartre, Jean-Paul. Opera omnia. 27 oct. 1948. Aber auch: Klein, Joseph. Grundlegung und Grenzen des kanonischen Rechts. 20 sept. 1950.

„Die nachfolgende Beurteilung von Büchern […] und der […] ‚Index librorum prohibitorum‘ waren lange Gegenstand heftiger Angriffe auch innerhalb des Kirchenvolks.“[40] In den Voten der Bischöfe der Jahre 1959/60 zu den auf dem bevorstehenden Konzil zu behandelnden Themen spielte das Thema Index indessen „überraschenderweise nur eine untergeordnete Rolle. Wenn der Index und Buchverbote überhaupt angesprochen wurden, ging es vor allem um Verfahrensfragen. Nur ein einziger Bischof, Wilhelm Kempf (1906-1982) aus Limburg, verlangte ausdrückliche eine Abschaffung des Index.“[41]

Obwohl manche Kardinäle die Hoffnung hegten, „das Konzil werde zum Index Grundsätzliches beschließen, befasste es sich bei seinen Beratungen im Petersdom nie ausdrücklich mit dieser Thematik.“[42] Lediglich im Zuge der Debatte über den Entwurf Über die Instrumente sozialer Kommunikation auf dem Zweiten Vatikanum plädierte der Erzbischof von Siena, Ismaele Mario Castellano, für die „Abschaffung des Index verbotener Bücher und fand dafür manche Zustimmung im Plenum.“[43] Bereits kurz nach dem Abschluss des Konzils, am 14. Juni 1966, hob die Kongregation für die Glaubenslehre den Index der verbotenen Bücher auf. Durch Dekret der Kongregation für die Glaubenslehre vom 15. November 1966 [44] wurden „die gesetzlichen Bücherverbote (c. 1399 CIC/1917) abgeschafft und die Strafen, die auf Grund dieser Verbote eingetreten waren (vgl. c. 2318 CIC/1917), aufgehoben.“[45] Auf die Vorgänge bei der Abschaffung des Index wird unten nochmals genauer einzugehen sein.

Wir können daher festhalten: Es gibt heute kein rechtlich geregeltes Mittel der nachfolgenden Beurteilung von Schriften mehr, wenn man von der Bestimmung in c. 823 § 1 CIC absieht:

Can. 823 — § 1. Um die Unversehrtheit der Glaubenswahrheiten und der Sittenlehre zu bewahren, ist es Pflicht und Recht der Hirten der Kirche, darüber zu wachen, daß nicht durch Schriften oder den Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel Glaube oder Sitten der Gläubigen Schaden nehmen; ebenso haben sie zu verlangen, daß von Gläubigen herauszugebende Schriften, die den Glauben oder die Sitten berühren, ihrem Urteil unterworfen werden; schließlich haben sie Schriften zurückzuweisen, die dem rechten Glauben oder den Sitten schaden.

Die in dieser Norm angesprochene Zurückeisung (reprobatio) kann nicht mehr durch ein schlichtes Bücherverbot geschehen, sondern nur noch durch eine argumentative Auseinandersetzung mit den in solchen Medien vertretenen Ansichten.

Eine gewisse Einschränkung ist hier angebracht, insofern die obigen Ausführungen ausschließlich das Recht der lateinischen Kirche betreffen. Im Gesetzbuch für die katholischen Ostkirchen wurde indessen die Möglichkeit eines Bücherverbots wieder eingeführt, und zwar aufgrund der Regelung des c. 652 § 2 CCEO:

Zum Schutz der Unversehrtheit von Glaube und Sitten kommt es dem Eparchialbischof, der Synode der Bischöfe der Patriarchatskirche, dem Hierarchenrat und dem Apostolischen Stuhl zu, den Christgläubigen zu verbieten, soziale Kommunikationsmittel zu gebrauchen oder sie zu verbreiten, sofern es dieser Unversehrtheit zum Schaden gereicht.

Durch das am 19. März 1975 erlassene Dekret De Ecclesiae pastorum vigilantia circa libros [46] erfuhr auch die „vorausgehende Beurteilung und Prüfung der Bücher mit theologischem Inhalt eine grundlegende Änderung, die in die Bestimmungen über den Schutz des Glaubens im kirchlichen Gesetzbuch eingegangen ist.“[47]

Mit diesem Dekret wurde die rechtliche Verpflichtung, vor Veröffentlichung einer Schrift die kirchliche Druckerlaubnis („Imprimatur“) einzuholen, wesentlich eingeschränkt. Bis dahin bestand diese Verpflichtung für alle Schriften mit einem irgendwie religiös-ethischen Inhalt (vgl. cc. 1385-1394 CIC/1917). Die Neuordnung hat das „Erfordernis der kirchlichen Druckerlaubnis nur noch auf bestimmte Sachbereiche (z.B. Katechese, Liturgie) bezogen, eine Regelung, die vom kirchlichen Gesetzbuch aus dem Jahr 1983 übernommen wurde (vgl. cc. 822-832 CIC/1983); freilich blieb hiervon das Recht bzw. die Pflicht der Bischöfe unberührt, gegebenenfalls bestimmte theologisch relevante Schriften, die von Gläubigen herausgegeben werden, ihrem Urteil zu unterziehen, auch wenn sie nicht unter die vorgenommene Einschränkung fallen (vgl. c. 823 § 1 CIC/1983).“[48]

Die erwähnten Canones sind in einem eigenen Titel IV: Soziale Kommunikationsmittel, insbesondere Bücher (De instrumentis communicationis socialis et in specie de libris), welcher die cc. 822-832 umfasst, im Buch III des CIC/1983 über den Verkündigungsdienst der Kirche enthalten.

Am 30. März 1992 veröffentlichte die Kongregation für die Glaubenslehre die Instruktion über einige Aspekte des Gebrauchs der sozialen Kommunikationsmittel bei der Förderung der Glaubenslehre.[49] Peter Krämer unterzieht die genannte Instruktion einer eingehenden Beurteilung und stellt dabei drei Fragen:

Erste Frage: Was beinhaltet die Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre vom 30.3.1992?

Die Instruktion greift immer wieder auf den CIC/1983 zurück, „um deutlich zu machen, daß sie sich auch inhaltlich eng an dieses Gesetzbuch anlehnt.“[50]

Im ersten Abschnitt „Die Verantwortung der Hirten im allgemeinen“ spricht die Instruktion von der Verantwortung der Bischöfe „im Hinblick auf Schriften, die von Gläubigen herausgegeben werden, und den Gebrauch von Kommunikationsmitteln überhaupt.“[51]

In Übereinstimmung mit cc. 825-828 CIC zählt die Instruktion (n. 7) die Schriften auf, für die eine Erlaubnis oder Genehmigung der zuständigen kirchlichen Autorität rechtsverbindlich vorgeschrieben ist:

II. Approbation oder Erlaubnis für verschiedene Arten von Schriften

7. Verpflichtung zur Einholung von Approbation oder Erlaubnis

§ 1. Für bestimmte Publikationen fordert der Codex entweder eine Approbation oder eine Erlaubnis:

a) Die vorherige Billigung ist zumal für die Veröffentlichung der Bücher der Heiligen Schriften und deren Übersetzungen in den geläufigen Sprachen gefordert (vgl. can. 825 § 1), für Katechismen und katechetische Schriften (vgl. cann. 775 § 2; 827 § 1), für Texte in Schulbüchern, und zwar nicht nur für Grund- und Mittel-, sondern auch für höhere Schulen, deren Fachbereich Glaube und Moral behandelt (vgl. can. 827 § 2).

b) Eine vorherige Erlaubnis ist dagegen für die Erarbeitung und Veröffentlichung seitens der Gläubigen, auch bei einer Zusammenarbeit mit den getrennten Brüdern, der Übersetzungen der Heiligen Schriften notwendig (vgl. can. 825 § 2), für Gebetbücher zum öffentlichen oder privaten Gebrauch (vgl. can. 826 § 3), für die Neuausgabe der Sammlungen von Dekreten oder Akten der kirchlichen Autorität (vgl. can. 828), für die Veröffentlichungen von Klerikern und Ordensleuten in Tageszeitungen, Kleinschriften und periodischen Zeitschriften, die die katholische Religion oder die guten Sitten offenkundig anzugreifen pflegen (vgl. can. 831 § 1), endlich für die Schriften von Ordensleuten, die Fragen der Religion oder der Sitten behandeln (vgl. can. 832).

§ 2. Die kirchliche Approbation oder Erlaubnis setzt das Urteil des Gutachters bzw. der Gutachter voraus, wenn man es für angebracht hält, daß es mehrere sind (vgl. can. 830); sie garantiert, daß diese Schrift nichts gegen das authentische Lehramt der Kirche über Glauben und Sitten enthält, und bestätigt, daß alle einschlägigen Vorschriften des kanonischen Rechtes erfüllt sind. Es ist daher angezeigt, der Erlaubnis auch den entsprechenden Kanon ausdrücklich beizufügen.

Der Ortsordinarius ist bei der Prüfung von Schriften an ein bestimmtes Verfahren gebunden, wobei die Instruktion entfaltet, was in c. 830 CIC grundgelegt ist: „Es sind ein oder mehrere Gutachter zu bestellen; das zu erstellende Gutachten ist schriftlich abzufassen. Wird die Erlaubnis bzw. Approbation für eine Drucklegung nicht erteilt, muss die Verweigerung dem Autor gegenüber begründet werden; dieser kann sich dann an einen anderen (zuständigen) Ordinarius wenden oder legt gemäß cc. 1732-1739 Beschwerde beim Apostolischen Stuhl ein. Im Vergleich zum früheren Codex fällt auf, daß die Bestimmung über die Anonymität des Gutachters weggefallen ist (vgl. c. 1393 § 5 CIC/1917), ebenso die Bestimmung über die mögliche Vorenthaltung der Begründung, wenn die Erlaubnis zur Drucklegung verweigert wurde (vgl. c. 1394 § 2 CIC/1917).“[52]

Zweite Frage: Ist die geltende Rechtslage durch die Instruktion abgeändert worden?

Die Instruktion enthält einen ausdrücklichen Verweis auf c. 34 CIC, womit die gestellte Frage eigentlich schon beantwortet ist. Änderungen gegenüber der kodikarischen Rechtslage können sich nicht ergeben, da es sich bei diesem Dokument um eine echte Instruktion nach c. 34 CIC handelt, also um Ausführungsbestimmungen zu den cc. 822-832 CIC.[53]

Krämer bezieht die Frage aber auch auf die „beiden wichtigsten nachkonziliaren Änderungen im Bereich sozialer Kommunikationsmittel: die Aufhebung des Index und die Einschränkung der vorausgehenden Prüfung von Büchern.“[54]

Die erste Änderung bedeutet nicht etwa die Wiedereinführung des Index. Die Instruktion unterstreicht das Recht bzw. die Pflicht der Kirche, sich mit Büchern auseinanderzusetzen und sie im Falle eines unüberbrückbaren Widerspruchs zur katholischen Glaubenslehre zurückzuweisen. Dabei handelt es sich aber „nicht um ein Bücherverbot im rechtlichen Sinn, dessen Nichtbeachtung eine Kirchenstrafe nach sich zöge, sondern lediglich um eine Information der Gläubigen über glaubensgefährdende Schriften, über deren Lektüre sie dann eigenverantwortlich entscheiden können.“[55] Kanonische Strafen beinhalten die Möglichkeit, dass ein katholischer Christ, der Religion oder Kirche öffentlich verunglimpft, Hass und Verachtung gegen sie hervorruft oder die guten Sitten schwer verletzt, mit einer Kirchenstrafe belegt werden kann, wobei vor allem an illoyale kirchliche Dienstnehmer zu denken ist.[56]

Die zweite Änderung hebt die in cc. 825-828 CIC vorgenommenen Einschränkungen für eine vorausgehende Bücherzensur keineswegs auf. In der Instruktion wird allerdings „nachdrücklich das Recht der Bischöfe herausgestellt, Schriften, die nicht an eine Erlaubnis oder Genehmigung gebunden sind, ihrer Beurteilung zu unterziehen, wenn hiefür besondere Gründe vorliegen.“[57] Auch diese Hervorhebung steht „nicht im Widerspruch zur geltenden Rechtslage, sondern ist bereits in c. 823 § 1 CIC enthalten. Dabei betont die Instruktion sogar deutlicher als c. 823 § 1 den Ausnahmecharakter einer Prüfung von Büchern, die von dem Katalog nach cc. 825-828 nicht erfaßt sind.“[58]

[...]


[1] Neumann, Johannes: „Zur Problematik lehramtlicher Beanstandungsverfahren“, in: Tübinger Theologische Quartalschrift (ThQ) 149 (1969) [259]-281, [259].

[2] Ebd.

[3] Böckenförde, Werner: „Lehrbeanstandung in der röm.-kath. Kirche und das Verfahren der Kongregation für die Glaubenslehre. Anmerkungen aus juristischer Sicht“, in: Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht (ZevKR) 32 (1987) [258]-279, 263.

[4] Rhode, Ulrich: „Die Lehrprüfungs- und Lehrbeanstandungsverfahren“, in: Müller, Ludger (Hrsg.): Rechtsschutz in der Kirche, Wien/Berlin 2011 (= Kirchenrechtliche Bibliothek; Band 15) 39-57, 39.

[5] Ebd.

[6] Reese, Thomas J.: Im Inneren des Vatikan. Politik und Organisation der katholischen Kirche. Mit einem Nachwort von Otto Kallscheuer, Frankfurt am Main 42005, 344.

[7] Ebd.

[8] Ebd.

[9] Ebd.

[10] Reese 2005, 345.

[11] Reese 2005, 347.

[12] Ebd.

[13] Reese 2005, 348.

[14] Vgl. Kaufmann, Ludwig: Ein ungelöster Kirchenkonflikt: Der Fall Pfürtner. Dokumente und zeitgeschichtliche Analysen, Freiburg (Schweiz) 1987, 17f.

[15] Kaufmann 1987, 18.

[16] Heinemann, Heribert: „Schutz der Glaubens- und Sittenlehre“, in: Listl, Joseph/Schmitz, Heribert (Hrsg.): HdbKathKR 21999, 708-721, 709.

[17] Die Ausführungen zur Frage der Bewahrung, Erforschung und Weitergabe des Glaubensschatzes folgen der Darstellung im Skriptum zur Vorlesung „Verkündigungsrecht“ von Prof. Ludger Müller (Wien; ungedruckt).

[18] Aymans, Winfried: „Begriff, Aufgabe und Träger des Lehramts“, in: Listl, Joseph/Schmitz, Heribert (Hrsg.): HdbKathKR 21999, [659]-669, 660.

[19] Moltmann, Jürgen: Der gekreuzigte Gott. Das Kreuz Christi als Grund und Kritik christlicher Theologie, München 1972, [12].

[20] Moltmann 1972, 29f.

[21] Aymans 1999, 668f.

[22] Aymans 1999, 669.

[23] Aymans 1999, 244.

[24] Heinemann 1999, 708.

[25] Heinemann 1999, 709.

[26] Ebd.

[27] Wolf, Hubert: Index. Der Vatikan und die verbotenen Bücher, München 2007, 14.

[28] Vgl. LThK 32006, Stichwort „Gelasius, Päpste: Gelasius I.“.

[29] Wolf 2007, 15.

[30] Wolf 2007, 16.

[31] Wolf 2007, 25.

[32] Ebd.

[33] Vgl. Ebd.

[34] Ranke, Leopold von: Die Geschichte der Päpste. Dir Römischen Päpste in den letzten vier Jahrhunderten. Kardinal Consalvi und seine Staatsverwaltung unter dem Pontifikat Pius VII. Hrsg. von Professor Dr. Willy Andreas, München/Wiesbaden o.J., 97.

[35] Wolf 2007, 26.

[36] Wolf 2007, 239.

[37] Vgl. Wolf 2007, 240f.

[38] Wolf 2007, 241.

[39] Ebd.

[40] Heinemann 1999, 709.

[41] Wolf 2007, 242.

[42] Ebd.

[43] Seeber, David Andreas: Das Zweite Vaticanum. Konzil des Übergangs, Freiburg im Breisgau 1966, 96.

[44] Kongregation für die Glaubenslehre, Dekret vom 15.11.1966, in: AAS 58 (1966) 1186.

[45] Heinemann 1999, 709.

[46] Kongregation für die Glaubenslehre, Dekret „Die Aufsicht der Hirten der Kirche über die Bücher“ vom 19.3.1975, in: AAS 67 (1975) 281-284.

[47] Heinemann 1999, 709.

[48] Krämer, Peter: „Kirche und Bücherzensur. Zu einer neuen Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre“, in: Theologie und Glaube (ThGl) 83 (1993) 72-80, 72f.

[49] Instruktion über einige Aspekte des Gebrauchs der sozialen Kommunikationsmittel bei der Förderung der Glaubenslehre – Concilium Vaticanum II (30. März 1992), in: Communicationes 24 (1992) 18-27. Veröffentlicht in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 106, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Bonn 1992.

[50] Krämer 1993, 73.

[51] Ebd.

[52] Krämer 1993, 75.

[53] Vgl. Krämer 1993, 76.

[54] Krämer 1993, 77.

[55] Ebd.

[56] Vgl. ebd.

[57] Ebd.

[58] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 73 Seiten

Details

Titel
Lehrprüfung und Lehrbeanstandung im Recht der katholischen Kirche
Untertitel
Eine kanonistische Studie
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Kanonisches Recht)
Note
2,00
Autor
Jahr
2012
Seiten
73
Katalognummer
V201364
ISBN (eBook)
9783656278498
ISBN (Buch)
9783656278917
Dateigröße
869 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit entstand als Master-Thesis zum Abschluss des Lehrgangs "Kanonisches Recht für Juristen" an der Universität Wien.
Schlagworte
lehrprüfung, lehrbeanstandung, recht, kirche
Arbeit zitieren
Siegfried Höfinger (Autor:in), 2012, Lehrprüfung und Lehrbeanstandung im Recht der katholischen Kirche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201364

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