Die globale Dimension des Kriegswesens in der frühen Neuzeit


Seminararbeit, 2011

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Die mit dem Einsetzen der frühen Neuzeit beginnende sowie anschließend rasch zunehmende Vernetzung der Welt führte zweifelsohne nicht nur zu einem intensiven Anstieg globaler Kommunikation und Austausches zwischen vormals nur lose miteinander verbundener oder gänzlich isolierter Völker und Regionen, sondern übte letztlich auch erheblichen Einfluss auf das Zustandekommen bestimmter, mitunter folgenschwerer Ereignisse und historischer Prozesse aus. Dabei waren die Impulse, die von jenen globalen Interaktionen ausgingen, oftmals nicht sofort ersichtlich und wiesen zumindest aus Sicht der Zeitgenossen zuweilen noch keineswegs in vollem Maße das ihnen innewohnende, gewaltige Potential auf, dessen Bedeutung für den Entwicklungsverlauf bestimmter Regionen sich oftmals erst Jahrzehnte später vollständig offenbarte. In diesem Zusammenhang soll mit der hier vorliegenden Arbeit gezeigt werden, dass es neben den neu erschlossenen Handelsrouten, der Einfuhr und Ausfuhr ausländischer Produkte sowie der Verbreitung religiöser Gebräuche, kultureller Traditionen und technischen Wissens im Zuge von Missionierung und Informationsaustausches auch vor allem ein bestimmter Aspekt war, der sich langfristig auf nahezu alle Erdteile auswirkte und teilweise überhaupt erst den Ausgangspunkt für verschiedenste Entwicklungen darstellte: Der unmittelbare Einfluss des Kriegswesens auf unterschiedliche Regionen und Länder der Welt im Rahmen weitreichender militärischer Konfrontationen.

Zur Beurteilung der globalen Dimension des Kriegswesens muss jedoch zunächst eine Differenzierung im Hinblick auf die unterschiedlichen Formen und Varianten gemacht werden, in denen das Kriegshandwerk und alle damit verbunden Aspekte wirtschaftlicher, politischer und wissenschaftlicher Natur im Zuge internationaler Interaktionsprozesse in Erscheinung traten. Dabei soll der Fokus eindeutig nur auf solchen Ereignissen und Entwicklungen liegen, die einen überregionalen, tatsächlich globalen Charakter aufwiesen bzw. im Rahmen transkontinentaler Verflechtungen eine bedeutsame Rolle spielten. Konkret wird untersucht werden, wie kriegerische Konflikte einerseits in ihrer Eigenschaft als ausschlaggebendem Faktor für bestimmte Prozesse globalen Ausmaßes zu bewerten sind; anschließend wird das Augenmerk auf der Funktion direkter militärischer Auseinandersetzungen als konstituierendem Element globaler Vernetzung liegen, bevor abschließend die Bedeutung der globalen Diffusion und Entfaltung des Kriegswesens in einem zu diesem Zeitpunkt bereits interkontinentalen Weltsystem ebenfalls näher beleuchtet werden soll.

Unumgänglich ist in diesem Zusammenhang die Fragestellung ob das Kriegswesen generell überhaupt als Anstoß bzw. zentraler Bestandteil einer frühneuzeitlichen Globalisierung angeführt werden kann, d.h. inwiefern es einerseits den Charakteristika globaler Verflechtung – Herstellung dauerhafter, überregionaler Kontakte sowie Wechselwirkung und Einflussnahme bestimmter Ereignisse in einem Erdteil auf einen anderen[1] – entsprach; und schließlich ob es ferner auch als mögliche mitverantwortliche Ursache für sich über einen längeren Zeitraum hinziehende Prozesse, Entwicklungen und territoriale Umwälzungen in Betracht gezogen werden kann. Letzteres bedingt natürlich allgemein die zugrundliegende Voraussetzung, dass die ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts n. Chr. einsetzende Zunahme transkontinentaler Kontakte und Austausches überhaupt als Ursache langfristiger Entwicklungen betrachtet werden kann. Dass daran aber kaum Zweifel bestehen dürften, ergibt sich letztlich alleine schon aus der Betrachtung einiger verdeutlichender und beweiskräftiger Beispiele aus jener Zeit[2] .

Eine solch folgenschwere Bedeutung für die Eigendynamik langwieriger Prozesse kam nun zumal in der frühen Neuzeit gerade auch den verschiedenen Aspekten des Kriegswesens bei. Dabei ist allerdings nur bedingt eine Differenzierung zu machen zwischen jenen durch die direkten Auswirkungen des allgemeinen Kriegshandwerks unmittelbar verursachten Folgen und solchen, die ihre Wirkung eher indirekt, schrittweise und nicht nur ausschließlich auf das eigentliche Kriegsgeschehen hin bezogen, entfalteten. Beide Faktoren standen häufig in einer engen korrelierten Beziehung und leiteten vor allem im Zusammenspiel einige bedeutsame Prozesse ein, die im Rahmen globaler Vernetzung dann gleich mehrere Erdteile erfassten.

Welche Bedeutung kommt nun aber zunächst militärischen Konfrontationen als initiierendem Aspekt globaler Verflechtung in der frühen Neuzeit bei? Zweifelsohne waren kriegerische Auseinandersetzungen zwischen geographisch voneinander weitestgehend unabhängigen Regionen keineswegs erst ein Merkmal der frühen Neuzeit[3] . Militärische Auseinandersetzungen bezogen sich häufig jedoch meist auf die Länder bestimmter, geographisch begrenzter Großräume; und auch wenn jenes Grundmuster weiterhin allgemeinen Bestand haben sollte, so wurde es in der frühen Neuzeit jedoch um eine überaus bedeutungsvolle Entwicklung ergänzt, welche sich dahingehend äußerte als dass die kriegerischen Verwicklungen einer bestimmten Großmacht sich nicht mehr lediglich auf jeweils einen regional fixierten Raum beschränkten, sondern sich nun auch weit über die eigene Peripherie hinausbewegten und letztlich gar zu einer systematischen Verflechtung weitläufiger kontinentaler Wirtschaftsräume beitrugen. Dabei war es insbesondere zunächst eine ganz bestimmte, überaus stark auf die Kunst des Kriegswesens ausgerichtete Politik, die neben der anfangs vorweg auf neue Handelsmöglichkeiten zielende Expansion der Portugiesen[4] letztlich eine mitentscheidende Rolle bei der Entstehung transkontinentaler Verdichtung spielte. Gemeint ist die rasch erfolgende Expansion des osmanischen Reiches, welche gestützt auf eine überaus effiziente Kriegsmaschinerie[5] auf ihre eigene Art und Weise Einfluss auf die interkontinentale Vernetzung der Welt nehmen sollte und dabei quasi als Nebeneffekt auch mitentscheidend zur Einleitung einiger weitreichender historischer Prozesse beitrug.

Nicht zu Unrecht wird die Einnahme Konstantinopels oftmals als Zäsur der Weltgeschichte sowie als eine mögliche Schwelle zur Neuzeit angesehen. Jenes Ereignis leitete letzten Endes eine Phase ein, in der das Aufeinandertreffen und die Interaktion zweier eigenständiger kultureller Großräume ein völlig neues Maß erreichte und noch für lange Zeit beiderseits folgenschwer fortwirken sollte[6] . Insbesondere aus globalgeschichtlicher Sicht weitaus interessanter ist jedoch, dass das Vordringen des Osmanischen Reiches letztlich nicht nur ausschließlich nach Westeuropa, sondern quasi sternenförmig in alle Himmelsrichtungen hin erfolgte, dabei nahezu gleichzeitig mehrere Regionen erfasste und diese vor allem längerfristig sowohl wirtschaftlich, kulturell und politisch in nicht unbedeutendem Maße miteinander verbinden und prägen sollte[7] . Dabei sind die welthistorischen Folgen jener Expansion aber nicht nur alleine in der Beeinträchtigung der Handelsverbindungen zwischen der Levante, dem nördlichen Afrika und dem fernen Osten zu sehen, zumal jene Entwicklung wohl letztlich auch nur bedingt relevant für die maritimen Unternehmungen der Portugiesen auf der Suche nach alternativen Handelswegen war[8] .

Von mindestens ebenso so großer Bedeutung ist nämlich auch die Tatsache dass das osmanische Reich selbst sich anschickte ein Seeimperium globalen Ausmaßes zu errichten, dessen explizites Ziel in nichts weniger als der Eroberung und Kontrolle von Gebieten in weit entfernten Gegenden lag[9] . In den Jahrzehnten nach der Einnahme Konstantinopels hatte der osmanische Herrscherhof unter Einbeziehung europäischer Gelehrter und Experten den Bau einer überaus mächtigen Kriegsflotte in Auftrag gegeben, die dann in den Folgejahrzehnten einen wichtigen Beitrag bei der Ausbreitung des Reiches sowohl im Mittelmeerraum als auch über das Rote Meer bzw. den persischen Golf in die westliche Flanke des indischen Ozeans leistete[10] . Nahm das Reich spätestens mit der Eroberung des Mamelucken-Reiches sowie den heiligen Städten der arabischen Halbinsel bereits eine Schlüsselstelle als Bindeglied dreier Kontinente ein[11] , so war der Vorstoß in den indischen Ozean desweiteren aber auch dahingehend von weitreichender Konsequenz als dass es hier nun zu einem direkten Aufeinandertreffen mit portugiesischen Flottenschiffen kam. Die daraus resultierenden Auseinandersetzungen um wichtige Stützpunkte und Zwischenstationen auf dem Weg in den weiten indischen Ozean waren nun in der Tat von weltgeschichtlicher Bedeutung, entschied sich dabei immerhin welcher Macht, wenn auch nicht die alleinige Kontrolle, so doch die Erlangung einer vorteilhaften Ausgangsposition für alle weiteren Unternehmungen im Handelsraum des indischen Ozeans zufallen sollte[12] . Dadurch wurde letzten Endes eine globale Entwicklungsspirale in Gang gesetzt, welche zu einer drastischen Intensivierung internationaler Kontakte und Austausches von bis dahin ungekanntem Maße führte. Dabei war es im Besonderen jedoch eine ganz bestimmte Entscheidung die ebenfalls unmittelbar mit militärischen Erwägungen und Notwendigkeiten in Zusammenhang stand, die wahrhaftig von monumentaler Bedeutung sein sollte, und zwar gerade insbesondere im Hinblick auf die spätere globale Entwicklung. Zu jener Zeit stand das osmanische Reich nämlich vor der grundlegenden Wahl, welchem militärischem Unternehmen – der weiteren Westausdehnung nach Europa oder der Vorbereitung zu einer groß angelegten Seeoffensive im indischen Ozean – Priorität gewährt werden sollte[13] . Wie allgemein bekannt entschied man sich für erstere Option, was der Nachwelt durch die Schlacht bei Mohacs[14] dann wohl am prägnantesten in Erinnerung blieb.

[...]


[1] [1]Vgl. hierzu insbesondere Osterhammel, Jürgen; Petersson, Niels P., Geschichte der Globalisierung: Dimensionen, Prozesse, Epoche, München 2003 und Mirow, Jürgen, Weltgeschichte, München 2009.

[2] [2]Stellvertretend sei hier auf die Einfuhr der Süßkartoffel aus Südamerika nach Westeuropa verwiesen, welche zwar aufgrund ihrer effizienteren Flächennutzung eine höhere Ertragsrate ermöglichte, gleichzeitig aber auch den Bedarf neuer Anbauflächen erforderlich machte. Dies führte schließlich zu vermehrten Rodungen großer Waldgebiete und somit zu einem steigenden Mangel an Brennholz. Im Zuge der dadurch einsetzenden Entwicklungsspirale, besonders in Großbritannien, wurde aus Ressourcenmangel der Rückgriff auf Steinkohle in der Folge zu einer unabdingbaren Notwendigkeit. Dies wiederum führte letztlich wohl maßgeblich mit dazu dass aufgrund des englischen Vorsprungs hinsichtlich der Förderung und Verwertung von Steinkohle der Prozess der Industrialisierung in jenem Land früher als anderswo einsetzte. Mirow, Jürgen. Weltgeschichte, München 2009, S. 350f und S. 442f.

[3] [3]Neben inter-kulturellen Aufeinandertreffen zur Zeit der Kreuzzüge sei hierbei vor allem auf die mittelalterlichen Feldzüge der mongolischen Steppenvölker hingewiesen, die in Folge ihrer weitläufigen Vorstöße in gleich mehrere Regionen bereits für eine frühe Form überkontinentaler Interaktion sorgten. Darwin, John, After Tamerlane. The Rise and Fall of Global Empires. 1400-2000, S. 4-6.

[4] [4] Mirow, Weltgeschichte, S. 320.

[5] [5] Darwin, After Tamerlane, S. 74.

[6] [6] Kennedy, Paul, Aufstieg und Fall der großen Mächte, S. 29f.

[7] [7] Darwin, After Tamerlane, S.73-78.

[8] [8] Lehners, Jean-Paul, Die Anfänge der portugiesischen Expansion, S. 180.

[9] [9] A. Hess, The Evolution of the Ottoman Sea Empire in the Age of Oceanic Discoveries, 1453, 1525. In: American History Review, 75, 7 (1970), S. 1902.

[10] [10]Brummett, P., Ottoman Sea Power and Levantine Diplomacy in the Age of Discovery, Albany 1994.

[11] [11]Darwin, After Tamerlane, S.74.

[12] [12]A. Hess, The Evolution of the Ottoman Sea Empire, S. 1908-1911.

[13] [13]A. Hess, The Evolution of the Ottoman Sea Empire, S. 1914.

[14] [14]Grant, R.G., Kriege und Schlachten . 5000 Jahre Kriegsgeschichte, S. 132.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die globale Dimension des Kriegswesens in der frühen Neuzeit
Hochschule
Université du Luxembourg
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
18
Katalognummer
V201282
ISBN (eBook)
9783656273080
ISBN (Buch)
9783656273585
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Krieg, Globalgeschichte, Weltgeschichte, Kolonialismus, Entdeckungsfahrten, Imperien
Arbeit zitieren
Joe Majerus (Autor:in), 2011, Die globale Dimension des Kriegswesens in der frühen Neuzeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201282

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