"Produktvorschlag abgelehnt" - Eine empirische Studie zur Wirkung negativer Co-Kreationserlebnisse auf Konsumenten


Masterarbeit, 2012

165 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Notationsverzeichnis

1. Co-Kreation als neue Form der interaktiven Wertschöpfung im Business-to-Consumer-Kontext
1.1 Relevanz der Thematik aus praktischer und wissenschaftlicher Perspektive
1.2 Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit

2. Einordnung der Thematik und begriffliche Grundlagen
2.1. Service-Dominierte-Logik als neues Paradigma im Marketing Exkurs 1: Die Entwicklung des Marketings seit 1900
2.1.1 Von der Güter-Dominierten-Logik zur Service-Dominierten-Logik
2.1.2 Proposition der Co-Kreation als Bestandteil der Service-Dominierten-Logik
2.2. Co-Kreation
2.2.1 Begriff der Co-Kreation
2.2.2 Begriffliche Abgrenzung zu Mass Customization, Open Innovation und Fokusgruppen
2.3 Bedeutung der Co-Kreation im Customer Relationship Management

3. Theoretische Grundlagen
3.1 Appraisal-Theorien zur Erklärung der Entstehung von Emotionen
3.2 Zentrale negative Emotionen des Konsumentenverhaltens
3.3 Relevante Zielgrößen aus dem Customer Relationship Management
3.4 Theorie der Organizational Justice
3.5 Personenbezogene Einflussfaktoren der Persönlichkeit und der individuellen Opportunitätskosten

4. Empirische Untersuchung zur Wirkung negativer Co-Kreationserlebnisse auf Konsumenten
4.1. Herleitung des Hypothesensystems
4.1.1 Zum Zusammenhang zwischen Organizational Justice und negativenEmotionen
4.1.2 Zum Zusammenhang zwischen negativen Emotionen und beziehungs-relevanten Konstrukten
4.1.3 Zum Zusammenhang zwischen beziehungsrelevanten Konstrukten und Loyalität
4.1.4 Zu den moderierenden Effekten der Persönlichkeit und der Opportuni-tätskosten
4.2 Zum angewandten Analyseverfahren der Kausalanalyse
4.3 Datenerhebungsmethode und Charakterisierung der Stichprobe
4.4. Modellbeurteilung
4.4.1 Operationalisierung und Gütebeurteilung der Modellkonstrukte Exkurs 2: Kriterien zur Gütebeurteilung
4.4.2 Gütebeurteilung des Kausalmodells
4.4.3 Analyse und Interpretation der Hypothesen der Haupteffekte
4.5 Moderatorenanalyse und Interpretation

5. Diskussion der Ergebnisse
5.1 Implikationen für die Management-Praxis
5.2 Limitationen und Implikationen für die zukünftige Forschung

Anhang

Literaturverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Anlage 1: Beispiele zu erfolgreicher Co-Kreation aus der Unternehmenspraxis

Anlage 2: Literature Review zur Co-Kreation seit 2000

Anlage 3: Propositionen der Service-Dominierten-Logik

Anlage 4: Operationalisierung der Modellkonstrukte und Erläuterung

Anlage 5: Fragebogen zur empirischen Erhebung (erste Phase)

Anlage 6: Manipulation und Fragebogen zur empirischen Erhebung (zweite Phase)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wandel der Märkte und der Sicht des Kunden

Abbildung 2: Aufbau der Arbeit zur Beantwortung der Forschungsfragen

Abbildung 3: Rahmenkonzept zur Co-Kreation

Abbildung 4: Bisherige Argumentation und Annahmen

Abbildung 5: Appraisal-Theorie nach Roseman

Abbildung 6: Consumption Emotions Set nach Richins

Abbildung 7: Relevante Zielgrößen aus dem Customer Relationship Management für vorliegende Arbeit

Abbildung 8: Gesamtuntersuchungsmodell

Abbildung 9: Schritte der Kausalanalyse

Abbildung 10: Allgemeine formale Darstellung der Gleichungsstruktur

Abbildung 11: Graphische Darstellung des spezifizierten Kausalmodells

Abbildung 12: Formale Darstellung des spezifizierten Kausalmodells

Abbildung 13: Konfirmatorische Faktorenanalyse

Abbildung 14: Geschätztes Kausalmodell

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Stichprobe der empirischen Erhebung

Tabelle 2: Allgemeine Darstellung der angewandten lokalen Gütekriterien

Tabelle 3: Allgemeine Darstellung der angewandten globalen Gütekriterien

Tabelle 4: Gütebeurteilung der Modellkonstrukte

Tabelle 5: Gütebeurteilung des finalen Kausalmodells

Tabelle 6: Untersuchte Hypothesen im Rahmen der Kausalanalyse

Tabelle 7: Moderatorenanalyse

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Notationsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Co-Kreation als neue Form der interaktiven Wertschöpfung im Business-to-Consumer-Kontext

"Your friendly neighbourhood store owner knows exactly what your needs are; your database is in his head. He knows whether you are creditworthy, whether you have upgraded your soap brand; how many family members you have and their eating habits. He is the ultimate CEO. I want this incredible personalised service to be combined with the efficiencies of mass production. That's co-creation."

Prof. C.K. Prahalad

In obigem Zitat ist zu erkennen, was einer der bedeutendsten Forscher im Bereich der CoKreation vor einigen Jahren als seine Vision kommunizierte. Diese Thematik der Co-Kreation stellt auch das Bezugsobjekt der vorliegenden Arbeit dar, wobei das erste einleitende Kapitel dazu dienen soll, grundlegende Gedanken zu skizzieren.

Als Konsequenz der Globalisierung und den Fortschritten im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK) geschuldet hat sich die Sicht der Märkte und der Konsu- menten für Unternehmen in der Vergangenheit stark verändert. In der traditionellen ökonomi- schen Theorie des Marktes wurde dieser noch als Ort des Austausches zwischen klar vonei- nander isolierten Nachfragern und Anbietern verstanden. Konsumenten hatten dabei lediglich Konsum- und Nachfrageaufgaben. Die Wertschöpfung, also die Schaffung des Angebots, fand jedoch ausschließlich im Unternehmen statt. Der Markt wurde seitens der Unternehmen als Zielobjekt für eigene Angebote gesehen, den es aus Unternehmenssicht nach erstrebbaren Kundensegmenten einzuteilen und zu bearbeiten galt (Prahalad & Ramaswamy 2004a).

Heutzutage wird es Konsumenten durch moderne Informationstechnologie allerdings er- möglicht, sich eine Vielzahl an Informationen zu beschaffen, was unter anderem in einem er- höhten Grad an Transparenz und beispielsweise weltweiten Beschaffungsmöglichkeiten in Bezug auf Angebote resultiert (Grabner-Kräuter & Schwarz-Musch 2009, S. 179). Darüber hinaus ist die ubiquitäre und omnipräsente Erreichbarkeit und Konnektivität ein Verdienst der modernen Kommunikationstechnologie, welche es Konsumenten aktuell stärker als je zuvor erlaubt, sich untereinander und mit Unternehmen zu vernetzen (Hoyer et al. 2010).

Nach Prahalad und Ramaswamy (2004a) kann angesichts dieser Fortschritte heutzutage vom informierten, vernetzten, aktiven und mit einem Gefühl des Empowerments ausgestatteten Konsumenten gesprochen werden.

Empowerment wird hierbei charakterisiert durch einen erhöhten Grad an Autonomie und Selbstbestimmung, welches den Konsumenten befähigt, seine Interessen eigenmächtig, selbst- ständig und selbstverantwortlich zu gestalten und zu vertreten (Conger & Kanungo 1988).

Im Zuge dieses Empowerments haben sich auch die Bedürfnisse der Konsumenten verändert.Dies führt dazu, dass sie stärker mit Unternehmen Wert schaffen und in wertschöpfende Akti- vitäten des Unternehmens eingebunden werden möchten. Zum einen wird es den Konsumen- ten infrastrukturell ermöglicht, und zum anderen sind sie auch bereit, neue innovative Ideen aufzuzeigen. Diese können möglicherweise Bedürfnisse befriedigen, die es in dieser Art noch nicht gibt, oder die eine Verbesserung bestehender Angebote oder Produkte bewirken (Ernst et al. 2010).

Unternehmen investierten in der Vergangenheit viel Kapital in der Überzeugung, sich über eine entsprechende Produktvielfalt von ihrer Konkurrenz abheben zu können. Jedoch scheint die Methode der Produktdiversifikation als Mittel zur Differenzierung aufgrund von Globali- sierungs-, Deregulierungs- und Outsourcingtendenzen sowie der omnipräsenten und schnellen Verfügbarkeit gleicher Technologien und gleichen Know-Hows sich zunehmend schwieriger zu gestalten. Dies zwingt Unternehmen heute immer mehr, vom klassisch produkt- und fir- menbezogenen weg, dem modernen kunden- und kooperationsbezogenen Paradigma zu fol- gen, welches Kunden und nicht mehr ausschließlich Produkte oder das Unternehmen selbst in den Mittelpunkt stellt. Die aus diesem Paradigma resultierenden Forderungen verlangen, Kunden stärker in Wertschöpfungsaktivitäten zu integrieren und die Interaktion zwischen Un- ternehmen und Konsument als Prinzip der Wertschaffung und der Wertgewinnung als Not- wendigkeit anzuerkennen (Prahalad & Ramaswamy 2004a).

Co-Kreation stellt sich in diesem Kontext als ein emergentes Geschäfts- und Innovationsparadigma dar, welches beschreibt, wie Konsumenten als aktive Teilnehmer in das Design und die Entwicklung personalisierter Produkte, Dienstleistungen und Erlebnisse involviert werden sollen (Prahalad & Ramaswamy 2004b, S. 35f.; Payne, Storbacka & Frow 2008). Moderne IuK bietet in diesem Kontext die notwendige Infrastruktur dafür, dass Konsumenten - meist auf interaktiven Online-Plattformen - zusammen mit Unternehmen Wert schaffen und Innovationen gefördert werden können (Di Gangi & Wasko 2009, S. 206f.).

Der neue Markt charakterisiert sich aufgrund der oben beschriebenen Einflüsse als Interaktionsplattform für Konsumenten und Unternehmen und damit auch als Ort, an dem CoKreationserlebnisse stattfinden. Die traditionelle Separation von Anbietern und Nachfragern wird hierbei aufgehoben und die Wertschöpfung kollaborativ im Austausch zwischen Konsumenten und Unternehmen betrieben (Prahalad & Ramaswamy 2004a). Nachfolgende Abbildung 1 dient dazu, die in den eben beschriebenen, ersten Gedanken dieser Arbeit enthaltenen Zusammenhänge zu verdeutlichen und zu visualisieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Wandel der Märkte und der Sicht des Kunden

Quelle: in Anlehnung an Prahalad & Ramaswamy 2004a, S5 ff.

Zwar existieren seit geraumer Zeit Konzepte, die der Co-Kreation ähnlich sind, diese waren aber zumeist im Bereich B2B (Business-to-Business) vorzufinden, also fanden hauptsächlich zwischen Lieferanten und OEM´s (Original Equipment Manufacturer) statt. Die Methoden der kollaborativen Entwicklung von Lösungen zwischen Zulieferern und Herstellern werden hierbei als notwendig angesehen, um der zunehmenden Spezialisierung von Unternehmen und dem gestiegenen Wettbewerbsdruck standzuhalten (z. B. Lindgreen et al. 2009; Hoyer et al. 2010; Aarikka-Stenroos & Jaakkola 2012; Möller 2006).

Prominente Beispiele aus diesem Bereich sind Fords Beziehungen zu seinen Lieferanten oder Wal-Marts Verbindung zu Procter & Gamble. Bei Ford haben Lieferanten beispielsweise eine Rolle eingenommen, die weit über die passive Zulieferung von Teilen hinausgeht und mitt- lerweile durch eine feste Integration in die kooperative Neuwagenentwicklung gekennzeich- net ist.

Wal-Mart hingegen vertreibt nicht mehr nur Produkte von Procter & Gamble, sondern tauscht tägliche Verkaufsinformationen aus, in der Absicht, über eine Kollaboration die Produktdistribution zu verbessern (Prahalad & Ramaswamy 2000).

Relativ neu sind derartige Überlegungen im Bereich B2C (Business-to-Consumer), der sich vom B2B und im Bezug auf die Co-Kreation unterscheidet. B2C-Märkte sind üblicherweise charakterisiert durch eine höhere Distanz zwischen Unternehmen und Konsumenten, die Existenz einer Vielzahl von Zwischenhändlern und einer großen Anzahl potentieller Nachfrager. Zusätzlich sind hier niedrigere Loyalitätslevel und sich schnell ändernde Konsumentenpräferenzen zu beobachten (Spann et al. 2009), was tendenziell eine Integration von Konsumenten in den Co-Kreationsprozess erschwert (Hoyer et al. 2010).

Co-Kreation bietet aus Sicht der Unternehmen und Konsumenten jedoch auch in diesem Kontext zahlreiche Vorteile.

So wird durch Co-Kreation entwickelten Produkten und Services ein deutlich höheres Potential zugesprochen, die tatsächlichen Kundenbedürfnisse befriedigen zu können (Hoyer et al. 2010), da sich Kundeninteressen direkt integrieren lassen.

Ebenso wird konstatiert, dass Co-Kreation als proaktives Mittel der Marktforschung deutliche Vorteile gegenüber traditionell reaktiven, qualitativen Marktforschungsmethoden besitzt (Wittell et al. 2011).

Vor allem aber im Bereich der Neuproduktentwicklung ist ein fundiertes Verständnis der Kundenbedürfnisse und einer Abstimmung der Produktentwicklung auf diese als entscheiden- der Erfolgsfaktor zu sehen (Hauser, Tellis & Griffin 2006). Dieser Prozess gestaltet sich aller- dings zunehmend kompliziert aufgrund einer höheren Komplexität der Ansprüche sowie der schwierigeren Identifikation über traditionelle Marktforschungsmethoden (O‘Hern & Rind- fleisch 2009, S. 86). Der daraus resultierende unzureichende Fit zwischen hergestellten Pro- dukten und den Bedürfnissen von Kunden kann einen Grund für Produktfehlschläge darstel- len. Diese wiederum können für Unternehmen neben einer hohen Kostenbelastung noch wei- tere negative Konsequenzen wie beispielsweise Reputations- oder Imageverluste bewirken (Ogawa & Piller 2006).

Dieser Problematik lässt sich entgegnen, indem Konsumenten aktiv in den CoKreationsprozess mit einbezogen werden. Unternehmen, die diesen Prozess effektiv beherrschen, wird das Potential zugesprochen, Wettbewerbsvorteile gegenüber ihrer Konkurrenz zu besitzen (Prahalad & Ramaswamy 2004b, S. 209ff.).

Diese Wettbewerbsvorteile konkretisieren sich einerseits in Produktivitätsvorteilen aufgrund gesteigerter Effizienz, indem z. B. durch Prozessverbesserungen operationelle Kosten gesenkt werden können. Andererseits in gesteigerter Effektivität, da z. B. über eine Verbesserung oder Erhöhung des Produktwertes aufgrund von Innovations- und Lernpotentialen sowie einem besseren Fit mit den Bedürfnissen der Nachfrager, letztendlich ein höherer Absatz resultieren kann und zusätzlich strategisches Kapital aufgebaut werden kann (Hoyer et al. 2010; Ramaswamy & Gouillart 2010, S. 36).

Weitere Vorteile in diesem Zusammenhang sind beispielsweise Kosteneinsparungen im Be- reich Innovationsmanagement sowie F&E (Forschung und Entwicklung), da relativ günstiger Input an neuen Ideen von Konsumenten generiert werden kann. Ebenso können hohes Poten- tial zur Stärkung der Kundenbeziehungen sowie positive Word-of-Mouth (WOM) - durch die Einbindung von Konsumenten in die Co-Kreation - resultieren (Hoyer et al. 2010). In Forschung und Praxis herrscht weitestgehend Einigkeit über die oben beschriebenen Poten- tiale und Chancen durch Co-Kreation. Wenig Beachtung fand jedoch bisher die Auseinander- setzung mit potentiell negativen Konsequenzen für betreffende Unternehmen, die mit Co- Kreation einhergehen können.

So ist es die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit, zu untersuchen, welche negativen Konse- quenzen mit einer Ablehnung von Produktvorschlägen im Sinne der Co-Kreation in der Neu- produktentwicklung verbunden sind und wie diese negativen Konsequenzen abgeschwächt werden können.

Nach den einleitenden Gedanken dienen die nächsten beiden Abschnitte zunächst dazu, aufzuzeigen, welche Relevanz die zu untersuchende Thematik aus praktischer und wissenschaftlicher Perspektive besitzt, um danach die resultierenden Forschungsfragen vorzustellen und anhand des Aufbaus der Arbeit darzulegen, wie diese beantwortet werden sollen.

1.1 Relevanz der Thematik aus praktischer und wissenschaftlicher Perspek- tive

Ein Blick in die Unternehmenspraxis verdeutlicht, dass bereits eine Vielzahl von Unternehmen die Möglichkeit der interaktiven Wertschöpfung im Sinne der Co-Kreation nutzt. Hierzu befindet sich in Anlage 1 ab Seite 89 eine Übersicht über erfolgreiche Co-Kreationsprojekte in der Vergangenheit.

Nach genauerer Analyse der Projekte kann behauptet werden, dass der Großteil der dargestell- ten Unternehmen bereits vielversprechende positive Ergebnisse durch Co-Kreation verbucht hat.

So konnte beispielsweise Nike durch seine Initiative Nike+ seinen Marktanteil im Segment für Laufschuhe in den USA von 47 % im Jahr 2006 auf 61 % im Jahr 2009 steigern sowie ca. 1,3 Millionen Nike+ iPod Sport Kits und über 500.000 Nike+ SportBands verkaufen. Zudem umfasst die dazugehörige Online-Plattform bereits über 600.000 Läufer in 170 Ländern (Ramaswamy & Gouillart 2010, S. 13).

Bei Starbucks als weiteres Beispiel können Kunden auf der virtuellen Plattform MyStarbucksIdea.com die Zukunft des Unternehmens durch eigene Produkt-, Prozessverbes- serungs- oder Designvorschläge mitgestalten. Bereits im ersten Jahr nach Inbetriebnahme der Plattform ließen sich über 65.000 Ideen von Kunden auf der Starbucks-Homepage verbuchen, wovon 50 umgesetzt wurden - inklusive einer Kampagne für gesünderes Essen (Ramaswamy & Gouillart 2010, S. 21f.).

Anhand dieser Beispiele lässt sich ableiten, welche Vorteile für Unternehmen mit CoKreations-Initiativen verbunden sein können, insbesondere in finanzieller Hinsicht und in Anbetracht einer innovativen und modernen Unternehmensentwicklung.

Ebenso kann vermutet werden, dass Kunden, deren Produktvorschläge angenommen werden, durch die Einbeziehung in Co-Kreation positive Emotionen entwickeln und dadurch möglicherweise ein höheres Commitment und Vertrauen sowie eine höhere Zufriedenheit und Loyalität aufweisen (Randall, Gravier & Prybutok 2011).

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen stellt sich jedoch gerade aus Perspektive der Kon- sumenten die Frage, wie diese auf eine Ablehnung von Produktvorschlägen reagieren, da aus Gründen des Managements nicht jeder Vorschlag angenommen bzw. realisiert werden kann. Mit anderen Worten: Wie reagieren die übrigen ca. 64.950 Kunden von Starbucks auf die Ab- lehnung ihrer Vorschläge? Hier erscheint es naheliegend, dass damit negative Emotionen ver- bunden sind, welche die Beziehung zwischen dem betreffenden Unternehmen und seinen Kunden belasten könnten.

Aufgabe dieser Arbeit wird es unter anderem sein, aufzuzeigen, wie Konsumenten auf die Ablehnung von Produktvorschlägen reagieren, welche Auswirkungen das auf beziehungsrelevante Größen für Unternehmen hat und wie diese eventuell gegebenen negativen Effekten entgegenwirken können, um hieraus Implikationen für die Managementpraxis abzuleiten.

Diese Frage lässt sich neben der eben aufgezeigten Relevanz aus der Unternehmenspraxis auch aus wissenschaftlicher Perspektive herleiten. Seit einiger Zeit wird in der wissenschaft- lichen Theorie diskutiert, wie wichtig es ist, Kunden stärker in Unternehmensaktivitäten zu involvieren, um sich Innovations-, Produktivitäts- und Differenzierungsvorteile gegenüber der Konkurrenz zu schaffen (z. B. Song & Adams 1993; Ramirez 1999; Lovelock & Young 1979). Ebenso konnte bereits empirisch gezeigt werden, dass die Interaktion mit Konsumen- ten in gewissen Phasen der Neuproduktentwicklung den Erfolg von Produkten fördern kann (Gruner & Homburg 2000).

In der letzten Dekade erfuhr die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik des Konsumenteninvolvements erhöhte Brisanz. Dabei halfen vor allem die Ideen und Ausfüh- rungen der wichtigsten Co-Kreations-Forscher Prahalad und Ramaswamy (z. B. 2000, 2003, 2004a, 2004b) sowie Vargos und Luschs prämierter und meistzitierter Artikel der vergange- nen Jahre im Marketing zur SDL (Service-Dominierten-Logik) als neuem Paradigma im Mar- keting (2004a). Auch Wind und Rangaswamy (2001) behaupteten in diesem Zusammenhang, dass die Co-Kreation das Potential besitze, alles, was bisher im Marketing als gegeben ange- nommen wurde, zu verändern.

In einer umfassenden, qualitativen Literaturrecherche konnten verschiedenste Forschungsrichtungen und Ausführungen zur Co-Kreation identifiziert werden, wobei sich ein kurzer Überblick dazu in Anlage 2 ab Seite 93 befindet.

Sowohl in dieser Literaturübersicht als auch in Anbetracht der Forschungsprioritäten des MSI (Marketing Science Institute) der vergangenen Jahre wird deutlich, welche Priorität dem Involvement von Konsumenten und der „Co-Creation of Value“ in der Forschung beigemessen wird (MSI Research Priorities 2008-2010 sowie 2010-2012).

Der Großteil der wissenschaftlichen Diskussion bezieht sich jedoch meist auf die konzeptionelle Einordnung und Bedeutung innerhalb der SDL und auf Versuche, den Begriff CoKreation zu definieren, einzugrenzen oder zu erweitern. Ebenso wurde mehrfach diskutiert, welche Arten von Co-Kreationserlebnissen unterschieden werden und welche Potentiale sowohl für Unternehmen als auch für Konsumenten damit verbunden sind (z. B. Prahalad & Ramaswamy 2004a; Nambisan & Nambisan 2008; Hoyer et al. 2010).

Aus praktischer Perspektive wird oft versucht, Managementimplikationen für Unternehmen herzuleiten, wie, mit wem und warum Co-Kreation anzustreben und durchzuführen ist, wie Plattformen zu gestalten sind und wie der Co-Kreationsprozess selbst zu steuern ist (z. B. Payne, Storbacka, & Frow 2008; Baron & Warnaby 2011; Evans & Wolf 2005; Cook 2008).

Kritikpunkte an der Co-Kreation stammen in diesem Kontext zumeist aus der nordischen Schule und beziehen sich beispielsweise auf Aspekte der Ausbeutung von Konsumenten (z.B. Grönroos 2008; Grönroos 2011a; Zwick, Bonsu & Darmody 2008).

Lediglich sehr geringe bis kaum wissenschaftliche Betrachtung fand jedoch die Frage, welche negativen Effekte Co-Kreation potentiell bewirken kann (Fang 2008; Chan, Yim & Lam 2010).

Insbesondere fehlt es nach Wissen des Autors an Arbeiten, die beschreiben, wie Unternehmen sich verhalten müssen, wenn sie von Kunden entwickelte Co-Kreationsvorschläge ablehnen. Hierbei erscheint es naheliegend, dass diese Ablehnungen negative Emotionen hervorrufen und langfristig negative Auswirkungen auf Kundenbeziehungen haben können. Zielsetzung dieser Arbeit wird es im Folgenden sein, zum einen Implikationen für die Mana- gementpraxis herzuleiten, wie im Falle einer Produktablehnung zu reagieren ist, um langfris- tig negative Effekte verhindern zu können. Zum anderen soll es auch gelingen, die eben be- schriebene wissenschaftliche Forschungslücke zu füllen und Implikationen für die zukünftige Forschung aufzuzeigen.

1.2 Forschungsfragen und Aufbau der Arbeit

Aus der identifizierten Forschungslücke und Problemstellung lassen sich nun zusammenge- fasst folgende Fragen herleiten. Zum einen ist im Zuge der vorliegenden Untersuchung von Interesse, welche Wirkungen negative Co-Kreationserlebnisse in Form von Ablehnungen ha- ben, und zum anderen, wie Unternehmen potentiellen negativen Folgen entgegenwirken kön- nen.

Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen ist es zuvorderst notwendig, die Thematik in einen übergeordneten Kontext einzuordnen (2.1) und begriffliche Grundlagen der Co-Kreation darzulegen (2.2). Zudem soll auch die Verknüpfung zum CRM (Customer Relationship Management) als wichtiger Bezugspunkt für diese Arbeit hergestellt werden (2.3), was im Fokus des zweiten Kapitels steht.

Im dritten Kapitel der Arbeit werden theoretische Grundlagen zur Entstehung negativer Emotionen über Appraisal-Theorien (3.1), zentrale negative Emotionen des Konsumentenverhaltens (3.2), die zu untersuchenden beziehungsrelevanten Konstrukte (3.3), die Theorie der Organizational Justice (3.4) sowie die „Big Five“ der menschlichen Persönlichkeit und individuell entstehende Opportunitätskosten erläutert (3.5).

Diese theoretischen Grundlagen dienen dazu, das im vierten Kapitel dargestellte Gesamt- untersuchungsmodell zu konstruieren. Inhalte dieses vierten Kapitels sind des Weiteren die Herleitung des Hypothesensystems (4.1), Ausführungen zum angewandten Analyseverfahren der Kausalanalyse (4.2), die Beschreibung der Erhebungsmethodik und Charakterisierung der Stichprobe (4.3) sowie die Analyse und Interpretation der Ergebnisse der empirischen Unter- suchung (4.4 bzw. 4.5).

In einem abschließenden fünften Kapitel werden die aus den Ergebnissen gewonnenen Im- plikationen für die Managementpraxis aufgezeigt. Außerdem werden aus den Limitationen vorliegender Studie Implikationen für die zukünftige Forschung diskutiert. Nachfolgende Ab- bildung 2 dient dazu, den eben beschriebenen Aufbau der Arbeit zusammenfassend zu visua- lisieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Aufbau der Arbeit zur Beantwortung der Forschungsfragen

2. Einordnung der Thematik und begriffliche Grundlagen

Das folgende Kapitel soll dazu dienen, die Thematik in einen übergeordneten Kontext einzu- ordnen und begriffliche Grundlagen zu klären. Dabei wird zunächst eine Einordnung der Co- Kreation in den Kontext der SDL des Marketings vorgenommen. Anschließend wird der Be- griff der Co-Kreation erörtert, um ein für die vorliegende Arbeit geltendes Begriffsverständnis festzulegen und die Thematik einzugrenzen. In diesem Zusammenhang soll die Co-Kreation auch von verwandten Konzepten abgegrenzt und abschließend ihre Bedeutung im Rahmen des CRM herausgestellt werden.

2.1. Service-Dominierte-Logik als neues Paradigma im Marketing

Im nachfolgenden Exkurs 1 soll zunächst dargestellt werden, wie sich das Begriffsverständnis der betriebswirtschaftlichen Funktion des Marketings verändert hat, um darauf aufbauend den Paradigmenwechsel von der GDL (Güter-Dominierte-Logik) in die SDL aufzuzeigen.

Exkurs 1 - Die Entwicklung des Marketings seit 1900

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Teildisziplin des Marketings in den Wirtschafts- wissenschaften als funktionale Schule begründet und bezog sich zunächst auf die Distributi- on und den Austausch von produzierten Gütern (Shaw 1912). Die frühe Marketingforschung war stark deskriptiv geprägt, und die drei dominanten Bereiche zu dieser Zeit waren die „commodity school“, d. h. die Beschäftigung mit den Charakteristika des Austausches von Produkten (Copeland 1923), die „institutional school“, die sich mit den Aufgaben befasste, die Organisationen in wertschöpfenden Aktivitäten zu erfüllen haben (Nystrom 1915), und die „functional school“, d. h. die Thematisierung der Aufgaben, die vom Marketing zu erfüllen sind (Weld 1917). Der Fokus lag hierbei auf der Transaktion, also der Distribution und dem Austausch von produzierten Gütern zu Konsumenten, und der Darstellung des Wertbeitrags des Marketings (Vargo & Lusch 2004a).

In den frühen 50er-Jahren veränderte sich die Betrachtungsweise hin zur „marketing mana- gement school“, was als entscheidungsorientierte Denkweise zu verstehen war, um die Mar- ketingfunktionen zu steuern, wobei hier ein starker Fokus auf den (End-)Konsumenten gelegt wurde (Levitt 1960).

Marketing wurde damals definiert als entscheidungsorientierte Aktivität, die darauf gerichtet ist, Konsumentenbedürfnisse zu befriedigen und Gewinne für das Unternehmen zu erzielen, indem sich auf einen Zielmarkt konzentriert wurde und aus einer mikroökonomischen Maximierungsperspektive eine optimale Gestaltung des Marketingmix vorgenommen werden sollte (Kotler 1967, zitiert in Vargo & Lusch 2004a).

Exkurs 1 Ende

Wie im Exkurs dargestellt, konnte bis zum damaligen Zeitpunkt behauptet werden, dass eine GDL vorherrschte. Die Basiskomponenten bildeten hierbei produzierte Güter, die darin enthaltenen Werte und Transaktionen. Wert entstand hier im Unternehmen und war ab dem Moment des Austausches im erzielten Preis messbar (Lambert 1972).

2.1.1 Von der Güter-Dominierten-Logik zur Service-Dominierten-Logik

Seit Beginn der 80er-Jahre gewannen jedoch verschiedene neue Konzepte und Forderungen an Einfluss, wie z. B. das Beziehungsmarketing (Berry 1983, S. 25f.; Duncan & Moriarty 1998; Sheth & Parvatiyar 1995), das Qualitätsmanagement (Hauser & Clausing 1988; Parasuraman, Zeithaml & Berry 1988), die Marktorientierung (Kohli & Jaworksi 1990; Narver & Slater 1990), das SC (Supply Chain)- und Wertkettenmanagement (Normann & Ramirez 1993; Srivastava, Shervani & Fahey 1999), das Ressourcenmanagement (Hunt & Morgan 1995), die Netzwerkanalyse (Achrol 1991; Achrol & Kotler 1999) und vor allem das Servicemarketing (Grönroos 1994; Zeithaml, Parasuraman & Berry 1985). Insbesondere die Entstehung des Servicemarketings als Subdisziplin erweckte in vielen Forschern das Interes- se, über das güterdominierte Produktmarketing hinauszudenken, sich also von der GDL loszu- reißen (Shostack 1977).

Darüber hinaus wurde argumentiert, dass die historische Marketingfunktion, die auf dem mik- roökonomischen Maximierungsparadigma basierte, einer kritischen Begutachtung bezüglich ihrer Relevanz für die Marketingforschung und -praxis unterworfen werden müsse (Webster 1992). Des Weiteren wurde ein alternatives, umfassenderes Paradigma für das Marketing ge- fordert, welches von der einseitigen Sicht der Austauschtheorie wegführend auch die immer wichtiger werdenden Beziehungen zwischen Marketingakteuren widerspiegeln sollte (Sheth & Parvatiyar 2000, S. 140).

Einen entscheidenden Artikel im Zusammenhang mit der SDL präsentierten Vargo und Lusch im Journal of Marketing. In diesem versuchten sie, die oben beschriebenen Forderungen und Denkweisen in einem holistischen Ansatz unter dem Paradigma der SDL zu subsumieren (2004a).

Die SDL definiert dabei Service als den Kern des Austausches und versucht ein theoretisches Verständnis zur Verfügung zu stellen, wie Firmen, Konsumenten und andere Marktakteure über Serviceinteraktionen Werte gemeinsam kreieren können (Karpen, Bove & Lukas 2012). Marketing hat sich folglich entwickelt von einer GDL, welche sich auf den Austausch von materiellen Produkten fokussierte, hin zum Austausch von Service. Dieser Service wird in- nerhalb der SDL aber nicht als Dienstleistung definiert, sondern als die Anwendung von Wis- sen und Fähigkeiten, welcher aber zudem immer noch physische Güter beinhaltet.

Eine weitere wichtige Unterscheidung zur Abgrenzung der SDL von der GDL treffen die Au- toren mit der begrifflichen Differenzierung zwischen operanten und operanden Ressourcen. Hierbei werden operande Ressourcen definiert als „resources on which an operation or act is performed to produce an effect“, wohingegen operante Ressourcen als „resources that pro- duce effect” verstanden werden (Vargo & Lusch 2004a, S. 2). Erstere kennzeichnen vor allem tangible Ressourcen, während Letztere intangible Ressourcen wie Wissen, Fähigkeiten oder Kompetenzen umfassen.

Der Zweck des Marketings im Sinne der SDL besteht darin, Service für alle Stakeholder eines Unternehmens bereitzustellen und es wird behauptet, dadurch Vorteile für Unternehmen und die Gesellschaft generieren zu können. Diese Vorteile werden demnach realisiert, wenn Transparenz geschaffen wird, Informationsasymmetrien abgebaut werden können und langfristige Beziehungen durch Investitionen - in die operanten Ressourcen Mitarbeiter und vor allem Kunden - aufgebaut werden. Besondere Aufmerksamkeit sollten hierbei auf die sozialen und ökonomischen Prozesse sowie die Co-Kreation gelegt werden (Vargo & Lusch 2008b). Marketing ist im Sinne der SDL nicht mehr nur eine Unternehmensfunktion, sondern stellt sich als eine Kernkompetenz dar und soll die dominante Rolle in der Unternehmensphilosophie einnehmen (Meffert & Bruhn 2009, S. 82f.).

Um ihre abstrakten Forderungen und Denkweisen der SDL etwas zu konkretisieren, entwickelten Vargo & Lusch zunächst acht fundamentale Prämissen (Vargo & Lusch 2004a), die bis heute teilweise abgeändert wurden und eine Ergänzung um zwei weitere Prämissen erfuhren (Vargo & Lusch 2008a).

Eine ihrer Prämissen bezieht sich auf die in dieser Arbeit angesprochene Thematik der CoKreation. Da die SDL jedoch nicht Schwerpunkt dieser Arbeit ist, sondern nur zur Einordnung dienen soll, befindet sich eine komplette Darstellung der Propositionen der SDL in Anlage 3 auf Seite 105. Im nächsten Abschnitt wird deswegen nur die für diese Arbeit relevante Proposition der Co-Kreation von Werten betrachtet.

2.1.2 Proposition der Co-Kreation als Bestandteil der Service-Dominierten-Logik

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der FP6 (foundational premise) aus Vargos & Luschs viel zitiertem Werk „Evolving to a new dominant logic for marketing“, die in ihrer ursprünglichen Fassung „The Customer is always a coproducer“ lautete.

Wie bereits angedeutet, wurden in der traditionellen, güterdominierten Logik Produzent und Konsument noch als klar getrennt gesehen, um eine maximale Produktions- und Kosteneffizi- enz sicherstellen zu können. Allerdings besteht das übergeordnete Ziel des Marketings darin, Kunden anzusprechen. In einer servicedominierten Perspektive mit starkem Fokus auf konti- nuierliche Prozesse und Beziehungen wird daher argumentiert, dass der Konsument immer in die Wertschöpfung mit einbezogen werden sollte. So endet im Sinne des „Value-in-Use“ der Produktionsprozess auch bei unternehmensintern produzierten, tangiblen Gütern nicht mit der Produktion, sondern Wert entsteht erst in der Nutzung durch den Konsumenten (Vargo, Maglio & Akaka 2008).

In Praxis und Wissenschaft sollte nach Meinung der Autoren daher die Trennung von Kon- sumtion und Produktion nicht als normatives Ziel gelten, sondern die Anerkennung - wenn nicht sogar die Notwendigkeit - vorherrschen, den Konsumenten als Coproducer zu behan- deln. So wurde bereits konstatiert, dass der Schlüssel der erfolgreichen Wertschöpfung darin besteht, Angebote zu koproduzieren, d. h., die Konsumenten zu mobilisieren (Normann & Ramirez 1993). Dieser Gedanke wurde dahin gehend weiterentwickelt, als dass Marketing sich zu einem „Real-Time“ Marketing wandelt. In diesem sollen Mass Customization und Relationship Marketing integriert sein sowie interaktiv Angebote gestaltet werden, um die in- dividuellen und sich ändernden Bedürfnisse der Kunden besser befriedigen zu können (Oli- ver, Rust & Varki 1998). Auch Prahalads und Ramaswamys erstmaligen Ausführungen zur Co-Kreation ist festzuhalten, dass der Markt ein Ort für proaktives Konsumenteninvolvement wurde, und sie argumentierten in diesem Zusammenhang für eine Kooptierung des Konsumenteninvolvements in den Wertschöpfungsprozess (Prahalad & Ramaswamy 2000). Zusammengefasst lässt sich bis hierhin behaupten, dass sich der Konsument von einer ope- randen Ressource als Zielobjekt hin zu einer operanten Ressource als Coproducer entwickelt hat und er in die gesamte Wert- und Servicekette mit einbezogen werden sollte, um selbst auf die vorhandenen operanden Ressourcen wirken zu können (Lusch & Vargo 2004a).

In der Folgezeit begann eine rege wissenschaftliche Diskussion um den 2004 veröffentlichten Artikel (z. B. Bolton 2004; Lusch & Vargo 2006a; Vargo & Lusch 2008a). Die sechste Proposition wurde bis heute etwas abgeändert und lautet inzwischen: „The customer is always a co-creator of value“.

Dies rührt vor allem aus der Konsequenz, dass innerhalb der SDL die Wert-Kreation im Mit- telpunkt steht und nicht mehr nur die reine Produktion. Der eigentliche Zweck der Proposition bis hierhin ist es, auszusagen, dass Wertschöpfung immer interaktiv betrieben wird, was durch die Änderung der Proposition deutlicher wird und besser zur Konnotation der SDL passt. Es wird jedoch weiterhin argumentiert, dass die Koproduktion ein Teil der SDL und ein Teilaspekt der Co-Kreation bleibt und Partizipation in der Entwicklung des Kernangebots beinhaltet, speziell, wenn tangible Güter betrachtet werden oder diese im Produktionsprozess eingesetzt werden (Vargo & Lusch 2008a).

Nach dieser theoretisch-abstrakten Einordnung der Co-Kreation in das Paradigma der SDL folgt nun die Definition des Begriffs aus einer etwas greifbareren Perspektive. Es soll hierbei insbesondere ein Begriffsverständnis der Co-Kreation für den Kontext der vorliegenden Arbeit geschaffen werden.

2.2 Co-Kreation

Im Folgenden wird der Begriff der Co-Kreation näher betrachtet. Dazu werden zunächst De- finitionen und anschließend ein Rahmenkonzept zur Co-Kreation aufgezeigt, um eine für die vorliegende Arbeit geltende Begriffsbestimmung und -eingrenzung der Co-Kreation zu exa- minieren. Anschließend wird die Co-Kreation von verwandten Konzepten wie Mass Customization, Open Innovation und Fokusgruppen differenziert, um die klare Eingrenzung der Thematik zu verdeutlichen. Zum Abschluss dieses Kapitels wird dann noch die Bedeutung bzw. Verknüpfung der Co-Kreation zum CRM dargestellt, da relevante Konstrukte aus die- sem Bereich ein wesentlicher Bezugspunkt für die restliche Arbeit sowie für die spätere empi- rische Untersuchung sind.

2.2.1 Begriff der Co-Kreation

Wie bereits verdeutlicht wurde, bildet die Co-Kreation von Werten einen fundamentalen Bestandteil der SDL für das Marketing (z. B. Vargo & Lusch 2004a; 2008a). In der Managementliteratur wird der Begriff Co-Kreation meist metaphorisch genutzt, um hervorzuheben, wie wichtig es beispielsweise in einem B2B-Kontext für Zulieferer ist, die Rolle ihrer Kunden in der Wertschöpfung zu beachten (Grönroos 2011b, S.6). Der Definitionsansatz von Prahalad und Ramaswamy (2000), in welchem Co-Kreation erstmals thematisiert wurde, liefert verschiedene Perspektiven.

So werden Konsumenten als aktive Partner verstanden, die Teil eines erweiterten Netzwerks sind und dabei Wert co-kreieren. Sie sind in diesem Sinne Kollaborateure und Co-Entwickler.

Aus Managementsicht muss der Kunde als Individuum aber gleichzeitig als ein Teil eines emergenten sozialen und kulturellen Gefüges gesehen werden. Die Interaktion des Unternehmens mit seinen Kunden bezieht sich darauf, dass Konsumenten Co-Entwickler personalisierter Erlebnisse sind. Unternehmen und Konsumenten nehmen dabei gemeinsame Rollen im Schaffen von Erlebnissen und der Co-Kreation ein und tragen gemeinsam Verantwortung für die Marktakzeptanz von Produkten und Services.

Der Zweck und Fluss der Information bezieht sich nach Auffassung der Autoren auf einen aktiven Dialog mit Konsumenten (Prahalad & Ramaswamy 2000).

Wie Prahalad nach mehr als einer Dekade Forschung im Kontext der Co-Kreation feststellt, wird die Co-Kreation von Werten definiert als ein allumfassender Ausdruck, der die gemein- same Wertschaffung durch die involvierten Akteure bezeichnet, wobei stets betont wird, dass in einer Geschäftspartnerschaft beide Parteien an der Wertschaffung teilnehmen (Ramaswamy 2011, S. 195).

Da die eben genannten Definitionsansätze und auch schon die Übersicht in Anlage 2 verdeut- lichen, dass sich Co-Kreation auf verschiedenste Arten interpretieren und durchführen lässt (z.B. in der Prozess- und Produktverbesserung, Unternehmensentwicklung, Stadtentwicklung, Werbegestaltung, etc.), sei an dieser Stelle die Eingrenzung vorweggenommen, dass diese Arbeit auf den Aspekt der Co-Kreation in der Neuproduktentwicklung abzielt. Geeignet für eine Einordnung erscheint in diesem Zusammenhang das Rahmenkonzept zur Co-Kreation von Hoyer et al. (2010), welches im Folgenden vorgestellt werden soll. Hier wird Co-Kreation definiert als kollaborative Produktentwicklung von Firmen und Konsumenten, die es Konsumenten erlaubt, eine aktive und zentrale Rolle als Teilnehmer im Neuproduktentwicklungsprozess einzunehmen (Hoyer et al. 2010, S. 283). Die Autoren zeigen in ihrem Rahmenkonzept, das in Abbildung 3 veranschaulicht wird, ne- ben Stimulatoren, Motivatoren, Hindernissen und Ergebnissen der Co-Kreation vier Phasen, in welchen diese in der Neuproduktentwicklung stattfinden kann: Ideenfindung, Produktent- wicklung, Kommerzialisierung und Post-Launch.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Rahmenkonzept zur Co-Kreation

Quelle: in Anlehnung an Hoyer et al. 2010, S.284

Wie bereits festgestellt wurde, sind die ersten beiden Phasen - die der Ideenfindung und der Produktentwicklung - entscheidend für den Erfolg neuer Produkte (Cooper 2001, S. 8), weswegen Co-Kreation in diesem Bereich auch von besonderem Interesse ist. In diesen bei- den Phasen wird der Co-Kreation das Potential zugesprochen, Zeit- und Kostenersparnisse zu bewirken sowie das Risiko von Produktfehlschlägen zu reduzieren (Hoyer et al. 2010). Die anderen beiden Phasen - die der Kommerzialisierung und des Post-Launches - werden ebenfalls als sehr bedeutend angesehen und sind meist auch mit sehr hohen Kosten verbunden (Crawford & di Benedetto 2011, S. 424ff). Diese sollen jedoch nicht im Fokus dieser Arbeit stehen, da aus Sicht des Autors eine höhere Relevanz im Bereich der beiden zuerst genannten Phasen liegt und eine Vielzahl der Beispiele aus der Unternehmenspraxis sich gerade in die- sen Phasen befindet.

Co-Kreation im Kontext dieser Arbeit kann schließlich definiert werden als kollaborative Aktivität in der Neuproduktentwicklung, in welcher es Konsumenten möglich ist, aktiv an der Ideenfindungs- und Entwicklungsphase eines neuen Produktes teilzunehmen (O‘Hern & Rindfleisch 2009, S. 87).

2.2.2 Begriffliche Abgrenzung zu Mass Customization, Open Innovation und Fokus-gruppen

In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, wie sich die Co-Kreation nach dem eben erarbeite- ten Begriffsverständnis von ähnlichen, verwandten Konzepten abgrenzt. Bei diesen Konzep- ten handelt es sich um Mass Customization, Open Innovation und Fokusgruppen. Bei der Mass Customization wird versucht, die Vorteile der Massenproduktion (geringe Kosten) mit den Vorteilen der Individualisierung bzw. Personalisierung zu vereinen (z. B. hö- here Zahlungsbereitschaft).

Während das Ziel der Massenproduktion darin besteht, ein Produkt zu geringstmöglichen Kosten herzustellen, zielt die Mass Customization darauf ab, zu einem annehmbaren Preis genug Varietät zu erzeugen, um einzelne, individuelle Bedürfnisse zu befriedigen. Das Konzept der Mass Customization bezieht sich meist auf die technischen Möglichkeiten eines Unternehmens, hohe Produktvarietät und Anpassung über Flexibilität und Reaktionsfähigkeit ermöglichen zu können (Kotha 1995, S. 22).

Bei der Customization übernimmt der Hersteller das Design eines Produktes, das zu einem bestimmten Bedürfnis des Konsumenten passt. Besonders ausgeprägt ist diese Möglichkeit im Internet, wenn Konsumenten Produkte nach ihren Wünschen mithilfe eines Sets von vorgegebenen Features anpassen bzw. „customizen“ können.

Dies stellt eine Art der Individualisierung dar, entspricht aber nicht dem Personalisierungs- und Erlebnisaspekt der Co-Kreation. Der Personalisierungsaspekt im Sinne der Co-Kreation meint, dass der Konsument zum Co-Kreateur des Inhalts seiner Erlebnisse wird (Prahalad & Ramaswamy 2000).

NikeID als typisches Beispiel der Mass Customization soll dies verdeutlichen. Auf dieser Plattform wird es Kunden ermöglicht, bestehende Produkte wie Schuhmodelle, Trainingsan- züge oder Sporttaschen nach ihren Vorstellungen mithilfe eines vorgegebenen Toolkits an Designoptionen und über individualisierte Schriftzüge oder Logos zu personalisieren (NikeID-Homepage).

Dies entspricht zwar einem gewissen Personalisierungs- und Individualisierungsgedanken, geht aber nicht so weit, als dass von Co-Kreation gesprochen werden könnte. Würde Nike mit der Aufforderung „Design your own sneaker (or trainingssuit)“ an seine Konsumenten herantreten, sodass Kunden beispielsweise eigene Vorschläge und Skizzen völlig frei von vorgegebenen Produktlinien oder Designs geben sowie mit Mitarbeitern in Dialog treten und Gestaltungsmöglichkeiten diskutieren könnten, hätte dies einen deutlich höheren Erlebniswert und würde der Definition der Co-Kreation im Sinne dieser Arbeit entsprechen.

Ein weiterer entscheidender Abgrenzungsaspekt besteht darin, dass sich Co-Kreation, wie be-reits im Ansatz von Hoyer et al. (2010) dargestellt, auf den gesamten Wertschöpfungsprozess beziehen kann, wohingegen Mass Customization in Anlehnung an obige Argumentation auf den Produktionsprozess bzw. das Ende des Produktionsprozesses beschränkt ist. Kristensson, Matthing und Johannson unterstützen diese Argumentation und begründen diesen Unterschied mit dem Grad des Konsumenteninvolvements. So spielt der Konsument in der Customization eine weniger entscheidende Rolle als in der Co-Kreation und seine Teilnahme ist beschränkt auf das Ende des Innovationsprozesses. Er macht also beispielsweise nur Vorschläge für einen fast fertigen Prototyp oder nimmt Designänderungen an einem fast fertigen Produkt vor und befindet sich im Gegensatz zur proaktiven Co-Kreation in einer reaktiven Position (Kristensson, Matthing & Johansson 2008).

Ein weiteres prominentes Beispiel im Kontext der Mass Customization liefert neben NikeID die Firma Dell, wo Konsumenten Computer aus vorgegebenen, standardisierten Modulen nach ihren Wünschen individuell anpassen können (Dell-Homepage).

Das Konzept der Open Innovation geht vor allem auf Chesborough zurück (2001, 2003). Es wird dahingehend definiert, dass Ideen bzw. Innovationen sowohl klassisch aus der F&E- Abteilung eines Unternehmens als auch von externen, unternehmensfremden Akteuren stam- men können, also das Innovationsmanagement in einem gewissen Maße nach außen geöffnet wird. Es wird hierbei externen Ideen und externen Marktzugängen die gleiche Relevanz und Wichtigkeit zugeschrieben wie der internen Ideen- und Innovationsfindung (Chesborough 2003, S. 43).

Auch für die Abgrenzung der Open Innovation gilt analog zur Abgrenzung der Mass Customization von der Co-Kreation, dass unterschiedliche Phasen der Wertschöpfung betrachtet werden. So bezieht sich die Open Innovation ausschließlich auf die Ideenfindung bzw. Innovationsentwicklung, wohingegen Co-Kreation, wie bereits beschrieben, den gesamten Wertschöpfungsprozess betreffen kann.

Als Beispiel für Open Innovation sei Procter & Gambles Programm „Connect & Develop“ genannt, welches eine zweiseitige Innovationsentwicklung zwischen Procter & Gamble selbst und externen Individuen ermöglicht. Auch die Softwareherstellung bei Linux verdankte ihre Produktverbesserung in der Vergangenheit einem informellen Netzwerk an Programmentwicklern (Chesborough 2003, S. 40).

Als letzte begriffliche Abgrenzung soll kurz auf Fokusgruppen eingegangen werden, da auch hier eine Integration des Kunden in den Wertschöpfungsprozess angestrebt wird. Diese Me- thode stammt primär aus der qualitativen Marktforschung und konkretisiert sich in einer strukturierten Gruppendiskussion verschiedener Probanden mit einem Moderator (Flick 2007,S. 222).

Im Vordergrund steht dabei die Verbreitung und Vertiefung des Kunden- bzw. Konsumen- tenwissens. In vorliegendem Kontext ist herauszustellen, dass sich dieses Verfahren für den Bereich der Ideengenerierung eignet, indem Fokusgruppen z. B. über Alltagssituationen dis- kutieren und darauf aufbauend neue Produkte entwickelt werden können. Denkbar ist auch der Bereich der Neuproduktentwicklung, wo den Probanden Neuproduktkonzepte oder bereits Prototypen vorgestellt und Stärken und Schwächen der Produkte diskutiert werden, um diese dann zu modifizieren und zu verbessern (Töpfer & Silbermann 2008, S. 267ff.).

Allein aufgrund der dargestellten Methodik der Fokusgruppe lässt sich aber erkennen, dass diese sich vom Konzept der Co-Kreation unterscheidet. Des Weiteren werden für Fokusgrup- pen im Regelfall gezielt vier bis zwölf Probanden gesucht, welche physisch anwesend sind, wohingegen an der Co-Kreation gewöhnlich jeder und in unbegrenzter Anzahl auf meist vir- tuellen Plattformen teilnehmen kann. Außerdem beschränken sich die Phasen, in denen Fo- kusgruppen zum Einsatz kommen, auch hier wieder auf die Ideenfindung und die Neupro- duktentwicklung.

Nachdem nun der Begriff der Co-Kreation für diese Arbeit definiert sowie von verwandten Konzepten und Methoden abgegrenzt wurde, widmet sich der abschließende Aspekt dieses Kapitels der Bedeutung der Co-Kreation im CRM.

2.3 Bedeutung der Co-Kreation im Customer Relationship Management

Das CRM hat in den letzten Jahren entscheidend an Bedeutung gewonnen. Dies ist insbesondere den aktuellen Marktbedingungen geschuldet, die es den Unternehmen erschweren, sich gegenüber ihrer Konkurrenz abzuheben und Kunden dauerhaft an sich zu binden. Vor allem erscheint dies in Märkten problematisch, welche durch hohen Wettbewerbsdruck, Stagnationstendenzen und austauschbare Leistungen gekennzeichnet sind. Eine Differenzierung über die Kernleistung eines Produktes gestaltet sich hier für Unternehmen zunehmend schwieriger. Verschärft wird diese Situation dadurch, dass neue IuK-Technologien die Märkte noch transparenter werden lassen und Kunden einfacher Preise vergleichen können.

Bei tendenziell steigender Preissensibilität der Kunden wird es für Unternehmen folglich im-mer aufwendiger, Neukunden zu gewinnen (Grabner-Kräuter & Schwarz-Musch 2009, S. 179 f.).

Es gibt bereits Studien, die zeigen, dass eine Neukundengewinnung je nach Branche, 3- bis 7- mal teurer ist als das Halten eines bereits bestehenden Kunden, wobei hier verdeutlicht wer- den soll, dass durch diese Akquisitionstätigkeit sehr hohe Kosten entstehen (Pepels 2008, S. 231). Im Zuge einer langfristigen Kundenbindung lassen sich außerdem neben Kosteneinspa- rungen - im Bezug auf diese Akquisitionstätigkeit - für Unternehmen zahlreiche weitere Vorteile generieren, wie z. B. Wiederkauf-, Mehrkaufabsichten, Cross-Selling-Potentiale, po- sitive WOM, geringere Preissensibilität oder höhere Loyalität (Homburg, Becker & Hentschel 2008, S. 103ff.), wodurch die Wichtigkeit eines guten CRMs unterstrichen werden kann.

Die Vorteile aus Kundensicht in diesem Kontext sind nach Gwinner, Gremler und Bitner „social benefits“, also die Entwicklung einer persönlichen Beziehung zum Unternehmen, die sogar als Freundschaft empfunden werden kann. Des Weiteren „confidence“, was bedeutet, dass im Laufe der Zeit der Beziehung Unsicherheit und damit Risiko reduziert und Vertrauen aufgebaut werden kann, sowie „special treatment“, wobei z. B. wie im Sinne einer Individualisierung oder Personalisierung spezielle Wünsche und Bedürfnisse des Kunden berücksichtigt werden (Gwinner, Gremler & Bitner 1998).

Im Zuge dieser Arbeit besteht die Aufgabe darin, herauszustellen, welche Bedeutung CoKreation für das CRM hat. So geht der Autor davon aus, dass sich durch CoKreationserlebnisse wichtige Zielgrößen des CRM beeinflussen lassen. Bereits 2003 konnten Bendapudi und Leone nachweisen, dass eine Partizipation von Konsumenten in der Koproduktion Kundenzufriedenheit positiv beeinflusst. Ebenso gibt es Studien, die zeigen, dass eine größere Customization und damit Individualisierung engere und damit bessere Kundenbeziehungen fördern kann (z. B. Johnson & Selnes 2004). Weitere Studien konnten zeigen, dass Kundenbindung, Vertrauen und Commitment Dimensionen des CRM sind, die mithilfe von Co-Kreation positiv beeinflusst werden können (Randall, Gravier & Prybutok 2011), oder dass positive Co-Kreationserlebnisse Vertrauen, Zufriedenheit und Wiederkaufsabsichten fördern (Auh et al. 2007).

Ebenso kann es gelingen, durch die erfolgreiche Steuerung der Co-Kreation den Customer Lifetime Value von erstrebbaren Kundensegmenten als wichtige messbare Zielgröße im Bereich des CRM zu maximieren (Payne & Frow 2005).

Außerdem wird behauptet, dass Co-Kreation im Sinne des CRM als immer wichtigere und entscheidendere Komponente des Innovationsmanagements und Aspekt von Wachstumsstrategien zu sehen ist (Maklan, Knox & Ryals 2008).

Obige Ausführungen sollten verdeutlichen, welche positiven Effekte im Sinne eines CRM mit positiven Co-Kreationserlebnissen verbunden sind. Es stellt sich hier jedoch die Frage - ins- besondere im Sinne dieser Arbeit - was geschieht, wenn Konsumenten negative Co- Kreationserlebnisse widerfahren. So ist es die Argumentation des Autors, dass sich diese möglicherweise negativ auf relevante Zielgrößen des CRM auswirken. Mit anderen Worten: Ablehnungen von Produktvorschlägen können eventuell negative Effekte auf Konstrukte wie z.B. Zufriedenheit, Loyalität, Cross-Selling-Potentiale oder WOM nach sich ziehen.

Wie dies sich genau konkretisiert, wird im Folgenden dritten Kapitel theoretisch hergeleitet mit der Zielsetzung, diese Effekte in der späteren empirischen Untersuchung zu erheben und zu bestätigen. Des Weiteren soll auch gezeigt werden, welche Möglichkeiten Unternehmen offenstehen, diesen negativen Konsequenzen entgegenzuwirken, um ihre Kunden trotz einer Ablehnung halten bzw. binden zu können und die in diesem Abschnitt skizzierten Vorteile trotzdem zu realisieren bzw. die vermuteten Nachteile zu vermeiden.

In der dieses Kapitel abschließenden Abbildung 4 soll die bis hierhin angenommene und argumentierte Wirkungsweise noch einmal zusammengefasst werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Bisherige Argumentation und Annahmen

3. Theoretische Grundlagen

Nachdem bis hierhin begriffliche Grundlagen erörtert und die Thematik in einen übergeordneten Kontext eingeordnet wurde, sollen im folgenden Kapitel die theoretischen Grundlagen vorgestellt werden, welche dem späteren Gesamtuntersuchungsmodell und letztlich der empirischen Erhebung zugrunde liegen.

Deshalb sei an dieser Stelle und auch in den Ausführungen zu den einzelnen theoretischen Grundlagen immer wieder auf das im Kapitel 4 auf Seite 44 dargestellte Gesamtuntersuchungsmodell verwiesen, das dem Leser dazu dienen soll, die besprochenen Konstrukte und Theorien in einen gemeinsamen Kontext zu bringen.

Wie bereits angedeutet, gilt als eine zentrale Annahme der vorliegenden Arbeit, dass die Ablehnung von Produktvorschlägen negative Emotionen auslöst. Daher soll zunächst aufgezeigt werden, wie negative Emotionen entstehen. Dies wird in dieser Arbeit über AppraisalTheorien erklärt, wobei es entscheidend ist, zu eruieren, welche Appraisal-Theorie für die vorliegende Arbeit geeignet ist (3.1), um danach explizit darzustellen zu können, welche Emotionen betrachtet und untersucht werden sollen. Dies erfolgt in dieser Arbeit über eine Synthese der Konzepte des Consumption Experience Sets (CES) nach Richins (1997) und der Appraisal-Theorie nach Roseman (1991) (3.2).

Zusätzlich gilt als weitere Annahme, dass negative Emotionen möglicherweise Auswirkun- gen auf beziehungsrelevante Konstrukte haben. Deshalb soll im Anschluss gezeigt werden, welche davon in der späteren empirischen Untersuchung konkret von Interesse sind (3.3). Als Annahme, durch organisationale und managementtechnische Möglichkeiten negative Ef- fekte vermeiden bzw. vermindern zu können, bedient sich die Arbeit der Theorie der Organizational Justice (OJ), welche Bestandteil des Kapitels 3.4. ist. Dazu wird zunächst verdeutlicht, wie es möglich ist, Konzepte aus der Organisationspsychologie auf den vorlie- genden Kontext zu übertragen. Danach wird erarbeitet, was unter OJ zu verstehen ist, aus welchen Dimensionen sich dieses Konzept zusammensetzt und welche davon Bedeutung für diese Arbeit besitzen.

Individuellen Unterschieden geschuldet nimmt der Autor des Weiteren an, dass zum einen die Persönlichkeit und zum anderen die eingesetzte Zeit bzw. Opportunitätskosten Einfluss darauf haben, wie unterschiedlich stark Individuen auf eine Produktablehnung reagieren.

Des Weiteren aber auch, wie OJ-Dimensionen wahrgenommen werden und sich damit auf die emotionalen Reaktionen auswirken. Daher werden abschließend im Abschnitt 3.5 der theoretischen Grundlagen diese beiden - als Moderatoren angenommenen - Faktoren anhand geeigneter Konzepte vorgestellt.

3.1 Appraisal-Theorien zur Erklärung der Entstehung von Emotionen

In der wissenschaftlichen Diskussion gibt es eine Vielzahl an Theorien, die unterschiedliche Erklärungsansätze beinhalten, was Emotionen sind und wie sie entstehen. Eine der ersten Emotionstheorien nach James erklärte die Entstehung von Emotionen folgendermaßen: Ein bestimmter Reiz („exciting fact“) führt nach einem einfachen Bewertungsvorgang unmittelbar zu organischen/viszeralen Veränderungen und danach zu motorischen Reaktionen (James 1884). Kritisiert wurde die Theorie nach James vor allem durch Cannon (1927), der behaupte- te, dass zunächst eine kognitive Interpretation eines Reizes vorgenommen werden muss, da- mit im Anschluss eine körperliche Reaktion erfolgen kann. Auch Cannons Theorie war nicht unumstritten, jedoch lieferte sie die wesentliche Basis der kognitionsdominanten Emotions- theorien - der sogenannten Appraisal-Theorien - welche im Fokus dieser Arbeit stehen (Kroe- ber-Riel, Weinberg & Gröppel-Klein 2009, S. 103).

Eine weitere einflussreiche Theorie in diesem Zusammenhang ist die Zwei-Faktoren-Theorie nach Schachter und Singer (1962), die besagt, dass zum einen physiologische Erregung vor- liegen und zum anderen eine subjektive Interpretation erfolgen muss, damit eine Emotion ent- steht. Fehlt einer der beiden Faktoren, ist eine Emotion unvollständig oder wird nicht erlebt. Sie lenkten mit ihren Ausführungen - die bis heute zu den am häufigsten zitierten zählen - die Aufmerksamkeit auf das Zusammenspiel von subjektiven, kognitiven und physiologischen Vorgängen, welche eine erhebliche Bedeutung für die Erklärung des menschlichen Verhaltens besitzen (Sokolowski 2008, S. 339ff.).

Kontrovers ist bis heute die Zajonc-Lazarus-Debatte, d. h. die Diskussion zwischen biologi- schen und Appraisal-Theorien. Erstere gehen davon aus, dass Emotionen biologisch vorpro- grammiert sind, also Funktionen des zentralen Nervensystems sind, wohingegen Appraisal- Theorien auf einer subjektiven Erlebnisebene basieren und Emotionen über kognitive Inter- pretationsvorgänge erklären (Kroeber-Riel, Weinberg & Gröppel-Klein 2009, S. 104). Die vorliegende Arbeit blendet den naturwissenschaftlichen Aspekt allerdings aus und be- schränkt sich auf Appraisal-Theorien zur Erklärung des Konsumentenverhaltens im Sinne der Ablehnung negativer Produktvorschläge.

Obwohl im Bereich der Appraisal-Theorien eine Vielzahl von Ansätzen existiert (z. B. Laza-rus 1991, S. 133ff.; Ortony, Clore, & Collins 1988, S. 34ff.; Roseman, Spindel & Jose 1990; Roseman 1991, Smith & Ellsworth 1985), beinhalten doch alle Theorien eine gemeinsame Basis, um den Prozess der Auslösung von Emotionen zu beschreiben (Weiss & Cropanzano 1996).

Diese Basis lautet, dass sich der Appraisal-Prozess als zweistufiges Konzept interpretieren lässt. In einer ersten Phase nehmen Konsumenten eine Bewertung vor, ob ein bestimmtes Ereignis Auswirkungen auf das persönliche Wohlbefinden hat (1st Appraisal). Diese Bewertung basiert insbesondere auf der Überlegung, ob das Ereignis Relevanz für persönliche Ziele oder Werte besitzt (Weiss & Cropanzano 1996).

In einer zweiten Stufe der kognitiven Appraisal-Theorien wird argumentiert, dass die erste Bewertung begleitet wird von einer kognitiven Interpretations- und Analysephase des Ereignisses (2nd Appraisal), welche in diskret erlebten Emotionen resultiert (Smith & Pope 1992, S. 32f.; Weiss, Suckow & Cropanzano 1999).

Für die vorliegende Arbeit könnte das bedeuten, dass Personen das Ziel haben, dass ihr Produktvorschlag akzeptiert wird, und daher die Bewertung vornehmen, dass das Ereignis der Annahme für sie relevant ist (1st Appraisal). Dies lässt sich durch unterschiedliche Faktoren begründen, z. B. durch motivationale oder Selbstverwirklichungsaspekte der Realisierung eigener kreativer Ideen bzw. Vorschläge oder die Anerkennung der erbrachten Leistung. Des Weiteren könnten Ablehnungen von Individuen kognitiv bewertet werden (2nd Appraisal) und sich in diskret erlebten negativen Emotionen äußern.

Zur Konkretisierung der Überlegungen sollen im Folgenden zwei Appraisal-Theorien vorge- stellt werden, die für die vorliegende Arbeit das Entstehen konkreter negativer Emotionen er- klären können.

Lazarus, der als einer der Befürworter und einer der bedeutendsten Forscher im Bereich der Appraisal-Theorien gilt, stellt beispielsweise heraus, dass eine Person erst dann eine bestimm- te Emotion erleben kann, wenn ein Erlebnis bewertet und interpretiert wird. Dabei ist es uner- heblich, ob der Bewertungsvorgang bewusst oder unbewusst vorgenommen bzw. erlebt wird. Beim Appraisal-Vorgang (Bewertungsvorgang) spielt es eine entscheidende Rolle, dass der durch ein Ereignis ausgelöste Zustand mit einem erwünschten Zustand verglichen wird, also eine sogenannte „Goal Congruence“ vorherrscht. Dabei entsteht eine Emotion dann, wenn das Individuum Interesse an dem Ereignis hat („Goal Relevance“) und auch bewertet, inwieweit das Ereignis den erwünschten Zielzustand fördert oder bedroht (Lazarus 1991, S. 135f.).

Für den Kontext dieser Arbeit und die Fragestellung der Reaktion auf Ablehnungen von Pro- duktvorschlägen könnte dies bedeuten: Eine Person reicht einen Produktvorschlag ein und hat somit ein gewisses Interesse an der Realisierung ihres Produktvorschlags („Goal Relevance“). Danach erfolgt eine Ablehnung des Vorschlags seitens des Unternehmens, und sie nimmt einen Appraisal-Vorgang vor, wobei der erwünschte Zielzustand (Annahme des Produktvorschlags) mit dem Ereignis der Ablehnung verglichen und bewertet wird („Goal Congruence“). In Bezug auf die „Goal Relevance“ sieht das Individuum nun seinen er- wünschten Zielzustand gefährdet und antwortet daher mit einer emotionalen Reaktion, die nach der Argumentation des Autors negativ sein wird, da der angestrebte Zielzustand nicht er- reicht bzw. als bedroht interpretiert wird. Ein adäquates Konzept zur weiteren Konkretisie- rung stellt Roseman zur Verfügung (1991). Er unterscheidet fünf Dimensionen, nach denen sich ein Ereignis bewerten lässt, welche in nachfolgender Abbildung 5 verdeutlicht werden sollen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Appraisal-Theorie nach Roseman

Quelle: in Anlehnung an Roseman 1991, S.161

Wie der Abbildung zu entnehmen ist, können Ereignisse (1) motivkonsistent mit positiven Emotionen oder motivinkonsistent mit negativen Emotionen als Folge interpretiert werden,(2) Appetenz oder Aversion erzeugen, (3) selbst, durch andere Personen oder Umstände verursacht werden, (4) wobei die Ursache mehr oder weniger sicher eingeschätzt werden kann und (5) mit unterschiedlicher Intensität verarbeitet wird.

Appraisal-Theorien wird besonders in der Marketingforschung hohe Relevanz zugesprochen,etwa wenn es allgemein um die Zielerreichung von Individuen geht. Bei einer Interpretation von Zielen als interne Repräsentationen erwünschter Zielzustände kann daher argumentiert werden, dass immer wenn ein Individuum ein erwünschtes Ziel nicht erreichen kann, es mit einer emotionalen Reaktion antwortet.

Des Weiteren bewährt sich das Konzept nach Roseman regelmäßig aufgrund seiner Kategori- sierungen, wenn es darum geht, Hypothesen zu generieren, die erklären sollen, wann welche emotionalen Reaktionen zu erwarten sind (Kroeber-Riel, Weinberg & Gröppel-Klein 2009, S. 106).

Nach dem Ansatz von Roseman ist für die vorliegende Arbeit zuvorderst die Ebene der Motivkonsistenz bzw. Motivinkonsistenz relevant. So wird analog zu obiger Argumentation beim Konzept nach Lazarus angenommen, dass das Individuum mit einer Annahme als gewünschtem Zielzustand rechnet, jedoch als motivinkonsistente Folge eine Ablehnung seitens des Unternehmens bekommt. Nach dem Ansatz von Roseman können in diesem Fall die in der Abbildung 5 dargestellten negativen Emotionen entstehen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch die Unterscheidung, ob die Ablehnung als selbst verursacht, durch andere verursacht oder den Umständen geschuldet interpretiert wird. Diese Unterscheidung soll vor allem dazu dienen, die konkreten Emotionen zu definieren, welche in der empirischen Untersuchung zu analysieren sind.

Im nachfolgenden Abschnitt wird nun aus einer Synthese des Konzepts nach Roseman sowie des Konzepts der zentralen negativen Emotionen des Konsumentenverhaltens (Richins 1997) abgeleitet, welche Emotionen konkret in der späteren empirischen Untersuchung erhoben werden sollen.

3.2 Zentrale negative Emotionen des Konsumentenverhaltens

Im vorigen Abschnitt wurde gezeigt, dass Appraisal-Theorien im Kontext dieser Arbeit ge- eignet sind, das Entstehen von negativen Emotionen zu erklären. Im Folgenden ist zu ermit- teln, welche die konkret relevanten Emotionen sind, die in dieser Arbeit betrachtet werden. Im Vorwort des Buches „The Marketing Power of Emotion“ und im weiteren Verlauf ihrer Arbeit stellen die Autoren heraus, dass Emotionen die entscheidenden Kräfte in zahlreichen Bereichen des Marketings sind, also die zentralen Größen darstellen, die es zu beeinflussen gilt, da sie das menschliche Verhalten wesentlich beeinflussen (O‘Shaugnessy & O‘Shaugnessy 2003, S. 1f.).

In der Literatur zu den Appraisal-Theorien und aus dem Bereich der Konsumentenverhaltens-forschung lassen sich verschiedenste Messansätze und damit auch Kategorisierungen von Emotionen finden. So werden beispielsweise in der PAD (Pleasure-Arousal-Dominance)- Skala drei Dimensionen über sechs unterschiedliche Itempaare gemessen (Mehrabian & Russell 1974, S. 46). Die differenzielle Emotionsskala als Beispiel misst einen emotional aktivierenden Stimulus über 30 Adjektive, wobei sich jeweils zehn Adjektive auf eine der Fundamentalemotionen nach Izard beziehen, um die Ausprägungen der Fundamentalemotionen einschätzen zu können (Izard 1977, S.43 ff.).

Im Emotions Profile Index werden acht Basisemotionen nach Plutchik mit jeweils drei Adjektiven gemessen, die verschiedene Intensitäten der Basisemotionen widerspiegeln sollen. Darüber hinaus sollen in diesem Ansatz die eingesetzten Stimuli noch mit 16 weiteren Emotionsadjektiven bewertet werden (Plutchik 2003).

Das entscheidende Konzept für die vorliegende Arbeit zur Erfassung von Emotionen des Konsumentenverhaltens liefert das 1997 von Richins entwickelte Consumption Emotions Set (CES). In diesem explorativen Ansatz versuchte Richins, aus den oben erwähnten Skalen Emotionskategorien zu extrahieren und sie bezüglich ihrer Eignung, Emotionen im Konsumerlebnis messen zu können, zu prüfen. Das Resultat der Studie waren 16 grundlegende Emotionskategorien, welche in nachfolgender Abbildung 6 dargestellt sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Consumption Emotions Set nach Richins

Quelle: in Anlehnung an Richins 1997, S. 141f.

Im Kontext dieser Arbeit wird eine Übertragbarkeit des Konsumerlebnisses auf das Co-Kreationserlebnis unterstellt, wodurch auch hier eine Übertragbarkeit der Skala nach Richins auf die vorliegende Thematik sinnvoll erscheint.

Aus der Synthese dieses Konzepts und den Ausführungen zum Ansatz nach Roseman möchte der Autor nun zeigen, welche Emotionen in dieser Arbeit betrachtet werden sollen. Dabei liegt der Fokus vor allem darauf, Emotionen zu messen, die über die Appraisal-Theorie nach Roseman hergeleitet werden können. Darüber hinaus sollen die untersuchten Emotionen auch Komponenten des CES nach Richins sein, um einen sinnvollen Bezug zum Marketing bzw. dem Co-Kreationserlebnis herstellen zu können.

Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass die Annahme gilt, dass negative Emotionen im späteren Modell mit negativen Konsequenzen für die Kundenbeziehung verknüpft sein sollen. Das heißt konkret, dass negative Emotionen Auswirkungen auf beziehungsrelevante Kon- strukte wie z. B. Kundenzufriedenheit, WOM, Loyalität, Commitment, Vertrauen oder Cross- Selling-Potentiale haben können, was aber in den Hypothesen in Kapitel 4 noch genauer spe- zifiziert wird.

Zum einen soll die Emotion „Anger“ (Ärger/Wut) betrachtet werden, die nach Roseman eine negative Emotion ist, welche durch andere Personen oder Institutionen verursacht wird, und auch nach Richins eine zentrale Emotionskategorie des CES darstellt.

„Anger“ wird als Reaktion aufgefasst, die mit der Nichterreichung eines Ziels - in diesem Fall der Nichtakzeptanz des Produktvorschlags - verbunden ist. Er entsteht regelmäßig dann, wenn Menschen glauben, dass sie absichtlich geschädigt oder vernachlässigt wurden (Stein & Levine 1989), ein Gefühl der Ungerechtigkeit vorherrscht oder Inkompatibilität mit Normen gegeben ist (Ortony, Clore & Collins 1988, S. 43ff.; Roseman 1991; Smith & Ellsworth 1985).

Grund für die Betrachtung dieser Dimension ist die Annahme des Autors, Konsumenten rea- gieren auf Produktablehnungen seitens des Unternehmens - welches hier der externe Verur- sacher der negativen Emotionen ist - mit Ärger bzw. Wut auf das Unternehmen selbst. Die Begründung hierfür kann darin liegen, dass die Ablehnung als ungerecht empfunden wird. Es wird eine externale Attribution der Ablehnung vorgenommen und somit der Grund der Ab- lehnung dem Unternehmen zugeschrieben, was negative beziehungsrelevante Auswirkun- gen veranlassen kann, wenn beispielsweise die Aspekte der negativen WOM oder zukünftige Kaufabsichten betrachtet werden.

Als zweite Emotion soll „Sadness“ (Betroffenheit/Traurigkeit) betrachtet werden. Dabei han-delt es sich nach Roseman um eine Emotion, welche motiv-inkonsistent und externen Umständen geschuldet ist.

„Sadness“ gilt ebenso wie „Anger“ als Emotion, die eine Reaktion auf das Nichterreichen eines Ziels ist. Zahlreiche Studien zeigten bereits, dass „Anger“ und „Sadness“ regelmäßig gleichzeitig auftreten (z.B. Stein & Levine 1996).

In vorliegendem Kontext kann das bedeuten, dass Co-Kreatoren über die Ablehnung ihrer Vorschläge betrübt bzw. unglücklich sind. Als für das Unternehmen relevante Folge von „Sadness“ gilt, dass sich neben negativen beziehungsrelevanten Konsequenzen der Konsu- ment als Co-Kreateur zurückziehen und sich in Zukunft nicht mehr an Co-Kreationsprojekten engagieren würde, wodurch eventuell wertvolle Innovationspotentiale verloren gingen. Als dritte Kategorie soll die Emotion „Shame“ (Scham) betrachtet werden. Diese bezieht sich nicht wie „Anger“ auf einen externen Verursacher, sondern wird sich selbst zugeschrieben. „Shame“ als internale Attribution wird mit einem untertauchenden und sich sozial zurückzie- henden Verhalten assoziiert (Tangney & Dearing 2002, S. 10). Für diese Arbeit kann das be- deuten, dass ein Co-Kreateur die Ablehnung eigenem Versagen bzw. persönlicher Unfähig- keit zuschreibt und sich aufgrund der Ablehnung schämt.

Allerdings können Individuen auch über einen Wandel der internalen in die externale Attribution „Shame“ in „Anger“ umwandeln, was in der Literatur als „Shame-Rage-Spirale“ definiert wird, also wieder als eine externe Reaktion auf einen Misserfolg interpretiert werden kann (Scheff 1987, S. 109f.). „Shame“ könnte für Unternehmen den negativen Effekt hervor- rufen, dass der Co-Kreateur sich zukünftig nicht mehr bereit erklärt an Co-Kreationsprojekten teilzunehmen, wodurch wie bei „Sadness“ wertvolle Innovations- und Ideenpotentiale ver- lorengingen. Direkt negative Auswirkungen auf beziehungsrelevante Konstrukte werden auf- grund der internalen Attribution kaum bzw. nur marginal vermutet, jedoch kann dieser Zu- sammenhang sich aufgrund der angedeuteten möglichen Umwandlung in „Anger“ auch an- ders konkretisieren. Als Konsequenz ergibt sich hieraus, dass „Shame“ nur dann wirklich ho- hes Potential besitzt, negative Auswirkungen auf Kundenbeziehungen hervorzurufen, wenn tatsächlich „Anger“ entsteht.

Die oben beschriebene Problematik - die durch „Shame“ entsteht - wird in dieser Arbeit nur postuliert und später in der empirischen Erhebung nicht weiter verfolgt, da insbesondere die beiden negativen, extern verursachten und damit dem Unternehmen bzw. Umständen zugeschriebenen Emotionen von Relevanz sind.

Wie sich diese Emotionen letztendlich konkretisieren und auf beziehungsrelevante Konstrukte auswirken, wird in den folgenden Abschnitten sowie explizit in der Herleitung des Hypothesensystems erklärt.

3.3 Relevante Zielgrößen aus dem Customer Relationship Management

Nachdem in den vorherigen Abschnitten dargelegt wurde, wie negative Emotionen entstehen und welche negativen Emotionen konkret im Rahmen dieser Arbeit untersucht werden sollen, zeigt dieser Abschnitt, welche beziehungsrelevanten Größen im Rahmen der Untersuchung von Interesse sind.

Grundsätzlich werden im Rahmen der Kundenbindung - die als Bezugsobjekt die Geschäftsbeziehung zwischen einem Anbieter und einem Kunden hat - zwei Dimensionen unterschieden (Diller 1996). Dies ist zum einen die Unternehmensperspektive, in der Kundenbindung eher von instrumentellem Charakter ist, und zum anderen die Kundenperspektive, wobei die Verhaltensorientierung eine entscheidende Rolle spielt.

Im Rahmen dieser Arbeit ist zunächst die Kundenperspektive von Interesse, d. h. die Bindung von Kunden, welche mit einer gewissen Treue zum Unternehmen zu assoziieren ist. Die höchste Form dieser Gebundenheit äußert sich in der Loyalität, was bedeutet, dass ein Kunde gebunden ist, wenn er sich gegenüber dem Anbieter loyal zeigt (Homburg, Becker & Hentschel 2008, S. 98).

In der Literatur existiert eine Vielzahl von Ausführungen, was unter Loyalität zu verstehen und wie diese zu operationalisieren ist. So gibt es Ansätze, die Loyalität behavioristisch über das gezeigte Kaufverhalten definieren. Es existieren aber auch Ansätze, welche einen gewis- sen Teil an „spurious loyalty“ (Day 1969) beinhalten, was bedeutet, dass auch situative und andere Faktoren beim Wiederkauf eine Rolle spielen, die letztendlich die Kundenbindung be- einflussen.

Es herrscht mittlerweile in Anbetracht der theoretischen Diskussion aber in dem Punkt Einigkeit, dass die Loyalität eines Kunden neben dem gezeigten Kaufverhalten auch dessen positive Einstellung gegenüber dem Anbieter erfassen sollte.

Als Möglichkeit der Erfassung der positiven Einstellung eines Kunden bietet sich in diesem Zusammenhang dessen Weiterempfehlungsverhalten an. Fragt ein Kunde also wiederholt Produkte eines Anbieters nach und betreibt zusätzlich noch positive WOM, kann von „wirklicher Loyalität“ gesprochen werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 165 Seiten

Details

Titel
"Produktvorschlag abgelehnt" - Eine empirische Studie zur Wirkung negativer Co-Kreationserlebnisse auf Konsumenten
Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg  (Professur für ABWL, insbesondere Marketing)
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
165
Katalognummer
V201259
ISBN (eBook)
9783656291428
ISBN (Buch)
9783656291930
Dateigröße
3109 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Co-Creation, Ablehnung Produktvorschlag;, Marketing;, Neues Paradigma;, SD-Logik, Co-Kreation;, Cokreation;, Produktmanagement;, Produktvorschlag;, Ablehnung;
Arbeit zitieren
Thomas Kerkhoff (Autor:in), 2012, "Produktvorschlag abgelehnt" - Eine empirische Studie zur Wirkung negativer Co-Kreationserlebnisse auf Konsumenten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201259

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