Außerschulisches Lernen im Museum: Beispiel des Heinz Nixdorf MuseumsForums in Paderborn


Examensarbeit, 2010

72 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Grundlagen
2.1 Begriffserklärungen
2.2 Außerschulische Lernorte in der Reformpädagogik
2.3 Außerschulische Lernorte in der heutigen Pädagogik

3 Das Museum
3.1 Historischer Überblick und Definition
3.2 Objektpräsentation im Technikmuseum
3.3 Das Museum als außerschulischer Lernort
3.4 Museumspädagogik

4 Das Heinz Nixdorf MuseumsForum
4.1 Der Namensgeber
4.2 Entstehung des Museums
4.3 Konzeption
4.4 Medieneinsatz im HNF

5 Besuch außerschulischer Lernorte
5.1 Rechtliche Aspekte und Grundlagen
5.2 Didaktische Einordnung
5.2.1 Besuch als Einstieg in eine Unterrichtsreihe
5.2.2 Besuch eingebettet in eine Unterrichtsreihe
5.2.3 Besuch als Abschluss einer Unterrichtsreihe
5.3 Der methodische Dreischritt
5.3.1 Vorbereitung auf das Lernen vor Ort
5.3.2 Handelnde Auseinandersetzung mit dem Lernort
5.3.3 Auswertung der Eindrücke, Erlebnisse und Erfahrungen
5.4 Probleme beim Besuch außerschulischer Lernorte

6 Angebote im Heinz Nixdorf MuseumsForum
6.1 Führungen und Themenführungen
6.2 Museumsrallye
6.3 Workshops
6.3.1 Boten, Balken und Signale
6.3.2 Schreiben wie die alten Römer
6.3.3 Roboter-Workshop
6.3.4 Beats & Mixes
6.3.5 Lötwerkstatt: Leuchtdisplay
6.3.6 GPS-Wandertour
6.3.7 Papierwerkstatt
6.4 Abendvorträge im Forum des HNF
6.5 Schülerlabor 2010

7 Schlussbemerkungen

8 Literaturverzeichnis

9 Abbildungsverzeichnis

A Ablaufschema nach Sauerborn/ Brühne

B Presseinformation HNF

Erklärung

Ich versichere, dass ich die schriftliche Hausarbeit einschließlich eventuell beigefügter Zeichnungen, Kartenskizzen und Darstellungen selbstständig angefertigt und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinne nach anderen Werken entnommen sind, habe ich in jedem einzelnen Falle unter genauer Angabe der Quelle deutlich als Entlehnung kenntlich gemacht

Paderborn, den 11. Mai

Oliver Kraatz

Der Lehrer nimmt den Bach durch. Er zeigt ein Bild.

Er zeichnet an die Wandtafel. Er beschreibt.

Er schildert. Er erzählt.

Er schreibt auf.

Er diktiert ins Heft.

Er gibt eine Hausaufgabe. Er macht eine Prüfung.

Hinter dem Schulhaus fließt munter der Bach vorbei. Vorbei.

Heinrich Schulmann1

1 Einleitung

Diese Zeilen Heinrich Schulmanns sind vor mehr als 30 Jahren entstanden. Aber bis heute ist in den Köpfen von Eltern, Lehrern und Schülern2 das Bild des lehrerzentrierten Unterrichts wach geblieben. Zwar ist der Unter- richt schon lange nicht mehr nur lehrerzentriert, aber auch das methodische Grundproblem hat sich nicht so sehr verändert wie dies wünschenswert wäre: so schreibt oder zeichnet der Lehrer heute oft nicht mehr an die Wandtafel, sondern nutzt stattdessen eine Powerpoint-Präsentation über den Bach als Medium. Trotz der methodischen Probleme, die diese Art der Unterrichtsge- staltung mit sich bringt, hat sich erst in den letzten Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass außerschulische Lernorte, wenn sie bedacht in einer Unter- richtsreihe eingesetzt werden und so den entsprechenden didaktischen Rah- men erhalten, eine sehr sinnvolle Ergänzung zum Unterricht im Klassenraum sind. In der heutigen Zeit ist es für Schüler immer schwieriger, Primärer- fahrungen zu sammeln. Vielfach fehlt Eltern die Zeit, die Motivation oder das Gespür für die Notwendigkeit von Erfahrungen ihrer Kinder jenseits von Schule, Computer und Massenmedien. Ihrem Bildungsauftrag folgend sollte die Schule versuchen, den Schülern im entsprechenden didaktischen Rahmen Erfahrungen zu ermöglichen, die für die persönliche Entwicklung von so im- menser Wichtigkeit sind wie das aktive Erleben der eigenen Umwelt und Le- benswirklichkeit. Hat Schule es durch den Besuch außerschulischer Lernorte einmal geschafft, das oft passive Konsumieren von Unterrichtsinhalten durch die Schüler in wahres Interesse zu verwandeln, ergeben sich positive Effekte auf den Unterrichtsalltag. Es entsteht auch im Klassenraum ein völlig neu- es Unterrichtsklima, das nicht nur die Leistungen der Schüler verbessern, sondern auch Lehrern einiges an Belastungen abnehmen und so die Arbeit vereinfachen kann.

In der vorliegenden Arbeit möchte ich untersuchen, inwieweit es sich das Heinz Nixdorf MuseumsForum 3 in Paderborn als außerschulischer Lernort eignet. Dazu werden folgende Leitfragen herangezogen:

1. Was bedeutet außerschulischer Lernort ?
2. Was macht ein Museum aus?
3. Welche Möglichkeiten bietet das Heinz Nixdorf MuseumsForum als au- ßerschulischer Lernort?

Aus diesen Fragen ergibt sich das weitere Vorgehen. Dazu wird zuerst der Ter- minus außerschulischer Lernort definiert und in Verbindung zu den Richtlini- en und Lehrplänen für das Fach Geschichte in der Sekundarstufe II gesetzt. Es wird die Frage beantwortet, warum sowohl Reformpädagogik als auch heu- tige Pädagogik außerschulische Lernorte für sinnvoll erachten. Ebenso wird die Geschichte der Museen skizziert und die unterschiedlichen Museumsar- ten werden erläutert, um die Frage zu beantworten, warum Museen sich als außerschulische Lernorte eignen.

Danach wird zunächst das Heinz Nixdorf MuseumsForum in seiner speziellen Form als museale Institution vorgestellt und beschrieben. Es wird die Entstehung des Museums und seine Konzeption untersucht. Hierbei bilden insbesondere die Dauerausstellung und das umfangreiche museumspädagogische Angebot einen Schwerpunkt der Erläuterungen.

Anhand der Planung und Durchführung des Besuchs dieses außerschu- lischen Lernorts wird der Nutzen des HNF als didaktisch sinnvoller, au- ßerschulischer Lernort untersucht. Es werden Informationen zu rechtlichen Aspekten, die bei Unterrichtsgängen beachtet werden müssen, gegeben. Die unterschiedlichen Möglichkeiten des methodischen Einsatzes eines Unter- richtsgangs innerhalb einer Unterrichtsreihe werden ebenfalls beschrieben.

Der methodische Dreischritt findet dabei ebenso Beachtung wie die Frage, inwieweit das Heinz Nixdorf MuseumsForum Klassenfahrten beziehungsweise Besuche durch Schulklassen unterstützt und fördert.

Jedoch muss auch klar sein, dass der Besuch eines außerschulischen Lernorts nur eine Ergänzung des Klassenunterrichts sein kann, aber kein Allheilmittel für dort auftretende Probleme ist. Auch der Besuch eines außerschulischen Lernorts ist mit Problemen und Grenzen behaftet.

Das abschließende Fazit besteht aus einer Zusammenstellung der herausgearbeiteten Ergebnisse und liefert einen kurzen Ausblick auf zukünftige Möglichkeiten.

2 Grundlagen

2.1 Begriffserklärungen

Bereits in der Einleitung ist oft die Bezeichnung außerschulischer Lernort gefallen. Allerdings ist es notwendig, diesen Terminus, insbesondere für die weitergehende Betrachtung des Stellenwerts von Museen als außerschulische Lernorte, genauer zu definieren und abzugrenzen. Vordergründig betrachtet erscheint diese Definition recht einfach. So gibt auch Fritz M. Kaths Ausführung wenig konkreten Anhalt:

Der Mensch kann an allen Orten lernen, und diejenigen, an denen er wirklich lernt, werden für ihn zu Lernorten, unabhängig davon, ob das Lernen gewollt bzw. gesollt ist oder nicht.4

Lernen kann selbstverständlich nicht nur in der Schule oder der Universität stattfinden, sondern natürlich auch außerhalb in der Freizeit, der Familie, in Museen und sogar im Internet. Folgt man der Annahme des sogenann- ten lebenslangen Lernens, müssen die Orte, an denen Lernen stattfindet, so- gar außerhalb der klassischen Bildungseinrichtungen liegen. Allerdings ist fraglich, ob deshalb jeder Ort außerhalb eines Schulgebäudes automatisch einen außerschulischen Lernort darstellen kann. Insbesondere in Werbung und Marketing ist der Begriff des außerschulischen Lernorts in den letzten Jahren vermehrt anzutreffen. So werden im Rahmen der immer wiederkeh- renden Forderung nach mehr Lebensnähe beziehungsweise -wirklichkeit in der Schule und im Unterricht schnell sogar Freizeitparks zu solchen Lernor- ten, da sie ihren bildenden oder lehrenden Charakter besonders hervorheben. Allerdings sind Alltagssituationen und Lernorte, die eine aktive Auseinan- dersetzung der Schüler mit der Thematik nicht fordern, natürlich nicht als Lernort qualifiziert, so schreibt 1992 das Journal zur Gestaltung des Schulle- bens und Öffnung von Schule.5 Es stellt also vor allem die Selbstständigkeit der Schüler ein wichtiges Kriterium zur Erkennung eines außerschulischen Lernorts dar. Die Schüler sollen selbsttätig einen Teilbereich des Wissens er- schließen und gestalten. Eine Interaktion zwischen Schüler und Lernort ist also unerlässlich.

Es gibt neben diesen noch viele weitere mehr oder weniger differenzierte Definitionen außerschulischer Lernorte. Ob ein Lernort außerhalb des Klassenraums aber einen qualifizierten außerschulischen Lernort darstellt, hängt nicht nur vom Ort an sich, sondern auch von den gewünschten Lernzielen ab. Hierzu gibt das Landesinstitut für Schule und Weiterbildung eine Hilfestellung in Form eines Kriterienkatalogs:6

Gute außerschulische Lernorte sind in ihrem Nutzen für eine Unterrichts- reihe nicht auf bestimmte Fragestellungen begrenzt, sondern liefern verschie- dene Möglichkeiten der Auseinandersetzung, die wiederum bei den Besuchern Neugier wecken. Durch ihren Aufbau fordern und fördern sie gemeinsames Lernen. Sie bieten verschiedene Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit den Fragestellungen, so dass Schüler lernen, mit verschiedenen Verfahren und Arbeitsformen Antworten zu finden. Die guten, qualifizierten außerschu- lischen Lernorte fordern von den Schülern einen ernsthaften Umgang mit dem entsprechenden Thema und lassen Schlüsse zu, ob das Erlernte auf an- dere Situationen der Lebenswirklichkeit übertragbar ist. An diesen Lernorten finden sich oftmals Experten, die den Schülern nicht nur Auskunft geben kön- nen, sondern auch bei ihrem Erlebnis beratend und anleitend zur Seite ste- hen, ihnen Hintergrundinformationen oder Hilfestellung geben können und so dazu beitragen, dass neue konkrete Erfahrungen gemacht werden können.

Von besonderer Wichtigkeit ist für das Landesinstitut für Schule und Wei- terbildung auch die Vorbereitung und didaktische Aufbereitung der außer- schulischen Erfahrung. Vorgeschlagen werden hier Methoden, die dem me- thodischen Dreischritt in Kapitel 5.3 entsprechen. So gehört zur Vorberei- tung neben der Erarbeitung von Recherche- und Beobachtungsverfahren auch die Einführung in Dokumentations- und Ergebnissicherungstechniken, soweit diese nicht bereits bekannt sind. Im Sinne der Selbstkontrolle und Reflexion sollte zum Abschluss kritisch hinterfragt werden, was erreicht wurde und welche Fragen noch offen sind oder welche Verbesserungen bei ähnlichen Besuchen möglich sein könnten.

Sauerborn und Brühne gehen in ihren Anforderungen noch einen Schritt weiter. Sie sehen die Möglichkeit, Schülern der Sekundarstufe II gar ein er- weitertes Ablaufschema an die Hand zu geben, damit diese ihre Erfahrun- gen durch noch mehr Selbstständigkeit aufwerten können. Dieses erweiterte Ablaufschema findet sich in Anhang A.7 Als ein weiteres Ziel des Besuchs eines außerschulischen Lernorts sehen sie im Sinne der politischen Bildung die Vorbereitung der aktiven Partizipation an der Gesellschaft. Hierfür bieten sich natürlich insbesondere politische Institutionen, Schüleraustausch oder der Besuch eines Museums, das die entsprechenden Möglichkeiten bietet, an.

Im Laufe der stetigen Weiterentwicklung der Gesellschaft und der Pädagogik hat sich auch die Bedeutung außerschulischer Lernorte für das Unterrichtsgeschehen verändert.

2.2 Au ß erschulische Lernorte in der Reformpädagogik

Die Idee, die Klassenzimmer zum Lernen zu verlassen und so das Erlebnis Lernen möglich zu machen, ist nicht neu. Schulunterricht folgte viele Jahre, ja gar Jahrhunderte lang ähnlichen Schemata. Gelehrt wurde hauptsächlich im Frontalunterricht. Die Lehrer stellten Fragen und versuchten, Buchwissen durch ständige Wiederholung in die Köpfe der Schüler zu verpflanzen. Den In- teressen und Bedürfnissen der Schüler wurde dabei sehr wenig Raum gege- ben. Ihre Aufgabe war es, ohne eigenes Handeln Wissen zu speichern und vie- les stumpf auswendig zu lernen. Aber bereits zur Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert forderten Anhänger der neu aufkommenden Reformpädago- gik wie Rousseau oder Freinet „eine Schule, die nicht nur Unterrichtsinhalte ‚vermittelt‘, sondern gleichzeitig eine erziehende und eine soziale Funktion wahrnimmt. [Sie] gehen von einem Schulalltag aus, in dem die intellektuelle Förderung, die künstlerische Bildung, Sport und Spiel, soziales Lernen und manuelle Arbeit in einer bestimmten Anordnung sich abwechseln und ergän- zen und gleichberechtigt zur Erziehung und Bildung beitragen.“8 Die Schüler sollten anfangen, nicht nur am Unterricht teilzunehmen, sondern ihn zu erle- ben. Sie sollten anfangen, sich im Unterricht aktiv mit sich selbst und ihrer Umwelt auseinander zu setzen. Und wo sollte dies einfacher möglich sein als in der realen Welt außerhalb des Klassenzimmers? Die Idee vom außerschuli- schen Lernort war zwar nicht neu, wurde aber lauter und intensiver gefordert und gefördert als jemals zuvor.

Ein Vertreter der reformpädagogischen Bewegung war der US-Amerika- ner John Dewey. Er forderte nicht nur außerschulisches Lernen, sondern setz- te sich auch aktiv dafür ein, dass das Lernen seiner Schüler auf selbst ge- machten Erfahrungen fußte. Dafür gründete er zusammen mit seiner Frau 1896 eigens eine Laborschule in Chicago. Diese stellt auch das Vorbild für die von Professor Dr. Hartmut von Hentig gegründete Laborschule in Bielefeld dar. Dewey forderte eine Abschaffung der Autorität des Lehrers, um ihn zu ei- nem Mitarbeiter der Schüler bei der Sammlung von Erfahrungen zu machen. Exkursionen waren an Deweys Schule an der Tagesordnung. Wann immer die Schüler in der Schule waren, standen ihnen verschiedene Lernumgebungen wie Bibliotheken, Werkstätten, der Schulgarten und vieles mehr zur Verfü- gung. Viele dieser Ideen John Deweys tauchen heute unter dem Schlagwort „Öffnung von Schule“ wieder auf. Hierbei soll sich Schule näher mit ihrem Umfeld befassen und „zur Erfüllung des schulischen Bildungs- und Erzie- hungsauftrages und bei der Gestaltung des Übergangs von den Tageseinrich- tungen für Kinder in die Grundschule zusammen[arbeiten] [. . .] und Hilfen zur beruflichen Orientierung geben.“9

2.3 Au ß erschulische Lernorte in der heutigen Pädagogik

Die Diskussion um Unterricht und Lernen außerhalb der Klassenzimmer ist also auch heute noch aktuell. Noch immer haben Schulen, die streng nach den Konzepten der Reformpädagogen lehren und leben, eine große Schülerschaft. So können auch diese Schulen mit ihren Ideen und Prinzipien ständig die Entwicklung der Lehrpläne und Richtlinien beeinflussen. Für das Ministeri- um für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen zählt zu den wichtigen Gesichtspunkten der Weiterentwicklung von Richtlinien und Lehrplänen auch die Unterstützung des selbstständigen Lernens:

Lernprozesse, die nicht nur auf kurzfristige Lernergebnisse zie- len, sondern die dauerhafte Lernkompetenzen aufbauen, müssen gestärkt werden. Es sollten deutlicher Lehr- und Lernsituationen vorgesehen werden, die selbstständiges Lernen und Lernen in der Gruppe begünstigen und die Selbststeuerung des Lernens verbes- sern.10

Zu diesen bereits aus der Reformpädagogik bekannten Ideen und Vorstel- lungen kommt eine sich verändernde Lebenswirklichkeit der Schüler hinzu. Fernsehen, Computer und Internet, die gefühlte Verpflichtung zur ständigen Kommunikation mit Hilfe von Handy, Internet und sozialen Netzwerken und vieles mehr prägen den Alltag der Schüler. Es bleibt kaum noch Platz für Primärerfahrungen in der Natur oder an Originalschauplätzen. Viele Sach-, Sozial- und Selbsterfahrungen werden häufig nur noch in der Theorie oder durch Berichte Dritter gemacht. Wozu soll man heute noch die historische Altstadt besuchen, wenn diese sich genauso gut virtuell bei Google StreetView betrachten lässt oder ein Facebook -Freund sein Fotoalbum mit Kommentaren zur Verfügung stellt?

Natürlich darf man den Nutzen dieses technischen Fortschritts nicht un- terschätzen oder gar unterbewerten, aber trotzdem erfordert handlungsori- entiertes, wissenschaftspropädeutisches Lernen auch immer die persönliche Auseinandersetzung mit Informationen. Psychologische Untersuchungen zei- gen schon lange, dass Lernen nicht nur über einen isolierten Sinn stattfin- den kann. Vielmehr ist es notwendig, Sinneswahrnehmungen, Gefühle und Erfahrungen zu verknüpfen, um ein anhaltendes Lernergebnis sicherzustel- len. Hierfür sind authentische Erfahrungen außerhalb der Lehrbücher und Lehrer- oder Schülerreferate unabdingbar. Damit also eine praktische Wirk- lichkeitswahrnehmung und -begegnung stattfinden kann, kommt außerschu- lischen Lernorten eine besondere Rolle zu:

Exkursionen und Studienreisen, Archiv-, Museums- und Ausstel- lungsbesuche, Stadtrundfahrten und (z. T. alternative) Stadtrund- gänge sind Organisationsformen des Geschichtsunterrichtes, die historische Themen durch die Arbeit an und mit möglichst origina- len historischen Zeugnissen außerhalb der Schule erschließen.11

Unter diesen außerschulischen Lernorten nehmen Museen, insbesondere im Geschichtsunterricht, eine besondere Rolle ein, denn [. . .] in dem Maße, in dem die Präsentation von Objekten Anlass zu Fragen, von Neugier und Interesse ist und nicht nur die Illu- sion einer vermeintlich bekannten und feststehenden Geschichte, entwickeln sich viele Museen - auch in einer gewissen Kultur- und Medienkonkurrenz - zu Foren der Geschichtskultur (z. B. in Form von Vorträgen, Diskussionen, Sonderausstellungen, Exkursionen, Spiel- und Projekttagen, dem Bereitstellen von Praktikumsplät- zen), die im Rahmen des Geschichtsunterrichts der gymnasialen Oberstufe langfristigere und fest institutionalisierte Möglichkei- ten der Kooperation bieten können.12

Diese Möglichkeiten der Kooperation von Schule und Museen als außerschu- lischen Lernorten eröffnen sowohl für Schüler, aber auch für Lehrer, völlig neue Lehr- und Lernfelder. Didaktisch richtig eingebettet kann ein Museums- besuch die Effizienz und Nachhaltigkeit einer Unterrichtsreihe sehr positiv beeinflussen. Um allerdings das passende Museum für einen solchen Besuch zu finden, ist es notwendig, die Geschichte der Museen und ihre unterschied- lichen Ausrichtungen zu kennen und entsprechend anzuwenden.

3 Das Museum

3.1 Historischer Ü berblick und Definition

Um sich eingehender mit dem Museum als außerschulischem Lernort be- schäftigen zu können, ist es unabdingbar, diese Institution und ihre Geschich- te zuerst näher zu betrachten. In einem kleinen historischen Abriss wird nun ein Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Institution Museum gegeben.

Die Bezeichnung Museum ist dem lateinischen museum entlehnt, was Stu- dierzimmer oder Ort gelehrter Beschäftigung bedeutet.13 Dieses geht wieder- um hervor aus dem griechischen ˜ (museion), was Ort der Musenvereh- rung bedeutet. In der Antike war jede Stätte, an der die griechischen Göttinen der Kunst und Wissenschaft, die Musen, verehrt wurden ein ˜ .14 Aus der Verbindung eben dieses Musenheiligtums und einer Lehrstätte erklärt sich auch das ˜ der platonischen Akademie.15 An diesem Ort vereinen sich der Musenkult und die gelehrte Beschäftigung: in der Wandelhalle Peri- patos wurde beim Umhergehen diskutiert und unterrichtet, denn eben dieses gemeinsame Forschen und die Musenverehrung waren integraler Bestandteil der platonischen Schule.

Mit Beginn der Renaissance und der damit verbundenen Wiederentde- ckung der antiken Ideale und Künste begann auch die Entwicklung erster (Kunst-)Sammlungen. Nicht nur der Adel, sondern auch die neue Schicht des Bürgertums begannen, ganz im Sinne der humanistischen Ideale, wieder Sammlungen von Statuen, Büsten, Bildern und antiken Gegenständen anzu- legen. Obwohl bereits der Humanist Paolo Giovio 1546 den ersten gedruckten Museumskatalog über einen Teil seines Hauses herausgebracht hatte, gilt Lo- renzo de Medici als der erste, der wieder den Begriff Museum für seinen Sta- tuengarten in Florenz gebrauchte. Neben diesen Statuen besaß er Gemälde, Edelsteine und Musikinstrumente.16 Durch die Entdeckung der Neuen Welt und die von dort mitgebrachten, bisher unbekannten Tiere, Pflanzen, Gestei- ne oder Kunstobjekte wurden diese Gegenstände nicht mehr nur Teil von Ku- riosenkabinetten oder Kunst- und Wundersammlungen, sondern wurden ins- besondere von Wissenschaftlern, Ärzten und Apotheken gesammelt.17

Das Museum schuf einen Raum, innerhalb dessen die klassischen Problemata der Naturphilosophie mittels des Sammelns und Vergleichens von Daten sowie der Wiederholung bereits beschriebener Experimente der Probe unterworfen werden konnten.18

Im 17. und 18. Jahrhundert beginnt die Zeit der großen bürgerlichen Sammlungen und ersten Museen. Hier bekommt das Museum aus der Sicht der Aufklärung und der Befreiung aus der Kant’schen selbstverschuldeten Unmündigkeit einen völlig neuen Stellenwert. Das Museum wandelt sich von einem Ort der musealen Leidenschaft und Prestigepflege einiger we- niger Adliger zu einem Ort der Öffentlichkeit. Das museale Wissen wird demokratisiert und den Massen zugänglich gemacht. Allerdings sollte man diese Entwicklung keinesfalls gleichsetzen mit unserer heutigen Vorstel- lung eines öffentlichen Museums. Das Museum emanzipierte sich im 17. und 18. Jahrhundert von einem notwendigen Bestandteil jedes größeren Residenzschlosses zur Institution.19 Das Museum wurde zunehmend in die staatliche Organisation eingebunden und seine Stellung und Aufgabe in eben diesem Staat auch theoretisch erörtert. Es wurden Auswahl- und Restaura- tionsprinzipen entwickelt und festgelegt. Erste Ansätze von Vermittlungs- und Didaktikformen hielten ebenfalls Einzug. Das Museum bekam seinen eigenen, spezifischen Verwaltungsapparat.20 Im Jahr 1753 wurde in Lon- don durch einen Parlamentsbeschluss die Bibliothek und wissenschaftliche Sammlung des Hofarztes Sir Hans Sloane aufgekauft und in das öffentliche British Museum umgewandelt.

Im späten 18. Jahrhundert bildeten sich im Zuge der immer genauer und differenzierter werdenden Wissenschaften auch neue Museumsarten heraus. Neben der Gemäldegalerie entstand auch das Geschichtsmuseum als neue Form. Nachdem die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts Deutsch- land erreicht hatte, entstanden ebenfalls die Gewerbemuseen, die Gewerbe- oder Industrieprodukte zur Schau stellten. Grund für diese Entwicklung ist mit Sicherheit der veränderte Zeitgeist als Folge der Industrialisierungs- und Fortschrittseuphorie.21

Das Deutsche Museum von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik, kurz Deutsches Museum, wurde 1903 in München gegründet. Als Vorbilder dienten dem Gründer Oscar von Miller das British Museum of Natural History in London und das Conservatoire des arts et métiers in Paris. Dieses Museum gilt als absolut bahnbrechend für den Typus des Tech- nikmuseums, da es neben qualitativ sehr hochwertigen Exponaten seinen Besuchern auch erstmals Interaktivität bot. Die Ausstellung war so geplant worden, dass den Besuchern neben den Objekten auch Bilder, eindringliche Beschriftungen und Demonstrationsobjekte zur Veranschaulichung der Funk- tionsweise von Naturvorgängen oder Exponaten geboten werden konnten. Oscar von Miller hatte ein unterhaltsames, volksnahes und volksbildendes Museum gefordert, das durch die Rekonstruktion der allgemeinen histori- schen Situation den Besuchern Hintergrundwissen zu den Exponaten liefern sollte.22

Bezeichnend für das heutige Museum ist die weitere Ausdifferenzierung der Museumsberufe. Nicht nur wurden Museumskonzeptionen professionalisiert und verwissenschaftlicht, Museen betreiben heute auch aktive Öffentlichkeitsarbeit und unterhalten ein eigenes Management. Vor allem in den letzten Jahrzehnten wurde diskutiert, welchem Funktions- und Wertewandel sich Museen im 21. Jahrhundert stellen müssen.23

Welche zentralen Aufgaben ein Museum in der heutigen Zeit erfüllen soll, beschreibt die Definition des International Council of Museums.24 Dieser Definition25 zufolge ist ein Museum eine nicht gewinn-orientierte, permanente Institution im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die der Öffentlichkeit zugänglich ist, und die materielle und immaterielle Zeugnisse der Geschichte der Menschheit und ihrer Umwelt zum Zweck der Bildung, des Studiums und der Freude erwirbt, konserviert, erforscht, vermittelt und ausstellt.

Da diese Statuten allerdings nicht bindend sind, fordern die Museumsverant- wortlichen in Deutschland bereits seit Jahren einen Schutz des Museumsbe- griffs oder zumindest allgemein formulierte Standards. Eine Intiative hierzu kam unter anderem vom früheren Präsidenten des Deutschen Museumsbun- des, Wolfgang Klausewitz, der bereits 1978 eine Definition des Museumsbe- griffs formulierte. Diese Formulierung26 ähnelt sehr der Definition des ICOM:

1. Ein Museum ist eine von öffentlichen Einrichtungen oder von privater Seite getragene, aus erhaltenswerten kultur- und naturhistorischen Objekten bestehende Sammlung, die zu- mindest teilweise regelmäßig als Ausstellung der Öffentlich- keit zugänglich ist, gemeinnützigen Zwecken dient und keine kommerzielle Struktur oder Funktion hat.
2. Ein Museum muß eine fachbezogene (etwa kulturhistorische, historische, naturkundliche, geographische) Konzeption auf- weisen.
3. Ein Museum muß fachlich geleitet, seine Objektsammlung muß fachmännisch betreut werden und wissenschaftlich aus- gewertet werden können.
4. Die Schausammlung des Museums muß eine eindeutige Bil- dungsfunktion besitzen.

Demnach sind das Sammeln von Objekten, ihre Erforschung, Konservie- rung und Präsentation für die Öffentlichkeit die Grundsteine der Museums- arbeit. Diese grundlegenden Prinzipien sind in Museen - gleich welcher Art - möglichst optimal realisiert. Durch das Sammeln und Bewahren des kulturel- len Erbes der Menschheit ist es den Besuchern möglich, dieses präsentierte Erbe zu begreifen, zu beurteilen und Zusammenhänge zwischen Vergange- nem und gegenwärtigen Objekten, Ereignissen oder Phänomenen zu erken- nen. Insbesondere für heranwachsende Menschen, also Schüler, bieten Muse- en also Möglichkeiten, diese Zusammenhänge nicht nur in Büchern, sondern an Zeitzeugnissen zu erkennen und zu erleben und mit auf den Lebensweg zu nehmen.

3.2 Objektpräsentation im Technikmuseum

Nachdem sich im Zuge der industriellen Revolution der Museumstypus des Industrie- und Gewerbemuseums herausgebildet hatte, ergab sich nach 1945 in Deutschland ein großes Problem für diese Museen. Im zweiten Weltkrieg waren viele Industrieanlagen zerstört oder zur Produktion von Rüstungsgü- tern umgebaut worden. Lange Zeit lag in Deutschland der Fokus eher auf dem Wiederaufbau und der industriellen Nutzung der erhaltenen Überreste als auf der Konservierung der historischen Bedeutung von Industrieanlagen und -geländen. Erst in den 1960er Jahren wurden erste Versuche unternom- men, die Maschinen und Gebäude und ihre Bedeutung für Gesellschaft und Geschichte zu konservieren.27 So kam es in den 1970er Jahren auch im Zu- ge der Neuorientierung der Museen zu einer Welle von Neugründungen ver- schiedenster Technikmuseen. Diesen Technikmuseen in ihren verschiedenen Fachgebieten ist jedoch das Problem der Präsentation technischer Exponate und ihrer Vermittelbarkeit gemein. Die Objekte müssen nicht nur gesammelt und erhalten werden, sondern Aufforderungscharakter besitzen und die Neu- gierde des Besuchers wecken. Nur dann kann eine intensive Begegnung und Auseinandersetzung mit den Objekten stattfinden. Allerdings bleibt die Aus- wahl der ausgestellten Objekte immer den Museumsfachleuten und den aktu- ellen Ausstellungskonzeptionen unterworfen. Keine Sammlung kann für alle Zeiten objektiv und unveränderlich bleiben:

Objekte, die im Museum lagern, sind gesammelt; sie sind aufbereitete Präparate. Solcherart sind sie das Ergebnis einer Tätigkeit, in der historisch wechselnde Auswahlkriterien, Bewertungskategorien, Neigungen und Interessen eine Rolle spielen.28

Vielfach ist die Auswahl der Objekte auch den jeweiligen Möglichkeiten des Museums unterworfen. So sind viele Exponate in Technikmuseen derart groß, dass nur eine begrenzte Anzahl davon in den Räumlichkeiten untergebracht werden können. Das Heinz Nixdorf MuseumsForum zeigt beispielsweise in seiner Dauerausstellung eine sogenannte Jaquard-Maschine, die über ein Lochkartensystem einen Webstuhl steuert. Allerdings wäre die Maschine zusammen mit dem Webstuhl über drei Meter hoch, so dass sie lediglich ohne den Webstuhl aufgestellt werden konnte, obwohl dies natürlich die Anschaulichkeit sehr einschränkt.

Allein dieser Umstand führt dazu, dass es keine perfekte Präsentation der Exponate geben kann. Jede Präsentationsform bringt Vor- und Nachteile mit sich. Die Ausstellungsmacher stehen also vor der großen Aufgabe, für ihre Ausstellung und ihr Museum eine Sprache zu entwickeln.

Die Entwicklung einer ‚Präsentationssprache‘ ist deshalb nicht selten als Problem Nummer Eins der Museumsarbeit bezeichnet worden. Dass diese Präsentationssprache nicht allein auf der Abfassung von Texten basieren kann, sondern auch Formen der visuellen Rhetorik mit einbeziehen muss, ergibt sich aus den materiellen und medialen Eigentümlichkeiten des Museums.29

Dies gilt natürlich besonders für Museen wie das HNF, die aufgrund ihrer Ausrichtung auch auf jüngste Technikgeschichte gezwungen sind, mit Hilfe der aktuellen technischen und medialen Möglichkeiten eben diese Technolo- gien darzustellen und begreifbar zu machen. „Die bestmögliche Lösung ist dann gefunden, wenn die Ausstellung - die durchaus einen gewissen Unter- haltungswert, etwa im Sinne des heute oft verwendeten Begriffes ‚Infotain- ment‘ [haben darf] - selbstständiges Erkunden und Entdecken fördert.“30 Die- ses Erkunden und Entdecken fordert eine besondere Präsentation der Objek- te. Schließlich verlieren diese Objekte dadurch, dass sie aus ihrer Originalum- gebung entfernt werden, einen großen Teil ihrer Aura. Diese Aura und damit der Originalzusammenhang, aus dem das Objekt entfernt worden ist, müssen von der Präsentation im Museum so gut wie möglich wiederhergestellt wer- den. Dazu nutzen Museen schon seit dem 19. Jahrhundert Dioramen, die dem Besucher die Komplexität des Exponats verdeutlichen sollen. Diese Art der Inszenierung wird auch heute von vielen Technikmuseen verwendet, wobei allerdings darauf geachtet werden muss, dass die Interpretationsmöglichkei- ten nicht beliebig werden, sondern durch die Art der Präsentation und die Begleittexte oder Multimedia-Installationen wissenschaftlich korrekt sind.31

Auch haben die Kuratoren von Technikmuseen, die sich mit Technik- geschichte jenseits der Industrialisierung beschäftigen, die Aufgabe, eine Sammlung anzulegen, die auch in einigen Jahren noch repräsentativ ist und nicht von subjektiven Einschätzungen dieser sich schnell verändernden Technologien beeinflusst ist. Für Exponate aus der Zeit der Industrialisierung geben beispielsweise Korff und Roth von der Forschung erarbeitete Kriterien für eine Sammlung an, für die neuen Technologien fehlen aber diese Kriterien noch weitgehend.32 Erst in den letzten Jahren beginnen sowohl Museen als auch die Forschung, sich intensiver mit der Problematik der Konservierung und Präsentation von Technikgeschichte jenseits der Industrialisierung auseinander zu setzen. Jedes Museum mit seinen speziellen Präsentations- formen kann daher als Pilotversuch auf diesem Gebiet gesehen werden, so dass insbesondere im Bereich dieses Museumstypus Erfahrungen mit bestimmten Techniken oder Darstellungsformen untereinander ausgetauscht und in verschiedenen Foren untersucht und besprochen werden.33

3.3 Das Museum als au ß erschulischer Lernort

Nicht nur die Aufgaben des Museums haben sich vor allem im 20. Jahrhun- dert stark verändert, es herrscht auch seit den 1980er Jahren ein wahrer Museumsboom, der nicht nur mit einer Vielzahl von Neugründungen ein- hergeht, sondern der auch für eine veränderte Wahrnehmung der Museen in den Augen der Öffentlichkeit geführt hat. Das Museum entfernt sich von der klassischen Form der Exponatpräsentation und richtet sich als Ort der Wis- sensvermittlung aus. Dies geht, speziell bei den sogenannten Science Centern, vielen Vertretern konventioneller Museen jedoch zu weit. Sie sehen Museen zu Freizeitparks verkommen, die ihre Qualität und Seriösität einbüßen. Für viele Kritiker verschwindet der Unterschied zwischen „Elfenbeinturm und Fußgängerzone“.34 Auf der anderen Seite ist es eben diese Veränderung zu einem Lernort, die die Qualität eines Museums im 21. Jahrhundert auszeich- nen wird. Nur wenn Museen es schaffen, sich für ihren Elfenbeinturm einen Platz zwischen Karstadt und Kaufhof in der Fußgängerzone zu sichern, wer- den sie in Zukunft als Teil der Gesellschaft erfolgreich sein können.35

Scheinbar existiert also eine deutliche Diskrepanz zwischen der wissen- schaftlichen Evaluierung des außerschulischen Lernorts und dem inflatio- nären Gebrauch dieses Terminus durch verschiedenste Institutionen. Schon 2003 stellte Silke Traub fest, dass kaum erforscht sei, „inwieweit Museums- expertinnen und -experten Museen als Bildungsstätten betrachten und wie Lehrerinnen und Lehrer ihren Bildungswert einschätzen“.36 Es gibt offen- sichtlich aufgrund der Vielzahl verschiedener Museen ebenfalls keinen Kon- sens über die Nutzung des Museums als außerschulischen Lernort und den damit verbundenen Lernzielen, die von Museumspädagogen unterstützt wer- den könnten. Silke Traub stellt an ein Museum als außerschulischen Lern- ort methodische und didaktische Anforderungen. Das Museum als Lernort muss das Lernen vorbereiten und möglich machen, da die reine Existenz ei- nes Museums zum Erreichen von Lernzielen nicht ausreichend ist. Im Ge- gensatz zum klassischen Schulunterricht hat das Museum die Möglichkeit, den Schülern eine unmittelbare Begegnung mit den Objekten und deren Rea- lität bieten zu können. Allerdings bedarf es dafür nicht zwangsläufig eines Museums. Auch andere Ausschnitte der Realität können als Lernorte dienen. Museen jedoch zeigen nicht nur ein aktuelles Bild der Realität wie Marktplät- ze, sondern präsentieren verschiedenste kulturelle, politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche oder ökologische Aspekte der Menschheitsgeschichte. Durch seine Exponate kann ein Museum die materielle Basis unserer Realität und Geschichte verdeutlichen und konservieren. Dies macht in einer sich immer schneller verändernden und zusammenwachsenden Welt den besonderen Reiz eines Museums aus. Museen stellen also nicht nur Konstanten unseres Seins aus, sondern stellen eben selbst einen Teil dieser Konstanten dar. Man spricht in diesem Zusammenhang von der sogenannten Musealität:

Museologie ist [die] mit Hilfe philosophischer Werkzeuge vorgenommene theoretische Erklärung und praktische Umsetzung eines besonderen erkennenden und wertenden Verhältnisses des Menschen zu seiner Wirklichkeit. Dieses Verhältnis wird als Musealität bezeichnet. Es findet seinen konkreten Ausdruck in Gegenständen, die als Zeugnisse einer bestimmten gesellschaftlichen Wirklichkeit im Dienste dieser Gesellschaft ausgewählt, erhalten, erforscht und vermittelt werden.37

In unserer heutigen Informationsgesellschaft stellt die Beschaffung von In- formationen zu bestimmten Themen für kaum jemanden mehr ein großes Problem dar. Internet und andere Massenmedien liefern eine nahezu unüber- schaubare Fülle an Informationen, aber nur ein Museum ist in der Lage, diese Informationen in Form von Objekten erfahrbar oder, insbesondere im HNF, auch fühlbar zu machen. In eben dieser „Faszination des Authentischen“38 liegt die besondere Kraft des Museums. Übertragen auf das Museum bedeu- tet das zu Beginn bereits angesprochene lebenslange Lernen:

[...]


1 nach: Jürg Schüpbach: Nachdenken über das Lehren: Vorder- und Hintergründiges zur Didaktik im Schulalltag, Bern: Haupt,32007, S. 42.

2 Im Folgenden wird das generische Maskulinum Schüler genutzt, um sowohl das weibli- che wie auch das männliche Geschlecht zu repräsentieren. Dieses gilt selbstverständlich analog für alle weiteren generischen Maskulina.

3 Statt Heinz Nixdorf MuseumsForum wird im Folgenden die der Corporate Identity entspre- chende Abkürzung HNF gleichbedeutend verwendet.

4 Kath, Fritz M. zitiert nach Silke Traub: Das Museum als außerschulischer Lernort für Schulklassen. Eine Bestandsaufnahme aus der Sicht von Museen und Schulen mit praxi- serprobten Beispielen erfolgreicher Zusammenarbeit, Hamburg: Verlag Dr. Kovac, 2003.

5 Landesinstitut für Schule und Weiterbildung [Hrsg.]: Journal zur Gestaltung des Schulle- bens und Öffnung von Schule. Wann ist ein „Lernort“ ein Lernort?, Soest 1992, S. 2.

6 Ebd.

7 vgl. Petra Sauerborn/Thomas Brühne: Didaktik des außerschulischen Lernens, Baltmanns- weiler: Schneider Verlag Hohengehren,1 Okt. 2007, S. 32.

8 Cristina Allemann-Ghionda: Ganztagsschule - ein Blick über den Tellerrand, in: Neue Chancen für die Bildung. Jahrbuch 2004, Schwalbach/Ts.: WOCHENSCHAU Verlag, 2003, S. 206 -216, S. 213.

9 Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen [Hrsg.]: Schul- gesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezem- ber 2009, Düsseldorf 2009, §5.

10 Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen [Hrsg.]: Richt- linien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II - Gymnasium/ Gesamtschule in Nordrhein- Westfalen. Geschichte, Düsseldorf/ Frechen: Ritterbach Verlag, 1999, Vorwort von Gabrie- le Behler, Ministerin für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Lan- des Nordrhein-Westfalen.

11 Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen [Hrsg.]: RuL Geschichte Sek. II Gym/ Ges (wie Anm. 10), S. 65.

12 Ebd., S. 66.

13 Friedrich Kluge/Elmar Seebold: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Ber- lin: Walter de Gryter,231996, S. 567.

14 Walter Hasso Groß: Museion, in: Konrat Ziegler [Hrsg.]: Der Kleine Pauly. Lexikon der An- tike. 5 Bde. in Kassette, Bd. 3, München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1979, Sp. 1482- 1485, Sp. 1482.

15 Heinrich Dörrie: Peripatetiker, in: Konrat Ziegler [Hrsg.]: Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike. 5 Bde. in Kassette, Bd. 4, München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1979, Sp. 639, Sp. 639.

16 vgl. Friedrich Waidacher: Handbuch der allgemeinen Museologie, Wien: Böhlau, 1993.

17 Paula Findlen: Die Zeit vor den Laboratorien: Die Museen und der Bereich der Wissen- schaft 1550-1750, in: Andreas Grote [Hrsg.]: Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt der Stube - Zur Geschichte des Sammelns 1450-1800, Opladen: Leske + Budrich, 1994, S. 191-207, S. 191.

18 Ebd., S. 194.

19 vgl. Waidacher: allg. Museologie (wie Anm. 16), S. 86.

20 vgl. Heidi Hense: Das Museum als gesellschaftlicher Lernort. Aspekte einer pädagogischen Neubestimmung, Frankfurt/ Main: extrabuch Verlag, 1990, S. 27.

21 Friedrich Klemm: Geschichte der naturwissenschaftlichen und technischen Museen, in: Deutsches Museum [Hrsg.]: Abhandlungen und Berichte 2 (1973), S. 47.

22 vgl. Wilhelm Füßl: Oskar von Miller. 1855-1934. Eine Biographie, München: C.H. Beck, 2005.

23 vgl. Helena Friman: Unkonventionelle Methoden - Das Museum als Teil der Stadt, in: Deutscher Museumsbund e.V. [Hrsg.]: Museumskunde 74 (2009), S. 53-56.

24 International Council of Museums wird im Folgenden entsprechend der Corporate Identity als ICOM abgekürzt.

25 International Council of Museums [Hrsg.]: Statuten, http://icom.museum/statutes.html, (besucht am 11. 05. 2010), übersetzt aus dem Englischen von O. Kraatz.

26 Wolfgang Klausewitz: Was ist ein Museum?, in: Deutscher Museumsbund e.V. [Hrsg.]: Mu- seumskunde 43 (1973).

27 vgl. Eberhard G. Neumann: Gedanken zur Industriearchäologie: Vorträge - Schriften - Kritiken, Hildesheim: Georg Olms Verlag, 1986, S. 20.

28 Gottfried Korff/Martin Roth [Hrsg.]: Das historische Museum. Labor, Schaubühne, Identi- tätsfabrik, Frankfurt/ Main: Campus Verlag, 1990, S. 19.

29 Korff/Roth [Hrsg.]: Das historische Museum (wie Anm. 28), S. 23.

30 Brigitte Lörwald: Die Entstehung von Technikmuseen seit Beginn der Achtziger Jahre als Folge der Musealisierung von Industrie und Technik, Diss., Universität Paderborn - Fach- bereich 2, Erziehungswissenschaft, 2000, S. 92.

31 vgl. Ursula Winter: Industriekultur: Fragen der Ästhetik im Technik- und Industriemuse- um, in: Wolfgang Zacharias [Hrsg.]: Zeitphänomen Musealisierung, Essen: Klartext Ver- lagsgesellschaft, 1990, S. 252-256.

32 vgl. Korff/Roth [Hrsg.]: Das historische Museum (wie Anm. 28).

33 Hier sei insbesondere die Zeitschrift Museumskunde des Deutschen Museumsbundes e.V. genannt, in der regelmäßig Erfahrungen mit speziellen Präsentationsformen und - techniken ausgetauscht werden. Einige dieser Artikel finden auch im weiteren Verlauf dieser Arbeit Beachtung.

34 vgl. Landschaftsverband Rheinland [Hrsg.]: Vom Elfenbeinturm zur Fußgängerzone, Opla- den: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 1996.

35 vgl. Friman: Museum als Teil der Stadt (wie Anm. 23).

36 Traub: Das Museum als außerschulischer Lernort für Schulklassen. Eine Bestandsaufnah- me aus der Sicht von Museen und Schulen mit praxiserprobten Beispielen erfolgreicher Zusammenarbeit (wie Anm. 4), S. 5.

37 Waidacher: allg. Museologie (wie Anm. 16), S. 27.

38 Gottfried Korff: Lässt sich Geschichte musealisieren?, in: Deutscher Museumsbund e.V. [Hrsg.]: Museumskunde 60 (1995), S. 18-22, S. 18.

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Außerschulisches Lernen im Museum: Beispiel des Heinz Nixdorf MuseumsForums in Paderborn
Hochschule
Universität Paderborn  (Fakultät für Kulturwissenschaften)
Note
2,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
72
Katalognummer
V201058
ISBN (eBook)
9783656301394
ISBN (Buch)
9783656301646
Dateigröße
2288 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schule, Museum, Paderborn, außerschulischer Lernort, HNF, Heinz, Nixdorf, Wandertag
Arbeit zitieren
Oliver Kraatz (Autor:in), 2010, Außerschulisches Lernen im Museum: Beispiel des Heinz Nixdorf MuseumsForums in Paderborn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201058

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