Wasserexport als politisches Machtinstrument?

Die Türkei auf dem Weg zu einer Wassergroßmacht


Hausarbeit, 2011

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Internationale Wasserpolitik

3 Die Türkei auf dem Weg zu einer Wassergroßmacht
3.1 Das Manavgat-Projekt
3.2 Das Südostanatolien-Projekt
3.2.1 Ziele des Südost-Anatolienprojekts (GAP)
3.2.2 Dispute mit den Nachbarstaten Irak und Syrien
3.2.3 Der Kurdenkonflikt
3.3 Das Projekt „Friedenspipeline“
3.4 Tiefseepipeline von Anatolien nach Nordzypern

4 Fazit

5 Literaturverzeichnis

6 Internetquellen

7 Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

Die Wasserknappheit und die ungleiche Verteilung des Trinkwassers in der Welt wird eines der bedeutendsten Probleme des 21. Jahrhunderts werden. Die Gefahr von weltweiten Ernährungskrisen, die auf Wassermangel1 oder Wasserknappheit2 und die Verschmutzung von Trinkwasser durch Industrieabfälle zurückzuführen sind, wird in der Zukunft stark ansteigen. Zurzeit sind circa 884 Millionen Menschen mit diesen Problemen konfrontiert. Bereits im Jahr 2025 werden es rund zwei Drittel aller Menschen sein. Bereits heute sterben circa zwei Millionen Menschen pro Tag aufgrund von Krankheiten, die durch verschmutztes Wasser verursacht sind. Teile Afrikas und der Mittlere Osten3 sind heutzutage am stärksten von der Wasserknappheit betroffen. (Stiftung Weltbevölkerung, 2011)

Wasser ist ein äußerst knappes Gut im sehr trockenen Mittleren Osten. Ein zentraler geopolitischer Aspekt der Staaten des Mittleren Ostens ist der auf Dauer sichere Zugang zu strategisch wichtigen Wasserressourcen. Der Mittlere Osten besteht hauptsächlich aus Wüstenregionen, sodass die Frage der dauerhaften Wasserversorgung ein essenzielles und diffiziles außenpolitisches Thema der gesamten Region darstellt. Die Oberflächen- und Grundwasserressourcen der Region überschreiten die politischen Grenzen, somit ist der Zugang zu Wasser ein stetiger Konflikt der Region bei der Frage nach politischer Herrschaft und territorialer Kontrolle. (Dombrowsky, 2001, S. 30 ff.)

Der ehemalige Bundesaußenminister Klaus Kinkel beschrieb die Stellung von Wasser in trockenen Regionen der Welt auf der internationalen Konferenz zum Thema „Globale Wasserpolitik-Kooperation für grenzüberschreitendes Gewässermanagement“ wie folgt:

„ ... Wasser wird mehr und mehr zu einem strategischen Gut. Wer im 21. Jahrhundert

Zugang dazu hat, ist im Vorteil: politisch, wirtschaftlich und sozial. Wasser ist wichtiger als Öl. Wasser ist durch nichts zu ersetzen“ ... (Lohmann, 1999, S. 2).

Wasserreichtum und Wassermangel liegen oft geografisch nah beieinander. Zumeist endet diese Situation in zwischenstaatlichen Disputen, die manchmal auch mit militärischen Mitteln ausgetragen werden, um die Ressource Wasser langfristig zu sichern. Bereits heute geht es für viele Staaten längst nicht mehr um die Sicherung des Grundbedarfs an Wasser, sondern um die Behebung eines akuten Mangels und der damit einhergehenden Verwüstung ganzer Regionen. (Lohmann, 1999, S. 2 f.) Die Entwicklung eines Landes kann durch einen Wassermangel erheblich beeinflusst werden. Deshalb ist es von essenzieller Bedeutung für die Entwicklungspolitik im Mittleren Osten, für eine gerechte beziehungsweise ausgeglichene Wasserverteilung zu sorgen. Die Verteilung des Euphrat- und Tigriswassers führt bis heute zu erheblichen außenpolitischen Spannungen zwischen der Türkei, Syrien und dem Irak, da die Türkei bereits die abfließenden Wassermengen durch zahlreiche Staudämme kontrolliert und nicht davor zurückschreckt, dieses Wasser als politisches Druckmittel einzusetzen. (Seibert, 2009)

2 Internationale Wasserpolitik

Die Anfänge der globalen Wasserpolitik fanden im Jahre 1977 in der argentinischen Stadt Mar del Plata statt. Die internationale Konferenz der Vereinten Nationen Mar del Plata Conference on water Resources thematisierte erstmalig die ungenügende Wasserversorgung in bestimmten Weltregionen. Als Hauptprinzip der Konferenz wurde beschlossen, dass jeder Mensch, unabhängig von der sozio-ökonomischen Situation, das Recht auf einen Zugang zu sauberem Trinkwasser hat, dessen Qualität und Quantität den Grundbedürfnissen entspricht. (world water council, I) (United Nations, 1977)

Laut Angaben der deutschen UNESCO-Komission gibt es global über 3.800 multi-, bi- und unilaterale Übereinkünfte beziehungsweise Reglungen zur Ressource Wasser (Deutsche UNESCO-Kommision, 2011). Zudem bearbeiten zurzeit circa 35 Programme der Vereinten Nationen diese Thematik. Diese Programme werden seit dem Jahre 2003 in dem UN- Gremium UN-Water vereint. Thematisiert werden Fragen nach der weltweiten Wasserversorgung sowie die Nutzung des Fließ- und Grundwassers. (Bullock, 2009, S. 4 ff.) Die Generalversammlung der Vereinten Nationen thematisierte am 21. Mai 1998 die globale Süßwassernutzung in der Konvention A/51/49 als Ü bereinkommen ü ber die Nutzung internationaler Flie ß gew ä sser zu anderen Zwecken als zur Navigation (Deutsche UNESCO- Kommision, 2011).

Im September des Jahres 2000 fand der UNO-Millenniumgipfel statt, auf dem acht konkret messbare Ziele formuliert wurden (Millennium Development Goals), um die weltweite Armut zurückzudrängen. Das Millennium Development Goal 7C richtet sich an die weltweite Wasserversorgung. Hier ist verankert, dass bis zum Jahr 2015 der Anteil der Menschen, die über keinerlei sanitäre Anlagen verfügen und keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser in der Region haben, halbiert werden solle. (United Nations, 2011)

Deutschland beteiligte sich an der internationalen Arbeitsgruppe Multilateral Working Group on Water Resources in Middle East, ein Projekt mit dem Ziel, zusätzliche Wasserressourcen im Mittleren Osten zu erschließen und eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wasserressourcen sicherzustellen, unter Zustimmung von Vertretern von Gaza, Jordanien, Israel und der Westbank. Syrien und Libanon waren zu keiner Zusammenarbeit bereit. (Willingshofer, 1999, S. 128 f.)

3 Die Türkei auf dem Weg zu einer Wassergroßmacht

Die Türkei ist seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes - und damit auch mit dem Ende der strategischen Funktion als NATO-Südflanke - auf der Suche nach einer neuen Rolle in der internationalen Politik (Tibi, 2007, S. 136). Die neue Außenpolitik der Türkei richtet sich an geopolitische Parameter wie Geostrategie, Geoökonomie und Ökologie. Die Türkei verfolgt zunehmend wasserpolitische Interessen und nutzt ihr Wasser als strategische Ressource, um an politischem Einfluss in der Region des Mittleren Osten zu gewinnen. In Bezug auf die Wasserressourcen ist die Türkei im Besitz einer exzellenten geografischen Lage, denn mit 45 Seen, die eine Fläche von mehr als 10 ݇݉ଶ haben, und 39 Flüssen mit mehr als 200 km Länge ist die Türkei das wasserreichste Land im Mittleren Osten. (Brill, 2006, S. 5 ff.) Die beiden Flüsse Euphrat und Tigris gehören hierbei zu den wasserreichsten und somit zu den bedeutendsten Flüssen der Region, deren Ursprungsquellen in den Bergen Südostanatoliens liegen und 28 % des Oberflächenwassers der Türkei ausmachen. Die Länder Irak und Syrien sind von dem Oberflächenwasser aus Euphrat und Tigris im besonderen Maße abhängig, da nahezu die gesamte Landwirtschaft und somit auch die Bevölkerung von diesem Wasser abhängig ist. (Rockinger, 2006, S. 166)

3.1 Das Manavgat-Projekt

Die kanadische Firma Medusa entwickelte einen Vorschlag zum Wasserexport in den Mittleren Osten und Nordafrika (siehe Abbildung 1). Die Türkei solle nach diesem Vorschlag mit Schiffen Wasserhandel mit den wasserarmen Staaten Libanon, Israel, Libyen und Malta betreiben. Israel ist im besonderen Maße an diesem Projekt interessiert, da Israel seinen täglichen Bedarf an Frischwasser nicht mehr selbst decken kann und daher nach kostengünstigen Lösungen sucht. (Brill, Abbildung 1: Türkisches Wasserexportprojekt (Österreichs Bundesheer, I) 2006, S. 7 f.)

Im Januar 2004 unterzeichnete der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon und der türkische Energieminister Zeki Cakan nach jahrelangen Verhandlungen einen Vertrag, der die Wasserlieferungen der Türkei an Israel beinhaltet (Gottschlich, 2004). In den kommenden 20 Jahren wird die Türkei 50 Millionen Kubikmeter Wasser mit Schiffen an Israel liefern. Im Gegenzug beliefert Israel die Türkei mit Militärtechnologie. Ein US-amerikanischer Dollar wird dabei mit einem Kubikmeter Wasser verrechnet. (Schmitz, 2004) Die Türkei deckt somit heute drei bis vier Prozent des Wasserbedarfs von Israel durch tägliche Tankerlieferungen von Adana nach Haifa. Vorläufig werden alte Öltanker für den Wassertransport umgebaut. Eigens für dieses Projekt angefertigte Wassertanker sind zurzeit in Israel in Bau. In Israel ist dieses Abkommen stark umstritten, da sich Israel in eine Art Abhängigkeit begibt. Gegner dieses Abkommens hingegen setzen auf Meeresentsalzungsanlagen, um Trinkwasser zu gewinnen. Dieses Wasser ist allerdings doppelt so teuer. Die Türkei zeigt mit diesem Abkommen einmal mehr seine Entschlossenheit, Wasser zu einem kommerziellen Gut werden zu lassen. (Gottschlich, 2004)

3.2 Das Südostanatolien-Projekt

Das Südostanatolien-Projekt (Güneydoğu Anadolu Projesi), kurz GAP, ist mit einem Umfang von circa 32 Milliarden Dollar bis 2010 eines der umfangreichsten Entwicklungsprojekte der Welt. Die Wasserressourcen von Euphrat und Tigris sollen im Rahmen dieses Projektes mittels Staudämmen gestaut werden und für die Bewässerung sowie Stromversorgung mittels Wasserkraftwerken nutzbar gemacht werden. (Brauer, 2001, S. 188 f.) Am 27. Oktober 1989 verabschiedete der türkische Rat der Minister das Gesetz „Law Decree no 388“, welches die Gründung des Südost-Anatolienprojektes gesetzlich verordnet hat (GAP Homepage, I). Das Südost-Anatolienprojekt beinhaltet den Bau von 22 Staudämmen, 19 Wasserkraftwerken und 25 Bewässerungsprojekten entlang der Flüsse Euphrat und Tigris. Insgesamt sollen rund 1,82 Millionen Hektar Land bewässert und somit für die Landwirtschaft nutzbar gemacht werden (GAP Homepage, II).

3.2.1 Ziele des Südost-Anatolienprojekts (GAP)

Das Projekt hat laut offizieller Homepage der GAP sieben Hauptziele:

1. Schaffung einer Infrastruktur mit modernen sozioökonomischen Strukturen (GAP Homepage, III). Die Menschen in Südostanatolien sollen durch verschiedene Förderprogramme und Investitionen an den Entwicklungsstand des Nordens angepasst werden (Albayrak-Ponta, 2003, S. 17 f.).
2. Die landwirtschaftlichen Flächen sollen vergrößert werden (GAP Homepage, III). Die Region, circa 70.000 ݇݉ଶ groß, soll durch modernste Agrarproduktion die Kornkammer beziehungsweise der Gemüsegarten des gesamten Mittleren Ostens werden. Durch die günstigen Klimaverhältnisse sind bis zu drei Ernten pro Jahr möglich. (Brill, 2006, S. 2)
3. Die Arbeitslosenzahlen sollen drastisch gesenkt werden, indem rund fünf Millionen neue Arbeitsplätze in den Bereichen Landwirtschaft und Energieversorgung entstehen (GAP Homepage, III). Dabei sollen sechs Provinzen in die nationale Wirtschaft integriert werden, indem diese industriell erschlossen werden (Brill, 2006, S. 2).

[...]


1 Wassermangel: „Wassermangel: verfügbares erneuerbares Süßwasserangebot pro Kopf und Jahr beträgt 1.000 m³ oder weniger.“ (Stiftung Weltbevölkerung, 2011)

2 Wasserknappheit: „Verfügbares erneuerbares Süßwasserangebot pro Kopf und Jahr liegt zwischen 1.001 und 1.666 m³“ (Stiftung Weltbevölkerung, 2011)

3 Mittlerer Osten: Türkei, Zypern, Griechenland, Libanon, Syrien, Israel, das palästinensische Gebiet, Jordanien, Ägypten, Irak, Iran, Saudi-Arabien, Kuweit, Bahrein, Qatar, die Vereinigten Arabischen Emirate, Amman und Jemen. (Rockinger, 2006, S. 125)

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Wasserexport als politisches Machtinstrument?
Untertitel
Die Türkei auf dem Weg zu einer Wassergroßmacht
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Entwicklung und internationale Entwicklungszusammenarbeit am Beispiel der Länder des Nahen Ostens und Nordafrika
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
18
Katalognummer
V201005
ISBN (eBook)
9783656271970
ISBN (Buch)
9783656272649
Dateigröße
558 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Politik, Türkei, Wasserpolitik
Arbeit zitieren
Niels Schirrmeister (Autor:in), 2011, Wasserexport als politisches Machtinstrument?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/201005

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