Spiel und Inszenierung als Dimension religionspädagogischen Handelns


Masterarbeit, 2012

66 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

0 Einleitung
1 Religionspadagogisches Lernen
1 Aneignung von Religion
2 Grundlinien performativer Religionsdidaktik
2.1 Einfuhrung in die performative Religionsdidaktik
2.2 Performative Religionsdidaktik nach RudolfEnglert
2.3 Ansatze zu performativer Religionsdidaktik
2.4 Lernen in Szenen
2.5 Grundlagen der Performanz und der philosophische Hintergrund des Psychodramas im Vergleich
2.5.1 Die Bedeutung des Korpers
2.5.2 Die Bedeutung des Raumes
2.5.3 Die Bedeutung des Ausdrucksmittels Sprache
2.5.4 Die Bedeutung der Liturgie
2.5.5 Die Bedeutung des Lernraumes Text
2.5.6 Die Bedeutung der Kunst
2.6 Der Zusammenhang von Lerngehalt und Lernhandlungen

II Das Psychodrama
1 Theoretische Grundlagen des Psychodramas
1.1 Die Begegnung als wesentlicher Begriff des Psychodramas
1.2 Der Mensch als Teil des Kosmos
1.3 Morenos Rollentheorie
1.3.1 Die Rolle
1.3.2 Das Soziale Atom
2 Das Psychodramaverfahren
2.1 Die funf Grundelemente des Psychodramas
2.1.1 Die Buhne
2.1.2 Der Protagonist
2.1.3 Der Leiter
2.1.4 Das Hilfs-Ich
2.1.5 Die Gruppe
2.2 Die Gestaltung des Psychodramaprozesses
2.2.1 Erwarmungsphase und Soziometrie
2.2.2 Aktionsphase
2.2.3 Integrationsphase
2.2.3.1 Sharing
2.2.3.2 Rollenfeedback
2.2.4 Auswertungs- und Vertiefungsphase
2.3 Psychodramatische Handlungstechniken
2.3.1 Rollentausch
2.3.2 Doppeln
2.3.3 Spiegeln
2.4 Das psychodramatische Gruppenspiel
2.4.1 Besonderheiten des Gruppenspiels
2.4.2 Psychodramatische Arrangements
2.4.2.1 Langere psychodramatische Arrangements
2.4.2.1.1 Stegreifspiel
2.4.2.1.2 Bibliodrama und Sagen-, Mythen-, Helden- und Marchenspiel
2.4.2.1.3 Axiodrama
2.4.2.2 Kurzere psychodramatische Arrangements
2.4.2.2.1 Standbild
2.4.2.2.2 Vignette
2.4.2.2.3 Szenische Bilder
2.4.2.2.4 Triade
2.4.2.2.5 Axionssoziometrische Arrangement
3 Die Realitaten im psychodramatischen Spiel
3.1 Verschiedene Realitatsraume
3.2 Das Psychodrama im intermediaren Raum

Ill Psychodrama, Religion und Religionsunterricht
1 Zur Theorie des Religionsunterrichts
1.1 Das Menschenbild im Psychodrama und in der Religion
1.2 Der Andere
2 Biblische Texte im Psychodrama
2.1 Begriffe verstandlich machen
2.2 Das Bibliodrama
3 Der intermediare Raum in der Schule
4 Psychodrama-Lernen
4.1 Das Lernen in der Gruppe
4.2 Psychodrama und szenisches Verstehen
4.3 Psychodrama als Lernform
4.3.1 Das Psychodrama als Lernform im Religionsunterricht
4.3.2 Moglichkeiten und Chancen des Psychodramas als Lernform
4.3.3 Gefahren und Grenzen des Psychodramas als Lernform

IV Mein Erkenntnisgewinn - Das Psychodrama ist anspruchsvoll
Literaturverzeichnis

0 EINLEITUNG

Wie kann Religion heute noch Kindem und Jugendlichen im Religionsunterricht vermittelt werden, wenn deren Beziehung zu Religion eher befremdlich ist und sie Religion als etwas Altes und Unmodernes ansehen? Jugendlichen muss die Moglichkeit gegeben werden Religion zu erfahren, zu erleben und ihren eigenen Standpunkt, ihren eigenen Glauben zu finden. Jugendliche sind darauf angewiesen, dass sich ihnen Religion kenntlich macht. Der Religionsunterricht hat die Aufgabe, die SuS mit Religion bekannt zu machen und Kontakt anzubahnen.

Die Schule als Lernort ist Ort unmittelbarer Erfahrungen und aktueller Lebensumstande. Ein groBer Teil der aktuellen Lebenswelt der SuS spielt sich in der Schule ab. Hier finden positive Erlebnisse statt, wie gute Noten oder wachsende Kenntnisse und anwendungsbereites Konnen, ebenso das Treffen mit den Freunden oder das Leben ohne die Eltern, aber auch negative Erfahrungen bezuglich des Lernverhaltens und der sozialen Beziehungen der SuS, die eben auch gepragt sein konnen von Enttauschung, Abweisung und Wut. In diesem Ort voller Emotionen, Gedanken und Erfahrungen kann Religion ausprobiert und verinnerlicht werden. Im Religionsunterricht bekommen diese Emotionen und Erlebnisse Raum, um sich zu auBern und auszudrucken.

Da der Gegenstand dieser Arbeit das Spiel und die Inszenierung als Dimension religionspadagogischen Handelns ist, soll im ersten Teil anhand der performativen Religionsdidaktik untersucht werden, wie Religion sich angeeignet und gelernt werden kann. Das Psychodrama als Spiel- und Inszenierungsverfahren soll Grundlage dieser Arbeit sein. Im Psychodrama wird versucht, Dimensionen emotionaler Konflikte oder unausgesprochener Angste und Irritationen im Spiel darzustellen. Vor allem bei Kindem und Jugendlichen ist das Verfahren des Psychodramas, das das Handeln vor das Reden stellt, eine effektive Methode, um innere Konflikte zu losen sowie soziale Kompetenzen und individuelle Fahigkeiten zu fordern und zu starken. Dass Verbindungen und Gemeinsamkeiten zwischen dem philosophischen Hintergrund des Psychodramas und der Theorie der performativen Religionsdidaktik bestehen, ist leicht zu erkennen. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob das Psychodrama lediglich als ahnliches 'Verfahren' angesehen werden kann oder eben doch als eine Fortfuhrung der performativen Religionsdidaktik.

Im zweiten Teil dieser Arbeit steht das Psychodrama als Verfahren mit seinen Grundlagen im Mittelpunkt. Hierbei soll unter anderem untersucht werden, welche theoretischen Grundlagen dem Psychodrama vorausgehen, welche Methoden und Techniken benutzt werden, wie ein psychodramatischer Prozess verlauft.

Im dritten Teil soil dann das Psychodrama in Verbindung mit Religion und vor allem in Verbindung mit dem Religionsunterricht untersucht werden. Bezuglich der wenigen Literatur, die es zum Psychodrama in Verbindung zum Lernen in der Schule bzw. im Religionsunterricht gibt, erscheint es fraglich, ob das Psychodrama moglicherweise nur noch nicht so popular ist oder, ob es fur die Anwendung im Unterricht nicht geeignet ist. Dieser Frage soll nachgegangen werden, indem untersucht wird, welche Moglichkeiten und Chancen das Psychodrama als Lernform im Religionsunterricht bietet und welche Grenzen und Gefahren es gibt. AuBerdem soll von Beachtung sein, wie die theologische Sprache mit ihren teilweise befremdlichen Begriffen und wie biblische Texte im Psychodrama gestalten werden konnen. Und es steht auch im Fokus der Betrachtung, welche Rolle, welche Aufgaben der Lehrer als Leiter im Psychodrama ubernimmt.

Ziel dieser Arbeit ist es, anhand der Verknupfung von Theorie, Philosophie und Praxis zu untersuchen, inwieweit das Psychodrama als Lernverfahren fur den schulischen Religionsunterricht geeignet ist. Am Ende dieser Arbeit soll ein Ausblick daruber gegeben werden, ob und auf welche Weise das Psychodrama ein sinnvolles Verfahren darstellt, um Religion im Religionsunterricht zu gestalten und verstandlich zu machen.

I RELIGIONSPADAGOGISCHES LERNEN

1 Aneignung von Religion

Nach Chr. Bizer findet gestaltete Religion im Wechselspiel von 'Innen' nach 'AuBen' statt. Als Innerlichkeit der Religion wird das Private des Menschen bezeichnet. Hierzu zahlen Gefuhle, Erinnerungen, Ansichten, Denk- und Verhaltensweisen. Die auBere Form der Religion linden wir in Schriften, Riten, Liedern, Gebauden sowie in der Moral und Lebensweisheit der Menschen. Das Wechselspiel von 'Innen' und 'AuBen' ist die Voraussetzung, um Religion zu lernen. Der Mensch muss gelebte Religion in seinen auBeren Formen innerlich erleben. Hier spielen die Erfahrungen des Lernenden eine groBe Rolle, und zwar religiose Erfahrungen. ,,Nur gedachte Religion ist keine Religion‘[1] Religion kann in der Beschaftigung und Auseinandersetzung mit ihren uns begegnenden Formen entstehen, Formen, in denen sie sich zeigt und gestalten lasst, Formen, die uns naher zur Religion bringen konnen. In der freien Auseinandersetzung mit ihnen entsteht erneut Form. Formen haben nicht den Anspruch innerlicher ubereinstimmen Ansichten, sondern verlangen Auseinandersetzung und Beschaftigung, um eine Entfaltung angemessener Religiositat der Lernenden zu ermoglichen. Religion kann nur in der Auseinandersetzung mit ihr lebendig werden. Sie muss vom Einzelnen erlebt, erfahren und gestaltet werden. Handlung und Kommunikation sind Voraussetzung fur die Lebendigkeit der Religion. Ein reines Reflektieren uber Religion, ohnejegliche Aktivitat kratzt lediglich an der Oberflache und wird nicht 'in' ihr sein konnen. ,,Religion hebt sich entsprechend als Unterrichtsfach auf, wenn es nicht in leibhafter Sprache zu elementaren gestalteten religiosen Handlungen fuhrt.[2] Erst im Handeln und Gestalten von AuBerlichkeiten religioser Tradition kann sich eine Auseinandersetzung mit ihnen ausbilden, denn ,,erst in ihrer verkorperten raumlichen Gestalt erweisen sich Glaubenssatze als tragbar. Standpunkte brauchen einen Standort, Haltungen eine Ausdrucksform, Orientierungen eine Ausrichtung. Unser 'Innen' wird gepragt durch unsere AuBen-Erfahrungen und andersherum.[3] Erst im gegenseitigen Austausch von innerlichen und auBerlichen Formen kann Religion ihre Gestalt erlangen. Dadurch wird sie, beispielsweise beim Falten der Hande zum Beten oder der Reinigung beim Betreten einer Moschee, korperlich im szenischen Handeln dargestellt.[4]

Grundlage und Bedingung des Christentums ist die Bibel, die Schrift, das Wort Gottes. Durch sie kann Vergangenes, etwas, das abseits unserer gegenwartigen Wahrnehmung liegt, in unsere gegenwartige Zeit eingebracht werden. Die Bibel und damit eine Sammlung von Texten hat jedoch die Gefahr, dass der Lernende 'vor' dem Lerninhalt bleibt und nicht 'in' ihn eindringt. Daher hat das leibliche Begreifen auch in der Auseinandersetzung und dem Verstehen der Schriften grofie Bedeutung. Um Gottes Wort lebendig zu gestalten, muss es in unserer heutigen Aktualitat gestaltet, gelesen und verkundet werden. Beim Aneignen von Religion ist es nicht egal, wie man seinen Glauben gestaltet und darstellt, welche Empfindungen, Befurchtungen, Angste und Gedanken hat. Eine Sache oder ein Thema ist eben nicht nur Worte und Reden zuganglich, sondern bedarf den ganzen Korper mit Leib und Seele und in der Interaktion mit Anderen. Dieser Aspekt ist von grofier Relevanz fur den Religionsunterricht, da auch hier nicht das Wissen uber Religion im Vordergrund des Lehrens stehen sollte, sondern die Erkenntnis und das Verstehen von Religion. Der Religionsunterricht kann diesen Aspekt des Lehrens und Lernens gut umsetzen, da Religion in der Schule ein Fach ist, das die Gefuhle, Einstellungen und Gedanken der Lernenden mit einbezieht. Hier konnen Ansichten, Denkweisen und Bekenntnisse ausprobiert und eingeubt werden. Da wir hier mit unserer verbalen Sprachen oft nicht weiterkommen, konnen Korpersprache und Handlungen in einer Inszenierung unterstutzend sein und uns mehr verraten, als es durch narrative Sprache moglich ware.[5]

Auf den aktuellen Bildungsprozess bezogen unterscheidet F.Buer zwischen einer 'diskursiven' und einer 'reprasentativen Symbolik'. Ersteres beinhaltet Sprache, die einen bestimmten Sinngehalt verarbeitet wie die Wissenschaftssprache. Die reprasentative Symbolik hingegen impliziert kreative Darstellungen und rituelle Praktiken, um vor allem Sinngehalten Ausdruck zu verleihen, die durch Sprache nicht optimal dargestellt werden konnen. Religiose, asthetische und das Dasein betreffende Erfahrungen finden hier Raum und Wirkungsfeld, um sich zu entfalten. Zum Bildungsprozess gehoren sowohl diskursive wie auch reprasentative Phasen, denn personliche Erfahrungen der Lernenden und fremdes Wissen mussen in Kommunikation und Reflexion miteinander verbunden werden. ,,Diese prasentative Symbolik ist das, was in anderen Zusammenhangen und von anderen performative Didaktik - und speziell fur den religionspadagogischen Bereich 'performative Religionsdidaktik' genannt wird.“[6] [7]

Dieser Ansatz findet sich auch in der Auslegung von performativem Religionsunterricht bei Klie und Leonhard in ihrem Werk: Schauplatz Religion, indem sie betonen: „Religion zum Sprechen bringen ist mehr als Reden uber Religion[8],Religion muss erfahren, wahrgenommen und gedeutet werden, damit sie zu denken und zu handeln gibt.[9]

2 Grundlinien performativer Religionsdidaktik

Religion aus Sicht der performativen Religionspadagogik ist ,,das, was sich in, mit und unter den Formen ihrer Ingebrauchnahme zeigt[10] Damit Religionlernen stattfinden kann, muss also zunachst das betrachtet werden, was sich religios aubert, was sich offenbart, was sich performiert.

2.1 Einfuhrung in die performative Religionsdidaktik

Performative Religionsdidaktik soll Religion erlebbar und erfahrbar machen und zum religiosen Handeln anspornen. Als Quellen der performativen Religionsdidaktik sind vor allem die Symboldidaktik, die post-strukturalistische Religionspadagogik und die Gestaltpadagogik zu nennen.

Das Wort 'performativ' ist von dem englischen Wort 'to perform' abgeleitet und bedeutet so viel wie 'etwas tun'. Performativer Religionsunterricht ist hinsichtlich der genannten Aspekte also ein Unterricht, der nicht nur uber Sachen redet, sondern das Ziel hat, diese Dinge lebendig und erlebbar werden zu lassen, um die Beziehung zwischen den SuS und der christlichen Religion zu verandern.[11]

Um etwas zu verstehen und es innerlich festzumachen, kann es hilfreich sein etwas als aktionalen, raumlichen Vorgang zu erleben. Vor allem Worter, deren Sinn schwer verstandlich ist, werden durch Handlungen verstandlicher. Religion und Religionsunterricht beinhalten Begriffe und Themen, die sich eben nicht einfach beschreiben oder erlautern lassen. Die performative Religionsdidaktik reagiert auf diesen besonderen Aspekt der Religion und lasst durch die Handlung der Performance, Lernen 'in' und 'durch' die Form, den Inhalt von Religion erfahrbar werden. In der Gestaltung der Form ist der Lerngegenstand real prasent und der Inhalt und Sinn von Religion werden erkennbar und begreiflich. Durch die Auseinandersetzung und die Gestaltung, also das Behandeln von Religion, geschieht Handeln in der performativen Religionsdidaktik und es offnet sich der Inhalt der Religion. Religion geschieht und verwirklicht sich in liturgischen Handlungen. Das sind beispielsweise das Gebet, das Horen oder Sprechen aus der Bibel und auch Gottesdienste. Sprache ist dabei immer performativer Sprechakt, umfassend und korperorientiert. Der Sprechakt des Glaubens ist Ausdruck des Leibes und der Seele. Um korperlich in Aktion zu treten, braucht es vor allem den Korper und nicht nur das Gehirn, wobei dieses eine ebenso wichtige Rolle im Lernen von Religion spielt. Als Prozess im 'Danach' nimmt das Gehirn mit seinen Fahigkeiten des Reflektierens, Beobachtens, Untersuchens, Erklarens und Nachdenkens seine Position ein. Religioses Handeln bedarf der Reflexion. Damit ist kognitives Lernen ein zentraler Punkt im Religionlernen. Es fordert die Wahrnehmungserweiterung, nutzt der Klarung und Richtigstellung und bringt die Sachen auf den Punkt. Durch die Verbindung dieser beiden Prozesse, das Handeln und Reflektieren in und von Religion, ergibt sich ein vertieftes Verstandnis von Religion. Die Erlebbarkeit von Religion, die performative Religionsdidaktik ist keine, die sich jemand aus den Fingern gesogen hat, sondern ist integraler Bestandteil des Christentums. Das Christentum ist durch Lebens- und Erzahlgemeinschaften entstanden, die vom Christusereignis getroffen wurden. Hier stand das Ereignis, das Erlebnis am Anfang, das in der Erzahlung oder in einem Ritual nachvollzogen wurde. Religion kann nicht ohne die Erlebbarkeit verstanden werden und genau diesen Aspekt greift die performative Religionsdidaktik auf.[12]

2.2 Performative Religionsdidaktik nach Rudolf Englert

Rudolf Englert beschaftigt sich in seiner Ausfuhrungen uber den performativen Religionsunterricht mit den Beitragen von Dressier, Schmid und Schoberth. Trotz einiger Unterschiede, lassen sich dabei folgende gemeinsame Punkte bzw. Konturen fur den performativen Religionsunterricht herausfiltern.

In der Religionsdidaktik beschaftigt man sich seit geraumer Zeit mit dem Phanomen des Traditionsabbruchs. Der Traditionsabbruch behandelt die Veranderung der religiosen Erziehung im Elternhaus der SuS. Wurde fruher noch auf christliche Werte und Traditionen sowie auf den sonntaglichen Kirchgang Wert gelegt, findet sich heute in den meisten Elternhausern nicht ein einziger christlicher Bezug mehr. Somit steht der Religionsunterricht vor zwei neuen Herausforderungen, mit denen er sich auseinanderzusetzen hat. Zum einen verfugen die Lernenden nicht mehr uber biblisches Wissen und zum anderen fehlen die Kenntnisse und die Erfahrung mit christlichen Traditionen und Lebensvollzugen. Die damalige Grundlage einer christlichen Erziehung und religioser Erfahrungs- und Wissensbestande eines Kindes ist in heutiger Zeit kaum noch gegeben und kann im Religionsunterricht nicht mehr vorausgesetzt werden. Religion in der Schule kann nicht mehr nur in der Reflexion und dem Nachdenken erarbeitet werden, da die fur die Reflexion erforderlichen Erfahrungen mit Religion bei den SuS fehlen. Heute muss Religion im Unterricht also erst erlebbar gemacht werden, um dann uber sie nachdenken zu konnen, da Religion fur die SuS sonst inhaltslos und leer bleibt. Performative Religionsdidaktik schafft dieses Gleichgewicht zwischen Erleben und Reflektieren. Die Tradition wird zum Spiel-Raum und gewinnt wieder an Bedeutung. Tradition wird nicht mehr als Festlegung wahrgenommen, sondern ermoglicht eigene Auberungsformen. Die von der Tradition angebotenen Zeugnisse gelebter Religion warten darauf, erfasst, verandert und erweitert zu werden, damit sie lebendig werden. Experimentieren steht im performativen Religionsunterricht vor dem Analysieren. Daher werden die von der Tradition offerierten Zeugnisse erst einmal nicht als ,,bestimmte Uberzeugungen artikulierende Propositionen begriffen, sondern als auf einen assoziierenden Mitvollzug hin angelegte Performation.“ Traditionen sollen nicht nur[13] vermittelt werden, sondem sie sollen in Verbindung mit leiblicher Auseinandersetzung und Begegnung neue Ansichten und Bedeutungen eroffnen.[14]

2.3 Ansatze zu performativer Religionsdidaktik

Die performative Religionsdidaktik ist nicht die erste Religionspadagogik, die diese Ansicht des Religionlernens vertritt. Schon vor mehreren Jahrzehnten hat die Symboldidaktik erkannt, dass Religion sich nicht nur in Texten erschopft. Klie und Leonhard sind jedoch der Ansicht, dass der ehemalige Symbolbegriff eine didaktische Methode war, die eher in Ratseln gesprochen hat und damit Verwirrung und Irritation bewirkte. An die Kritik an der Symboldidaktik angelehnt, fand eine Weiterentwicklung der Religionsdidaktik statt, die bereits Ansatze zum Performativen beinhaltete.[15]

Hier findet sich die poststrukturalistisch-profane Didaktik mit Ansatzen des Performativen, die sich am philosophischen Dekonstruktivismus orientiert. Ihre Intention liegt in der Suche nach ,,Religion als Spuren in der Profanitat, den Zwischenraumen des Alltags“[16] Religion bringt somit Orientierung in Form von Verwirrtheit und Verunsicherung durch das Fremde und keine Sicherheit.[17]

Fur die performative Religionsdidaktik bedeutende Anregungen und Ansatze finden sich in der Gestaltpadagogik, die sich an lutherischer Schriftauslegung und Worttheologie ausrichtet. „Im kulturellen und rituell-kreativen Gebrauch der Heiligen Schrift bleibt Religion zugleich bei sich selbst und beim lernenden Menschen.[18] Christoph Bizer ist Protagonist dieser Didaktik und tritt dafur ein, dass die Beschaftigung und Auseinandersetzung mit der Bibel im den Aspekt der Heiligkeit des Gotteswortes berucksichtigt und bewahrt. Die Bibel darf weder als historischer Quellentext noch als Informationstrager fur 'dahinter steckende' Inhalte und Sinngebung bearbeitet werden. „Nicht als Text, sondern als Bundel zu gestaltender Wortlaute zeigt sich das unterscheidend Religiose der Schrift.[19] [20]

Die performativen Ansatze haben eine Gemeinsamkeit bezuglich des Lemens von Religion, namlich, dass sie „didaktisch das Wahrnehmen von religioser Wirklichkeit dem Deuten, Verarbeiten und Verandern der Lebenswirklichkeit vorschalten.[21]

Religion ist zu allererst einmal eine Religionspraxis und vollzieht sich in der Bildung, Gestaltung und Interaktion, also in der Deutung von Zeichen, egal, ob dies nun durch Denkprozesse, Darstellungen oder Handlungen geschieht. „Eine performativ ansetzende Religionsdidaktik formuliert - zugespitzt gesagt - also immer nur Antworten auf die Formfrage: Unter welchen Bedingungen kommt hier ein (theologisch relevanter) Inhalt in Form? Inwiefern lasst sich fur wahrnehmen, was sich zeigt?[22] In der planmaBigen Anwendung des Handlungsgeschehens kommen die Formgebungen zu sich selber. Der Entwurf eines Plakates, die Inszenierung eines Standbildes, das Schreiben eines Liedes oder die Bildbetrachtung - das ausprobierende Darstellen religioser Deutungs- und Gestaltungskultur verlangt die Reflexion, denn erst durch sie erhalt die korperorientierte[23] Didaktik ihre eigentliche Bedeutung und Begrundung.

2.4 Lernen in Szenen

„Das Agieren von Personen in Zeit und Raum, Begegnungen, Handlungen uberhaupt, lassen sich auch als ein Lernen in Szenen beschreiben.[24] Egal, was, wie und wo ich etwas tue und selbst, wenn ich einfach nur da sitze und nichts tue, immer finden Inszenierungen statt. Jede Begegnung ist eine Inszenierung, meist ungeplant und unreflektiert, doch trotzdem passieren diese Inszenierungen. Um diesen Sachverhalt zu verdeutlichen benutzt Teckemeyer die Feststellung Watzlawicks ,,Man kann nicht nicht kommunizieren“ und gebraucht sie fur den Akt der Inszenierung: ,,Man kann sich nicht nicht inszenieren.[25] Die Art und Weise wie ein Lehrender mit den SuS umgeht und sie etwas lehrt, passiert nicht einfach, sondern ist gebunden an die Kompetenz des Lehrenden bezuglich der Methoden von Inszenierung. Szene ist im allgemeinen Sprachgebrauch ein Begriff aus dem Theater, bei dem eine Szene auf einer Buhne aufgefuhrt wird. Es ist ein Schauspiel, welches meist von einem Regisseur inszeniert wird. Schauspieler begegnen sich und gestalten, inszenieren die Handlung. Dieses lasst sich auch auf den Unterricht beziehen. Die SuS sinddie Schauspieler, die anhand eines Ausgangspunkts die Handlung gestalten. Als Material dienen ihnen ihre eigenen Erfahrungen, ihre Einstellungen und Ansichten, welche sie in die Inszenierung mit einflieBen lassen. Der Regisseur ist der Lehrende, der hier jedoch nur eine unterstutzende und anweisende Rolle einnimmt. Er setzt den Rahmen (Buhne, Spielordnung) fur das Geschehen.[26]

In der Darlegung der performativen Religionspadagogik greifen Klie und Leonhard bei der Unterscheidung von taktischer und faktischer Performanz im Unterricht die Aussage „Man kann nicht nicht inszenieren“[27] auf. Der Aspekt des Unumganglichen von Inszenierung betrifft die faktische Performanz, denn jede Stunde kommt einer bestimmten Inszenierungssystematik nach. Egal, ob die Methode Frontalunterricht oder Gelenktes Unterrichtsgesprach benannt wird, aus performativer Perspektive werden jegliche Lehr- und Lernprozesse als Inszenierungen angesehen, da sie einer bestimmten Dramaturgie folgen. Das ubergeordnete Ziel performativer Religionspadagogik liegt jedoch in der taktischen Performanz. Die taktische Performanz hat das Ziel auf Basis der faktischen Performanz ,,zum einen die reflektierte Wahrnehmung dieser einheimischen padagogischen Operationen und zum anderen die reflektierte Darstellung des performativ verfassten Unterrichtsgegenstands Religion[28] Es findet eine Perspektivwechsel hinsichtlich hermeneutischer Auffassungen statt. Aus Sicht der performativen Religionspadagogik steht nicht mehr der Inhalt einer Sache im Mittelpunkt, sondern die Behandlung und Auseinandersetzung der Lernenden mit der Sache. Auch das Behandeln des Evangeliums verlangt aufgrund seiner kommunikativen Darstellung nach Ausdruck in Handlung und Gestaltung, um sich dem Lernenden zu zeigen, der dann wiederum das Gezeigte als personliche, moglicherweise sogar positive Botschaft wahrnimmt. Hierbei ist jedoch die Gegenseitigkeit von dem personlich Dargestellten und der Wahrheit zu bedenken, denn jede religiose Deutung ist prinzipiell irrtums- und fehlerfahig. Trotz guter Unterrichtvorbereitung ist Unterricht, auch Religionsunterricht, nie zu 100% planbar, sondern vor allen Dingen ist er prozesshaft und wirklichkeitsverandernd.[29]

2.5 Grundlagen der Performanz und der philosophische Hintergrund des Psychodramas im Vergleich

Performative Religionsdidaktik ist auf jegliche traditionellen Themen und Gebiete des Lehrplans anwendbar und inszenierungsfahig. Performative Religionsdidaktik ist dementsprechend vielschichtig, was auch in dem Werk "Performative Religionsdidaktik' von Klie und Leonhard aufgezeigt wird. ,,Im Vordergrund stehen dabei aber vor allem die phanomenologisch grundlegenden Dimensionen und Basiskategorien, ohne die Performanz didaktisch weder denkbar noch operationalisierbar ist: Korper, Raum, Sprache, Liturgie, Text und Kunst.“[30]

In 2.5. werden diese 6 Dimensionen und Basiskategorien vor dem Hintergrund von Klie und Leonhard naher erlautert Die Begriffe Korper, Raum, Sprache und Text finden ebenso Ausdruck im philosophischen Hintergrund des Psychodramas. Im Folgenden sollen nun die genannten Begriffe anhand der beiden Schriften erlautert werden. Dabei sollen die Gemeinsamkeiten dieser beiden Ansatze deutlich werden. Das Psychodrama ist aus Sicht der Autorin eine Fortfuhrung, eine Erweiterung der performativen Religionsdidaktik, was in den Ausfuhrungen unter 2.5. deutlich wird.

2.5.1 Die Bedeutung des Korpers

Die performative Religionsdidaktik zielt auf die Darstellung von Religion - didaktisch und methodisch kontrolliert - ab. Die SuS stellen dabei ein Thema oder einen Gegenstand spielerisch in Form ihrer eigenen Leiblichkeit und Sinnlichkeit dar. Dabei werden sie fur den Lernprozess zu einem bedeutungsvollen Gebilde, indem sie jedoch nicht sich selbst spielen, sondern mit ihrer eigenen Korperlichkeit einen jeweils fur angebracht empfundenen Spielzug in Szene setzen. Die Lernenden sind sich des Spielens bewusst und sehen sich selbst distanziert zu den gespielten Rollen. Das Bewusstsein eine Rolle zu spielen ist ein wesentliches Qualitatsmerkmal von Unterricht.[31]

,,Um etwas zu verstehen und es innerlich festzumachen, kann es hilfreich sein, etwas als aktionalen, raumlichen Vorgang zu erleben. Vor allem Worter, deren Sinn schwer verstandlich ist, werden durch Handlungen verstandlicher.“ (siehe S. 6) Bei dem Wort 'Verstandnis' ist es beispielsweise forderlich, zwei Lernende in die jeweilig andere Rolle schlupfen zu lassen und sie gedanklich wie auch korperlich zu vertreten. Der Lemende lemt, sich in eine andere Position einzufuhlen und sie zu verstehen. Fremdworter sollten ubersetzt und verknupft werden in und mit der Alltagswelt der Lernenden. So konnen sie lernen den Begriff zu verinnerlichen, da mit dem Gedanken an den gelernten Begriff nun immer bestimmte Handlungen, Aktionen oder eigene Erfahrungen verbunden werden. Allgemein lasst sich sagen, dass das Lernen nicht nur ein Akt des Gehirns ist, sondern darauf angewiesen, dass Bewusstsein und korperliches Handeln ein enges Wechselspiel miteinander bilden. Das Wahrnehmen mit den Sinnesorganen ist das Auben, durch das Bewusstsein geschieht. Sinnliche Wahrnehmung hat mit Erinnerung zu tun, indem Gewesenes und Jetziges miteinander verglichen werden. Um sich an etwas erinnern zu konnen, braucht der Mensch Erfahrungen. Sie sind Voraussetzung fur das Bewusstsein, also ein Prozess des lernenden Wahrnehmens. In diesem Akt wird der Mensch gleichzeitig von vielen verschiedenen Sinneserfassungen belagert, die er nur durch ein schnelles ,,Ineinander von Erfassen, Reagieren, Behalten und Reflektieren[32] erfassen kann. Durch die sinnliche Wahrnehmung bekommt das Bewusstsein eine leibliche Dimension. Wahrnehmung geschieht durch die Sinnesorgane, die an den Korper gebunden sind. Somit ist der Korper 'Ort und Instrument der Wahrnehmung' und damit unzertrennlich vom Prozess des Bewusstseins. ,,Alles, was ist, muss mit dem eigenen Leib erfasst werden. Er bestimmt Raum, Zeit, Standort und Sichtweise. Er ist der absolute Ort meines Hierseins. Leibliches Befinden, Spuren, alle Sinneswahrnehmungen bestimmen meinen Kontakt zur Welt. (...) Ich bin in die Gemeinschaft mit Anderen aufgrund meines Menschseinsraumlich eingebunden. [33] [34]

E. Kose zieht daraus Folgen fur den Lernprozess: ,,Wir lernen zuallererst mit dem Korper. Wir haben ein Kbrpergedachtnis.“ Aus ,,lebensgeschichtlichen und gesellschaftlichen Umstanden“ formen wir unsere ,,Selbst- und Weltentwurfe“, indem wir an ihnen lernen. [35] Lernen ist allein dadurch schon individuell, da es bestimmt wird von der jeweiligen Zeit und dem jeweiligen Ort. Zillefien beschreibt diese Individualitat anhand von 'Wahrnehmungswelten' der Lernenden, welche sie durch Wahrnehmung mit Hilfe ihres Korpers erfahren. ,,Jede Wahrnehmung ist davon mitbestimmt, wie ich wahrnehme, d.h.wie ich meine korperlichen Sinne orientiere. Was ich erlebe, spielt sich im Korper ab“[36] und wird mitbestimmt von verschiedenen Einflussen, wie der Haltung meines Korpers oder von meinem Standpunkt, meinem Zustand oder meiner Bewegung. ,,Fur ein Lernen in inkorporierten Strukturen sind Aubenerfahrungen, Formen raumlichen Entdeckens und Begegnens, Begehungen und Erkundungen, Spiel und Experimente, sind korperhaftes Lernen Voraussetzung.[37] Denn nur durch Begegnungen und Interaktionen konnen wir Erfahrungen und Einsichten sammeln, durch welche wir Fahigkeiten und Verhaltensweisen entwickeln und bestimmte Ansichten verandern. Dies kann aber nur in der Wechselbeziehung von 'innen' und 'auben' geschehen. Jede Information und jede Erfahrung wird vom Menschen verinnerlicht und verarbeitet. Er konstruiert eine Realitat, nicht die reale Wirklichkeit, sondern eine eigene Realitat und baut sich somit sein inneres Universum auf. Beim Aubern des Verinnerlichten und Gelernten erschafft der Lernende eine neue Wirklichkeit.[38]

2.5.2 Die Bedeutung des Raumes

Unterricht findet in der Schule, meist in einem Klassenraum, statt. Lernen und Lehren geschehen also raumgreifend. Schule und deren quadratformige Raume mit ausschlieblich ein paar Stuhlen, Tischen und oft auch einem Regal, bieten nicht viel Frei- und Gestaltungsraum. Performativer Religionsunterricht kann jedoch auch unter diesen Bedingungen Platz und Inszenierung finden. Zudem ist es nicht so (zeit-) aufwendig wie grob geplante Projekte. Dabei ist auber Frage gestellt, dass Lernorte auberhalb der Schule wie ein Museums- oder Kirchenbesuch, eine grobere Bedeutung als Raum darstellen, als der Klassenraum.[39]

Die Bedeutung des Raumes spielt auch bei Moreno eine der grobten Rollen. Diesen Aspekt bestatigt auch die Dissertation von Silke Leonhard. Als Einfuhrung in diesen Teilaspekt des philosophischen Hintergrundes des Psychodramas bietet sich die Herangehensweise in Form einer Erfahrungserzahlung von Leonhard an. In der Erzahlung, die von einem Kirchenbesuch einer Schulklasse handelt, geht es um die Bewusstseinsanderung der SuS beim Betreten und Durchqueren des heiligen Raumes. Vor dem Eintritt in die Kirche war das allgemeine Verhalten der Klasse von wilden und lauten Handlungen gepragt. Beim Eintritt in die Kirche jedoch, beim Uberschreiten der Turschwelle, so Leonhard, machte sich eine Stille breit, die von Umsicht und Bedachtheit gepragt war. Das Verhalten der Lernenden wandelte sich beim Betreten eines bestimmten Raumes, den sie als bedeutend ansahen.[40] Auch wenn die Kirche als Raum eine aubere Form des evangelischen Glaubens darstellt, so spielen Auberlichkeiten, laut Teckemeyer, in der evangelischen Tradition eher eine nebensachliche Rolle. Hier ist vor allem die Innerlichkeit von grober Bedeutung. Entgegengesetzt dieser Glaubensausfuhrungen steht der Islam, in dem die Prozedur ritueller Handlungen mit inneren Uberzeugungen, Gesinnungen, die eine innere und leibliche Dimension haben, konform gehen. Im Islam betritt man eine Moschee nicht einfach so, indem man hineingeht, sondern es wird ein Ritual vollzogen. Der Moslem zieht seine Schuhe aus und wascht sich, um sich von dem 'Schmutz dieser Welt' zu reinigen, und erst dann betritt er den heiligen Raum mit Respekt. Teckemeyer aubert an dieser Stelle die kritische Frage, wie Innerlichkeit bei Jugendlichen evangelischen Glaubens entstehen kann, wenn die auberen Formen an Bedeutung und Aktivitat verlieren? Innerlichkeit ist nicht etwas, was jeder von vornherein in sich birgt und mitbringt, sondern sie entwickelt sich und wird gepragt in der Begegnung mit anderen Menschen und den Geschehnissen in der Welt. Dazu zahlen Auberlichkeiten wie Rituale, das gesellschaftliche Leben, Begegnungen und Erlebnisse. Innerlichkeit und Auberlichkeit bedingen einander.[41]

Das Leben, das Dasein in dieser Welt ist untrennbar von dem Aspekt des Raumes, da es sich von Anfang an in raumlichen Dimensionen ereignet. Der Mensch handelt und agiert nicht nur im Raum, sondern bildet als leibliches Wesen selbst einen Raum. ,,Der Mensch ist Leibraum in einem Ortsraum zu einem Zeitraum[42] Diese Raume interagieren miteinander. Der Mensch orientiert sich und lernt sich selbst zu verstehen mittels der Raume, die ihn umgeben, wie seine eigene Korperlichkeit, das Familienleben oder die Tankstelle nebenan. Raume macht sich der Mensch mit Hilfe seiner Sinne bewusst und so, wie er sie sinnlich erfahrt, so wirken sie auf dessen Leib. Raume, auch die Schule als Ort oder das Klassenzimmer, beeinflussen menschliches Verhalten Lern-Bewegungen, die von den Lernenden erfasst und verinnerlicht werden, werden von diesen Lernraumen mitbestimmt, wobei vor allem das Sitzen auf Stuhlen oder das Schreiben an Tischen in den Vordergrund gerat. Bewegungen durch den und im Raum kommen nur selten vor.[43]

2.5.3 Die Bedeutung des Ausdrucksmittels Sprache

Sprache ist das Mittel unterrichtlicher Vermittlung uberhaupt und besitzt padagogisch sowie didaktisch eine grofie Handlungsmacht. Der Religionsunterricht hat mit mehreren Sprachgestalten zu kampfen. Zum einen sind da die Metaphern und Erzahlformen der Bibel, die begrifflich-theologische Genauigkeit, zum anderen die Alltagssprache der SuS. Beides soll im Unterricht kommunikativ zur Geltung kommen und miteinander verbunden werden. ,,Wortwahl und Sprachgestus sind performativ betrachtet keineswegs nur Methode, sondern ihnen kommt gleichsam ein didaktischer Mehrwert zu. (...) Auch wollen die Reichweiten von diskursivem, analogem, medialem und nonverbalem Sprachgebrauch unterrichtlich vermessen und der Lerngruppe vermittelt werden.“[44] [45]

Wenn ein Lernender das Wahrgenommene aufiern mochte, so tut er dies meist durch Sprache. Sprache ist in der Gesellschaft das Kommunikations- und Verstandigungsmittel. Durch Sprache kann Erlebtes und Erfahrenes dargestellt werden, um es verstehbar zu machen. Dabei enthalt die Sprache bzw. die Kommunikation immer etwas Eigenes wie auch etwas Fremdes. Das Eigene bringt der Mensch selbst durch beispielsweise den Tonfall, die Gestik oder seine Stimmung hinein, allgemein durch seine Eigenart des Sprechens und Ausdruckens. Das Fremde sind die einheitlichen Normen, Werte und Ordnungen unserer Gesellschaft. Dieser Prozess lasst sich als ein 'Aufien-Innen- Verhaltnis' charakterisieren.[46]

In der alltaglichen Sprache werden elementare und korperliche Ausdrucke verwendet wie: „Du bist doch nicht ganz dicht“. Diese verbale Ubersetzung der menschlichen Korpersprache ist eine „Sprache, die den ganzen Korper voraussetzt, emotional, beweglich, physisch und psychisch. Sie ist individueller Ausdruck und individuelle Deutung.“ [47]

[...]


[1] Bizer, Christoph: Gestaltungsraume im christlichen Religionsunterricht. In: Michael Wermke (Hg.), Aus gutem Grund: Religionsunterricht. Gottingen 2002, S. 64.

[2] Bizer, Christoph: Liturgie als religionsdidaktische Kategorie. In: Jorg Neijenhuis (Hg.), Liturgie lernen und lehren. Aufsatze zur Liturgiedidaktik. Beitrage zur Liturgie und Spiritualitat. Leipzig 2001, S. 115.

[3] Teckemeyer, Lothar: Lernen in Szenen. Psychodrama und Religion. Eine Einfuhrung in das Psychodrama- Lernen. Wdl (Wege des Lernens) 12. Bruhl 2004. S. 38.

[4] vgl. ebd. S. 36-38.

[5] vgl. ebd. S. 39-40.

[6] Teckemeyer, Lothar: Text „Rituale“, S. 5.

[7] vgl. Teckemeyer, Lernen in Szenen, a.a.O. S. 83.

[8] Klie, Thomas; Leonhard, Silke: Schauplatz Religion. Grundzuge einer Performativen Religionspadagogik. Evang. Verl.-Anst., Leipzig 2003. S. 7.

[9] Klie, Thomas: Performativer Religionsunterricht. Von der Notwendigkeit des Gestaltens und Handelns im Religionsunterricht. http ://www.rpi-loccum.de/klperf.html#Download.

[10] Klie, Thomas; Leonhard, Silke: Performative Religionsdidaktik. Religionsasthetik - Lernorte - Unterrichtspraxis. Stuttgart 2008. S. 11.

[11] vgl. Englert, Rudolf: „Performativer Religionsutnerricht?“ Anmerkungen zu den Ansatzen von Schmid, Dressler und Schoberth. In: rhs 1/2002, S. S.32-36 aus: Themenheft rhs (Religionsunterricht an hoheren Schulen) 45 (2002) 1, S. 32.

[12] vgl. Teckemeyer, Rituale, a.a.O. S. 5-6.

[13] Englert, a.a.O. S. 33.

[14] vgl. ebd. S. 32-34.

[15] vgl. Klie; Leonhard, Performative Religionsdidaktik, a.a.O. S.11.

[16] ebd. S. 12.

[17] vgl. ebd.

[18] ebd.

[19] Klie, a.a.O.

[20] vgl. ebd.

[21] Klie; Leonhard, Performative Religionsdidaktik, a.a.O. S. 12.

[22] ebd. S. 13.

[23] vgl. ebd. S. 13-14.

[24] Teckemeyer, Lernen in Szenen, a.a.O. S. 28.

[25] ebd. S. 29.

[26] vgl. ebd.

[27] Klie; Leonhard, Performative Religionsdidaktik, a.a.O. S. 15.

[28] ebd.

[29] vgl. ebd. S. 15-16.

[30] ebd. S. 19.

[31] vgl. ebd. S. 20.

[32] Teckemeyer, Lernen in Szenen, a.a.O. S. 22.

[33] ebd.

[34] vgl. ebd. S. 20-22.

[35] Kosel, Edmund: Die Modellierung von Lernwelten. Ein Handbuch zur Subjektiven Didaktik. Laub&Co., 3.Aufl., Elztal-Dallau 1997. S. 74.

[36] Zilleben, Dietrich; Gerber, Uwe: Und der Konig stieg herab von seinem Thron. Das Konzept religion elementar. Diesterweg, Frankfurt 1997. S. 10.

[37] ebd. S. 22.

[38] vgl. ebd. S. 22-23.

[39] vgl. Klie; Leonhard, Performative Religionsdidaktik, a.a.O. S. 20.

[40] vgl. Leonhard, Silke: Leiblich lernen und lehren. Ein religionsdidaktischer Diskurs. Kohlhammer, Stuttgart 2006. S. 19-22.

[41] vgl. Teckemeyer, Lernen in Szenen, a.a.O. S. 17-19.

[42] ebd. S. 19.

[43] vgl. ebd.

[44] Klie; Leonhard, Performative Religionsdidaktik, a.a.O. S. 21.

[45] vgl. ebd. S. 20-21.

[46] vgl. Teckemeyer, Lernen in Szenen, a.a.O. S. 23.

[47] ebd. S. 24.

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Spiel und Inszenierung als Dimension religionspädagogischen Handelns
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (evangelische Theologie und Religionspädagogik)
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
66
Katalognummer
V200905
ISBN (eBook)
9783656290094
ISBN (Buch)
9783656564720
Dateigröße
650 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Psychodrama, Theater, Rollenspiel, Religionsunterricht, RU
Arbeit zitieren
Lisa Müller (Autor:in), 2012, Spiel und Inszenierung als Dimension religionspädagogischen Handelns, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200905

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