Analyse des Romans „Die Filmerzählerin“ von Hernán Rivera Letelier


Hausarbeit, 2012

17 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hernan Rivera Letelier
2.1 Biographie
2.2 Autobiographische Einflusse in „Die Filmerzahlerin“

3. DieFilmerzahlerin
3.1 Handlung
3.2 Die Personen
3.3 Struktur
3.4 Das Thema des Kinos und des Fernsehens

4. Reaktionen

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Fruhjahr 2011 erschien der Roman „Die Filmerzahlerin“ von Hernan Rivera Letelier in einer deutschen Ubersetzung bei Suhrkamp. Darin geht es um eine Frau, welche in einer mannerdominierten Siedlung in der Wuste aufwachst und sich durch ihre Fahigkeit, Filme gekonnt wiederzugeben, einen gehobenen sozialen Status erarbeitet um diesen dann wieder an Manner zu verlieren. Doch selbst diese Beschreibung basiert schon auf einer Interpretation, was das Werk so interessant und geeignet fur eine Hausarbeit macht. Der eigentliche, nuchterne Abriss der Erzahlung behandelt lediglich ganz faktisch die Faszination des Kinos, die Begabung des Madchens, Filme zu erzahlen und damit ihre Moglichkeit die Siedlung, in der die Handlung spielt, zu unterhalten. Der Roman, der vielschichtiger ist als zuvor beschrieben, arbeitet mit verschiedenen Ebenen und autobiographischen Ansatzen des Autors. Durch diese Elemente bietet das Werk interessante Aspekte fur eine Analyse, die neben der eigentlichen Handlung aufdeckt, was Letelier weiter bewusst oder unbewusst in den Roman mit einflieften lassen hat.

Um interpretatorische Ansatze zu eroffnen ist ein Grundwissen uber den Autor und den Roman unerlasslich, woraus sich ableiten lasst, was zu dem Fiktiven an tatsachlichen Erlebnissen Leteliers in das Werk mit eingeflossen ist. Dabei steht die Handlung neben den Charakteren und den diversen Ebenen im Vordergrund. Ein Eindruck der Reaktionen auf das Werk kann dafur ebenfalls dienlich sein. Dazu werden in den ersten Kapiteln der Arbeit Informationen gesammelt um im Fazit darauf eingehen zu konnen, welche Bedeutung der „Filmerzahlerin“ in literarischer und sozialer Hinsicht tatsachlich zukommt.

2. Hernan Rivera Letelier

Wie bereits in der Einfuhrung erwahnt ist das Wissen uber Letelier insofern fur eine Analyse von Bedeutung, als dass man nur so auf mogliche autobiographische Einflusse in „Die Filmerzahlerin“ aufmerksam werden kann. Daher beschaftigt sich das erste Unterkapitel in einem kurzen Abriss mit der Biographie des Autors um in der zweiten Halfte dann auf die Einflechtung seiner eigenen Erfahrungen in den Roman einzugehen.

2.1 Biographie

Der Autor der „Filmerzahlerin“ wird am 11.07.1950 in Talca in Chile geboren und verbringt seine Kindheit bis zum Alter von elf Jahren in Bergbau-Siedlungen in Algorta. Als die Mine geschlossen wird zieht er mit seiner Mutter und den Geschwistern nach Antofagasta. Nach dem Tod seiner Mutter geht er dort allein als Zeitungsverkaufer und Laufbursche arbeiten, wahrend seine Geschwister in die Obhut von Tanten genommen werden. Nach der Volljahrigkeit geht er drei Jahre lang bis 1973 auf Reisen durch ganz Sudamerika, beginnt erneut zu arbeiten und heiratet mit 24 nach der Ruckkehr von seinen Wanderjahren eine sieben Jahre jungere Frau. In Abendkursen erlangt er nachtraglich dann seinen Schulabschluss in einer anderen Salpetersiedlung Pedro de Valdivia und wird nach einigen Fortbildungen sogar fur die Oberschule zugelassen.

Mit dem Schreiben beginnt er aus Armut heraus um bei Wettbewerben Abendessen und Geld zu gewinnen, was ihm gleich beim ersten Versuch gelingt. Seinen Durchbruch hat er allerdings erst 1994 im Alter von 44 Jahren durch die Veroffentlichung von „Lobgesang auf eine Hure“[1]. Bis heute hat er zahlreiche Gedichte und spater insgesamt 13 Werke geschrieben. Ubersetzt wurden 1994 „Lobgesang auf eine Hure“, 2006 „Der Traumkicker“[2] und 2009 „Die Filmerzahlerin“[3].

Der chilenische Bestsellerautor lebt heute mit seiner Frau und seinen vier Kindern wieder in Antofagasta. In seinen Romanen behandelt er Darstellungen der chilenischen Salpeter-Bergbaugebiete und der Atacamawuste. Neben anderen Auszeichnungen wird er 2010 mit dem Premio Alfaguara de Novela geehrt, einem internationalen Literaturpreis spanischer Sprache, der mit rund 175.000 US-Dollar dotiert ist, und erhalt noch im gleichen Jahr den Orden der Kunste und der Literatur Frankreichs. Heutzutage ist er einer der meistgelesenen Autoren der spanischsprachigen Welt.

2.2 Autobiographische Einflusse in „Die Filmerzahlerin“

Den autobiographischen Aspekt in „Die Filmerzahlerin“ zu ubergehen ist fast unmoglich. Der Geburtsort Leteliers Talca liegt zwar in einem fruchtbaren Gebiet, welches von der Agrarwirtschaft lebt. Doch Antofagasta ist hingegen eine Stadt am Rand der Atacamawuste, die tatsachlich vom Salpeterabbau lebt. Dort ist der Autor aufgewachsen und spater freiwillig zuruckgekehrt. Salpeter bildet sich in trockenen, heiften, ariden, vegetationslosen Gebieten auf Gesteinstrummern des Wustenbodens. In fruherer Zeit wurden die Hersteller des Salpeters als Salpetersieder bezeichnet. Dem Nitrat kam im 19. Jahrhundert eine besondere Bedeutung zu, da es zur Gewinnung von Nitratdunger und vor allem von Schwarzpulver benotigt wurde. So kam es in Sudamerika in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts zum sogenannten Salpeterkrieg. Seit 1914 ist es moglich in einem grofteren Rahmen industriell Salpeter synthetisch industriell herzustellen. Auch in Deutschland brachte die Gewinnung von Salpeter einige Unruhen mit sich, da es ausschlieftlich aus Exkrementen hergestellt werden konnte und gerade Bauern unter dem Abbau zu leiden hatten. Der Salpetersiedlerberuf verlor allerdings an strategischer Bedeutung fur Europa, als 1820 in Chile grofte Naturvorkommen von Salpeter und an den Steilkusten des Sudpazifik von Guano entdeckt wurden.

Auch hier findet man Parallelen zwischen dem Autor und des Charakters der Filmerzahlerin, die von ihrer Familie verlassen wird und allein in der Siedlung wohnen bleibt. Die Erzahlung lasst darauf schlieften, dass sie bis zu ihrem Tod den Ort nicht verlassen hat und nicht wie ihre Bruder auf der Suche nach Liebe oder einer Arbeit weggeht. Und auch Letelier hatte wohl die Moglichkeit gehabt sich anderweitig zu orientieren, bleibt aber mit seiner Familie in der Heimat. Alle Schicksale derjenigen, die im Roman fortgehen, enden tragisch. So kann man davon ausgehen, dass die Entscheidung Marias als die einzig richtige vorausgesetzt wird, obwohl sie dafur wieder in die Abhangigkeit von Mannern gedrangt wird.

Weitere Hinweise auf Einflusse eigener Erfahrungen Leteliers findet man in der Betrachtung seiner Jugend. So stirbt die Mutter schon relativ fruh und er erlebt, wie er ohne Geschwister alleine aufwachsen muss und sich mit Gelegenheitsjobs uber Wasser halt. Auch Maria ist am Ende des Romans ganz allein und verdient sich mit Touristenfuhrungen ihr Brot. Dass sie mit 14 mit einem 36 Jahre alteren Mann zusammenkommt oder die Tatsache, dass ihr Bruder mit einer sehr viel alteren Witwe eine Liaison beginnt ist nicht direkt vergleichbar mit dem Altersunterschied von sieben Jahren, die Letelier von seiner Frau trennen, aber es zeigt doch, dass fruhes Heiraten in dieser Umgebung nichts ungewohnliches ist, obwohl sich in kulturell zivilisierteren Landern gerade in diesem Alter erst endgultig der Charakter formt und festigt. Insofern kann man davon ausgehen, dass die Notwendigkeit nach Versorgung, Sicherheit und eventuell auch sozialem Status, die eine Ehe mit sich bringt, in Sudamerika von viel grofterer Bedeutung ist und moglicherweise auch durch das eigenstandigere Leben eine fruhere Reife der Jugendlichen zum Tragen kommt.

3. Die Filmerzahlerin

„Die Filmerzahlerin“ bietet verschiedene Interpretationsansatze im inhaltlichen Bereich. Um diese nachvollziehen zu konnen soll aber zunachst die Handlung kurz wiedergegeben und eine Charakteristik der Personen erarbeitet werden, woraufhin dann eine Analyse des Aufbaus und der Struktur folgt. Das die Handlung beherrschende Thema des Kinos und des Fernsehens wird zuletzt historisch erlautert und auf den Roman ubertragen.

3.1 Handlung

In den ersten Kapiteln wird der Leser in die Handlung eingefuhrt. Die Personen werden vorgestellt und man erfahrt die Umstande, unter denen der Charakter der Filmerzahlerin entsteht. Aus Geldmangel ist es der Familie nicht moglich, gemeinsam das Kino zu besuchen und so kommt es dazu, dass nur die Tochter ins Kino geschickt wird um den Inhalt des Films der Familie wiederzugeben. Diese besteht aus dem Vater und funf Kindern, wobei die Filmerzahlerin das einzige Madchen ist. Aus einem internen Wettbewerb, wer am besten Filme erzahlen kann, geht Maria Magdalena hervor. Der Vater selbst ist an einen improvisierten Rollstuhl gefesselt und ist auch deswegen auf eine Nacherzahlung angewiesen.

Ab dem 6. Kapitel wird mehr auf die Vergangenheit der Protagonisten und insbesondere des Madchens eingegangen. Sie ist schon fruh vom Kino fasziniert und hat dieses Interesse quasi in die Wiege gelegt bekommen, denn ihr Name ist abgeleitet von Marilyn Monroe. Bei dem Wettbewerb des Filmerzahlens galt eigentlich ihr Bruder Mirto als Favorit, die anderen Bruder hatten keine Chance. Doch aufgrund der Hierarchie innerhalb der Familie wurde auch der Tochter keine Moglichkeit ausgerechnet die Qualifikation zu gewinnen.

Die Darstellung der Erzahlungen der einzelnen Kinder wird in den Kapiteln 11- 15 thematisiert. Es gibt eine geheime Abstimmung zwischen Mirto und Maria mit einem Stechen. So sollen sich beide den gleichen Film anschauen um besser vergleichen zu konnen. Maria punktet dabei mit geubtem Stimmenwechsel und Gesichtsausdrucken sowie dem Einsatz von Kostumen und Requisiten. Statt den Film nur gekonnt wiederzugeben beginnt sie so, die Filme zum Teil nachzuspielen.

Langsam geht die Struktur des Romans dazu uber, dass weitere Geschehnisse hinzukommen und die Handlung vorangetrieben wird. Durch ihr Filmerzahlen wird Maria im Dorf nach und nach bekannt und gewinnt an Popularitat. Immer mehr Zuhorer kommen zu der Familie nach Hause um sich die Erzahlungen anzuhoren und es wird immer mehr zu einer offentlichen Veranstaltung. Maria gibt sich den Kunstlernamen Fee Delcine und das einfache Haus wird zu einer Art Theater umgebaut. Dabei ist der Boden der erste Rang und als Parkett werden die hinteren Sitzgelegenheiten genutzt.

Im 22. Kapitel erfahrt man erstmals mehr uber die Mutter, die Tanzerin eines Variete-Revues geworden ist. Auch der Fortgang der Handlung in Bezug auf die Filmerzahlerin schreitet weiter voran. Sie ist inzwischen so erfolgreich mit ihrer Tatigkeit, dass sie Hausbesuche bei Dorfbewohnern macht und auch einen Auftrag vom im Dorf verhassten, alleinstehenden Geldverleiher erhalt. Ohne groft das Geschehnis auszufuhren wird vom Missbrauch durch diesen berichtet und geschildert, wie der alteste Bruder von diesem Vorfall erfahrt.

Zwei Wochen spater stirbt der Geldverleiher und der Leser wird auch vom Tod des Vaters durch einen Infarkt einige Monate danach in Kenntnis gesetzt. Auch Marcelinho, einer der Bruder Marias, verstirbt kurze Zeit spater. Doch das Unheil reiftt nicht ab und so kommt nun auch noch das Fernsehgerat auf den Markt. Seine Ankunft fuhrt zu einem riesen Spektakel im Dorf.

Die letzten Kapitel beschreiben die Zeit nach Marias Tatigkeit als Filmerzahlerin. Der Verwalter gibt ihr Arbeit als Packerin in einem Minenladen und beginnt gleichzeitig mit ihr eine Liebschaft. Das Fernsehen wird fester Bestandteil der Siedlung, aus der ihre Bruder fortgehen und nur Maria zuruckbleibt, die Besucher als alte Frau durch die Geisterstadt fuhrt.

Das 44. und letzte Kapitel stellt einen Nachsatz zu ihrer Mutter dar. Die Siedlung wird von einem Zirkus besucht, zu dem Maria nicht hingeht sondern sich stattdessen in ihrem Haus einschlieftt. Als an ihrer Tur geklopft wird, ist sie sich sicher, dass ihre Mutter sie besuchen will. Maria lasst sie nicht herein und ihre Mutter Maria Magnolia entfernt sich wieder.

3.2 Die Personen

Die einzelnen Familienmitglieder werden sehr detailreich beschrieben und haben alle eine eigene Hintergrundgeschichte. Am interessantesten stellt sich die der nur nebenbei erwahnten Mutter dar, zu der der Leser erst nach dem eigentlichen Ende des Romans durchdringt und die Beziehung der anderen Familienmitglieder zu ihr zu verstehen vermag. Maria Magnolia heiratet sehr jung und bekommt mit vierzehn ihr erstes Kind, worauf vier weitere in kurzen Abstanden folgen. Ihre Rolle innerhalb der Familie ist stark auf Haushalt und Kindererziehung beschrankt und ihr Charakter zeichnet sich aus durch eine Vorliebe fur Seidentucher und das Tanzen. Nach dem Unfall des Vaters verlasst sie die Familie um als Tanzerin in einer Variete-Revue und spater dann in einem billigen Zirkus zu arbeiten. Schlieftlich erhangt sie sich mit einem Seidentuch.

Der Vater Medardo war vor einem Arbeitsunfall ein sehr fleiftiger Arbeiter, der nun querschnittsgelahmt ist und mit einem Alkoholproblem zu kampfen hat. Er verkraftet den Weggang der Mutter nicht und verbietet den Kindern von ihr zu sprechen. Seine Leidenschaften sind das Kino und Namen mit dem Anfangsbuchstaben M. Das erzahlerische Talent seiner Tochter erfullt ihn mit Stolz und schlieftlich verstirbt er wahrend einer ihrer Filmerzahlungen an einem Infarkt.

Maria Margarita ist das einzige Madchen der Familie und aufterdem das jungste Kind. Sie hat ein Talent zum Filmerzahlen und ist gleichzeitig die Erzahlerin der Geschichte.

[...]


[1] Rivera Letelier, Hernan (1999): Lobgesang auf eine Hure. Roman. Frankfurt am Main: Kruger.

[2] Rivera Letelier, Hernan; Becker, Svenja (2012): Der Traumkicker. Roman. Berlin: Insel Verlag.

[3] Rivera Letelier, Hernan; Becker, Svenja (2011): Die Filmerzahlerin. Roman. 1. Aufl. Berlin: Insel-Verlag.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Analyse des Romans „Die Filmerzählerin“ von Hernán Rivera Letelier
Hochschule
Universität Kassel  (Fachbereich 02)
Veranstaltung
Neuerscheinungen der Frankfurter Buchmesse
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
17
Katalognummer
V200670
ISBN (eBook)
9783656273202
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Filmerzählerin, Letelier, Suhrkamp, Kino, Wüste
Arbeit zitieren
Tilman Kahleyss (Autor:in), 2012, Analyse des Romans „Die Filmerzählerin“ von Hernán Rivera Letelier, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/200670

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