Insolvenzverschleppungshaftung von Organmitgliedern


Seminararbeit, 2012

25 Seiten, Note: 15,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

A. Einleitung und Ziel der Arbeit

B. Die Insolvenzverschleppungshaftung von Organmitgliedern
I. Allgemeiner Überblick
1. Die Insolvenz
2. Das Insolvenzverfahren und der Weg zur Gläubigerbefriedigung
II. Voraussetzungen der Insolvenzverschleppung
1. Antragsrecht oder Antragspflicht
a) Antragspflicht gemäß § 15a InsO
b) Betroffene Organe
(1) Vorkapital- und Vorgründungsgesellschaft
(2) Insolvenzantragspflicht bei Vorkapitalgesellschaften
c) Konkretisierung der einzelnen Organmitglieder
2. Zeitraum für Frist und Pflicht
a) Karenzfrist
b) Beginn der Sanierungsfrist
c) Ende der Sanierungsfrist
d) Sanierungsfrist als Merkmal der Antragspflicht
(1) Grundsatz
(2) Zeitpunkt der Antragspflicht
e) Verhältnis der Sanierungsfrist zur Antragspflicht

3. Ende der Antragspflicht
III. Insolvenzverschleppungshaftung
1. Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 823 II BGB i.V.m. § 15a I InsO
a) Grundlagen
b) Zivilrechtliches Haftungskonzept
c) Das Nebeneinander von Innen- und Außenhaftung
(1) Innenhaftung und deren Problematik
(2) Durchbruch der Innenhaftung
(3) Umfang der Haftung von Alt- und Neugläubiger
(4) Zeitpunkt als Unterscheidung zwischen Alt und-Neugläubiger
2. Liquidation der Schäden

C. Das Schutzgesetzmodel - eine kritische Betrachtung

D. Zusammenfassung und Implikation

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Literaturverzeichnis

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A. Einleitung und Ziel der Arbeit

Droht einem Unternehmen die Insolvenz, verlangt dies seinen Geschäftsleitungsorganen viel ab. Bei einer derartigen Unternehmenskrise stellen sich der Unternehmensleitung, ausgehend von ihrer Pflicht der Unternehmungsführung, Fragen der Risikoerkennung und Risikobeherrschung in Existenzkrisen. Des Weiteren spielen Überlegungen, wie die Sanierung oder alternative Unternehmensverwaltung eine wichtige Rolle. Geht eine Unternehmenskrise in eine Insolvenzphase über, muss die Unternehmungsleitung über eine rechtliche Insolvenzantragstellung, die Massenerhaltung und eine möglichst umgehende und vollständige Betriebsübergabe an den Insolvenzverwalter nachdenken.

Diese Arbeit gibt einen Einblick in die Vorgehensweise innerhalb eines Insolvenzverfahrens und die Problematik des Insolvenzantrags. Ein weiterer Aspekt, der beleuchtet wird, ist die Insolvenzantragspflicht bei Geschäftsleitungsorganen der Kapitalgesellschaften. Dabei wird das verpflichtende Geschäftsführungsorgan konkretisiert und die Haftung im Zivilrecht untersucht. Schließlich werden kritische Meinungen zu den bevorzugten Systemen und alternative Lösungsansätze vorgestellt.

B. Die Insolvenzverschleppungshaftung von Organmitgliedern

I. Allgemeiner Überblick

1. Die Insolvenz

Von Insolvenz spricht man, wenn ein Gläubiger „aus dem Vermögen des Schuldners nicht befriedigt werden kann“1. Insolvenz entsteht aufgrund von Zahlungsunfähigkeit (§17InsO) und/oder Überschuldung (§19InsO) des Schuldners. Dies wird als die materielle Insolvenz2 bezeichnet. Demgegenüber steht die formelle Insolvenz3, die zur Feststellung der materiellen Insolvenz dient. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verdrängt das Reihenfolgeprinzip4 aus der Zwangsvollstreckung und befriedigt gemeinschaftlich alle Gläubiger eines Schuldners5.

2. Das Insolvenzverfahren und der Weg zur Gläubigerbefriedigung

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat zum Ziel6, den Gläubiger zu befriedigen und gleichzeitig den Schuldner aus seinen Verbindlichkeiten zu entlassen. Es führt dazu, dass das „Verwaltungsrecht über die Vermögensmasse dem Schuldner entzogen wird und vom

Insolvenzverwalter ausgeübt wird“7. Dieser Verwalter hat „die Masse in Besitz zu nehmen und sie möglichst gerecht zu verteilen“8.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt einen Antrag9 eines Berechtigten (§13InsO) und einen Eröffnungsgrund (§16InsO) voraus10. Das Gesetz erkennt die Zahlungsunfähigkeit11 (§17InsO) und die Überschuldung12 (§19InsO) als Insolvenzgrund an. Antragsberechtigt sind alle „natürlichen Personen, juristischen Personen und die Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit“13. Insoweit ist unbeachtlich, ob der Antragende Schuldner oder Gläubiger ist.14 Während aber ein Schuldnerantrag immer zulässig ist, bedarf ein Gläubigerantrag15 der Glaubhaftmachung (§14 I InsO).

Das Insolvenzverfahren kann nur auf einen selbstständig gestellten Antrag eines Berechtigten hin eröffnet werden. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens von Amts wegen ist nicht16 möglich. Wird der Antrag zu spät gestellt, kann die Masse bereits zu gering sein, um überhaupt ein Insolvenzverfahren einleiten zu können. Denn dabei würden die Kosten des Verfahrens die Insolvenzmasse übersteigen (§26InsO). Darüber hinaus könnte das insolvenzreife Unternehmen dem Geschäftsverkehr und „der Begründung neuer Rechtsbeziehungen nicht ferngehalten werden“17. Ferner könnten sog. illegale Firmenbestattungen18 nicht verhindert werden.

II. Voraussetzungen der Insolvenzverschleppung

1. Antragsrecht oder Antragspflicht

Es besteht grundsätzlich keine19 Antragspflicht. Dem insolventen Schuldner werden nur „bestimmte Gefährdungen der Gläubiger untersagt“20 (§283 ff. StGB). Wer Rechtschuldbefriedigung anstrebt, hat die Obliegenheit die Insolvenzeröffnung nicht willkürlich zu verzögern (§ 290 I Nr. 4 InsO). Bei Kapitalgesellschaften wird, entgegen dieser Richtschnur, ein strengerer Maßstab angelegt, weil hier die Gläubigerforderungen besonders gefährdet sind. Der Grund hierfür besteht in der „beschränkten Haftungsmasse“21 nämlicher Gesellschaften, für deren Schulden22 keine natürliche Person persönlich haftet. Deshalb normiert § 15a InsO diesbezüglich eine Insolvenzantragspflicht.

Die Regelung des § 42 II BGB i.V.m. § 15a InsO hinsichtlich der Antragspflicht bei Vereinen bleiben unverändert23.

Eine Antragspflicht besteht24 gemäß Art 3, 4 EuInsVO auch für Kapitalgesellschaften mit ausländischer Rechtsform, die ihren Verwaltungssitz im Inland haben.

a) Antragspflicht gem äß § 15a InsO

Die 2008 mit dem MoMiG eingeführte und in Kraft getretene „Generalnorm ist rechtsformübergreifend“25. Die Vorschrift ersetzt die Bestimmungen der jeweiligen26 Gesellschaftsformen. „§15a InsO regelt die Insolvenzantragspflicht rechtsformneutral, knüpft aber im Übrigen inhaltlich an die bisherigen Vorschriften zur Insolvenzantragspflicht an“27. Folglich können die bisher ergangenen Entscheidungen „weiter herangezogen werden“28.

b) Betroffene Organe

Zur Antragstellung verpflichtet sind die in § 15a I-III InsO aufgeführten Personen, d.h. juristische Personen des Privatrechts29. § 15 I S.2 InsO umfasst auch andere Gesellschaftsformen, so z.B. namentlich die OHG, KG oder BGB-Gesellschaft, ohne Rechtspersönlichkeit30 für deren Verbindlichkeit keine natürliche Person unbeschränkt persönlich haftet31. Ebenfalls zu berücksichtigen sind „Gesellschaften in Liquidation“32, da das Insolvenzverfahren gemäß §11 III InsO auch nach Auflösen der juristischen Person eröffnet werden kann, falls „im Liquidationsstadium die Insolvenzreife eintritt“33. Antragspflicht besteht34 auch für Gesellschaften, die nach § 394 I FamFG gelöscht wurden. Keine Normadressaten sind „Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit“35, bei denen mindestens ein Gesellschafter dieser Gesellschaft „persönlich und unbeschränkt Haftet“36.

(1) Vorkapital- und Vorgründungsgesellschaft

Schwieriger gestaltet sich die Frage, ob die Geschäftsleitungsorgane (bzw. in §15a InsO als Vertretungsorgan bezeichnet) der Vorkapitalgesellschaft37 oder Vorgründungsgesellschaft angehörig sind.

Die Vorgründungsgesellschaft38 ist das erste Gründungsstadium im Gründungsprozess einer Gesellschaft. Sie besteht vor „Abschluss des Gesellschaftsvertrages“39 und ist in diesem Zeitpunkt nur eine Personalgesellschaft40, bei der die Antragspflicht ausscheidet.

Die Vorgesellschaft41 ist von der Vorgründungsgesellschaft streng42 zu trennen. Sie bildet ein notwendiges Durchgangsstadium im Prozess der Gründung. Die Vorgesellschaft beginnt mit Zustandekommen des Gesellschaftsvertrages und endet mit der Eintragung43 ins jeweilige Register. Die „Vorgesellschaften kommen bei allen Körperschaften“44 vor. Die Vorkapitalgesellschaft ist insolvenzfähig. Dies steht nach h.M.45 außer Frage. Diese „allgemeine Meinung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH zu der Parteifähigkeit der Vorkapitalgesellschaft im Zivilprozess“46. Von der Insolvenzfähigkeit kann indes nicht direkt auf die Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a InsO geschlossen werden.

(2) Insolvenzantragspflicht bei Vorkapitalgesellschaften

Ein mögliche „systemkonforme Lösung“47, die sich nah am Gesetz orientiert, ist das Abstellen auf die persönliche48 Haftung der Gesellschafter der Vorgesellschaft. Berücksichtigt man die unmittelbar persönliche Haftung der Gesellschafter, ist der Zweck der Antragspflicht sinnlos49. Dafür spricht auch die Verbindung50 der Antragspflicht „mit der beschränkten Haftung der Insolvenzmasse“51.

Diese Lösung orientiert sich zwar nah an der Norm, erscheint aber in ihrem Ergebnis unzureichend, da die ständige „Kontrolle der Vermögenssituation der Vorgesellschaft durch die Geschäftsleitung“52 angenommen wird. Die eben diskutierte Sichtweise berücksichtigt jedoch nicht, dass die Umwandlung der Vorgesellschaft zu einer juristischen Person „unmittelbar bevor steht“53, so dass die Insolvenzantragspflicht „angeordnet werden muss, um das Fortwirken dieser insolvenzreifen Gesellschaft zu verhindern“54. Die Vorkapitalgesellschaft ist antragspflichtig.

c) Konkretisierung der einzelnen Organmitglieder

Grundsätzlich korrespondiert55 die Antragspflicht (§ 15aInsO) mit dem Antragsrecht (§ 15InsO).

Bei juristischen Personen ist der Adressat der Antragspflicht „jedes einzelne Mitglied des Vertretungsorgans“56, insbesondere der „Geschäftsführer der GmbH oder das Vorstandmitglied der AG“57. Innenbetriebliche Weisungen oder Aufgabenverteilung können von dieser Pflicht nicht entbinden, da die Antragspflicht „kraft Gesetz entsteht“58. Bei Beendigung einer Organstellung kann die Antragspflicht entstehen, wenn der Zeitpunkt59 für die Antragstellung bereits eingetreten ist.

Mit dem MoMiG wurde auch eine subsidiäre Antragspflicht für den Fall der Führungslosigkeit eingeführt60 (§15a III InsO), um die Antragspflicht in diesem Fall nicht ins Leere laufen zu lassen und illegalen Firmenbestattungen entgegenzuwirken. Zu beachten ist dabei, dass diese Antragspflicht nur mit positiver Kenntnis61 über die tatsächliche Insolvenzfähigkeit auslöst werden kann.

Ob und inwieweit ein faktisches62 Vertretungsorgan zum Antrag verpflichtet ist, „kann auch nicht nach der Novellierung von MoMiG eindeutig festgestellt“63 werden. Für die Verpflichtung zur Antragstellung64 sprechen die unmittelbaren, wirtschaftlichen Einwirkungsmöglichkeiten und die unmittelbaren Lenkungsbefugnisse der faktischen Geschäftsleitung.

2. Zeitraum für Frist und Pflicht

Gemäß § 15a InsO ist das Vertretungsorgan verpflichtet, den Insolvenzantrag nach Eintritt des Insolvenzgrundes ohne schuldhaftes Zögern, spätestens jedoch nach 3 Wochen, zu stellen, um nicht unter den Tatbestand der Haftung zu fallen. Intuitiv stellt sich die Frage nach Beginn und Ende dieses Zeitraums, sowie dem Verhältnis zwischen Antrags- und Sanierungsfrist.

a) Karenzfrist

Mit Einführung der rechtsformunabhängigen Norm des § 15a InsO wurden die bis dahin geltenden rechtsformabhängigen Regelungen abgelöst und um ein zusätzliches Merkmal, namentlich einer bis zu dreiwöchigen „Suspendierung der Pflicht“65 zur Antragstellung, ergänzt. Regelungen für den Verein in § 42 II S.1 BGB bilden die Ausnahme.

Diese Frist ist „keine verfahrensrechtliche Antragsfrist“66, die zu einem beliebigen Zeitpunkt der drei Wochen gestellt werden kann. Allerdings müssen die zur Antragstellung Verpflichteten ihre Pflicht nicht notwendigerweise67 sofort erfüllen. Das Gesetz verlangt die Antragstellung „ohne schuldhaftes Zögern“68 und gewährt eine „maximale dreiwöchige Karenzfrist“69, um Sanierungsmöglichkeiten zu prüfen und den Insolvenzgrund zu beseitigen. Diese Dreiwochenfrist ist eine „Höchstfrist“70 und darf nicht „verändert, weiter ausgedehnt oder ohne weiteres voll“71 ausgeschöpft werden. Ist ersichtlich, dass für eine Sanierung „keine ernsthaften Erfolgschancen bestehen, ist der Antrag umgehend“72 zu stellen. Die Insolvenzmasse muss möglichst in großem Umfang für die Gläubiger erhalten bleiben.

b) Beginn der Sanierungsfrist

Die Sanierungsfrist entsteht mit Eintritt der Insolvenzreife73. Nicht hingegen bei drohender Zahlungsunfähigkeit74 (§18InsO). Dieser Zeitpunkt ist meist nicht eindeutig feststellbar. Generell ist die Problematik des Beginns der Sanierungsfrist vor allem für den Insolvenzgrund der Überschuldung bedeutsam. Denn für die Zahlungsunfähigkeit wird der objektive Eintritt „zeitlich mit der entsprechenden (positiven) Kenntnis des Organs zusammentreffen“75. Ein Ansatz76 für den Anfang der Sanierungsfrist, wäre den Beginn dieser Frist an die positive Kenntnis des antragspflichtigen Organvertreters zu binden. Erlangt das Vertretungsorgan die tatsächliche Kenntnis von der Insolvenzreife, auch Tage nach der Insolvenzreife, beginnt die Sanierungsfrist ab diesen Zeitpunkt.

[...]


1 Foerste, §1Rn. 1.

2 Zimmermann, Rn. 2.

3 Zimmermann, Rn. 2; Becker, § 1 Rn. 2f.

4 Foerste, § 1 Rn. 3.

5 K/P/B/ Prütting, § 1 Rn. 13; Foerste, § 1 Rn. 8.

6 Becker, § 4 Rn. 129; Zimmermann Rn. 10.

7 Kref/ Kirchhof, § 1 Rn. 3f; Foerste, § 21 Rn. 281f; Zimmermann, Rn. 123.

8 Kref/ Kirchhof, § 1Rn. 4f.

9 Becker, § 4 Rn. 152.

10 Becke r, § 4 Rn. 129; Zimmermann, Rn. 24ff.

11 Becker, § 9 Rn. 416; Braun/ Bu ß hard, § 19 Rn. 9; D/K/H/ Knierin, Rn. 460ff; Ko-AktG/Krieger/Sailer-Coceani, Anh. § 92 Rn. 4.

12 L/H/ Kleindie k, § 64 Rn. 25; D/K/H/ Knierin, Rn. 460ff; Becker, § 9Rn. 423.

13 U/ Hirte, § 15 Rn. 1ff.

14 Kref/ Kirchho f, § 13 Rn. 8f; Zimmermann, Rn. 26.

15 Foerste, § 1 Rn. 88.

16 K/P/B/ Pape, § 13 Rn. 29.

17 B/H/ S.Osterloh, Auf. 18 § 64 Rn. 1.

18 D/K/H/ Knierim, Rn. 586ff.

19 Foerste, § 1 Rn. 90 (91); Kref/ Kirchhof, § 15 Rn. 1.

20 Foerste, § 1 Rn. 90.

21 Kref/ Kleindiek, § 15a Rn. 4f.

22 B/H/ Schulze-Osterloh, Auf. 18, § 64 Rn. 44; MüKo-BGB/ Wagner, 5. Band ,§ 823 Rn. 395.

23 Brand/Reschke, NJW 2009, 2343, 2347.

24 Römermann, NZI 2010, 241, 244; Poertzgen, NZI 2008, 9; Begründung RegE MoMiG, BT- Drucks. 16/6140, S. 55; FK/ Schmerbach, § 15a Rn. 39.

25 Kref/ Kleindiek, § 15a Rn. 1.

26 B/B Rn. 22,28; Insb.§§ 64 I, 74IV GmbHG;§§ 92 II, 268 II AktG;§ 99 I GenG, §§ 130a I, 177a HGB.

27 Poertzgen, ZInsO 2007, 574; Begründung RegE MoMiG, BT- Drucks. 16/ 6140, S 55; K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 5.

28 K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 5.

29 Insb.§35 GmbHG;§ 78 AktG;§§ 24- 26 GenG;§26 II BGB.

30 §11 IINr.1 InsO.

31 Kref/ Kleindiek, § 15a Rn. 4.

32 MüKo-GmbHG/ Müller, § 64 Rn. 60; K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 13; R/A/ Altmeppen, § 64 Rn. 10; U/H/W/ Casper, § 64 Rn. 32.

33 B/H/ Haas, 19 Auf., § 64 Rn.147; MüKo-GmbHG/ Müller, § 64 Rn. 60; K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 13.

34 K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 13.

35 § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO; Kref/ Kirchhof, § 15 Rn.11; L/H/ Kleindiek, Anh. § 64 Rn. 49.

36 L/H/ Kleindiek, Anh.§ 64 Rn. 41f; K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 17.

37 K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 15.

38 Schmidt -GesR, § 11II, S298, (300).

39 R/A/ Roth, § 2 Rn. 68.

40 K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 15.

41 R/A/ Roth § 2Rn. 35.

42 Saenge r, § 3 Rn. 61.

43 B/H/ Fastrich, 19 Auf. § 11 Rn. 3 (30f); Saenger, § 3 Rn. 61.

44 Saenge r, §3 Rn. 61.

45 LG Bochum, NZI 2004, 28; U/H/W/ Casper, § 64 Rn. 30.

46 LG Bochum, NZI 2004, 28.

47 K/P/B/ Preu ß , §15a Rn. 15; R/A/ Roth, §11 Rn. 50.

48 U/H/W/ Casper, § 64 Rn.31; B/H/ Haas, 19 Auf.§ 64 Rn. 147; Scholz/ K. Schmidt, Anh. § 64 Rn. 17; K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 15.

49 R/A/ Altmeppen, Vorb. § 64 Rn. 10.

50 K/P/B/ Preu ß , §15a Rn. 15; Foerste, § 1 Rn. 90 (91).

51 K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 15; Foerste, § 1Rn. 90 (91).

52 U/H/W/ Caspe r,§ 64 Rn. 31; B/H/ Haas, 19 Auf.§ 64 Rn. 147; Scholz/ K. Schmidt, Anh. § 64 Rn.17; K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 15.

53 K/P/B/ Prue ß , § 15a Rn. 15.

54 Kref/ Kleindiek, § 15a Rn. 4f; Scholz/ K.Schmidt, Anh. § 64 Rn. 17; K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn.15.

55 G/E/S/ Sandhaus, § 64 Rn. 107; K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 17; MüKo-HGB/ K.Schmidt, § 130a Rn. 8.

56 G/E/S/ Sandhaus, § 64Rn. 107; K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 20.ff; L/H/ Kleindiek, Anh. § 64 Rn. 67.

57 U/ Hirte § 15 Rn. 7.

58 K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 21; L/H/ Kleindiek, Anh. § 64 Rn. 45.

59 U/H/W/ Casper, § 64 Rn. 37; K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 25.

60 Schmal, NZI 2008, 6, 7; B/H/ Haas,19 Auf. § 64 Rn. 167; Begründung RegE MoMiG, BT-Drucks. 16/6140, S 26; K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 30.

61 BGHZ 75, 96, 110f; B/H/ Haas,19 Auf. § 64 Rn. 171; Kref/ Kleindie k, § 15a Rn. 16f; L/H/ Kleindiek, Anh. § 64 Rn. 46.

62 Fehlerhaft bestellte oder nicht in Organstellung eingerückt.

63 Begründung RegE MoMIG, Bt- Druck. 16/6140, S 56; K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn.28.

64 K/P/B/ Preu ß , §15aRn.26;Kreft/ Kleindiek, § 15a Rn. 10; Scholz/ K.Schmidt, Anh. § 64 Rn. 22.

65 Poertzgen, ZInsO 2008, 945, 952.

66 Poertzgen, ZInsO 2008, 945, 952.

67 Rudulli s, NZI 2007, 323, 325; L/H/ Kleindiek, Anh. § 64 Rn. 50; G/E/S/ Gehrlein, § 64 Rn.112.

68 § 121 I S1 BGB.

69 BGHZ 75, 96, 108; R/A/ Altmeppen, 6. Aufl., Vor. § 64 Rn.80;Kref/ Kleindiek, § 15a Rn.11f.

70 Poertzgen, ZInsO 2008, 944, 952.

71 BGHZ 75, 96, 108; A/L/ Leithaus, § 15 Rn. 7;R/A/ Altmeppen, 6. Aufl. Vor § 64 Rn. 80.

72 Kref/ Kleindiek, § 15a Rn. 12; K/P/B/ Preu ß, § 15a Rn. 51.

73 Kref/ Kleindiek, § 15a Rn. 11; L/H/ Kleindiek, Anh. § 64 Rn. 50;G/E/S/ Gehrlein, § 64 Rn. 112.

74 G/E/S/ Gehrlein, § 64Rn. 13ff.

75 BGHZ 163, 134; BGHZ 75, 96, 111; BGH ZIP 2006, 2222, 2224; B/H/ Haas, Auf.19 § 64 Rn. 124; Kreft/ Kleindiek, § 15a Rn. 13.

76 BGHZ 75, 96, 108; BGH ZIP 2005, 211;K/P/B/ Preu ß , § 15a Rn. 53; R/A/ Altmeppen, 6. Auf., Vor. § 64 Rn. 71.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Insolvenzverschleppungshaftung von Organmitgliedern
Hochschule
Universität Augsburg
Veranstaltung
Seminar zum Gesellschaftsrecht
Note
15,00
Autor
Jahr
2012
Seiten
25
Katalognummer
V199935
ISBN (eBook)
9783656262916
ISBN (Buch)
9783656263241
Dateigröße
497 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesellschaftrecht, Jura, Insolvenz, Insolvenzrecht, Antragspflicht, Gesellschaftsorgane, Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit, Verschleppung, Verschleppungsschaden, Verschleppungshaftung, MoMiG, Fristbegin, Arbeitsrecht, Insolvenzverschleppungshaftung
Arbeit zitieren
Simion Hersonski (Autor:in), 2012, Insolvenzverschleppungshaftung von Organmitgliedern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199935

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