Der "Graf von Togo" und des Deutschen Reiches "Musterkolonie"

Julius Graf von Zech auf Neuhofen (1868-1914), Gouverneur der deutschen Kolonie Togo 1903/05-1910


Magisterarbeit, 2005

147 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Einführung und Fragestellung
1.2 Quellenlage und Forschungsstand

2. Deutschland als Kolonialmacht – ein zeitlicher Überblick
2.1 Die Anfänge der deutschen Kolonialpolitik unter Bismarck
2.2 Ausbau der Herrschaft – Unterwerfung und Widerstand
2.3 Deutsche Kolonialpolitik ab 1907 – eine Reformära?

3. Abriss der Geschichte Togos unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zu Deutschland
3.1 Entwicklung der Region bis zum Abschluss des ersten Schutzvertrages
(1482-1884)
3.2 Unterwerfung des Landes und Ausbau des deutschen Schutzherrschaft
(1884-1914)
3.3 Vom Völkerbundsmandat bis zum Ende der Militärdiktatur Eyademas
(1914-2005)

4. Julius Zech auf Neuhofen (1868-1914) – ein biographischer Überblick
4.1 Herkunft der Familie Zech
4.2 Militärische Karriere im Königreich Bayern
4.3 Im Dienst der Kolonialmacht in Afrika
4.4 Rückkehr und „Heldentod“

5. Die Politik Zechs als Gouverneur von Togo 1903/05 -1910
5.1 Grundüberlegungen zur „Eingeborenenpolitik“
5.2 Wirtschafts- und finanzpolitische Maßnahmen
5.2.1 Förderung der „Volkskulturen“
5.2.2 Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzlage
5.2.3 Ausbau der Infrastruktur
5.2.4 Forstwirtschaft 62
5.3 Gesundheitspolitische Maßnahmen
5.4 Das Konfliktfeld um Mission, Schule und Sprache
5.5 Rechtspolitik
5.5.1 Grundzüge des Rechtswesens in Togo
5.5.2 Strafrechtliche Praxis
5.5.3 Der gescheiterte Versuch einer Kodifikation des Eingeborenenrechts

6. Zech als „Mustergouverneur“? – Versuch einer Bewertung
6.1 Zech im Spiegel seiner Zeitgenossen
6.2 Julius Zech – Adliger, Soldat, Beamter und Ethnologe
6.3 Zech als Repräsentant der deutschen Kolonialpolitik in der „Ära Dernburg“
6.4 „Mustergouverneur“ einer „Musterkolonie“?

7. Der Mythos „Musterkolonie“
7.1 Togo als Renommierobjekt des wilhelminischen Reiches
7.2 Finanzplanung und „Imagepolitik“ unter Zech
7.3 Tradierung der „Musterkolonie“ nach 1914 – ein Ausblick

8. Resümee

Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Archivalien und unveröffentlichte Quellen
2. Gedruckte Quellen und Quellensammlungen
3. Literatur vor 1945
4. Literatur nach 1945

Ein Wort des Dankes

Abbildungsnachweis:

S. 1: Porträtphotographie von Julius Graf Zech auf Neuhofen (Aufnahmedatum unbekannt), in: Full, Fünfzig Jahre Togo, Tafel 1.

S. 146: Übersichtskarte Togos zur Zeit Zechs, in: Sebald, Togo, S. XIII.

1. Einleitung

1. 1 Einführung und Fragestellung

Der reichste Fürst

Preisend mit viel schönen Reden

Ihrer Länder Wert und Zahl

Saßen einige Gouverneure

In Berlin - Kontinental.

„Herrlich“, sprach der Herr von Schuckmann[1]

„Ist mein Land und seine Macht!

Kupfer hegen meine Berge

Wohl im manchem tiefen Schacht.

Große Städte, gute Häfen

Und so gutes deutsches Bier

Schaffen, daß mein Land das erste

Unter allen von uns vier.“

„Seht mein Land in üpp’ger Fülle!“

Sprach der Legationsrat Seitz;

Die Mangrowen an den Flüssen

Und die Berge wie die Schweiz!

Und der Gummi in den Wäldern

Und das viele Elfenbein,

Ebenholz und Palmölkerne,

Wirklich alles extrafein!“

„Wenig ist’s“, sprach der aus Osten,

„Gegen mein viel reicheres Land,

Wo die Baumwoll’ wächst in Mengen

Und das Maisfeld in der Hand!“

Schweigend saß der Graf von Togo;

Endlich nahm auch er das Wort:

„Leider hab ich nicht Mangrowen,

Agu birgt kein’n Kupferhort.

Doch ein Kleinod hat mein Ländchen,

Und es macht’s den euren gleich:

Deutsch spricht wirklich jeder Schwarze,

keinen Zuschuß zahlt das Reich!“

Und es rief der Herr aus Osten,

Kamerun und aus Südwest:

„Exzellenz, das Togoländchen

Ist von uns das allerbest!“[2]

Dieses Gedicht schrieb ein Oberleutnant zur See namens Matthias im Jahre 1907 in Anlehnung an die Hymne „Preisend mit viel schönen Reden“, die an den ersten württembergischen Herzog Eberhard im Bart (1445-1496) erinnert. Das Umdichten von allgemein bekanntem Liedgut war in den Kolonien des deutschen Kaiserreichs durchaus beliebt, um Verbundenheit mit dem Vaterland und der eigenen Nation auf die neue und fremde „koloniale Situation“[3] zu übertragen. Man scheute sich auch nicht, die ehrwürdige Kaiserhymne „Heil dir im Siegerkranz“ auf „Heil dir, mein Vaterland an blauen Meeres Strand, Heil, Togo, Dir!“ umzudichten.[4] Der Adressat des obigen Gedichtes, dem es Matthias auch persönlich vortrug, ist der in der letzten Strophe genannte „Graf von Togo“, der aus bayerischem Adel stammende Johann Nepomuk Julius Felix Graf von Zech auf Neuhofen, geboren 1868 in Straubing und von 1903/05 bis 1910 kaiserlicher Gouverneur des „Schutzgebiets Togo“.[5] Graf Julius Zech, wie er im Allgemeinen kurz genannt wird, stellt eine in mehrerlei Hinsicht auffallende Persönlichkeit unter den Statthaltern des Kaisers in den deutschen Überseekolonien dar. Etwas ungewöhnlich ist weniger sein Adelsprädikat als seine Herkunft aus dem katholischen Altbayern, wo sich die Begeisterung für die „koloniale Sache“ doch eher in Grenzen hielt. Auch seine militärische Laufbahn in der königlich bayerischen Armee war nicht unbedingt das übliche Sprungbrett für den Dienst als Gouverneur, da in den meisten Fällen doch eher Juristen für diese Verwaltungstätigkeit herangezogen wurden. Ins Auge fällt Zech auch dadurch, dass er von vielen Zeitgenossen, die mit ihm persönlich zu tun oder die Ergebnisse seiner Politik vor Augen hatten, als durchwegs positives Beispiel für einen deutschen Kolonialbeamten gesehen wurde, ja als „das Vorbild eines deutschen Gouverneurs“[6] schlechthin galt. Die Charakterisierung Zechs als „Mustergouverneur“ lässt einen erweiterten Blick auf das Land Togo werfen, das immer wieder – zum Teil bis heute – als die „Musterkolonie“ des deutschen Reiches bezeichnet worden ist. Somit stellt sich die Frage, wie der „Mustergouverneur“ Zech und die „Musterkolonie“ Togo zusammenhängen und welchen Einfluss die Politik Zechs auf den Begriff der „Musterkolonie“ hatte. Darüber hinaus muss man sich fragen, unter welchen Umständen und in welcher Hinsicht es angesichts der auf physischer Gewalt basierenden Herrschaft der Deutschen wie auch der anderen europäischen Mächte in Afrika überhaupt gerechtfertigt ist, von einer „mustergültigen“ Kolonialherrschaft zu sprechen.

Einer „entideologisierten“ Sichtweise der deutschen Kolonialgeschichte bedarf es heutzutage mehr denn je, nachdem die Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten seit bald einem halben Jahrhundert zur unumstößlichen Tatsache geworden ist und seit dem Ende des Ost-West-Konflikts gerade in Deutschland eine objektivere Haltung zu Afrika und seiner kolonialen Vergangenheit angemessen erscheint. Mag gerade ein Staat wie Togo auch eine äußerst geringe politische Bedeutung innehaben, mag man auch die Herrschaft der „Djamas“[7] in Togo im Hinblick auf die deutsche Geschichte für eine kaum der Erwähnung werte Randerscheinung halten, gerade im 21. Jahrhundert erscheint es nicht nur in der Geschichtswissenschaft durchaus sinnvoll, einen Blick auf den „dunklen Kontinent“ zu werfen, dessen Rolle in einer globalisierten Welt nicht zu unterschätzen ist.

Die Arbeit versucht zunächst, dem Leser einen knappen Überblick über die Phasen deutscher Kolonialgeschichte zu verschaffen, um ihn im Folgenden in knappen Zügen mit dem Land Togo vertraut zu machen. Da die Untersuchung nicht in der Kolonialzeit stehen bleiben möchte, sondern langfristige Wirkungen im Sinne einer „longue durée“ aufzeigen will, soll auch hier bereits die weitere Entwicklung des Landes bis in die Jetztzeit skizziert werden. Sodann steht der Gouverneur Zech im Mittelpunkt. Dargestellt wird zunächst die Herkunft seiner Familie, sein Werdegang als Offizier, seine koloniale Tätigkeit in Togo bis zu seinem Rückzug aus der aktiven Kolonialpolitik und seinem Tod im Ersten Weltkrieg. Wie schon aus dem Titel hervorgeht, soll dabei der „Höhepunkt“ seiner Karriere, also die Zeit als Gouverneur, einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Hierbei rücken seine politischen Grundlinien und die wichtigsten Maßnahmen in den verschiedensten Ressorts seiner Regierungstätigkeit in den Vordergrund. Anhand dieser Beispiele soll der Versuch unternommen werden, Zech als Persönlichkeit und als Herrschaftsträger einzuschätzen und in den Kontext seiner Zeit einzuordnen. Daran schließt die Überlegung an, inwiefern man von Zech als „Mustergouverneur“ sprechen kann. Der letzte Abschnitt führt davon ausgehend den Gedankengang auf das Land Togo zurück und versucht zu erklären, wie es den Beinamen „Musterkolonie“ erhielt, wie dieser „Mythos“ während, aber auch besonders nach der deutschen Kolonialzeit gepflegt und mit neuen Inhalten ergänzt aber auch energisch zurückgewiesen wurde. Diese Gedanken werden ebenfalls weit über die Amtszeit Zechs hinausgehen, um festzustellen, inwieweit Zech als Person und als Politiker dazu beigetragen hat, dass der Begriff „Musterkolonie“ bis heute tradiert wurde. Es stellt sich die Frage, wie sich seine Politik auch im Hinblick auf das moderne Togo auswirkte, und wie sich letztlich die dreißig deutschen Jahre in Togo und die sieben Amtsjahre Zechs aus heutiger Sicht bewerten lassen.

Die Arbeit wählt somit einen biographischen Zugang zur deutschen Kolonialgeschichte. Auch wenn sie in ihrem Aufbau vom klassischen Schema der Biographie deutlich abweicht, kann sie durchaus als eine Lebensbeschreibung Zechs aufgefasst werden. Das soll freilich nicht heißen, dass ihr in irgendeiner Weise das Bestreben zugrunde läge, alles verfügbare Material und jede überlieferte Einzelheit über die Person zusammenzutragen. Dies würde nicht nur den zur Verfügung stehenden Raum sprengen, sondern auch vom eigentlichen Ziel ablenken. Zech war einer von vielen Beamten, die das kaiserliche Kolonialreich prägten, aber keiner der „großen Männer“ in der Geschichte. Sein Leben muss vielmehr exemplarisch begriffen werden für eine koloniale Karriere im wilhelminischen Zeitalter und für eine Kolonialpolitik, die in den letzten eineinhalb Jahrzehnten vor dem Untergang des Kaiserreichs als typisch und in diesem Sinne „mustergültig“ einzuschätzen ist. Der Soldat Zech, der „Forscher“ Zech, der Stationsleiter Zech – diese Aspekte seines Lebens müssen daher in dieser Arbeit auch deutlich zurückstehen gegenüber dem Gouverneur Zech, da man davon ausgehen kann, dass in dieser Zeit und in dieser Funktion die größte Entscheidungsbefugnis in seinen Händen lag.

1. 2 Quellenlage und Forschungsstand

Amtliche Quellen zur deutschen Kolonialherrschaft in Togo finden sich in erster Linie im Bundesarchiv am Standort Berlin-Lichterfelde. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Akten des Reichskolonialamts, die vor der Wiedervereinigung im Zentralen Staatsarchiv Potsdam lagen, was auch zur Folge hatte, dass sich in besonderem Maße Historiker aus der DDR mit der deutschen kolonialen Vergangenheit auseinander setzten. Die Akten der Gouvernementsverwaltung befinden sich im mit deutscher Unterstützung eingerichteten Nationalarchiv in Lome und liegen (allerdings in zum Teil äußerst schwer lesbarer Qualität!) als Mikrofiche-Kopien in Berlin vor. Für die vorliegende Arbeit konnten Akten des Reichskolonialamts mit Ausnahme des Zech’schen „Zehnjahresplans“ von 1907[8] aus Zeitgründen nicht näher einbezogen werden, die relevanten Stücke sind jedoch der Forschung seit längerem bekannt und wurden bezogen auf Togo von Peter Sebald für seine 1988 veröffentlichte Habilitationsschrift[9] vollständig ausgewertet. Ein guter Teil der Akten des Gouvernements in Lome fand Eingang in die Dissertation von Ralph Erbar.[10] Der Verfasser konzentrierte sich daher in erster Linie auf Quellen aus dem unmittelbaren Umfeld von Julius Zech. Bedauerlich ist in diesem Zusammenhang, dass Julius Zech nach dem Tod seiner Mutter am 30. November 1912 seine eigenen, an sie gesendeten Briefe verbrannt hat und auch sonst kaum etwas Persönliches hinterlassen hat.[11] Auch verhinderte sein frühes Ableben das Zustandekommen schriftlicher Reflexionen, wie sie sonst von nicht wenigen deutschen Kolonialbeamten und –offizieren vorliegen. Im Bundesarchiv liegen immerhin drei Aktenmappen vor, die als „Nachlass Julius Zech“ verzeichnet sind und eine Materialsammlung (Briefe, Photos, Textmanuskripte, Aufzeichnungen Zechs und einiger seiner Kollegen aus Togo) enthalten, die Rudolf Asmis, Abteilungsleiter im Kolonialpolitischen Amt der NSDAP, während des Zweiten Weltkriegs anlegte, in der Absicht eine Biographie über Zech zu verfassen.[12] Im Bayerischen Kriegsarchiv befindet sich außerdem ein Personalakt zu Zech, anhand dessen sich sein militärischer Werdegang gut nachvollziehen lässt.[13] Aufmerksamkeit verdient auch die völkerkundliche „Sammlung Zech“ im Staatlichen Museum für Völkerkunde in München, die aus über 1000 Objekten besteht, sowie aus einer umfangreichen Photosammlung[14] und mehreren Notizheften, die Zech auf seinen Expeditionen führte und in denen er neben Angaben über Marschrouten und naturkundliche Entdeckungen auch Sprachen verschiedener Völker und Stämme aufzeichnete.[15] Die Hefte befinden sich nebst einer kurzen, von seinem Freund Anton Staubwasser verfassten, Lebensbeschreibung[16] in der Bibliothek des Museums. Zech selbst hat einige Aufsätze über Togo und seine Bewohner geschrieben, die in kolonialwissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden.[17]

Informationen zu Zech finden sich des Weiteren in den Tagebüchern des Kolonialoffiziers Valentin von Massow, deren Text dem Verfasser dankenswerterweise von Herrn Peter Sebald, der die Herausgabe dieser Aufzeichnungen in Angriff genommen hat, zur Verfügung gestellt wurde.[18] Darüber hinaus hatte der Verfasser die Möglichkeit, auf Zeitungsartikel aus dem „Gold Coast Leader“ und der „African Times and Orient Review“ aus den Jahren 1911-14 zurückzugreifen, die sich mit der Situation in der deutschen Kolonie Togo auseinandersetzen und auch einen Blick auf die Zeit Zechs werfen.[19] Als Quellen für diese Arbeit wurden zudem die von Zech erlassenen Verordnungen und Dienstanweisungen sowie die amtlichen Verlautbarungen und Mitteilungen durchgesehen, die im Amtsblatt für Togo[20] sowie in einer Gesetzessammlung aus dem Jahr 1910[21] abgedruckt sind. Hinzu kamen in geringerem Umfang amtliche Jahresberichte[22] und Artikel über Togo in der Deutschen Kolonialzeitung (DKZ). Trotz einer auf den ersten Blick recht dürftigen Quellenlage lässt sich somit aus verschiedenen Mosaiksteinen ein zwar lückenhaftes, aber dennoch nicht uninteressantes Bild eines deutschen adeligen Offiziers und Kolonialbeamten zusammenfügen.

Darstellungen, die sich speziell mit Julius Zech und seiner Politik in Togo beschäftigen, sind bisher so gut wie nicht erschienen. Nach einer beabsichtigten, aber gescheiterten Veröffentlichung des Zech-Nachlasses im Münchner Völkerkundemuseum durch Max Feichtner Anfang der dreißiger Jahre[23] war Rudolf Asmis, der Zech noch persönlich aus seiner Zeit in Togo kannte, wohl der Einzige, der ernsthaft beabsichtigte, eine Biographie über Zech zu verfassen. Die von Asmis angelegte Nachlass-Sammlung[24] wurde während seiner Unterbringung in Potsdam und später in Berlin-Lichterfelde gemäß der Benutzerliste lediglich von vier Personen eingesehen.[25] Speziell zu Zech erschien ein einziger Aufsatz in den USA, der jedoch auf etwas dürftigem und unzuverlässigem Quellenmaterial basiert und vielfach ältere einseitig positive Wertungen ungefiltert wiedergibt.[26] Eine jüngst an der Universität Göttingen als Magisterarbeit entstandene ethnologische Studie, die sich speziell mit den rund 700 Kolonial-Photographien Zechs auseinandersetzt,[27] konnte im Museum für Völkerkunde in München eingesehen werden.

Während Togo von der Geschichtswissenschaft in der Bundesrepublik lange Zeit weitgehend unberücksichtigt blieb, sind in den letzten beiden Jahrzehnten einige umfassende Publikationen erschienen, in denen auch die Zeit Zechs ausgiebige Beachtung findet. Hervorzuheben sind hierbei unter anderem die Monographien von Ralf Erbar[28] und Edward Graham Norris[29] sowie mehrere Arbeiten von Trutz von Trotha, der sich insbesondere aus rechtssoziologischer Sicht mit der Kolonie Togo beschäftigt.[30] Für die Arbeit wurden des weiteren eine Reihe von Aufsätzen herangezogen, die sich mit Einzelaspekten der deutschen Kolonialgeschichte wie etwa der rechtlichen Situation in den Schutzgebieten auseinandersetzen.[31]

Die Geschichtswissenschaft der DDR ging von Anfang an von einer untrennbaren Einheit von Kolonialismus und Kapitalismus aus[32] und richtete daher schon früh ein besonderes Augenmerk auf die deutsche Kolonialgeschichte, das stets auch auf „Kontinuitäten bis zum Neokolonialismus der BRD“[33] abzielte. Für die Geschichte Togos stellt ungeachtet der deutlichen marxistischen Terminologie und Interpretation die Arbeit von Sebald, nicht zuletzt aufgrund der Fülle an erstmals ausgewertetem Quellenmaterial, einen Meilenstein in der Forschung dar.[34]

Ohne einen Anspruch auf Repräsentativität oder gar Vollständigkeit zu erheben, sollen in dieser Arbeit auch togoische Wissenschaftler zu Wort kommen, die sich mit der kolonialen Vergangenheit ihres Landes beschäftigen. Hervorzuheben sei hierbei die Studie des Germanisten Simtaro, dem es Anfang der achtziger Jahre gelang, mehrere Togoer zu interviewen, die sich noch an die deutsche Herrschaft erinnern konnten.[35]

Zum Teil wenig gehaltvoll, aber auch nicht völlig zu vernachlässigen ist die Literatur über Togo, die zur Zeit der Kolonialherrschaft oder im Zuge des Kolonialrevisionismus der Weimarer Zeit und des Dritten Reiches erschienen ist und sich, ebenso wie die koloniale Belletristik,[36] bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs einer außerordentlichen Beliebtheit in der breiten Bevölkerung erfreute. Vieles davon sind subjektive Erinnerungen aus Afrika, teilweise durch statistische Daten und allgemeine Fakten ergänzt. Wenngleich dabei stets ein geschöntes

Bild von der Situation in Togo geschildert wird, findet sich hier, insbesondere bei Trierenberg[37], doch eine umfangreiche Darstellung der Ereignisgeschichte aus Sicht der Kolonialdeutschen. Der Abschnitt über Togo im Deutschen Koloniallexikon, das nach langen Vorarbeiten in den zwanziger Jahren von Heinrich Schnee, dem früheren Gouverneur Deutsch-Ostafrikas herausgegeben wurde,[38] stammt übrigens noch von Julius Zech selbst; auf ihn berufen sich auch zahlreiche spätere Darstellungen.

Hinsichtlich der Tradierung des „Musterkolonie“-Topos waren ferner noch einige Zeitschriftenartikel und populärwissenschaftliche Veröffentlichungen aus der Zeit des „Schutzvertragsjubiläums“ in der Bundesrepublik 1984,[39] besonders aus dem Umfeld der „Bayerisch-Togoischen Gesellschaft“, aufschlussreich.[40] Ebenso soll hier auch die konträre Sichtweise in der DDR nicht unbeachtet bleiben.

Ein Desiderat bleibt eine intensive wissenschaftliche Beschäftigung mit den postkolonialen deutsch-togoischen Beziehungen und der Instrumentalisierung der kolonialen Vergangenheit in Ost und West. Hierzu wäre unter anderem Einsicht in neuere Akten des Auswärtigen Amtes, eventuell auch des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten der DDR sowie der Hanns-Seidel-Stiftung und der Bayerisch-Togoischen Gesellschaft aufschlussreich. Aufgrund von Sperrfristen in den Archiven dürfte es momentan jedoch noch kaum effektiv sein, sich diesem Thema zu widmen, um einen weiteren Aspekt einer spannenden Wechselbeziehung zwischen den ungleichen Ländern Togo und Deutschland zu beleuchten. Ebenso gelten die langfristigen sozialstrukturellen Veränderungen, die sich in der afrikanischen Bevölkerung als Folge der deutschen Kolonialpolitik ergaben, als noch weitgehend unerforscht.[41] Besonders die Gruppen der Häuptlinge, der Söldner und der afrikanischen Intelligenz, die in der deutschen Verwaltung tätig waren, und ihre Rolle nach 1914 könnten einen interessanten Forschungsgegenstand darstellen.[42]

2. Deutschland als Kolonialmacht – ein zeitlicher Überblick

2. 1 Die Anfänge der deutschen Kolonialpolitik unter Bismarck

Im Gegensatz zu den alten Seefahrermächten Portugal, Spanien und den Niederlanden, deren Kolonialbesitz im 19. Jahrhundert sich schon teilweise vom Mutterland gelöst hatte, oder den Weltmächten Frankreich und Großbritannien konnte das 1871 neugegründete Deutsche Reich keinerlei überseeischen Besitz aufweisen. Zwar gab es schon früher in einzelnen Fürstentümern koloniale Bestrebungen, wie etwa das brandenburgische „Groß-Friedrichsburg“ in Westafrika, auch waren seit dem 17. Jahrhundert Einzelpersonen und Vereine für den Erwerb von Kolonien eingetreten – keines jener Projekte konnte sich jedoch, sofern es überhaupt in die Tat umgesetzt wurde, langfristig behaupten. Eine deutsche Kolonialbewegung begann sich im 19. Jahrhundert nur sehr zögerlich zu formieren, zu bedeutenden Vereinsgründungen kam es erst gegen Ende der 1870er Jahre. Die wichtigsten waren dabei der „Deutsche Kolonialverein“ (seit 1882) und die „Gesellschaft für deutsche Kolonisation“ (1884 von Carl Peters gegründet), die beide 1887 zur „Deutschen Kolonialgesellschaft“ fusionierten.

„Solange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik“,[43] verkündete Otto von Bismarck noch im Jahr 1881. Was letztlich den Ausschlag gab, dass der an und für sich „kolonialmüde“ Kanzler doch Schutzgebiete für das Reich erwarb, wird bis heute kontrovers diskutiert. Berühmt wie umstritten ist die „Sozialimperialismus-These“ von Hans-Ulrich Wehler,[44] der erstmals Bismarck weniger als Akteur denn als Getriebenen gesellschaftlicher Umstände darstellt. Laut Wehler lassen sich die sozialimperialistische Expansionspolitik und die sozialdefensive Innenpolitik als „Facetten ein und derselben konservativen Gesellschaftspolitik“[45] begreifen. Der Erwerb von Kolonien diente demnach als Überdruckventil, indem von sozialen Missständen abgelenkt wurde und gesteigertes Prestige nach außen dem Reich zur Einheit nach innen verhelfen sollte. Ganz konkret galt es auch die Konservativen und Nationalliberalen im Parlament zu stärken, die tendenziell Kolonialpolitik eher befürworteten als Zentrum, Linksliberale und Sozialdemokratie. Unverhohlen äußerte Bismarck 1884 gegenüber einem Mitarbeiter im Auswärtigen Amt: „Die ganze Kolonialgeschichte ist ja ein Schwindel, aber wir brauchen sie für die Wahlen.“[46]

Viele Historiker sehen im Gegensatz zu Wehler die Gründe für Bismarcks koloniale Initiative verstärkt in der Außenpolitik. Während Axel Riehl[47] die bereits in den vierziger Jahren aufgestellte These vertritt, dass Bismarck mit einer antibritischen Kolonialpolitik den britischen Einfluss auf den Kronprinzen Friedrich eindämmen und damit eine Liberalisierung und Parlamentarisierung in Deutschland verhindern wollte, sieht der Bismarck-Biograph Lothar Gall[48] den Hauptgrund in einer vorübergehenden außenpolitischen Annäherung an Frankreich mit dem Ziel, eine „Art kontinentaler Blockbildung“ gegenüber Großbritannien und Russland und damit eine Alternative zur Politik des Zweibunds und Dreikaiserbündnisses zu schaffen. Für letztgenannte Argumentation spräche auch die Tatsache, dass Bismarck nach 1884/85 sein Interesse an Kolonien schnell wieder verlor, als sich die außenpolitische Liaison mit Frankreich durch den Wahlsieg des national-revisionistisch gesinnten Generals Boulanger in Paris als wenig erfolgversprechend erwies.

Der afrikanische Kontinent war bis weit ins 19. Jahrhundert hinein lediglich punktuell von Europäern beeinflusst worden; größere Kolonisationsgebiete bestanden lediglich in Südafrika und Algerien. Deutschland verharrte im „struggle for Africa“ zunächst als ungeduldiger Zuschauer. Mit der Besetzung von Tunis durch die Franzosen 1881 und Ägyptens durch die Briten 1882 trat die Aufteilung des Kontinents in ihre letzte, „heiße“ Phase ein. Auf der Berliner Kongo-Konferenz 1884/85 wurden unter Vermittlung Bismarcks die verschiedenen Einflusssphären in Zentralafrika abgesteckt und auf dem Papier die politischen Grenzen gezogen, die die Landkarte Afrikas bis heute bestimmen sollten.[49] Ungeachtet der persönlichen Abneigung Bismarcks gegen koloniale Erwerbungen konnte das deutsche Kaiserreich nach der Kongo-Konferenz nicht unbedeutende Teile des Kontinents sein Eigen nennen. Dies waren im einzelnen die 1883 vom Bremer Tabakwarenhändler Adolf Lüderitz erworbene Bucht von Angra Pequena, die sich bald zum Schutzgebiet Deutsch-Südwestafrika ausweitete, die westafrikanischen Kolonien Kamerun und Togo, wo Gustav Nachtigal auf Drängen der dort ansässigen deutschen Handelsfirmen 1884 Schutzverträge im Namen des Kaisers abgeschlossen hatte und ab 1885 das vormals unter der Oberhoheit des Sultans von Sansibar stehende Deutsch-Ostafrika, dessen Begründung wiederum der Initiative eines Einzelnen, und zwar des fanatischen Afrikaforschers und Abenteurers Carl Peters, entsprang. Zu den vier afrikanischen Kolonien kamen 1885 Erwerbungen in der Südsee hinzu, und zwar der nordöstliche Teil Neu-Guineas („Kaiser-Wilhelmsland“) einschließlich des Bismarck-Archipels und der Salomon-Inseln sowie die pazifischen Marshall-Inseln.

Die Gebiete, die ganz bewusst offiziell als „Schutzgebiete“ und nicht als „Kolonien“ tituliert wurden, sollten zunächst keineswegs „kolonisiert“ werden im Sinne einer flächendeckenden Unterwerfung oder gar Besiedelung. Im Mittelpunkt des Interesses stand zunächst der Schutz der an den dortigen Küsten bereits ansässigen deutschen Handelsniederlassungen. Gemäß der Intention Bismarcks folgte die Flagge dem Handel, ohne aber allzu großen Einfluss auf die Verhältnisse vor Ort zu nehmen. Die Initiative ging dabei eindeutig von Kaufleuten und „Kolonialabenteurern“ aus; die Reichsregierung reagierte lediglich auf ihre Bitte nach staatlicher Absicherung. Weitere Kolonialerwerbungen lehnte Bismarck nach 1885 daher kategorisch ab; je nach außenpolitischer Lage wäre er von sich aus auch durchaus bereit gewesen, auf das ein oder andere Gebiet wieder zu verzichten. Die erste Phase deutscher Kolonialpolitik war also „eher durch mehr oder weniger planloses Konquistadoren- und Abenteurertum und eine unruhig experimentierende [...] Wirtschaft gekennzeichnet,“[50] als durch ein imperiales Konzept der Reichsregierung.

2.2 Ausbau der Herrschaft – Unterwerfung und Widerstand

Mit dem „Neuen Kurs“, den Kaiser Wilhelm II. nach der Abdankung Bismarcks einschlug, änderte sich die Kolonialpolitik des Reiches zunächst nicht grundlegend. Zwar drängten nationalistische und handelspolitische Kreise verstärkt auf eine Ausweitung des verstreuten Besitzes. Ihnen gelang es schließlich 1897, mit einem Pachtvertrag über Kiautschou einschließlich der Hafenstadt Tsingtao die Errichtung eines deutschen Stützpunktes und handelspolitischen Einfallstors in China durchzusetzen. Wenig später kam es zu Zuerwerbungen im Pazifik: 1899 kaufte das Reich von Spanien die Karolinen, Marianen und Palauinseln; im Jahr 1900 wurde durch einen Teilungsvertrag mit den USA der westliche Teil Samoas offiziell deutsches Schutzgebiet, nachdem die Inselgruppe zehn Jahre lang von Deutschland, Großbritannien und den USA gemeinsam verwaltet worden war. Die „Deutsche Südsee“ hatte zwar weder wirtschaftlich noch strategisch große Bedeutung, aber „man konnte nunmehr ein großes Seegebiet mit den deutschen Reichsfarben auf dem Globus einkästeln und damit der Bevölkerung neue Weltgeltung demonstrieren.“[51] Nicht verwirklichen ließ sich allerdings die Vision eines zusammenhängenden deutschen Kolonialreichs in Zentralafrika, eine Vorstellung, die bis ins Dritte Reich hinein innerhalb der Kolonialbewegung propagiert wurde. Ebenso wenig ließ sich in Marokko eine deutsche Vorherrschaft begründen; auch die „Annexionspläne alldeutscher Heißsporne“[52] hinsichtlich Südbrasiliens oder anderer südamerikanischer Regionen stießen auf Seiten der Regierung auf kein allzu großes Echo.

Das Helgoland-Sansibar-Abkommen von 1890, das von Bismarck vorbereitet und von seinem Nachfolger Caprivi unterzeichnet wurde, macht die Kontinuität in der deutschen Kolonialpolitik trotz aller anderen Kursänderungen deutlich. Das Deutsche Reich verzichtete darin auf umfassende Gebietsansprüche in Ostafrika (nicht allein auf die Insel Sansibar!), um einen Ausgleich mit konkurrierenden britischen Interessen zu erlangen. Obgleich nationalistische Kreise im Reich dagegen opponierten und sich infolgedessen im „Alldeutschen Verband“ formierten, so wurden durch diese „koloniale Frontbegradigung“[53] doch bisher unklare Zugehörigkeiten definiert. Der Vertrag garantierte Deutschland nicht nur eine territoriale Erweiterung in Südwestafrika (der sogenannte „Caprivi-Zipfel“ sollte als Ausgangsbasis für eine mögliche Verbindung mit dem ostafrikanischen Besitz dienen), er bildete auch die Grundlage dafür, dass das Reich sich nun doch dauerhaft in seinen Schutzgebieten festsetzen konnte. Wo bisher die Kolonialgesellschaften auf sehr wackligen Füßen gestanden waren, wurden jetzt deutsche Gouverneure, Beamte und Militärs in großer Zahl nach Afrika geschickt, um den Status quo gegenüber den anderen Kolonialmächten zu sichern und den Herrschaftsanspruch gegenüber lokalen Machthabern und Völkerschaften durchzusetzen.[54]

Genauso wie man jetzt in Übersee an den Ausbau der Herrschaft heran ging, so weitete sich der Kolonialismus als Strömung des imperialistischen Zeitgeistes im Mutterland selbst aus. Nicht nur, dass Kaiser Wilhelm II. den europäischen Rahmen in der Außenpolitik sprengte und weltpolitische Allüren bekam, auch die Bevölkerung begann sich zunehmend für die deutschen Kolonien zu interessieren. Selbst wenn in Kleinbürger- und Arbeiterschichten meist nur wenig Wissen darüber vorhanden war, so machte sich doch selbst dort die Auffassung breit, dass es gut und wichtig für Deutschland sei, Kolonien zu haben.[55] Die Deutsche Kolonialgesellschaft war zwar trotz ihrer Verbreitung bis in Kleinstädte hinein im Wesentlichen eine Vereinigung von Honoratioren und konnte nie die Massen mobilisieren wie etwa der Flottenverein,[56] dennoch ist die Breitenwirkung der Kolonialagitation im Reich nicht ganz zu unterschätzen. Auf ein breites Publikum ausgerichtete Veranstaltungen wie Kolonialausstellungen, Völkerschauen, „Kolonialtage“ in Zoologischen Gärten, aber auch die Benennung von Straßen und Kleingartenanlagen oder der Aufgriff des Kolonialthemas bei Karnevalsveranstaltungen[57] und nicht zuletzt der alltägliche „Kolonialwarenladen“ halfen der Kolonialbewegung indirekt die Schutzgebiete im nationalen Bewusstsein der Deutschen zu verankern. Trotzdem existierte ebenso weit verbreitetes Desinteresse im Volk und ablehnende Haltungen zum Kolonialismus, was die im Reichstag kontrovers geführten Kolonialdebatten deutlich machen.[58] An eine Revision der Schutzverträge, wie sie vielleicht Bismarck anfangs noch für möglich hielt, war freilich in der Zeit um die Jahrhundertwende nicht mehr zu denken. Wenngleich der erhoffte wirtschaftliche Nutzen ausblieb und ebenso wenig die Auswanderung nach Amerika in deutsche Kolonien gelenkt werden konnte,[59] so blieben die Schutzgebiete doch fester Bestandteil des wilhelminischen Reiches.

In den Kolonien selbst wurde das Vordringen der Fremdherrschaft ins Hinterland von der dort ansässigen Bevölkerung keineswegs widerstandslos hingenommen. Zwar bildeten sich überall neue Schichten heraus, die von den fremden Machthabern profitierten; auch versuchten lokale Herrschaftsträger mit Hilfe der Deutschen ihren Einfluss zu sichern und auszuweiten. Die Zeit zwischen 1895 und 1906 war dennoch, zumindest was die afrikanischen Schutzgebiete anbelangt, ein Jahrzehnt blutiger Eroberungsfeldzüge und erbitterten Widerstands. In Ostafrika wurde 1888/89 der sogenannte „Araberaufstand“ niedergeworfen; es folgten zahlreiche größere „Strafexpeditionen“ und ein jahrelanger Kleinkrieg mit den Wahehe unter ihrem Stammesfürsten, dem „Sultan“ Mkwawa. Überhaupt waren berüchtigte Krieger wie Mkwawa oder Anführer von Aufständen wie Hendrik Witbooi und Samuel Maherero in Südwestafrika die ersten Afrikaner, die im Gegensatz zu der ansonsten anonym bleibenden Masse der „Wilden“ in der deutschen Öffentlichkeit als Individuen bekannt wurden. Südwest- und Ostafrika stellten um 1905 die größten Unruheherde des Kolonialreichs dar, was nicht heißen soll, dass die Entwicklung anderorts damit automatisch als friedlich einzustufen wäre. In Deutsch-Ostafrika, in das noch vor der Jahrhundertwende die Königreiche Ruanda und Burundi einverleibt wurden, brach im Zusammenhang mit der Einführung einer Hüttensteuer im Jahr 1905 der „Maji-Maji-Aufstand“ aus, der sich gegen die deutsche Herrschaft, insbesondere gegen Plantagenbesitzer, aber auch gegen indische und arabische Händler richtete. Namensgebend war eine an dem Aufstand beteiligte religiöse Bewegung, die eine endzeitliche Heilslehre vertrat, Wasser („maji“) als unverwundbar machende Medizin ansah und sich gegen den Einfluss der christlichen Mission wehrte. Die mit großer Grausamkeit und unter Missachtung kriegsrechtlicher Grundsätze geführte Niederschlagung des Aufstands forderte mindestens 75000, nach anderen Schätzungen bis zu 300 000 Menschenleben; ganze Völker wurden „durch Aushungerung und eine Politik der verbrannten Erde“[60] auch noch nach der offiziellen Einstellung der Kampfhandlungen im Jahr 1907 konsequent dezimiert. Geradezu legendären Ruf erwarb sich später die Söldnerarmee der „Askari“, die sich an Grausamkeiten gegenüber der eigenen Bevölkerung nicht zurückhielt, und deren Angehörige aufgrund ihrer privilegierten Stellung noch Jahrzehnte nach dem Untergang des Kolonialreichs ihre sprichwörtliche „Treue“ zu den Deutschen unter Beweis stellten. Der Maji-Maji-Aufstand lässt sich zwar insofern als bedeutendes historisches Ereignis bewerten, da sich hier erstmals viele verschiedene, zum Teil vorher verfeindete Stämme gegen fremde Einflüsse und koloniale Unterdrückung verbündeten – dementsprechend wurde er auch von der tansanischen Geschichtsschreibung zur nationalen Erhebung stilisiert. In der deutschen Öffentlichkeit stieß er jedoch auf wenig Beachtung, da kaum deutsche Soldaten daran beteiligt waren.

Anders verhielt es sich bei den fast gleichzeitigen Rebellionen der Herero und Nama in Südwestafrika, die von den deutschen Zeitgenossen unter dem Begriff „Hottentottenaufstand“ subsumiert wurden. Das klimatisch günstig gelegene und zum Teil bereits von niederländischen und auch niederdeutschen Buren besiedelte Deutsch-Südwestafrika begann sich ab den 1890er Jahren immer mehr zur deutschen Siedlungskolonie, zu einem „jungen Deutschland“ zu entwickeln.[61] Die deutschen Farmer beanspruchten große Flächen Weideland, die zuvor den einheimischen Völkern geraubt werden mussten. Ganze Volksgruppen wie das Nomadenvolk der Herero wurden in weniger fruchtbare „Reservate“ zurückgedrängt. Eine große Rinderpest tat ihr Übriges dazu, so dass die traditionell auf Viehwirtschaft angewiesenen Herero ihre Existenzgrundlage verloren. Immer mehr gerieten in Abhängigkeit von Weißen und verarmten. Der Aufstand der Herero brach im Januar 1904 aus; unter der Führung des Oberhäuptlings Maherero wurden 123 deutsche Farmer und Soldaten ermordet sowie Eisenbahnlinien und Telegraphenleitungen zerstört. Die deutsche Schutztruppe unter dem als besonders unbarmherzig geltenden General Lothar von Trotha schlug mit aller Gewalt zurück. Nach dem deutschen Sieg in der Schlacht am Waterberg trieben die deutschen Schutztruppen die Herero, die Frauen und Kinder mit sich führten, in die Wüste Omaheke, wo Zehntausende den Hungertod erlitten. Das Hererovolk wurde so stark dezimiert, dass dieses Ereignis von mehreren Historikern als erster Genozid der deutschen Geschichte bezeichnet wird.[62]

Der Maji-Maji- und der Herero-Nama-Aufstand sind Beispiele für eine Phase der Eskalation, die aufgrund der deutschen Herrschaftsmethoden zu Beginn des 20. Jahrhunderts eintrat. Es waren die größten unter zahlreichen Widerstandsaktionen gegen die koloniale Herrschaft. Dennoch lassen sich daraus nur bedingt Rückschlüsse auf „die“ deutsche Kolonialherrschaft an sich schließen. Die vorhandenen und von den Deutschen errichteten Strukturen der Siedlerkolonie „Südwest“ sind mit denen im Bismarck-Archipel kaum zu vergleichen. Selbst innerhalb einzelner Kolonien konnte man auf die unterschiedlichsten Systeme direkter und indirekter Herrschaft in unmittelbarer Nachbarschaft treffen. So war beispielsweise das deutsche Kamerun ein Konglomerat aus Bezirksämtern, Militärdistrikten und quasi autonomen Königreichen mit einer ganz unterschiedlichen Intensität der kolonialen Durchdringung.[63]

2.3 Deutsche Kolonialpolitik ab 1907 – eine Reformära?

Die Verwaltung der Schutzgebiete lag in oberster Instanz beim Reichskanzler. Mit der Ausweitung der Herrschaft in den Territorien wurde jedoch auch die zentrale Verwaltung ausgebaut. Die 1890 eingerichtete Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt erhielt 1907 ihre Eigenständigkeit als „Reichskolonialamt“ mit eigenem Staatssekretär.[64] Ein Jahr zuvor war an der Spitze der Kolonialverwaltung bereits ein personeller Wechsel vollzogen worden, der als wegweisend einzuschätzen ist. Für den Erbprinzen Ernst zu Hohenlohe-Langenburg, der aufgrund persönlicher Versäumnisse bei der Aufdeckung von kolonialen Missständen vom Reichstag zum Rücktritt gedrängt wurde,[65] erhielt Bernhard Dernburg den Posten als Direktor der Kolonialabteilung und späterer Staatssekretär. Obgleich er nur bis 1910 dieses Amt innehatte, sprachen bereits Zeitgenossen von einer „Ära Dernburg“,[66] was in diesem Fall weniger auf eine besonders lange Amtszeit als auf eine qualitative Veränderung in der Kolonialpolitik des Deutschen Reiches hinweist. Zu dieser Ära zählt man daher in der Regel auch die Amtszeiten der Staatssekretäre Friedrich von Lindequist (1910-11) und Wilhelm Solf (1911-18), die sich beide dem von Dernburg eingeführten neuen Kurs in der „Eingeborenenpolitik“ verpflichtet fühlten.[67]

Die Ausgangsbasis für Dernburgs Politik war denkbar ungünstig. Die Niederschlagung des Hereroaufstands hatte die Kolonialkritiker im Reichstag in ihrer Auffassung bestärkt, dass die deutsche Kolonialpolitik ineffizient und inhuman sei. Das Augenmerk lag dabei weniger auf der Vernichtung der Hereros in der Wüste als vielmehr auf der Tatsache, dass es überhaupt zu einer gewaltsamen Erhebung gekommen war, weil die Menschen jahrzehntelang von den deutschen Herren schlecht behandelt worden waren. Da es gleichzeitig in Ostafrika und Kamerun Unruhen gab und selbst aus Togo immer wieder skandalträchtige Meldungen eintrafen, bestärkte dies die Reichstagsmehrheit, die Bewilligung der Haushaltspläne für die Schutzgebiete (Hauptstreitpunkt war dabei die Entschädigung deutscher Farmer in Südwest) zu verweigern. Die Regierungsvorlage wurde im Dezember 1906 in der zweiten Lesung mit der Stimmenmehrheit von Zentrum, SPD, Polen und Elsässern abgelehnt. Dernburg, der sich im Reichstag auch persönlichen Anfeindungen aussetzen musste, suchte Rückhalt beim Reichskanzler, der das Parlament kurzerhand auflösen ließ.[68] Der im Folgenden geführte Wahlkampf stand ganz unter dem Eindruck der Kolonialdebatten. Es gelang der regierungsfreundlichen rechten Wahlpropaganda, die Kolonialkritiker als „Reichsfeinde“ zu diffamieren. Die Neuwahlen 1907, die als „Hottentottenwahlen“ in die Geschichte eingingen, schufen neue, „kolonialfreundliche“ Mehrheitsverhältnisse und daher aus Sicht des Reichskolonialamts eine bessere Basis für künftige Politik. Mit dem „Bülow-Block“, der die bürgerlichen Parteien von den Konservativen bis zu den Linksliberalen zusammenschloss, das Zentrum aber außen vor ließ, hatte der Kanzler somit erstmals so etwas wie eine „parlamentarische Mehrheit“ geschaffen.

Dernburg, der durch seine Vortragsreisen durch Deutschland so massiv wie noch kein Regierungsbeamter zuvor in einen Wahlkampf eingegriffen hatte, funktionierte hierbei gleichsam als Katalysator für eine neue, nationalideologisch begründete Sammlungspolitik.[69] Es gelang ihm, die Kolonien zum „nationalen Thema“ zu machen; darüber hinaus hatte man im Reichskolonialamt aus Fehlern gelernt und war sich bewusst geworden, dass eine Politik, die auf reinen wirtschaftlichen Gewinn und Unterdrückung der Bevölkerung abzielte, im Hinblick auf die öffentliche Meinung nicht mehr akzeptabel war. Der linksliberal gesinnte, jüdischstämmige Bankier Dernburg verfolgte daher das Konzept einer systematischen, rationalen, wissenschaftlichen und „humanen“ Kolonialpolitik und Kolonialwirtschaft. Die Behandlung der „Eingeborenen“ war deshalb von großer Bedeutung, da diese laut Dernburg das „wertvollste Kapital“ der Kolonialwirtschaft darstellten.[70] Seine Politik, die er selbst als „negererhaltend“ bezeichnete, suchte mit Arbeiterschutzverordnungen, Beschränkungen der Prügel- und Todesstrafe, Beseitigung von Steuerprivilegien für europäische Pflanzer und durch eine gezielte Schulung der Kolonialbeamten im neugegründeten Hamburger Kolonialinstitut inhumane Auswüchse zu beseitigen und langfristig zu vermeiden.[71] Damit gab Dernburg auch unverhohlen zu, dass er die frühere Kolonialpolitik für verfehlt hielt.[72] Sein Konzept förderte im Einklang mit den Zielen der Händler und der Missionare die Schaffung einer freien, marktfähigen Bauernschaft. Eine indigene „cash-crop“-Produktion sollte anstelle der Plantagenwirtschaft vorrangig werden, um eine Entwurzelung und Proletarisierung der Bevölkerung und damit die Gefahr weiterer Aufstände zu verhindern. Gleichwohl war das Vorgehen Dernburgs eine Politik der nur teilweise realisierten Reformansätze, aber nicht die eines radikalen Umdenkens.[73] Ihre Rhetorik war zwar philanthropisch angehaucht, im Vordergrund stand jedoch nach wie vor der wirtschaftliche Nutzwert der Kolonien und ihrer Bewohner.

Der parlamentarischen Kolonialkritik wurde durch die geschickte Agitation des neuen Staatssekretärs der Wind aus den Segeln genommen. Zentrum und SPD hatten gleichsam Vorarbeit für Dernburg geleistet und sahen sich jetzt in ihren kulturmissionarischen Anschauungen zu einer „richtigen“ Kolonialpolitik weitestgehend bestätigt.[74] Ebenso war man selbst in den Missionen dazu geneigt, ein „Eintreten für die Menschenrechte der Eingeborenen“ für nicht vorrangig zu halten, da ja selbst der Staatssekretär des Reichskolonialamtes „ein Herz auch für die Eingeborenen“ hätte.[75]

In den Kolonien selbst trat im Allgemeinen ab 1906/07 eine Phase der Konsolidierung ein. Größere Unruhen blieben tatsächlich aus, die Deutschen konnten ihren Herrschaftsanspruch nun ohne direkten Widerstand durchsetzen, nachdem sie nur allzu deutlich gemacht hatten, wozu sie im Ernstfall fähig waren. Bereits vorher begonnene Großprojekte wie der Bau von Eisenbahnen und Straßen oder der Ausbau von Städten und Regierungseinrichtungen konnten ungehindert fortgeführt werden. In Anlehnung an die Vorstellungen Dernburgs fand eine systematische „Entwicklung zur Ausbeutung“ statt. „Ausgebeutet“ werden sollte das Land im Sinne einer wirtschaftlich optimalen Nutzung für die Interessen des Mutterlandes und an zweiter Stelle zum Wohl der Kolonie selbst. Damit verbunden sollte sich auch die Situation der Bevölkerung, deren eigenständiger Wert erst jetzt immer mehr von den Kolonialverwaltungen erkannt wurde, verbessern, was jedoch in der Praxis generell kaum eintrat.[76] Zum Teil hegte sich Protest gegen eine allzu „negerfreundliche“ Politik Dernburgs, etwa von weißen Siedlern in Südwest- und Ostafrika, die um ihren Status als „Herrenmenschen“ bangten und in ihrer restriktiven Haltung Unterstützung aus den Reihen von Nationalliberalen und Freikonservativen im Mutterland bekamen.[77] Obgleich die Kolonialverwaltung zunehmend zur Zielscheibe von – vor allem nationalistisch-völkischer – Kritik wurde, ist anzunehmen, dass die Kolonien ganz allgemein in der deutschen Bevölkerung unter Dernburg an Popularität gewannen.[78] Die Zuschüsse des Reiches in die Schutzgebiete sanken zudem, was allerdings nicht verhindern konnte, dass die deutsche Kolonialpolitik bis zum Ersten Weltkrieg ein Verlustgeschäft blieb.[79]

Zur Zuspitzung der Mächtekonstellationen im Vorfeld des Ersten Weltkriegs trug die deutsche Kolonialpolitik kaum bei. Diese „hat weder primär die Verflechtung Deutschlands in die Weltpolitik bewirkt, noch war sie nach der Jahrhundertwende ein vorrangiger Aspekt der Weltpolitik.“[80] Eine gewisse Rolle spielte die Frage kolonialer Erwerbungen allein in der zweiten Marokkokrise 1911. Ergebnis des Versuchs, in Marokko oder im Französischen Kongo Fuß zu fassen, war für das Deutsche Reich jedoch allein eine Grenzregulierung in Kamerun, durch die es Teile von Französisch-Äquatorialafrika erhielt und im Gegenzug ein kleines Gebiet im Nordosten Kameruns an Frankreich abtrat.

Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und im Pazifik konnten im Ersten Weltkrieg meist nur in den ersten Monaten gehalten werden. Das Reich war hier tatsächlich auf sich allein gestellt und von Feinden umzingelt. Auch gab es kaum nennenswerten Rückhalt in der Bevölkerung, der die gegnerischen Truppen aufgehalten hätte. Einzig in Ostafrika setzten die Askaritruppen unter ihrem Kommandeur Paul von Lettow-Vorbeck den Engländern noch bis zum 25. November 1918 langanhaltenden und erbitterten Widerstand entgegen. Das deutsche Kolonialreich fand mit dem Versailler Vertrag, der die deutschen Territorien zu Völkerbundsmandaten erklärte, sein frühzeitiges und endgültiges Ende. Daher bleibt auch die Frage mehr oder minder hypothetisch, ob von den Reformen Dernburgs ausgehend Ansätze für eine weitere Entwicklung zu einer tatsächlich „liberalen“ oder „humanen“ Kolonialpolitik möglich gewesen wären. In den Jahren 1907-14 wurde vieles festgelegt, was zum einen den deutschen Machtanspruch und den Ausschluss der Afrikaner von höheren Positionen zementierte, andererseits aber die Möglichkeiten einer rein willkürlichen Herrschaft stark beschnitt. Mochten Arbeitsregelungen oder Strafvorschriften noch so streng ausfallen, Afrikaner konnten sich jetzt vielfach auf ein fixiertes geltendes Recht berufen. Man sollte daher die Auswirkungen der Reformpolitik in der Praxis nicht im Sinne eines Wegbereiters späterer Entwicklungshilfepolitik überschätzen, sie aber auch nicht in der Art marxistisch-leninistischer Historiker auf den Aspekt der kolonialen Ausbeutung zugunsten der deutschen Hochfinanz beschränken.[81]

3. Abriss der Geschichte Togos unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zu Deutschland

3.1 Entwicklung der Region bis zum Abschluss des ersten Schutzvertrages (1482-1884)

Für die Zeit vor 1884 von einem Land „Togo“ zu sprechen, ist an und für sich falsch. Zwar existierte wohl seit dem frühen 19. Jahrhundert ein aus ursprünglich fünf Dörfern bestehender Ort dieses Namens an einem See unweit der Küste – heute Togoville genannt. Dieses „Togo“[82] hatte jedoch kaum überregionale Bedeutung.[83] Trotzdem soll hier ein kurzer Blick auf die historische Entwicklung der Region in Westafrika geworfen werden, die später zu „Togo“ wurde.

Der Ausgangspunkt für die deutsche Kolonie Togo bestand in einem nur gut 50 km langen Teil der sogenannten „Sklavenküste“, eines Küstenabschnitts des afrikanischen Kontinents am Golf von Guinea (auch Golf von Benin).[84] Die Sklavenküste erhielt analog zu den westlich gelegenen Regionen Elfenbeinküste und Goldküste ihren Namen dadurch, dass von hier aus Sklaven aus dem Hinterland nach Europa und Amerika verschifft wurden. Der Norden Togos bildete einen Teil der kulturell vom Islam geprägten Sahelzone und war von den traditionellen Handelsrouten der Hausa und anderer muslimischer Händler geprägt. Geographisch gesehen erstreckt sich nördlich des Küstenstreifens mit der Lagunenniederung eine hügelige, meist mit Savannenvegetation bewachsene Landschaft; einzelne Berge des Togogebirges erreichen Höhen von bis zu 1000 Metern. Regenwald befand sich ursprünglich im Süden, durch Rodung und die Ausweitung der Sahara waren davon jedoch bereits in der Kolonialzeit kaum noch nennenswerte Bestände vorhanden.[85] Die größten Flüsse sind der Volta im Westen, der später zum Teil die Grenze zur Goldküstenkolonie bildete und der Monu im Osten; allerdings gibt es keinen Fluss, der eine Verkehrsverbindung von der Küste in den Norden des Landes darstellen könnte.[86]

Über die Geschichte der Region vor Ankunft der ersten Europäer lassen sich nur wenige sichere Aussagen treffen; man kann hier allenfalls von verschiedenen ethnischen Gruppen, deren Wanderungen und kriegerischen Auseinandersetzungen, keinesfalls jedoch von einem irgendwie zusammenhängenden politischen Gebilde sprechen. Das Jahr 1482 markiert den Beginn von kolonialer Herrschaft in Westafrika; diese manifestierte sich anfangs lediglich in dem portugiesischen Küstenfort Elmina und zwei später ebenfalls von Portugiesen errichteten Forts, allesamt im heutigen Ghana gelegen. Afrikanische Zwischenhändler errichteten um die Mitte des 16. Jahrhunderts auf der Sandbank zwischen dem Ozean und einer Lagune die Siedlung „Popo-vi“ (= Klein Popo, auch Little Popo, seit 1905 offiziell Anecho genannt) im Gegensatz zur älteren, östlich gelegenen Siedlung „Poupou“ oder Groß Popo.[87] Der im 16. Jahrhundert aufkommende Sklavenhandel und die Vertreibung der Portugiesen aus den Küstenforts hatte einen starken Konkurrenzkampf und eine gesteigerte Kriegs- und Gewaltbereitschaft unter den an der Küste lebenden Stämmen zur Folge.

Auch andere europäische Mächte versuchten nun Einfluss in Westafrika zu gewinnen. Nur von kurzer Dauer war dabei das Kolonialprojekt des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm (1620-1688). Dieser ließ ab 1680 die Festung Groß-Friedrichsburg errichten, doch schon 1717 verkaufte Preußen sie an die Holländer.[88] Wenngleich das älteste erhaltene Bauwerk deutscher Kolonialmachtsbestrebungen im heutigen Ghana liegt, so wurde es doch von der Kolonialliteratur gern als Pionierleistung auf dem Weg zur „Musterkolonie“ mit Togo in Verbindung gebracht; die Errichtung des Schutzgebiets 1884 wurde so als Erfüllung der „Kolonialpolitik“ des Großen Kurfürsten hochstilisiert.[89]

Der Küstenort Klein Popo erhielt im Zuge der Ausweitung des europäischen und nordamerikanischen Überseehandels neue Bedeutung als „Sklavenexportplatz“;[90] oftmals dienten ganze Völkerschaften aus dem Hinterland als menschliches Exportgut. Das „Königreich“ von Klein Popo konnte sich sowohl gegenüber den europäischen Sklavenhändlern als auch gegenüber den im frühen 18. Jahrhundert entstehenden Reichen Aschanti und Dahome in seiner Unabhängigkeit behaupten.[91] Es erhielt Zuwanderung einerseits von der Goldküste her, andererseits durch Ewe-Bevölkerung, die – ursprünglich im südlichen Nigeria beheimatet – sich in Nuatjä (zwischen Lome und Atakpame) niedergelassen hatte und von dort um 1700 unter anderem in die Küstenregion gezogen war, ohne aber ein eigenes Königreich zu bilden.[92] Im 18. Jahrhundert befand sich Klein Popo jahrzehntelang im Krieg mit dem expandierenden Nachbarreich Dahome, ein offizieller Friede wurde 1772 geschlossen.[93] Trotz des mächtigen Gegners im Osten konnte der „Stadtstaat“ Klein Popo seine Herrschaft nach Westen ausdehnen und hatte bald den gesamten Küstenstreifen unter seiner Kontrolle, der heute noch zu Togo gehört.[94] Westlicher Eckpunkt war das in gut 50 km Entfernung gelegene Dorf Lome. Dieses wurde nach einer mündlichen Überlieferung von Jägern aus dem Ewevolk als „Alo-me“ (Dorf in den Alo-Büschen) gegründet; die Bevölkerung kämpfte zusammen mit den Einwohnern von Klein Popo gegen die Dahomekrieger, musste die Ansiedlung jedoch wohl noch im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts wieder aufgeben. Eine – anfangs sehr bescheidene – Wiederbesiedlung fand erst 1877 statt, ehe sich unter deutscher Herrschaft Lome zum wirtschaftlichen und politischen Zentrum entwickelte.[95]

Die Jahrhunderte des Sklavenhandels hatten die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse an der Küste deutlich verändert. Es hatte sich durch den langen Kontakt mit Europa in den Küstenorten eine bürgerliche Gesellschaft mit verschiedenen Schichten herausgebildet. Dessen Angehörige waren zum Teil keine indigenen Einwohner, sondern ab dem 19. Jahrhundert zahlreiche freigelassene Sklaven aus Brasilien, Portugal und den USA oder sogenannte Mulatten, Mischlinge von Afrikanern und Europäern. Einige, zum Teil bis heute einflussreiche togoische Familienclans wie die d’Almeida, de Souza, Olympio, Santos, Freitas und Lawson bezogen nicht nur ihre Namen aus dem europäischen Kulturkreis, sondern auch einen Teil ihrer kulturellen Identität – nicht wenige der in Togo als „Brasilianer“ bezeichneten Familien bekannten sich zum Katholizismus.[96] Im Hinterland gab es freilich nach wie vor archaische Gesellschaften von Kriegern und Bauern; viele von ihnen mussten sich über Generationen hinweg gegen Sklavenhändler aus dem Süden verteidigen, und wurden zum Teil erheblich dezimiert.

Im Jahr 1848 schickte die in Bremen ansässige Norddeutsche Missionsgesellschaft erste Missionare an die Goldküste, um das unter anderem im Togogebirge ansässige Volk der Ewe zu christianisieren. Ihrer finanziellen Unterstützung diente die 1856 in Keta ansässige deutsche Handelsfirma Friedrich M. Vietor.[97] Die Norddeutsche Missionsgesellschaft errichtete zahlreiche Stationen und Schulen. Missionare verfassten die ersten Wörter- und Grammatikbücher für die Ewesprache und brachten die Bevölkerung nicht nur in Kontakt mit dem Christentum – in diesem Fall protestantischer Prägung – sondern auch mit der deutschen Sprache und Kultur.

Der Handel im 19. Jahrhundert ging verstärkt von Großbritannien aus; im Zusammenhang mit der allgemeinen Ächtung der Sklaverei wurden nun vor allem pflanzliche Rohstoffe wie Ölpalmprodukte gehandelt, im Gegenzug kamen englische Industrieerzeugnisse nach Afrika.[98] Doch gerade Klein Popo spielte noch eine wichtige Rolle im „illegalen“ transatlantischen Sklavenhandel, der bis weit ins 19. Jahrhundert in den Händen einflussreicher einheimischer Familienclans lag.[99] Die Briten setzten sich im Bereich des heutigen Ghana und Nigeria fest, die Region dazwischen stand jedoch vorerst unter keiner europäischen Vorherrschaft. Ab 1842 setzten sich die Franzosen an der Dahome-Küste fest und bildeten so den Grundstock für ihre Kolonie Dahomey, die heutige Republik Benin.[100] Im Küstenabschnitt zwischen dem wiederbegründeten Lome (oder Bey Beach) und Klein Popo (oder Anecho) bestanden vor 1884 vier deutsche, zwei französische und eine britische Firma.[101] Die deutschen waren in Händen Bremer und Hamburger Kaufleute, die sich durch einen Vertrag mit dem Häuptling von Klein Popo das Recht gesichert hatten, Handel zu treiben und mit eigenen Schiffen den Warenverkehr zwischen Deutschland und afrikanischen Faktoreien zu betreiben. Ab 1882 gab es zudem eine regelmäßige Schiffsverbindung nach Hamburg durch die Woermann-Linie.[102]

Spannungen kamen während dieser Zeit in Klein Popo nicht nur zwischen den verschiedenen europäischen Nationalitäten auf, sondern auch zwischen rivalisierenden afrikanischen Interessensgruppierungen. Allgemein rechnete man am ehesten damit, dass der Küstenstreifen zwischen Briten und Franzosen aufgeteilt würde.[103] Klein Popo schien zunächst französisch zu werden: Während eines über zweijährigen Interregnums nach dem Tod des Königs G. A. Lawson II. errichtete Frankreich per Dekret ein Protektorat über die Stadt, ohne jedoch von ihr öffentlich Besitz zu ergreifen. Da unter dem ab 1883 regierenden König G. A. Lawson III. die ansässigen deutschen Kaufleute einen stärkeren britischen Einfluss befürchteten, riefen sie das deutsche Kriegsschiff „SMS Sophie“ zur Hilfe. Die Stadt wurde von einem deutschen Landungskorps erstürmt und führende Männer aus der Umgebung des Königs als Geiseln genommen und für einige Zeit nach Deutschland verschleppt, damit sich diese eine Vorstellung von der Macht und Größe des Deutschen Reiches machen sollten. Die deutschen Kaufleute versuchten damit, einen Schutzvertrag zu erzwingen, allerdings lehnte Bismarck dies ab, um eine Kollision mit französischen Interessen zu vermeiden. Als am 2. Juli 1884 der deutsche Afrikaforscher und Generalkonsul von Tunis, Dr. Gustav Nachtigal (1834-1885) in Klein Popo eintraf, nahm er zur Enttäuschung der deutschen Handelsagenten keine Annexion vor, folgte aber dem Hinweis, dass eine solche im weiter westlich gelegenen Bagida Beach mit einem an der Lagune ansässigen Häuptling möglich sei. So schloss Nachtigal drei Tage später im Namen des Deutschen Kaisers einen auf Englisch abgefassten Schutzvertrag mit „Mlapa, King of Togo“ (also der als Togo bezeichneten Ansiedlung an der Lagune).[104] Darin gewährte Mlapa den deutschen Kaufleuten Schutz und bat gleichzeitig selbst um Schutz durch den Deutschen Kaiser. Die Souveränitätsrechte Mlapas sollten unangetastet bleiben, die deutschen Händler gegenüber anderen Nationen bevorzugt werden. Der Kaiser durfte weder in die bestehenden Handelsverträge Mlapas noch in die bisherige Zollerhebung eingreifen.[105] Mit diesem Vertrag bekam der König von Togo ein Territorium de iure zugestanden, das sich weit über seinen tatsächlichen Herrschaftsbereich erstreckte („from the eastern frontier of Porto Seguro to the western frontier of Lome or Bey Beach“),[106] das heißt andere Herrschaftsträger wurden damit einfach auf dem Papier ausgelöscht. Somit lassen sich durchaus eigene Interessen der togoischen Seite für den Vertragsabschluss ausmachen. Der Schutzvertrag wurde ausnahmsweise nicht infolge von Druck oder Zwang geschlossen, man kann auch
davon ausgehen, dass der Inhalt der afrikanischen Partei verständlich war. Etwas ominös bleibt jedoch die Figur des Königs Mlapa. Die Unterzeichung nahm, wie im Vertragstext vermerkt, sein Stabträger Plakko vor. Möglicherweise war Mlapa bereits gestorben, und man hatte versucht seinen Tod geheim zu halten,[107] andere Versionen der Geschichte sprechen davon, dass Mlapa und Plakko ein und dieselbe Person seien, dass Mlapa erst zum Zweck des Vertragsabschlusses zum König gemacht worden sei oder dass Mlapa der Name eines Fetischs des Königs Plakko sei.[108] Die Krux an dem Schutzvertrag lag jedoch darin, dass das Deutsche Reich damit seinen territorialen Anspruch geltend machen konnte, sich andererseits in den Folgejahren nicht genötigt sah, den Inhalt des Vertrages – man denke an die Souveränitätsrechte des Königs von Togo – auch zu befolgen. Davon, dass die Einwohner des Landes zu Untertanen des Deutschen Kaisers werden sollten, war im Vertragstext nichts zu lesen.[109]

3. 2 Unterwerfung des Landes und Ausbau der deutschen „Schutzherrschaft“ (1884-1914)

Die dreißigjährige Herrschaft der Deutschen über Togo lässt sich in drei Phasen[110] einteilen. Sie begann mit einem Jahrzehnt „kolonialen Scheinfriedens“, in dem man tatsächlich von „Schutzherrschaft“ in seiner eigentlichen Bedeutung ausgehen kann. Die deutsche Herrschaft versuchte die Handelsinteressen deutscher Kaufleute zu sichern; eine Einmischung in die politischen Verhältnisse unter den einheimischen Stämmen fand kaum statt. Die Verwaltung war vom Mangel eines Konzepts und allgemeiner „Planlosigkeit“[111] gekennzeichnet. Der erste Schritt zum Aufbau einer Bürokratie erfolgte im Juni 1885 mit der Ankunft des ersten regulären Kaiserlichen Kommissars Ernst Falkenthal, der die Amtsgeschäfte der Kolonie vom Lagunenort Bagida aus, dem Ort der ersten deutschen Flaggenhissung, leitete. Bereits ein Jahr später wurde der Sitz der Verwaltung nach Sebe (auch Sebbe), einem Vorort von Klein Popo verlegt. Der Kaiserliche Kommissar von Togo unterstand dem Gouverneur von Kamerun, da dieser in Personalunion auch Oberkommissar für Togo war. Das bedeutete, dass der Kommissar von Togo den Gouverneur von Kamerun über den Inhalt all dessen, was er nach Berlin schrieb, in Kenntnis zu setzen hatte. 1891 wurde das Oberkommissariat aufgehoben, 1893 die Amtsbezeichnung des Kommissars in Landeshauptmann umgewandelt.[112] Dennoch blieb Togo noch länger das „Odium der kleinen Schwesterkolonie Kameruns“ erhalten – auch die späteren Gouverneure Togos waren in ihrem Rang denen der anderen afrikanischen Kolonien Deutschlands untergeordnet und bekamen auch ein niedrigeres Gehalt.[113] Von den ersten Herrschaftsträgern Togos fällt vor allem Jesco von Puttkamer (Interimskommissar 1887-88, Kommissar 1891-93 und Landeshauptmann 1893-95) ins Auge, der besonders als langjähriger Gouverneur von Kamerun (1895-1907) gleichsam zu einer Symbolfigur des kolonialen Unterdrückers wurde. In Togo ließ sich allerdings damals eine durchgreifende Kolonialherrschaft mangels personeller und militärischer Mittel noch gar nicht verwirklichen. Die deutsche Administration passte sich den Verhältnissen an der Küste an. Die Handelsstrukturen veränderten sich zunächst nur kaum, lediglich waren an der Gold- und Sklavenküste nun Grenzen zwischen französischer, deutscher und britischer Einflusssphäre abgesteckt. So ist diese Phase der deutschen Kolonialherrschaft in Togo in der Tat als friedlich und ökonomisch effektiv einzuschätzen.[114]

Ab 1894 begannen die deutschen Kolonialherren das Hinterland zu unterwerfen, um sich den Besitz gegenüber anderen Kolonialmächten zu sichern. Dies geschah wiederum durch Schutzverträge mit verschiedenen Häuptlingen und oft in Konkurrenz zu französischen und britischen Ansprüchen. Wurde die deutsche Herrschaft von der Bevölkerung und ihren lokalen Machthabern nicht anerkannt, setzten die Machthaber mit Hilfe einer „Polizeitruppe“[115], bestehend aus zu diesem Zweck ins Land geschickten deutschen Offizieren und afrikanischen Söldnern, militärische Gewalt ein. In dieser Zeit war insbesondere der Norden der Kolonie geprägt von zahlreichen blutigen Feldzügen und Kleinkriegen, wobei die Widerstand leistenden Stämme chancenlos waren. Offiziell wurden 19 Feldzüge bekannt gegeben, in Wirklichkeit waren es jedoch weit über 50.[116] Kolonialoffiziere und Verwaltung versuchten hier oft gezielt, „die ganze Sache ohne viel lautes Geschrei nach außen hin“ zu erledigen,[117] um das Bild von der friedlichen Entwicklung Togos nicht ad absurdum zu führen. Zu den Mitteln der deutschen Kriegsführung gehörte auch das Abbrennen von Dörfern, Verschleppen von Frauen und Kindern und andere Gewalttaten.[118] Über die Zahl der Opfer gibt es aufgrund der nur sporadischen und unvollständigen Aufzeichnungen von deutscher Seite keine verlässlichen Angaben.

Zur Sicherung des unterworfenen Gebiets wurden ab 1890 Stationen errichtet, die meist nur mit zwei oder drei Deutschen besetzt waren und den Grundstock für die spätere Verwaltungsstruktur der Kolonie legten.[119] Noch lange zogen sich die Verhandlungen mit den Nachbarmächten Frankreich und Großbritannien hin – im Wesentlichen waren die Grenzen auf der Landkarte um 1900 festgelegt, wenngleich die Markierung des genauen Verlaufs sich noch beinahe bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges erstreckte. Im Ergebnis hatte das Deutsche Reich keineswegs das erreicht, was vielen als territoriales Ziel vorschwebte, etwa eine Ausdehnung bis zum Nigerbogen. Das „Togoland“, wie es sich nach 1900 auf der Landkarte abzeichnete, umfasste zwar eine Nord-Süd-Ausdehnung von rund 560 km, dafür fand es sich aber mit seiner Breite von zwischen 50 und 175 km eingeengt zwischen französischem und britischem Kolonialbesitz.[120] Zudem befanden sich die Mündungen der beiden größten Flüsse des Landes, des Volta und des Monu, außerhalb der eigenen Grenzen, so dass sich eine Nutzung für die Flussschifffahrt zur Erschließung des Landes ausschloss.[121]

In der dritten Phase der Herrschaft ab ca. 1900 wurde der Versuch gemacht, das unterworfene Gebiet einer flächendeckenden Verwaltung zu unterwerfen. Zu diesem Zwecke richtete das Gouvernement Verwaltungsbezirke ein, an deren Spitze jeweils ein Bezirksleiter (im Süden als „Bezirksamtmann“ bezeichnet) stand. Vorausgegangen war die Verlegung der Verwaltungszentrale von Sebe in die neue aufstrebende Stadt Lome 1897 und die Ernennung des Landeshauptmanns Köhler zum Gouverneur 1898.[122] Togo wurde nun in sieben Verwaltungsregionen mit je einem Bezirksleiter an der Spitze eingeteilt. Diese waren die beiden Küstenbezirke Klein Popo (=Anecho) und Lome (1905 geteilt in Lome-Land und Lome-Stadt), die zentralen Bezirke Misahöhe und Atakpame, der infolge der Grenzregulierung abseitig hinter dem Togogebirge liegende Bezirk Kete-Kratschi sowie die im muslimisch geprägten Norden befindlichen und zeitweilig als „Sperrgebiet“ für Handel und Missionen betrachteten Bezirke Sokode und Sansane-Mangu (=Mangu-Jendi).[123] Charakteristisch für die Phase war ein Ausbau der Herrschaft, der sich im Erlass zahlreicher Verordnungen und Erlasse des Gouvernements niederschlug. Hinzu kamen verschiedene „Reformprojekte“, besonders in der Amtszeit Zechs, auf die im Laufe der Arbeit noch näher eingegangen wird. Stellvertretend sie hier nur der Bau der Eisenbahnen erwähnt, durch die das Land für den Markt, die Verwaltung und den technisch-zivilisatorischen Fortschritt erschlossen werden sollte. Bezeichnend für die Begrenztheit dieser Unternehmungen ist aber auch, dass von den drei Bahnlinien gerade einmal das südliche Drittel des Landes tangiert wurde.[124]

Ab 1902 unternahm die „Deutsche Togogesellschaft“ (DTG) mit Sitz in Berlin der Versuch, in Togo eine umfassende Plantagenwirtschaft, vergleichbar derer in Kamerun, zu aufzubauen. Obgleich sie einige Plantagen errichtete, scheiterte eine weitgehende Umformung der heimischen landwirtschaftlichen Produktion unter anderem am Widerstand des Gouvernements.[125] Als verwaltungstechnische Neuerung kam 1903 ein Gouvernementsrat hinzu, in den neben Verwaltungsbeamten auch deutsche Einwohner des Landes berufen wurden. In seinem Entscheidungsspielraum war dieses Gremium jedoch sehr eingeschränkt; selbst viele seiner Mitglieder schätzten die Bedeutung des Gouvernementsrats nicht besonders hoch ein oder hielten ihn gar für überflüssig.[126]

Auf den ersten Gouverneur August Köhler (1898-1902)[127] folgte Waldemar Horn, ein vielen Reformvorhaben gegenüber aufgeschlossener Gouverneur, der offenbar bei der heimischen Bevölkerung hohes Ansehen genoss.[128] Horn verließ Togo jedoch bereits 1903 im Zusammenhang mit der „Horn-Affäre“, bei der er für den Tod eines farbigen Kochs verantwortlich gemacht worden war.[129] Ihm folgte, zunächst als Vertreter Horns, offiziell ab 1905 Julius Graf von Zech auf Neuhofen, der nach seinem Rücktritt 1910 von Hans Georg von Doering vertreten wurde. Diesen wiederum löste bereits 1911 Edmund Brückner ab. Zech und Doering waren bereits zuvor mehrere Jahre in Togo und hatten sich über den Posten eines Bezirksleiters zum Gouverneur hochgearbeitet; ihr Aufstieg war laut Sebald der Tatsache zu verdanken, dass sie zum „Togoklüngel“ der altgedienten Beamten zählten und sich somit des erforderlichen Rückhalts in der Kolonie gewiss sein konnten. Mit Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg kam 1912 ein Mann ins Land, für den sich trotz mangelnder Qualifikation der Kaiser selbst stark gemacht hatte.[130] Der oft rasche Wechsel im Amt darf nicht darüber hinweg täuschen, dass die Kolonialpolitik in Togo von einer weitgehenden Kontinuität gekennzeichnet war. Dies erklärt sich zum einen daraus, dass viele Beamten der Kolonialverwaltung über mehrere Jahre und Jahrzehnte in Togo blieben und gerade die Bezirksleiter zu einer Art von neuen „Stammesfürsten“ avancierten. Zum anderen lief auch ohne den Gouverneur, der sich sowieso oft monatelang nicht in der Kolonie aufhielt, der Betrieb des Gouvernements durch einen Stab von als „Hilfsarbeitern“ titulierten Referenten ungehindert weiter.[131]

In den letzten Jahren vor dem Kriegsausbruch gab es im Zusammenhang mit der zweiten Marokkokrise Pläne, die Kolonie Togo aufzugeben und dafür den zentralafrikanischen deutschen Besitz zu erweitern. Die Pläne, die unter anderem vom deutschen Außenminister Kiderlen-Wächter erwogen wurden, verflüchtigten sich jedoch schnell, nachdem es sowohl unter den Deutschen in Togo als auch innerhalb der deutschen Kolonialbewegung zu Protesten gekommen war.[132] Der letzte technische Markstein der deutschen Regierung in ihrem westafrikanischen Schutzgebiet war die Errichtung einer Telefunkenstation im Jahr 1914, die die damals größte Funkstation außerhalb Europas darstellte und im Krieg die Verbindung ins Mutterland und nach Deutsch-Ostafrika herstellen sollte.[133]

3.3 Vom Völkerbundsmandat bis zum Ende der Militärdiktatur Eyademas (1914-2005)

Der Erste Weltkrieg dauerte in Togo nicht lange. Bereits 18 Tage nach Kriegsausbruch hatte eine britisch-französische Allianz ihren ersten gemeinsamen Sieg in diesem Krieg errungen und das schmale Land von Osten und Westen her besetzt. Große Teile der Bevölkerung reagierten mit Jubel auf die neuen Besatzer und erhofften sich gerade von den Briten vergleichsweise „liberale“ Zustände wie in der Nachbarkolonie Goldküste.[134] Die endgültige Aufteilung des Landes erfolgte nach einer britisch-französischen Deklaration von 1919 erst zum 1. Oktober 1920: Der Völkerbund stellte den weitaus größeren östlichen Teil einschließlich des gesamten Küstenstreifens mit der Hauptstadt unter französisches Mandat, der kleinere westliche Teil wurde britisches Mandatsgebiet und nach einem Referendum 1957 mit der Goldküstenkolonie zur unabhängigen Republik Ghana vereinigt. Dass mit der Teilung von 1920 ein weiteres Mal traditionell zusammengehörige Kultur- und Wirtschaftsräume zerschnitten wurden und auch zahlreiche Togoer dagegen protestierten, störte den Völkerbund und die neuen Machthaber dabei wenig. Die „Benevolenzrhetorik“ des Jahres 1919 mit der Forderung eines sanften Kolonialismus, der die afrikanischen Völker auf ihrem Weg in die Unabhängigkeit begleiten und sich damit selbst überflüssig machen sollte,[135] stand im Widerspruch zur Praxis der Mandatsmächte, die ihren Kolonialbesitz um die Territorien erweitern konnten, die Deutschland im Versailler Vertrag aufgeben musste; bis zur tatsächlichen Dekolonisation Afrikas dauerte es noch vier Jahrzehnte. Immerhin behielt das neue „französische Togo“ seine territoriale Integrität und wurde nicht, wie es Frankreich anfangs vorgeschwebt hatte, der Kolonie Dahomey einverleibt.[136] Reichsregierung und kolonialrevisionistische Bewegung pochten zwar noch lange auf eine Rückgabe der Kolonie, dennoch war Deutschland von nun an für Togo kaum mehr von Bedeutung. Was hier von den Deutschen blieb waren die Grundlagen der Infrastruktur, die Kirchen und Schulen ihrer Missionare und eine germanophile Bewegung, die ihre Rückkehr erhoffte.[137] Frankreich verfolgte in der Folgezeit in Togo wie in seinen anderen Kolonien eine Politik der Assimilation, die verbunden war mit der rigorosen Durchsetzung der französischen Sprache und Kultur.[138] Wer sich als nicht fähig oder willig erwies, sich dem anzupassen – und das war die große Mehrheit der Bevölkerung – fiel ab 1924 unter die Gesetzgebung des „Indigenats“ und musste, ähnlich wie unter deutscher Herrschaft, mit einem Status als Mensch zweiter Klasse vorlieb nehmen.[139]

Nach dem Zweiten Weltkrieg bildeten sich politische Gruppierungen, die für die Entwicklung der Kolonie zum unabhängigen Staat bedeutend werden sollten. Für die Bildung eines Ewestaates, also die Wiedereingliederung Britisch-Togos und den Zusammenschluss mit der Goldküste, trat das „Comité de l’Unité Togolaise“ (CUT) ein, in dem bald der aus einer der einflussreichsten Familien des Landes stammende Generalmanager des Unilever-Konzerns, Sylvanus Olympio, federführend wurde.[140] Für eine Eingliederung Togos in die Französische Union agierte die „Parti Togolais du Progrès“ (PTP), der unter anderem Nicolaus Grunitzky, Sohn eines polnisch-deutschen Offiziers und einer vornehmen Frau aus Atakpame, angehörte, schärfster Konkurrent und daneben auch ein Schwager Olympios.[141] Außerdem entstand wenig später die „Union des Chefs et des Populations du Nord“, die im Sinne der französischen Herrschaft ein Gegengewicht zu der nach Unabhängigkeit strebenden Elite des Südens bilden sollte. Die Führungsrolle der CUT nach den Wahlen zur ersten „Assemblée Représentative du Togo“ 1946 ging schon wenige Jahre später verloren, als das gaullistische und verstärkt auf Europa konzentrierte Frankreich die „Autonome Republik Togo“ ausrufen ließ und den frankophilen Grunitzky zum ersten Ministerpräsidenten ernannte, was durch eine Volksabstimmung 1956 nachträglich legitimiert wurde. Das zähe Ringen um den künftigen Status Togos und den Einfluss Frankreichs, sowohl im Inneren des Landes als auch auf außenpolitischer Ebene, führte dahin, dass die UNO einen Hohen Kommissar einsetzte, der allgemeine Wahlen für 1958 festsetzte, aus der die CUT mit dem neuen Ministerpräsident Olympio als Sieger hervorging. Im Jahr 1960 erreichte Togo wie viele andere französische Kolonien die endgültige und uneingeschränkte formelle Unabhängigkeit, Olympio wurde erster Staatspräsident.[142] Die CUT konnte mit militärischer Unterstützung ihren Einfluss schnell ausbauen, so dass sich die anfängliche Demokratie binnen zweier Jahre zu einem Einparteienregime gewandelt hatte.[143]

Wenngleich der Einfluss Frankreichs in verschiedener Hinsicht bestehen blieb, so versuchte in dieser Zeit auch die Bundesrepublik Deutschland wieder engere Kontakte in ihre alte Kolonie zu knüpfen. So heißt es in der Denkschrift des Afrika-Bulletins von 1961: „Eine engere wirtschaftliche und politische Bindung an die Bundesrepublik würde u. E. den innersten Wünschen des überwiegenden Teils der [togoischen, Anm. d. Verf.] Bevölkerung am meisten entsprechen.“[144] Erinnerungen an die „Musterkolonie“ wurden hier wachgerufen, um den wirtschaftlichen Einfluss der Bundesrepublik zu stärken, was offenbar auch auf bereitwilliges Entgegenkommen der togoischen Regierung stieß, die versuchte, sich mehr und mehr von der im Land nicht gerade beliebten Kolonialmacht Frankreich zu lösen. Staatspräsident Olympio schrieb für besagte Denkschrift ein handschriftliches Geleitwort, in dem er ein „sehr herzliches Verhältnis“ zwischen seinem Volk und demjenigen, das „in meinem Lande die ersten Fundamente für christliche Kultur und Fortschritt gelegt“ hatte, beschwor.[145] Aus Sicht der DDR waren die guten Beziehungen, die der Westen mit seiner alten Kolonie zu pflegen begann, „Neokolonialismus“ in Reinform, was auch in der DDR-Geschichtsschreibung über die deutsche Kolonialzeit immer wieder deutlich zum Ausdruck gebracht wurde.[146] In der Tat spielte bei diesen Beziehungen der letzte Gouverneur der Kolonialzeit, Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg (1873-1969), eine nicht unerhebliche Rolle; trotz seiner restriktiven Politik und seiner öffentlich bekannt gewordenen sittlichen Entgleisungen galt der Träger des Bundesverdienstkreuzes als ehrenvoller Repräsentant der Kolonialzeit, der sich – zur Verärgerung Frankreichs – als Ehrengast bei den Feiern zur Unabhängigkeit 1960 in Lome mit Jubel empfangen ließ .[147]

Die guten Beziehungen der Bundesrepublik zur Republik Togo blieben auch bestehen, als dort das Regime wechselte. In einem Putsch wurde Olympio und mit ihm die herrschende Elite aus dem Süden gewaltsam entmachtet. Der Staatspräsident starb durch eine Kugel, die aller Wahrscheinlichkeit nach von Etienne Gnassingbé, einem Angehörigen des im Norden lebenden Kabre-Stammes, abgefeuert worden war. Der selbsternannte Militärführer Gnassingbé nannte sich von diesem Zeitpunkt an Eyadema (in etwa „der Mutige“). Er legte binnen weniger Jahre eine steile Karriere vom Leutnant zum General in der togoischen Armee hin und riss nach einer knapp vierjährigen Regierungszeit des wenig populären Nicolas Grunitzky im Jahr 1967 durch einen weiteren Militärputsch die Macht an sich.[148] Gestützt auf das Militär und die zeitweise als einzige Partei zugelassene RPT (Rassemblement du Peuple Togolais) konnte er sich bis zu seinem Tod am 5. Februar 2005 als autokratischer Staatspräsident behaupten. Weder ein Flugzeugabsturz 1974, den er als einziger Passagier überlebte, noch Massendemonstrationen, Attentats- und Putschversuche oder Druck aus dem Ausland vermochten Eyadema etwas anzuhaben. Mit eiserner Faust und Gewalt gegen Oppositionelle hielt er sich bis zu seinem Tod an der Macht, konnte dabei aber auch auf Unterstützung von außen setzen – als Vertreter Deutschlands pflegte insbesondere Franz Josef Strauß äußerst freundschaftliche Kontakte.[149] Die Bundesrepublik unterstützte Togo im Rahmen der Entwicklungshilfe wie kaum ein zweites afrikanisches Land; die Bandbreite der geförderten Projekte reichte dabei von Landwirtschafts- und Schulprojekten über ein Institut für Hygiene bis zu einem Hochseehafen in Lome, der in den achtziger Jahren von deutschen Ingenieuren mit einer deutschen Kapitalhilfe von 77 Millionen DM fertiggestellt wurde.[150] Mit dem Niedergang der Phosphatindustrie, die dem Staat zu gewissem Wohlstand und Stabilität verholfen hatte, nahmen seit den siebziger Jahren Korruption und Vetternwirtschaft in Togo zu. Ebenso traten Menschenrechtsverletzungen verstärkt ans Tageslicht.[151] Um sein mittlerweile enorm angeschlagenes Ansehen aufzupolieren, engagierte Eyadema 1981 gar eine US-amerikanische Public-Relations-Agentur, die systemfreundliche Literatur und Presseartikel über ihn und Togo verbreiten sollte.[152] Der ökonomische Kollaps, die veränderte außenpolitische Situation nach dem Ende des Kalten Krieges und ein starker Zulauf der Oppositionsbewegung unter Führung von Gilchrist Olympio, einem Sohn des 1963 ermordeten Präsidenten, zwangen Eyadema dazu, zu Beginn der neunziger Jahre eine Nationalkonferenz einzuberufen und andere Parteien zuzulassen. Gleichzeitig unterdrückte er jedoch oppositionelle Bewegungen aufs Massivste; bei den Wahlen 1998, die der Präsident zu verlieren drohte, wurden zunächst mehrere Hundert Regimegegner kurzerhand ermordet; nachdem der Ausgang für Eyadema immer noch ungewiss blieb, ließ er einfach die Stimmauszählung vorzeitig abbrechen.[153]

[...]


[1] Bei Oloukpona-Yinnon fälschlicherweise „Schuckemann“.

[2] „Der reichste Fürst“, abgedruckt im Illustrierten Deutschen Kolonialkalender 1910, S. 123, zit. nach: Oloukpona-Yinnon, Unter deutschen Palmen, S. 244 f.

[3] Zum Begriff der „kolonialen Situation“ vgl. Trotha, Stationen, S. 215-217.

[4] Afrika-Post 7/1984, S. 16. Zur Koloniallyrik, besonders über Togo vgl. Oloukpona-Yinnon, Unter deutschen Palmen, S. 251-266.

[5] 1903-05 war Zech interimistischer Gouverneur, die offizielle Ernennung erfolgte 1905.

[6] So Rudolf Asmis ca. 1941 im Entwurf zu einer Lebensbeschreibung Zechs (BArch N 2340/3, Bl. 109 f.).

[7] In Togo übliche Bezeichnung für die Deutsche (vgl. Simtaro, Le Togo Musterkolonie, S. 722).

[8] BArch R 1001/4235, Bl. 16-75.

[9] Sebald, Togo.

[10] Erbar, Platz an der Sonne.

[11] Vgl. BArch N 2340/1, Bl. 38.

[12] BArch N 2340/1-3. – Von der Biographie liegen dort Teilmanuskripte vor, zu einer Veröffentlichung ist es nicht gekommen.

[13] BayHStArch München – Abt. IV Kriegsarchiv OP 18737.

[14] Siehe dazu: Kleinert, Ein deutscher Blick.

[15] Bibliothek des Völkerkundemuseums Münchens Sign. Afr. 29a, Afr. 1715-1724, Allg. 1618. Die Notizhefte wurden ein Jahr nach seinem Tod von Zechs Schwägerin dem Museum vermacht. Die Beschriftung wurde wohl nachträglich und nicht immer korrekt vorgenommen. Da einige Hefte eine andere Handschrift aufweisen und auf englisch verfasst sind, kann man auch davon ausgehen, dass sie nicht alle von Zech selbst sind, sondern sich lediglich bei seinem Tod in seinem Besitz fanden.

[16] Staubwasser, Zech.

[17] Zech, Vermischte Notizen; ders., Entwicklung Togos, u.a.

[18] Massow, Tagebücher.

[19] Artikelsammlung von Peter Sebald. Die Zeitungen werden im Original in der Library des British Museum in London aufbewahrt.

[20] Amtsblatt für das Schutzgebiet Togo, Jahrgänge 1 (1906) – 5 (1910).

[21] Landesgesetzgebung.

[22] Jahresbericht 1909/10.

[23] Siehe hierzu Museum für Völkerkunde München Afr. 1721 sowie BArch N 2340/2.

[24] BArch N 2340.

[25] Die bei meiner Sichtung der Akten einzige entzifferbare Unterschrift war die von Peter Sebald.

[26] Smith, Zech.

[27] Kleinert, Ein deutscher Blick. Eine Publikation in Form eines Aufsatzes ist laut Auskunft der Autorin in Vorbereitung.

[28] Erbar, Platz an der Sonne.

[29] Norris, Umerziehung des Afrikaners.

[30] Neben mehreren Aufsätzen verdient insbesondere die Monographie Trotha, Koloniale Herrschaft Beachtung, in der der Prozess der Staatsbildung am Beispiel der Kolonie Togo dargestellt und dabei das Verhältnis von Macht, Herrschaft, Unterwerfung und Kollaboration einer soziologischen Analyse unterzogen wird.

[31] Zur rechtlichen Entwicklung der deutschen Kolonien siehe im Besonderen die Aufsatzsammlung von Voigt/Sack, Kolonialisierung des Rechts.

[32] Gründer, Kolonialismus und Marxismus, S. 672.

[33] Ebd., S. 709.

[34] Sebald, Togo. Die Arbeit basiert auf Forschungen, die bereits in den fünfziger Jahren begonnen wurden; darin finden sich auch zahlreiche Hinweise zu Zech. Auch heute noch beschäftigt sich Sebald, der häufig zu Forschungszwecken in Togo weilt, intensiv mit der deutschen Kolonialzeit in Togo.

[35] Simtaro, Le Togo Musterkolonie.

[36] Siehe hierzu Oloukpona-Yinnon, Unter deutschen Palmen.

[37] Trierenberg, Togo.

[38] Koloniallexikon (3 Bände).

[39] Z.B. in der „Afrika-Post“, Jahrgang 1984.

[40] Bayerisch-Togoische Gesellschaft, Deutschland und Togo; Radke, 100 Jahre Deutschland – Togo; Togo-Journal 2/1981.

[41] Laut freundlichem Hinweis von Peter Sebald.

[42] Die in diesem Kapitel wiedergegebenen allgemeinen Fakten zur deutschen Kolonialgeschichte basieren soweit nicht eigens angegeben auf Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien. Diese mehrfach überarbeitete Übersichtsdarstellung gilt immer noch als das Standardwerk zur deutschen Kolonialgeschichte, wenngleich etwa im Falle Togos nicht in allen Details dem aktuellen Stand der Forschung die nötige Beachtung geschenkt wird.

[43] Zit. nach: Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 51.

[44] Vgl. hierzu Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, S. 985-990.

[45] Ebd., S. 987.

[46] Zit. nach: Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 58.

[47] Riehl, Tanz um den Äquator.

[48] Vgl. Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 56.

[49] Vgl. Osterhammel, Kolonialismus, S. 40 f.

[50] Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 241.

[51] Dülffer, Deutschland als Kaiserreich, S. 578.

[52] Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 106.

[53] Dülffer, Deutschland als Kaiserreich, S. 569.

[54] Vgl. ebd., S. 560.

[55] Kundrus, Moderne Imperialisten, S. 35 f.

[56] Vgl. Soénius, Koloniale Begeisterung, S. 114-117.

[57] Vgl. ebd., S. 98 f.

[58] Eine massenhafte Begeisterung für die Kolonien blieb laut Soénius aus (Soénius, Koloniale Begeisterung, S. 111); laut Schiefel lässt sich eine solche erst in der Amtszeit Dernburgs (1906-10) dingfest machen und nicht zuletzt auf die große Popularität Dernburgs zurückführen (Schiefel, Bernhard Dernburg, S. 135 f.).

[59] In der letzten großen Auswanderungswelle 1880-93 wanderten 1,8 Millionen Deutsche in die USA aus; demgegenüber gingen bis 1914 nur 24 000 in die deutschen Kolonien (Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 236).

[60] Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 163.

[61] Ansätze zu einer dauerhaften Ansiedlung deutscher Farmer finden sich ansonsten nur, wenn auch in eingeschränktem Maße, in Deutsch-Ostafrika; in allen anderen Schutzgebieten blieb die Zahl der anwesenden Deutschen stets auf einige Hundert beschränkt.

[62] Vgl. Krüger, Kriegsbewältigung, S. 62-67.

[63] Vgl. Smith, German Colonial Empire, S. 75-90.

[64] Voigt, Kolonialisierung des Rechts, S. 23.

[65] Vgl. Schubert, Der schwarze Fremde, S. 262.

[66] Schiefel, Bernhard Dernburg, S. 132.

[67] Ebd., S. 133; vgl. Wolter, Deutsches Kolonialrecht, S. 211.

[68] Möglicherweise war der „Eklat“ von Bülow und Dernburg mit Absicht provoziert worden (vgl. Wolter, Deutsches Kolonialrecht, S. 207 f.).

[69] Vgl. Schubert, Der schwarze Fremde, S. 261-270; Kundrus, Moderne Imperialisten, S. 39 f.

[70] Solf, Kolonialpolitik, S. 41.

[71] Vgl. Cornevin, Geschichte der deutschen Kolonisation, S. 66-70; Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 242 f.

[72] Schubert, Der schwarze Fremde, S. 271.

[73] Vgl. Gründer, Neger Kanaken und Chinesen, S. 258 f.

[74] Vgl. Schubert, Der schwarze Fremde, S. 282-289; Schiefel, Bernhard Dernburg, S. 136-138.

[75] So in einer „Zeitschrift für die sittliche und soziale Entwicklung der deutschen Schutzgebiete“ des „Evangelischen Afrika-Vereins“ (Jahrgang 1908, S. 81), zit. nach: Schubert, Der schwarze Fremde, S. 295.

[76] Vgl. Erbar, Platz an der Sonne, S. 211; Wolter, Deutsches Kolonialrecht, S. 244.

[77] Vgl. Schubert, Der schwarze Fremde, S. 299-306.

[78] Kundrus, Moderne Imperialisten, S. 41.

[79] Ebd., S. 42.

[80] Gründer, Geschichte der deutschen Kolonien, S. 240.

[81] Schiefel, Bernhard Dernburg, S. 141; vgl. auch Sebald, Togo, S. 544: „Seine [Dernburgs, Anm. d. Verf.] tatsächliche Antwort hieß jedoch nicht Reform, sondern Repressalien gegenüber der politischen Meinung der Afrikaner.“

[82] Geographische Bezeichnungen sowie Namen von Volksgruppen und Orten werden in der damals üblichen und den amtlichen Quellen entnommenen Schreibweise wiedergegeben. Dabei gilt es aber zu berücksichtigen, dass diese auch während der deutschen Kolonialzeit variieren konnte (z.B. Nuatjä = Nuatja = Notschä = Notsé). Beim Zitieren aus Quellen wurde ebenfalls die originale Orthographie und Interpunktion beibehalten, ausgenommen Quellen, die dem Verfasser nicht im Original, sondern in überarbeiteter Abschrift vorlagen (z.B. Massow-Tagebücher).

[83] Zur Entstehung des Namens Togo („Dorf jenseits der Lagune“) vgl. Sebald, Togo, S. 21 f.

[84] Vgl. Koloniallexikon Bd. 3, S. 498.

[85] Vgl. ebd., S. 504-506.

[86] Vgl. Sebald, Togo, S. 1-4.

[87] Zur Entstehungsgeschichte von Klein Popo vgl. Sebald, Togo, S. 6-9. – Wohl als falsch ist die Angabe bei Decalo, Historical Dictionary (S. 44) einzuschätzen, nach der die Stadt erst zwischen 1663 und 1690 gegründet wurde.

[88] Vgl. van der Heyden, Das brandenburgische Kolonialabenteuer.

[89] Vgl. Oloukpona-Yinnon, Unter deutschen Palmen, S. 69 f. und S. 266 f.

[90] Sebald, Togo, S. 11.

[91] Ebd., S. 13.

[92] Ebd., S. 14-16; vgl. Decalo, Historical Dictionary, S. 125 f.

[93] Sebald, Togo, S. 17.

[94] Ebd, S. 18.

[95] Vgl. Sebald, Auf deutschen Spuren, S. 9-12. Hier finden sich auch interessante Hinweise zur planmäßigen Anlage der Stadt zwischen 1897 und 1914.

[96] Vgl. Decalo, Historical Dictionary, S. 77 f.

[97] Sebald, Togo, S. 32.

[98] Vgl. ebd., S. 20.

[99] Ebd., S. 21.

[100] Vgl. ebd., S. 31.

[101] Ebd., S. 35.

[102] Koloniallexikon Bd. 3, S. 522. Drei dieser Firmen handelten hauptsächlich mit Schnaps, der nach Afrika exportiert wurde (vgl. Sebald, Togo, S. 37).

[103] Vgl. Sebald, Togo, S. 37 f.

[104] Zur den einzelnen, etwas verworrenen Ereignissen im Vorfeld des ersten Schutzvertrages ausführlich: Sebald, Togo, S. 37-43.

[105] Wortlaut des Schutzvertrages in: Sebald, Togo, S. 692, dt. Übersetzung ebd., S. 37 f.

[106] Ebd.

[107] Sebald, Togo, S. 46.

[108] Afrika-Post 7/1984, S. 18.

[109] Klein-Popo war zunächst kein Bestandteil des deutschen Schutzgebiets. Aufgrund eines früheren Schutzvertrages wurde die Stadt zeitweilig von den Franzosen besetzt; im Dezember 1885 erkannte Frankreich das deutsche Protektorat über Klein Popo an (Koloniallexikon Bd. 3, S. 522; Erbar, Platz an der Sonne, S. 11 f.).

[110] Diese Dreiteilung findet sich auch in der Gliederung von Sebald, Togo.

[111] Erbar, Platz an der Sonne, S. 11.

[112] Ebd., S. 13 f.

[113] Ebd., S. 15-17.

[114] Vgl. Sebald, Togo, S. 150-152.

[115] Die „Polizeitruppe“ war Teil der Verwaltung und hatte keinen eigenen Militäretat. Jedoch hatte sie die gleichen Aufgaben wie die „Schutztruppen“ anderer Kolonien und ist nicht mit dem regulären Polizeidienst, den es in Togo unabhängig davon auch gab, zu verwechseln. Sie wurde ständig aufgestockt und bestand 1913 aus acht Deutschen und 560 afrikanischen Söldner und Unteroffizieren (vgl. Trierenberg, Togo, S. 62-65; Sebald, Togo, S. 278-284).

[116] Vgl. Sebald, Militärische Gewalt, S. 234.

[117] Külz, Blätter und Briefe, S. 210.

[118] Vgl. hierzu ausführlich Sebald, Togo, S. 153-229; ders., Militärische Gewalt; Trierenberg, Togo.

[119] Vgl. Trotha, Stationen; Trierenberg, Togo, S. 10-14.

[120] Koloniallexikon Bd. 3, S. 498.

[121] Vgl. Sebald, Togo, S. 226.

[122] Vgl. Erbar, Platz an der Sonne, S. 12.

[123] Koloniallexikon, S. 519 f.

[124] Siehe Kap. 5. 2. 3.

[125] Vgl. Sebald, Togo, S. 247 f.; siehe Kap. 5. 2. 1.

[126] Vgl. Erbar, Platz an der Sonne, S. 26-32. Eine größere Bedeutung misst noch Knoll dem Gouvernementsrat als „sounding board for Europeans in Togo“ zu (Knoll, Togo under Imperial Germany, S. 42). Zur Frage der Beteiligung von „Eingeborenen“ im Gouvernementsrat siehe Kap. 5.1.

[127] Liste der Gouverneure nach Erbar, Platz an der Sonne, S. 311.

[128] Vgl. Gold Coast Leader 30.12.1911 und 11.7.1914.

[129] Vgl. Erbar, Platz an der Sonne, S. 250-253; Sebald, Togo, S. 539 f.

[130] Sebald, Togo, S. 271.

[131] Erbar, Platz an der Sonne, S. 18 f.

[132] Sebald, Togo, S. 250 f.

[133] Ebd., S. 251 f.; Trierenberg, Togo, S. 200 f.

[134] Ausführlich hierzu: Sebald, Togo, S. 585-631 und S. 637-648.

[135] Osterhammel, Kolonialismus, S. 41 f.

[136] Sebald, Togo, S. 646-648.

[137] Siehe Kap. 7. 3.

[138] Zur französischen Schulpolitik (hier am Beispiel von Sansane-Mangu) vgl. Norris, Umerziehung des Afrikaners, S. 188-195.

[139] Vgl. ebd., S. 180 f.; Decalo, Historical Dictionary, S. 54 und S. 161.

[140] Afrika-Bulletin, Togo, S. 42. Zu Olympio vgl. Decalo, Historical Dictionary, S. 223-225. Olympio hatte bezeichnenderweise nicht in Frankreich, sondern in Wien und London studiert.

[141] Decalo, Historical Dictionary, S. 154-156.

[142] Afrika-Bulletin, Togo, S. 43 f.

[143] Vgl. Decalo, Historical Dictionary, S. 6 und S. 224.

[144] Afrika-Bulletin, Togo, S. 45.

[145] Ebd., S. 5.

[146] Vgl. Nußbaum, Musterkolonie, S. 135 f.; Sebald, Togo, S. XVII, S. 635-637.

[147] Vgl. hierzu Sebald, Des Kaisers Kolonialgouverneur; Bayerisch-Togoische Gesellschaft, Deutschland und Togo, S. 154-157.

[148] Decalo, Historical Dictionary, S. 128.

[149] Siehe Kapitel 7.3.

[150] Vgl. Avornyo, Deutschland und Togo, S. 349-369.

[151] Zur „Ära Eyadema“ siehe Decalo, Historical Dictionary, S. 7-11 und S. 128-132.

[152] Decalo, Historical Dictionary, S. 9.

[153] Vgl. SZ vom 7.2.2005, S. 3 „Bis zum Ende seiner Tage. 38 Jahre lang war der Diktator Gnassingbé Eyadéma an der Macht – nach seinem Tod droht Togo jetzt vollends im Chaos zu versinken.“

Ende der Leseprobe aus 147 Seiten

Details

Titel
Der "Graf von Togo" und des Deutschen Reiches "Musterkolonie"
Untertitel
Julius Graf von Zech auf Neuhofen (1868-1914), Gouverneur der deutschen Kolonie Togo 1903/05-1910
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
147
Katalognummer
V199893
ISBN (eBook)
9783656323297
ISBN (Buch)
9783656327561
Dateigröße
1125 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine biographische Studie zur deutschen Kolonialgeschichte
Schlagworte
Deutsche Kolonialgeschichte, Togo, Biographie
Arbeit zitieren
Markus Seemann (Autor:in), 2005, Der "Graf von Togo" und des Deutschen Reiches "Musterkolonie", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199893

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