Der Ruhestand als Krise: Ursachen des seelischen Ungleichgewichts und Möglichkeiten der psychosozialen Versorgung


Masterarbeit, 2012

165 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Problemstellung

3 Das Alter
3.1 Ganzheitlicher Ansatz – Das Bio-Psycho-Soziale Modell
3.2 Sozialisation im Lebenslauf
3.3 Das biologische Alter
3.4 Das psychologische Alter
3.4.1 Kognitive Entwicklung im Erwachsenenalter
3.4.2 Phasen der psychosozialen Entwicklung nach Erikson
3.5 Das soziale Alter
3.6 Lebenserwartung

4 Alterstheorien
4.1 Alterstheorien und –modelle
4.2 Defizitmodell
4.3 Aktivitätstheorie
4.4 Disengagementtheorie
4.5 Etikettierungsansatz
4.6 Kontinuitätstheorie
4.7 Kompetenzmodell
4.8 SOK-Modell

5 Übergang in die Pension
5.1 Phasenmodell nach Atchley
5.1.1 Entfernte Phase
5.1.2 Nähephase
5.1.3 Euphoriephase
5.1.4 Ernüchterungsphase
5.1.5 Reorientierungsphase
5.1.6 Stabilitätsphase
5.1.7 Endphase

6 Pensionsantritt als Krise
6.1 Krisen
6.1.1 Traumatische Krise
6.1.2 Veränderungskrise
6.1.3 Depression und Suizidalität im Alter
6.2 Faktoren für erfolgreiches Altern
6.3 Veränderungen zum Pensionsantritt
6.3.1 Soziale Unterstützung
6.3.2 Familie
6.3.3 Zeit und Aktivität
6.3.4 Finanzielle Veränderungen

7 Klinische Soziale Arbeit
7.1 Unterstützungsarbeit im Rahmen der klinischen Sozialen Arbeit
7.1.1 Case Management
7.1.2 Netzwerkarbeit
7.1.3 Krisenintervention
7.2 Auswege aus der Krise
7.2.1 SeniorInnenbildung
7.2.2 Mehr-Generationen-Wohnen
7.2.3 Ehrenamtliches Engagement
7.3 Vorbereitungsmaßnahmen auf die Pensionierung

8 Forschungsdesign
8.1 Die Forschungsmethode und Methodenkritik
8.1.1 Pretest
8.2 Der Fragebogen
8.3 Die Stichprobe
8.3.1 Geschlecht
8.3.2 Alter
8.3.3 Jahr der Pensionierung
8.3.4 Familienstand
8.3.5 Schulbildung
8.3.6 Letzte Anstellung
8.3.7 Finanzielles
8.3.8 Überblick über das allgemeine Antwortverhalten

9 Auswertung der quantitativen Befragung
9.1 Fragestellung und Hypothesen
9.2 Veränderungen und Belastungen
9.2.1 Größte Veränderungen, die mit der Pensionierung einher gingen
9.2.2 Veränderung, die als größte Belastung empfunden wurde
9.3 Soziale Kontakte
9.4 Gesundheit
9.4.1 Psychische Gesundheit
9.5 Der „Senior/Seniorin“-Begriff
9.6 Pensionsvorbereitung
9.6.1 Hatten Sie eine Pensionsvorbereitung?
9.6.2 Hätten Sie sich eine Pensionsvorbereitung gewünscht?
9.6.3 Inhalte für Pensionsvorbereitungsmaßnahmen

10 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Anhang I: Fragebogen

1 Einleitung

„In westlichen Leistungsgesellschaften ist die Stellung eines berufstätigen Menschen innerhalb des gesellschaftlichen Umfeldes weitgehend durch seinen Beruf bestimmt.“ (Rosenstiel, 1994, S. 230)

In dieser Master-Thesis wird der Frage nachgegangen, ob der Schritt in die Pension für betroffene Personen eher als positive Veränderung gesehen wird oder in eine Krise führt. Da die Menschen in Österreich circa 40 bzw. 45 Jahre im Job verbringen, kann die Arbeit als ein wichtiger Teil des Lebens gesehen werden. Der durchschnittliche Österreicher (geboren nach dem 1.1.1955) geht mit 65 Jahren in Pension, die durchschnittliche Österreicherin (geboren nach dem 1.1.1960) geht mit 60 Jahren in Pension (vgl. Wipfel, 2011, S. 15). So gesehen verbringen die Menschen in Österreich zwei Drittel ihres Lebens bis zur Pension mit Arbeit.

Zu Beginn dieser Arbeit wird näher auf die Problemstellung eingegangen und es wird kurz die aktuelle demographische Situation in Wien beschrieben.

Das nächste Kapitel liefert verschiedene Definitionen von Alter und Altern. Außerdem findet sich eine Erklärung zu Sozialisation, den kognitiven Entwicklungen im Erwachsenenalter und zur Lebenserwartung.

Im anschließenden Kapitel werden Alterstheorien und Altersmodelle beschrieben und erklärt.

Das fünfte Kapitel behandelt den Übergang von der Erwerbstätigkeit in die Pension und die verschiedenen Aspekte die dabei zu beachten sind. Außerdem wird hier näher auf Robert C. Atchley und das von ihm entwickelte Phasenmodell eingegangen.

Im nächsten Kapitel wird näher auf Krisen und den Zusammenhang zur Pensionierung eingegangen. Es werden einerseits die traumatischen Krisen und andererseits die Veränderungskrisen erläutert. Depressionen und Suizid im Alter sind auch Thema in diesem Kapitel. Zum Schluss werden Faktoren für erfolgreiches Altern und Veränderungen zum Pensionsantritt erklärt.

Das siebte Kapitel beschäftigt sich mit der klinischen Sozialen Arbeit und wie sie unterstützend mit dieser Zielgruppe agieren kann. Außerdem werden unter dem Punkt „Auswege aus der Krise“ verschiedene Möglichkeiten und Projekte vorgestellt, die für kürzlich pensionierten Menschen hilfreich sein könnten. Zum Schluss wird näher auf Vorbereitungsmaßnahmen für die Pensionierung eingegangen.

Das folgende Kapitel beschreibt das Forschungsdesign. Es finden sich hier Beschreibungen der Methode, des Fragebogens und des Pretests. Außerdem wird eine ausführliche Stichprobenbeschreibung gegeben.

Im neunten Kapitel werden die aus der Auswertung gewonnenen Ergebnisse präsentiert. In diesem Kapitel werden die aufgestellten Hypothesen überprüft.

Eine Zusammenfassung des Themas und der Ergebnisse schließt diese Arbeit ab.

2 Problemstellung

In diesem Kapitel wird die Annäherung an die Problemstellung der Forschungsarbeit beschrieben. Im Speziellen wird die Forschungsfrage sowie die Hypothese behandelt, auf die allerdings in den folgenden Kapiteln näher eingegangen wird.

In dieser Arbeit wird beleuchtet, was es für Menschen bedeutet, älter zu werden und welche Veränderungen es in verschiedenen Lebensbereichen zu bewältigen gibt. Einerseits altert der Körper, aber auch psychische, gesellschaftliche, soziale und materielle Veränderungen stellen sich ein.

Ein weiteres Interesse dieser Arbeit gilt den Veränderungen, die durch die Pensionierung eintreten. Wenn heute eine Frau regulär in Pension geht, ist sie im Durchschnitt 60 Jahre alt. Es stehen ihr sehr viele Möglichkeiten offen und aufgrund des medizinischen Fortschrittes in den vergangenen Jahrzehnten wird diese Frau auch noch lange fit sein, und z.B. sportlich aktiv sein, auf Reisen gehen oder sich vermehrt um ihre Familie kümmern können.

2010 waren rund 23 % der österreichischen Bevölkerung über 60 Jahre alt (vgl. Statistik Austria, 2011, Online). Für diese Master-Thesis wurde nur innerhalb der Wiener Bevölkerung befragt, weshalb die Wiener Bevölkerung als Vergleichsbasis herangezogen wird.

In Wien lebten 2011 1.714.142 Menschen (vgl. Statistik Austria, 2011, Online), siehe Abbildung 1. Davon sind 892.537 Personen weiblich und 821.605 Personen sind männlichen Geschlechts. Ausgehend vom derzeitig gültigen Pensionsantrittsalter, dies liegt bei Männern, geboren nach dem 1.1.1955, bei 65 Jahren und bei Frauen, geboren nach dem 1.1.1960, bei 60 Jahren (vgl. Wipfel, 2011, S. 15) sind also 224.595 Frauen 60 Jahre und älter, während 115.071 Personen männlich und 65 Jahre und darüber alt sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Bevölkerungspyramide von Wien (von: Statistik Austria, 2011, Online)

Mit der Pensionierung stellen sich nicht nur positive Veränderungen ein. Die pensionierte Person verliert z.B. ihre Tagesstruktur, die sie immerhin 40 Jahre lang aufrecht erhalten hat. Sie wird die Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen nicht mehr oder nur mehr sehr selten sehen. Dabei handelt es sich um Menschen, mit denen sie davor fünf Tage pro Woche über Jahre oder Jahrzehnte hinweg verbracht hat.

Eine andere große Veränderung, die die Pensionierung mit sich bringen kann, ist finanzieller Natur. Viele Personen bekommen in der Pension weniger Geld als ihr letztes Einkommen ausmachte. Auf diese Umstellung müssen sich die betroffenen Personen einstellen. Eine Verminderung der finanziellen Möglichkeiten wirkt sich auch häufig auf den Lebensstandard aus.

Einerseits haben viele kürzlich pensionierte Personen auf einmal weniger Geld zur Verfügung, gleichzeitig haben sie aber mehr Zeit. Mit dieser Zeit können sie sehr viel machen, wenn dafür die finanziellen Mittel ausreichen. Ein anderer Faktor, der mit der nunmehr vorhandenen Zeit zusammenspielt, ist der Faktor der sozialen Kontakte. Pensionistinnen und Pensionisten haben jetzt mehr Zeit, um sich mit Freundinnen bzw. Freunden und Verwandten, Familie und Bekannten zu treffen. Jedoch hat sich das Ausmaß der vorhandenen Zeit bei den anderen Personen oft nicht verändert. Die Kinder müssen weiterhin 40 Stunden arbeiten, die Enkelkinder sind im Kindergarten oder in der Schule usw. Nur in den Ferien ist „mehr Zeit zu haben“ vielleicht ein Vorteil für Großeltern, da sie in dieser Zeit vermehrt gebraucht werden.

Ein Großteil der sozialen Kontakte der kürzlich pensionierten Personen war in den letzten 40 Jahren durch die Berufstätigkeit geprägt. Die ehemaligen Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen sind weiterhin beschäftigt, die pensionierten Personen jedoch nicht mehr. Ebenso verhält es sich meist mit dem Freundeskreis. Manche der Freundinnen und Freunde sind bereits in Pension aber andere eben noch nicht.

Die vorliegende Master-Thesis beschäftigt sich mit der Frage, ob für pensionierte Menschen die Pensionierung eine ersehnte positive Veränderung darstellt, oder ob sie in eine Krise geworfen wurden. Diese Fragestellung wird einerseits in der Literatur recherchiert und andererseits mittels Fragebögen erhoben. Des Weiteren werden Handlungsmöglichkeiten der klinischen Sozialen Arbeit aufgezeigt und verschiedene Projekte aus den Bereichen Bildung, Wohnen und ehrenamtliches Engagement beschrieben, die älteren Menschen helfen können einer eventuellen Krise vorzubeugen . Außerdem wird kurz auf die Möglichkeit der Pensionsvorbereitung eingegangen.

Die Literaturrecherche gestaltete sich insofern als schwierig, da es zu diesem konkreten Thema wenig Literatur und noch weniger aktuelle Literatur gibt. Ein Großteil der Literatur behandelt das Altwerden an sich. In erster Linie wird in der Literatur auf körperliche und geistige Defiziterscheinungen, wie Verlust des Hörvermögens oder Verlust der Merkfähigkeit, aber auch altersbedingte Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson, eingegangen. Ein weiterer großer Teil der gefundenen Literatur behandelt Themen, die sehr alte Menschen betreffen, wo es eben auch um Pflege und Pflegebedürftigkeit geht. Dies betrifft aber die für diese Arbeit befragte Zielgruppe nicht oder nur bedingt. Immerhin geht es hier um Personen, die zwischen 54 und 72 Jahren alt sind.

3 Das Alter

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den verschiedenen Definitionen von Alter. Zu Beginn wird kurz auf das Bio-Psycho-Soziale Modell von Gesundheit und Krankheit eingegangen, um zu erläutern, warum für diese Arbeit die vorliegenden Definitionen gewählt wurden. Des Weiteren wird der Begriff der Sozialisation im Lebenslauf erklärt und verschiedene Definitionen von „Alter“ beschrieben. Es werden hier einerseits biologische als auch psychologische Phänomene des Alterns und des Alters beschrieben, es wird aber auch eine Erläuterung des Begriffs des sozialen Alterns bzw. Alters gegeben. Am Schluss wird noch eine kurze Erklärung zum Begriff „Lebenserwartung“ gegeben. Dies soll deutlich machen, wieviel Zeit in der Pension noch verbracht werden kann.

3.1 Ganzheitlicher Ansatz – Das Bio-Psycho-Soziale Modell

Die klinische Sozialarbeit geht vom Bio-Psycho-Sozialen Modell für Gesundheit und Krankheit aus. Dieser ganzheitliche Ansatz beschreibt Gesundheit nicht nur als „die Abwesenheit von Krankheit“ (Sonneck, 2002, S. 16) sondern sieht Gesundheit als ein Zusammenspiel von biologischen, psychologischen und sozio-kulturellen Faktoren, die für das Wohlbefinden des Menschen eine wesentliche Rolle spielen (vgl. Sonneck, 2002, S. 16).

Da in dieser Arbeit von der klinischen Sozialarbeit ausgegangen wird, wird in diesem Kapitel das Alter ebenfalls von der biologischen, der psychologischen und der sozialen Seiten betrachtet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Das Bio-Psycho-Soziale Gesundheitsmodell modifiziert nach Sonneck (von: Sonneck, 2002, S. 18)

In Abbildung 2 ist die gegenseitige Beeinflussung von biologischen, psychologischen und sozio-kulturellen Faktoren dargestellt. Dadurch, dass diese Faktoren in einer Beziehung miteinander stehen, führt eine Veränderung in einem Bereich auch immer zu Veränderungen in den anderen Bereichen (vgl. Sonneck, 2002, S. 19).

3.2 Sozialisation im Lebenslauf

„Sozialisation ist ein lebenslanger Prozess – von der Wiege zur Bahre.“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 58).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Phasen des Lebenszyklus nach Donald Bogue (von: Höhn, 1982, S. 90)

In Abbildung 3 findet sich eine Einteilung des Lebens in vier verschiedene Phasen nach Donald Bogue. Diese Phasen teilen sich in die Kindheit, die Jugend, die Erwachsenenzeit und das Alter auf. In jeder dieser Phasen werden Sozialisationsprozesse durchlaufen, die es zu bewältigen gilt (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 58).

Im Gegensatz zu der Einteilung in Phasen trat in den letzten Jahren vermehrt das Konzept des Lebenslaufs in den Vordergrund. Hierbei handelt es sich nicht mehr um ein in starre Kategorien eingeteiltes System, sondern ein gesellschaftlich konstruiertes Modell. Es wird in Sequenzen eingeteilt und erstreckt sich über die gesamte Lebensspanne vom Zeitpunkt der Geburt bis hin zum Tod (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 58f).

3.3 Das biologische Alter

Im Allgemeinen wird eine Unterscheidung zwischen dem biologischen und dem biographischen Alter getroffen. Das biographische Alter wird mittels Zeitangabe in Jahren seit der Geburt beschrieben. Das biologische Alter hingegen beschreibt den Zustand, in dem sich der Körper befindet, welcher normalerweise mit einer anderen Person im ungefähren gleichen Alter vergleichbar ist (vgl. MedizinInfo, 2011, Online).

Während des Alterungsprozesses gibt es viele Veränderungen im Körper. Die größten Veränderungen kann der Mensch von der Kindheit an bis zum frühen Erwachsenenalter, aber vor allem während der Pubertät, beobachten und erleben. Beim körperlichen Übergang vom Erwachsenenalter in das Seniorenalter lässt die körperliche Leistungsfähigkeit nach, die Haut bildet Falten, das Seh- und Hörvermögen wird schwächer, aber auch die Fortpflanzungsfähigkeit schwindet (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 450f).

Nach Danner und Schröder ist aus biologischer Sicht der Begriff des Alterns ein zusammenfassender Begriff zur Erläuterung von körperlichen Veränderungen, die sowohl zeitabhängig, als auch irreversibel und vorhersagbar sind. Diese Veränderungen bestehen in einem fortschreitenden Verlust der Funktionen aller Körpergewebe und führen schlussendlich zum Tod (vgl. Danner/Schröder 1994, S. 96).

3.4 Das psychologische Alter

In der Psychologie wird im allgemeinen zwischen Lebensalter, also dem Alter gemessen in Jahren und Monaten seit der Geburt, und dem Entwicklungsalter unterschieden. Das Entwicklungsalter ist „jenes Lebensalter, in dem die meisten Menschen eine gegebene Stufe körperlicher oder geistiger Entwicklung aufweisen“ (Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 440).

Einer weiteren Definition nach wird das psychologische Alter „anhand eines veränderten Gedächtnisses, Denken oder Fühlen, einer abnehmenden psychischen Belastbarkeit oder Veränderungen in der Identität oder Lebenszufriedenheit einer Person gemessen“ (Vogelsteller, 2010, Online).

3.4.1 Kognitive Entwicklung im Erwachsenenalter

Entwicklungen im kognitiven Bereich werden im Laufe des Lebens als (zumeist) positive Veränderungen wahrgenommen. Gerade von der Kindheit bis ins Jugendalter werden während dieser Entwicklungen und Veränderungen Fähigkeiten gewonnen. Dies trifft auf Veränderungen im Alter nicht mehr zu, diese werden negativ bewertet und als Verschlechterungen empfunden (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 460).

Die größten Veränderungen im kognitiven Bereich werden bei der Intelligenz und bei der Merkfähigkeit, dem Gedächtnis, verortet.

3.4.1.1 Intelligenz

Die Intelligenz wird in zwei Komponenten eingeteilt: die kristalline und die fluide Intelligenz. Die kristalline Intelligenz macht einen Großteil der verbalen Fähigkeiten aus und besteht „aus den kognitiven Fähigkeiten (...), in denen sich angehäuftes Wissen aus bisherigen Lernprozessen kristallisiert und verfestigt hat." (Myers, 2005, S.461).

Die fluide Intelligenz dagegen ist genetisch bedingt und befähigt den Menschen zu schnellem und sorgfältigem Lernen (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 460). Außerdem ermöglicht diese Komponente "sich neuen Problemen und Situationen anzupassen, ohne dass es dazu umfangreicher früherer Lernerfahrungen bedarf" (Myers, 2005, S.461).

In diesen Bereichen kann nicht pauschal von einer Verschlechterung im Alter, sondern lediglich von einer „Verlangsamung der Verarbeitungsgeschwindigkeit“ (Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 460) gesprochen werden.

3.4.1.2 Weisheit

Paul Baltes und Ursula Staudinger untersuchten im Jahr 2000 die „Zugewinne an Weisheit“, die auf das Alter zurückzuführen sind. Demnach besteht Weisheit aus verschiedenen Merkmalen wie z.B. ein hohes Maß an Faktenwissen, prozedurales Wissen, Kontextwissen zum Leben und der Lebensspanne, sowie Wissen über die Unvorhersehbarkeit des Lebens (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 460f).

Demnach werden Veränderungen im Bereich der Intelligenz durch Wissen aus Weisheit kompensiert.

3.4.1.3 Gedächtnis

Auch das Gedächtnis per se verschlechtert sich nicht. Länger zurückliegende Informationen können genauso gut abgerufen werden wie dies bei jüngeren Personen der Fall ist. Allerdings können neue Informationen schlechter verarbeitet und gespeichert werden. Bei neuen Informationen findet sich auch eine Verschlechterung der Abrufbarkeit (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 462).

3.4.2 Phasen der psychosozialen Entwicklung nach Erikson

Erik Erikson entwickelte die Phasen der psychosozialen Entwicklung. Jeder Mensch durchläuft, laut Erikson, eine Reihe von psychosozialen Stadien, in denen in jeder eine Herausforderung als Krise auf den Menschen wartet. Diese Krisen müssen erfolgreich bewältigt werden, damit auch die folgende Phase erfolgreich gemeistert werden kann (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 470 f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Psychosoziale Stadien nach Erik Erikson (von: Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 471)

In Abbildung 4 sind die psychosozialen Stadien nach Erikson zu lesen. Wichtig hierbei sind die Phasen „Mittleres Erwachsenenalter“ und „Seniorenalter“. Nach Werner Stangl erstreckt sich das mittlere Erwachsenenalter von 45 bis 65 Jahren und das Seniorenalter dauert von 65 Jahren bis zum Tod.

In der Phase des mittleren Erwachsenenalters geht es um Generativität, während Personen im Seniorenalter die Ich-Integrität zu bearbeiten haben. Das bedeutet, dass im mittleren Erwachsenenalter begonnen werden soll, sich um die eigene Familie, die Gesellschaft und zukünftige Generationen zu kümmern. (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 471) Wird die Krise nicht angemessen gelöst, so führt dies zu fehlenden Zukunftsperspektiven und Vereinsamung (vgl. Stangl, 2008, Online).

In der letzten Phase, im Seniorenalter, geht es um die Ich-Integrität. Es steht das eigene Leben und die Akzeptanz desselbigen im Vordergrund. Wenn dies nicht gelingt, entstehen Enttäuschung und Selbstabwertung des eigenen Lebens (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 472).

3.5 Das soziale Alter

Unter dem sozialen Alter werden verschiedene Lebensabschnitte verstanden, aber auch Rollen, die einen Menschen von der Gesellschaft im jeweiligen Lebensabschnitt zugeteilt werden. Im Leben werden unterschiedliche soziale Lebensabschnitte durchlebt, wie z.B. die Schulzeit oder das Arbeitsleben in verschiedenen Firmen. Alle diese Phasen werden geprägt von Bezugspersonen, wechselnden Rollen und Überzeugungen (vgl. MedizinInfo, 2011, Online).

Abgesehen von diesen Lebensabschnitten, die nicht direkt einem bestimmten Alter zugeordnet werden können, gibt es in unserer Gesellschaft verschiedene Altersabschnitte, die für das eigenen Leben und das persönliche Umfeld wichtig sind. Dazu zählen z.B. das Einschulungsalter, das Alter ab dem der Führerschein gemacht werden kann, oder die Volljährigkeit (vgl. Vogelsteller, 2010, Online).

Der Pensionsantritt bezeichnet nach diesen Beschreibungen einen neuen Lebensabschnitt, da es zwar ein gesetzliches Pensionsantrittsalter gibt, jedoch auch Frühpensionen oder Pensionierungen aus gesundheitlichen Gründen möglich sind.

Im Laufe eines Lebens werden verschiedene Menschen kennengelernt und soziale Kontakte geschlossen. Entscheidend für den erfolgreichen Alterungsprozess ist jedoch nicht die Anzahl der Kontakte, sondern deren Qualität (vgl. MedizinInfo, 2011, Online).

Neben den körperlichen und kognitiven Verlusten darf nicht übersehen werden, dass einer der wichtigsten Verluste beim Übergang in die Pensionierung, der Verlust der beruflichen Aufgaben sind. Damit verliert die alternde Person einerseits Anerkennung und Aufgaben und andererseits fallen Rollen- und Identifikationspunkte weg, die in der heutigen Zeit wichtig sind (vgl. Altenpflegeschüler, 2011, Online).

3.6 Lebenserwartung

„Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Neugeborenen ist ein Maß für die in einem Zeitraum herrschenden altersspezifischen Sterbeverhältnisse.“ (Kunze, 2004, S. 6).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Durchschnittliche Lebenserwartung weltweit verglichen mit Österreich. Geburtenjahrgänge von 1960 bis 2009 (von: Weltbank, 2011, Online)

Abbildung 5 zeigt deutlich, dass die Lebenserwartung in Österreich von 1960 bis heute stark gestiegen ist (mehr als 10 Jahre). Personen, die 1960 in Österreich geboren wurden, konnten eine Lebenserwartung von rund 68 Jahren vorweisen im Gegensatz zur durchschnittlichen Lebenserwartung weltweit von ca. 52 Jahren. Aufgrund der guten medizinischen Versorgung in Österreich werden die meisten Personen aber wesentlich älter. Leider reichen die Daten nicht weit genug zurück, um ein Bild der Lebenserwartung der Stichprobe dieser Arbeit bieten zu können. Es soll allerdings darauf hingewiesen werden, dass die Personen der vorliegenden Stichprobe zwischen 1940 und 1954 geboren wurden. Laut Statistik Austria betrug die durchschnittliche Lebenserwartung für Personen, die 1949 geboren wurden, knapp 62 Jahre (Männer) bzw. knapp 67 Jahre (Frauen) (vgl. Statistik Austria, 2010, Online). Dies würde bedeuten, dass die befragten Männer, die 1949 geboren wurden, ihre durchschnittliche Lebenserwartung im Jahr 2011 erreicht hätten und die befragten Frauen, die 1949 geboren wurde, ihr durchschnittliche Lebenserwartung im Jahr 2016 erreichen werden. Ausgehend von der guten gesundheitlichen Verfassung von fast allen Befragten und der guten medizinischen Versorgung in Österreich, kann aus diesen Daten geschlossen werden, dass die befragten Personen noch einige Jahre ihre Pension genießen können.

4 Alterstheorien

In diesem Kapitel wird näher auf verschiedene Alterstheorien eingegangen. Die Theorien werden in vier große Bereiche unterteilt: in biologische Theorien, psychologische Theorien, sozialpsychologische Theorien (auch kognitive Alterstheorien) und in das ökologische Modell (vgl. Gatterer, 2008, Online).

Hier wird aber nur auf die psychologischen und kognitive Alterstheorien und
–modelle eingegangen.

4.1 Alterstheorien und –modelle

Alterstheorien und -modelle sollen zur „Erklärung und Bewertung des Alters in der Gesellschaft“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 102) dienen.

Die einzelnen Theorien widersprechen sich zum Teil, heben häufig nur eine einzelne Perspektive hervor und werden und wurden stark kritisiert. Bis dato konnte noch kein umfassendes Modell zur Soziologie des Alters und des Alterns gefunden werden, da sich die unterschiedlichen Richtungen nicht auf eine gemeinsame Formel einigen können (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 102).

Die ersten Theorien und Modelle der vierziger bis sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts konzentrierten sich vor allem auf subjektive Probleme bei der Anpassung an das Alter. Hier finden sich das Defizitmodell von David Wechsler von 1944, die Disengagementtheorie von Elaine Cumming und William Earl Henry von 1961 sowie die Aktivitätstheorie von Rudolf Tartler ebenfalls von 1961 (vgl. Schoeter/Prahl, 1999, S. 102ff).

Die zweite Gruppe später entwickelter Alterstheorien beschäftigt sich nicht mehr nur mit dem einzelnen Individuum, sondern legt verstärkt das Augenmerk auf die „soziale Organisation altersbezogener Statuspositionen“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 102). Hier finden sich der Etikettierungsansatz (auch Labeling Approach), der Stratifikations- und der Kohortenansatz (vgl. Schoeter/Prahl, 1999, S. 102).

In den aktuelleren Modellen wird versucht, die Mikro-, Meso- und Makro-Ebene zu verbinden. Die Mikroebene ist die Individualebene, die Mesoebene beschreibt die Institutionsebene und die Makroebene steht für die Ebene der Gesellschaft. „Eine derartige Verknüpfung von Struktur- und Handlungsebene wird am ehesten von den Modellen erbracht, die Alter(n) als Konstitutions- oder Konstruktionsprozess begreifen“ (Schoeter/Prahl, 1999, S. 102).

Weitere Theorien und Modelle sind die Kontinuitätstheorie, das Kompetenzmodell und das SOK-Modell.

4.2 Defizitmodell

Das Defizitmodell von David Wechsler (1944) ist eines der bekanntesten aber auch meist diskutierten Modelle. Es zählt zu den psychologischen Alterstheorien. Es behandelt die kognitiven Entwicklungen und Veränderungen im Alter. In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass der physische und psychische Zustand der Körpers sich im Alter in allen Bereichen ausschließlich verschlechtert. Dies ist laut David Wechsler genetisch bedingt und irreversibel (vgl. Deutner, 2011, Online).

Diese Annahme beherrscht sämtliche biologischen Alterstheorien und wurde den anfänglichen psychologischen Forschungen über die Verknüpfungen von Intelligenz, Reaktion- und Erinnerungsfähigkeit auf der einen Seite und dem Alter auf der anderen Seite zugrunde gelegt. Da dieses Modell von Altern lediglich verschiedene biologische Veränderungen in Organismen beschreibt, ist es stark umstritten und gilt schon länger nicht mehr als State of the Art (vgl. Lehr, 2003, S. 47).

4.3 Aktivitätstheorie

Die Aktivitätstheorie geht auf Rudolf Tartler (1961) zurück. In seinem Buch „Das Alter in der modernen Gesellschaft“ beschreibt er, dass es eine positive Korrelation von sozialer Aktivität und der Lebenszufriedenheit gibt. Demnach führen Rollen- und Funktionsverluste, wie es beim Pensionsantritt der Fall ist, zu Vereinsamung und Rückzug, was sich negativ auf die Lebenszufriedenheit auswirkt (vgl. Deutner, 2011, Online).

Des Weiteren wird die Ansicht vertreten, dass die „Zufriedenheit im Alter und die Anpassung an die Pensionierung“ (Rosenstiel, 1994, S. 240), die Folge der andauernden Tätigkeit des Berufs in der Zeit der Pensionierung ist. Das bedeutet, dass der mit der Pensionierung einhergehende Verlust von gegebenen Rollen, Aufgaben und sozialen Kontakten beim Pensionsantritt durch zusätzliche, aber auch andere Kontakte und aktive Beschäftigung ersetzt werden muss (vgl. Rosenstiel, 1994, S. 240).

4.4 Disengagementtheorie

In diesem Ansatz von Elaine Cumming und William Earl Henry von 1961 wird davon ausgegangen, dass der alternde Mensch das Bedürfnis hat, „sich aus gesellschaftlichen Rollenverpflichtungen und Aufgaben zurückzuziehen“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 103). Im allgemeinem widerspricht die Disengagementtheorie der Aktivitätstheorie. Sieht die Aktivitätstheorie einen positiven Zusammenhang zwischen sozialer Aktivität im Alter und der Lebenszufriedenheit, geht die Disengagementtheorie davon aus, dass die alternden Menschen zufriedener sind, wenn sie sich zurückziehen können (vgl. Deutner, 2011, online).

Der Rückzug geschieht laut Cumming und Henry, damit sich die betroffenen Personen besser mit sich selbst und ihrer Vergangenheit beschäftigen können. Da der alternde Mensch im körperlichen und geistigen Abbau begriffen ist, nutzt er die Möglichkeit des Rückzuges um Enttäuschung und Ablehnung zu vermeiden (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 103).

Die Disengagementtheorie geht davon aus, dass die alternden Personen mit fortschreitendem Alter die Befähigung zur Bewältigung der Flut an Informationen verlieren und daher eine Selektion von Kontakten und Informationen angestrebt werden muss. Des Weiteren sieht die Theorie den Vorteil der nachkommenden Generation im Rückzug der Alternden, „damit die nachwachsende Generation die beruflichen, politischen und gesellschaftlichen Positionen besetzen könnten“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 103).

Diese Theorie ist ebenfalls stark umstritten, da einerseits der „Wunsch zum Rückzug aus Rollenverpflichtungen und Sozialkontakten bei alten Menschen nur noch begrenzt festzustellen“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 104) ist und andererseits, weil eben dieser Rückzug, gerade aus dem Berufsleben, nicht als persönliches Bedürfnis missverstanden werden sollte (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 104).

4.5 Etikettierungsansatz

Der Etikettierungsansatz ist auch bekannt unter dem Namen „Labeling Approach“ . In diesem Ansatz wird davon ausgegangen, dass jedem Menschen aufgrund von Verhalten, Fehlverhalten, abweichendes Verhalten, (vorhandenen und nicht vorhandenen) Merkmalen oder Defiziten ein Etikett angeheftet wird. Wobei der Begriff Etikett eigentlich ein anderes Wort für Stigma ist. Menschen, die „etikettiert“ werden, sind von der Gesellschaft häufig stigmatisiert. In diesem Fall ist Alter auch ein Stigma. Alternde und alte Menschen bekommen häufig das Stigma der Gebrechlichkeit zugeschrieben. Meist wird davon ausgegangen, dass alternde Menschen mehr Fehler machen, langsamer sind und häufiger Unfälle haben (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 104f).

Diese Stigmatisierungen führen häufig zu sich selbst erfüllenden Prophezeiungen. Das bedeutet, dass z.B. einer alternden Person ständig gesagt wird, dass er oder sie nicht mehr Auto fahren soll, da er oder sie sicher in einem Unfall verwickelt sein wird. Dies wird den Personen häufig mehrmals gesagt bis die Betroffenen dann tatsächlich in einen Unfall verwickelt sind (vgl. Stangl, 2009, Online).

Die Stigmatisierung von Alter und alten Menschen ist in unserer Gesellschaft nicht neu. Eine positive Form der Stigmatisierung geschieht durch die besondere Betonung von Weisheit im Alter, ein negatives Stigma war, aufgrund des Alters die Fähigkeit zu verlieren, die Familie zu versorgen. In der industrialisierten Leistungsgesellschaft treten Altersstigmata vermehrt auf (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 107).

„Je mehr Leistungsfähigkeit im Sinne von industriell verwertbarer Arbeit und Jugendlichkeit im Sinne von Konsumnormen betont werden, desto stärker werden besondere Qualitäten alter Menschen entwertet und deren Defizite hervorgehoben.“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 107f).

Dieser Ansatz kann allerdings nur mehr begrenzt auf die älter werdende Gruppe angewendet werden, da diese Gruppe sehr heterogen geworden ist. Da die Menschen immer länger leben kann der Begriff „die Alten“ nicht auf alle pensionierten Menschen angewandt werden, da sich die Gruppe der sechzig- bis siebzigjährigen stark von der Gruppe der achtzig- bis neunzigjährigen unterscheidet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich der Gesundheitszustand der heute sechzig- bis siebzigjährigen stark verbessert hat. Auch die Situation von Frauen hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verbessert, sodass eine 70-jährige Frau heute nicht mehr zwangsläufig von einem Mann abhängig sein muss, da sehr viele Frauen dieser Jahrgänge bereits ein eigenes Erwerbsleben geführt haben (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 108f).

4.6 Kontinuitätstheorie

„In der neueren Diskussion setzt sich neben der Aktivitätstheorie vor allem die Theorie der Kontinuität durch.“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 105).

In dieser Theorie wird beschrieben, dass der Mensch im Laufe seines Lebens Strategien und Fertigkeiten entwickelt, um Aufgaben und positive sowie negative Lebensereignisse zu meistern. Gelingt es der Person, diese erworbenen Strategien ins Alter zu übertragen und auch dort einzusetzen, so gilt eine Lebenszufriedenheit im Alter als wahrscheinlich. Wichtig für den alten Menschen ist es, dass seine persönlichen Bewältigungsstrategien akzeptiert werden und dass die Bewältigung von Ereignissen der Person auch im Alter zugetraut wird (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 105).

Die Stärke der Kontinuitätstheorie liegt darin, dass sie an den Lebenslauf der betroffenen Personen anknüpft. Außerdem geht sie auf die persönliche sowie auf die gesellschaftliche Bewältigungsform ein. Das Besondere bei dieser Theorie ist, „dass sie alte Menschen nicht isoliert in ihrem Alterszustand, sondern als Personen mit individuellen und gesellschaftlich vermittelten Biografien ansieht.“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 106).

4.7 Kompetenzmodell

Dem Defizitmodell (siehe Kapitel 4.2) steht das Kompetenzmodell gegenüber. Das Kompetenzmodell geht davon aus, dass es einen starken positiven Zusammenhang zwischen dem Ausnützen von Ressourcen, z.B. die Fähigkeit Hilfe anzunehmen, und der Lebenszufriedenheit gibt (vgl. Deutner, 2011, Online).

Dieses Modell beinhaltet einerseits die positiven Seiten, die das Alter und Altern mit sich bringt, wie ein hohes Maß an Gesundheit, Verfügbarkeit von Zeit und die Möglichkeit selbst darüber zu bestimmen (im Gegensatz zur Vorbestimmtheit der Zeiteinteilung durch die Arbeit, die Arbeitsstätte und den Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberin) sowie die Befreiung von Belastungen und Arbeitsverpflichtung (vgl. Backes/Clemens, 2008, S. 15).

Auf der anderen Seite weist dieses Modell auf die Kompetenzen hin, die mit dem Alter kommen oder aber auch hier erst genutzt werden können. Aufgrund des guten medizinischen Standards und der Lebensbedingungen in Österreich, können die meisten Menschen gesund altern und bleiben noch über einen längeren Zeitraum belastbar und lernfähig. Außerdem können Fähigkeiten und Fertigkeiten erhalten und sogar entwickelt werden, die für ein gelingendes und selbstbestimmtes Leben benötigt werden (vgl. Backes/Clemens, 2008, S. 15f).

4.8 SOK-Modell

Das Modell der Selektion, Optimierung und Kompensation (kurz SOK), entwickelt 1990 von Baltes und Baltes, geht von den drei Prinzipien Selektion, Optimierung und Kompensation als ausgleichende Faktoren zum natürlichen Verlust von Fähigkeiten und Fertigkeiten im Alter aus. Basierend auf zwei Annahmen beschreibt dieses Modell gelingendes Altern. Die erste Annahme geht davon aus, dass die Ressourcenbildung ein Prozess ist, der in der lebenslangen Entwicklung des Menschen enthalten ist. Die zweite Annahme besagt, dass ebendiese Entwicklung den Einsatz von, nur begrenzt zur Verfügung stehenden, Ressourcen fordert, in dessen Rahmen der Mensch handeln kann (vgl. Ebner, 2005, S. 263).

Im Zuge der Selektion werden die Anzahl und die Dichte von gesteckten Zielen verringert. Die Optimierung findet in den Bereichen statt, die den Personen wichtig sind. Dies bedeutet, dass die betroffenen Personen diese Bereiche besonders trainieren und Fähigkeiten üben. Während in der Kompensation alternative Handlungsweisen gesucht werden, um die Verluste auszugleichen (vgl. Zimbardo/Gerrig, 2004, S. 462).

5 Übergang in die Pension

In diesem Kapitel wird näher auf den Übergang vom Erwerbsleben in die Pension eingegangen. Zu Beginn wird das Phasenmodell nach Robert C. Atchley vorgestellt, welches in sieben Phasen den Übergang in die Pensionierung beschreibt und dabei auch auf Anpassungsschwierigkeiten an die Pensionierung eingeht.

5.1 Phasenmodell nach Atchley

Robert C. Atchley entwickelte 1976 ein Sieben-Phasen-Modell zum Übergang von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand. Er hat diese sieben Phasen entwickelt, da er davon ausging, dass der Ruhestand selbst eine soziale Rolle ist und es daher Phasen gibt, denen sich angenähert werden muss, die gemeistert werden müssen und die dementsprechend auch wieder verlassen werden müssen (vgl. Atchley, 1976, S. 63).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Phasen des Ruhestandes von Robert Atchley (von: Atchley, 1976, S. 64)

Die von Atchley beschrieben Phasen heißen

1. „Entfernte Phase“ (Remote Phase),
2. „Nähephase“ (Near Phase),
3. „Euphoriephase“ (Honeymoon Phase),
4. „Ernüchterungsphase“ (Disenchantment Phase),
5. „Reorientierungsphase“ (Reorientation Phase),
6. „Stabilitätsphase“ (Stability Phase) und
7. „Endphase“ (Termination Phase)

(vgl. Atchley in Schroeter/Prahl, 1999, S. 61 ff).

5.1.1 Entfernte Phase

Diese Phase reicht von jungen Jahren bis ca. drei Jahre vor dem Pensionsantritt. In dieser Phase machen sich Personen noch keine Gedanken über das Alter, meist fehlt einfach das Vorstellungsvermögen für diesen Zeitabschnitt. Hier entstehen viele Pläne und (Traum-)Vorstellungen über die Pension. Im Vordergrund stehen die Vorstellung von andauernder Freizeit und permanentem Urlaub (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 61).

5.1.2 Nähephase

Die Nähephase beschreibt die Zeit kurz vor der Pensionierung. Hier wird den betroffenen Personen das erste Mal bewusst, dass sie nach der Pensionierung eine neue Rolle in der Gesellschaft übernehmen. Die Personen fangen auch an, sich mit der Zeit und der Rolle als Pensionistin beziehungsweise als Pensionist auseinander zu setzen. „Die künftige Lebenssituation wird durchdacht: Rentenansprüche werden geprüft und finanzielle Konsequenzen deutlich.“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 62). In dieser Phase können erste Ängste auftreten, dies ist aber personenabhängig, da unterschiedliche Szenarien über die mögliche Zukunft entwickelt werden. Diese schwanken zwischen irrealen Verlustängsten und verklärten Träumereien (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 62).

5.1.3 Euphoriephase

Diese Phase heißt im englischen „Honeymoon“-Phase, da diese kurzfristige Phase von den Betroffenen wie Urlaub erlebt wird, oft verhalten sich Personen in dieser Phase wie Kinder (vgl. Atchley, 1976, S. 68).

Für Personen, die Einschränkungen im finanziellen oder gesundheitlichen Bereich erleben, wird diese Phase nicht so euphorisch erlebt wie dies bei gesunden und finanziell gut abgesicherten Personen der Fall ist. Frisch pensionierte Menschen erfahren hier erstmalig eine neu gewonnene Freiheit aufgrund des Wegfalls der Arbeitszeit. Sie fühlen sich befreit „vom engen Korsett beruflicher Zwänge und Lasten“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 62) und unternehmen Dinge, die sie vorher aus Zeitgründen nicht konnten oder die sie sich für die Pension aufgehoben haben, wie z.B. zu verreisen (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 62).

5.1.4 Ernüchterungsphase

Auf die, meist sehr positiv erlebte, Euphoriephase folgt dann allerdings die Ernüchterungsphase, die, wie der Name bereits sagt, einen ernüchternden Blick auf die Pensionierung bringt. Mit dieser Ernüchterung geht meist eine Enttäuschung einher, die den Erholungseffekt der vorherigen Phase schwinden lässt. In dieser Phase begreifen die Pensionierten, dass Pension nicht nur Freizeit und Erholung bedeutet, sondern dass „im Ruhestand Sinn und Aufgabe, zeitliche Strukturierung und Orientierungspunkte benötigt“ (Schroeter/Prahl, 1999, S. 62) werden. Besonders schwierig ist diese Phase für Personen mit finanziellen oder gesundheitlichen Einschränkungen, Personen, die sich ausschließlich über ihren Beruf identifiziert haben oder Personen, die nie gelernt haben, ihr Leben oder ihren Tagesablauf zu gestalten. Diese Personen laufen Gefahr in dieser Phase an Depressionen zu erkranken (vgl. Schroeter/Prahl, 1999, S. 62).

[...]

Ende der Leseprobe aus 165 Seiten

Details

Titel
Der Ruhestand als Krise: Ursachen des seelischen Ungleichgewichts und Möglichkeiten der psychosozialen Versorgung
Hochschule
FH Campus Wien
Note
1
Autor
Jahr
2012
Seiten
165
Katalognummer
V199881
ISBN (eBook)
9783656275794
ISBN (Buch)
9783656277200
Dateigröße
2153 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
klinische Sozialarbeit, Soziale Arbeit und Alter, Altern, Pension, Pensionsschock, Krise, Veränderungskrise
Arbeit zitieren
Lea Riedl (Autor:in), 2012, Der Ruhestand als Krise: Ursachen des seelischen Ungleichgewichts und Möglichkeiten der psychosozialen Versorgung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199881

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