Wege zum sozialpolitischen Engagement: Eine qualitative Studie


Master's Thesis, 2012

86 Pages, Grade: 1,6


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Einführung

1 Fragestellung

2 Bürgerschaftliches Engagement: Begriffliche Annäherung
2.1 Begriffsverwandtschaften: vom Ehrenamt zum Engagement
2.2 Definitorische Abgrenzung
2.2.1 Freiwilligkeit
2.2.2 Unentgeltlichkeit
2.2.3 Gemeinwohlorientierung
2.2.4 Abgrenzung des Bereichs: Sozialpolitische Orientierung
2.2.5 Motive

3 Bürgerschaftliches Engagement im Lichte dreier Diskurslinien
3.1 Zivilgesellschaftlicher Diskurs: Bürgergesellschaft, Zivilgesellschaft & Demokratie
3.2 Individualisierungsthese: Verantwortung & gestaltende AkteurInnen
3.3 Kommunitarismus: Sozialkapital, Demokratieförderung & Engagement
3.3.1 Sozialkapital und Demokratie
3.3.2 Sozialkapital und Engagement
3.3.3 Positive Effekte bürgerschaftlichen Engagements
3.3.4 Exkurs: Sozialkapital und Schule
3.4 Fazit

4 Theoretische Analysemodelle
4.1 Erklärungsmodell von Peter Schüll
4.2 Eingangsmotivationen von Keupp, Kraus & Straus
4.3 Der funktionale Ansatz
4.4 Wir-Sinn und fokussierte Motive
4.5 Weitere erklärende Befunde
4.6 Wahl der Analysemethode

5 Diskussion der theoretischen Erkenntnisse

6 Qualitative Untersuchung
6.1 Methode der Datenerhebung: Das problemzentrierte Interview
6.2 Erhebung der Daten
6.2.1 Vorgehen
6.2.2 InterviewteilnehmerInnen
6.3 Datenauswertung
6.3.1 Interviewprotokolle
6.3.2 Transkription
6.3.3 Auswertungsschritte
6.4 Einzelauswertung der Interviews
6.4.1 Inklusive Egalität
6.4.2 Inklusive Artikulation
6.4.3 Inklusive Kulturalität
6.4.4 Feldtranszendente Typen

7 Ergebnisdarstellung
7.1 Inklusive Egalität
7.2 Inklusive Artikulation
7.3 Inklusive Kulturalität
7.4 Feldtranszendente Typen

8 Diskussion und Ausblick
8.1 Diskussion der Ergebnisse
8.2 Diskussion des methodischen Vorgehens
8.2.1 Nennung in der Arbeit vs. Datenschutz
8.2.2 Ausschluss von der Analyse
8.3 Ausblick

Literaturverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

Anhang A: Protokollmaske

Einführung

Das Thema des bürgerschaftlichen Engagements hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen. Bereits 1999 setzte der Deutsche Bundestag eine Enquete-Kommission zur „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ ein. Es folgte das Jahr der Freiwilligen, das 2001 von den Vereinten Nationen ausgerufen wurde. Der zehnte Jahrestag davon, nämlich das Jahr 2011, diente der Europäischen Union als Anlass zum „Europäischen Jahr der Freiwilligentätigkeit zur Förderung der aktiven Bürgerschaft“ (Rat der Europäischen Union, 2009, S. 44). Dieser politische Fokus bildet den normativen Rahmen der Arbeit. Auch in Punkto Forschung ist das Thema ins Zentrum der Aufmerksamkeit gelangt, wobei es meist wenig differenziert betrachtet wird.

Die Forderung nach mehr bürgerschaftlichem Engagement wird immer lauter. Unklar bleibt dabei, aus welchen konkreten Motiven und Orientierungen es sich entwickelt. Demnach wird die vorliegende Arbeit von der zugrundeliegenden Fragestellung nach den Gründen für sozialpolitisches Erstengagement geleitet.

Im ersten Kapitel (1) wird die Fragestellung erläutert. Das Kapitel 2 liefert eine umfassende begriffliche Auseinandersetzung mit dem Gegenstand, gefolgt von den inhaltlichen Ausführungen, wobei die Schwierigkeiten der Abgrenzbarkeit bald deutlich werden. Die aktive Bürgerschaft wird als Kernelement „bei der Förderung des sozialen Zusammenhaltes und der Entwicklung der Demokratie“ (Rat der Europäischen Union, 2009, S. 44) gesehen. Der Rat der Europäischen Union hat dabei keine differenzierte Betrachtung des Begriffs „Freiwilligentätigkeit“ vorgenommen und stellt demnach diese Erwartung an jegliche Engagementform. Welche Herausforderungen und Problematiken dies nach sich zieht wird in Kapitel 3 über die drei gängigsten Diskurslinien bürgerschaftlichen Engagements erfolgen. Um die empirische Überprüfbarkeit zu ermöglichen, werden die aktuellsten theoretischen Analysemodelle in Kapitel 4 vorgestellt. Eine Diskussion der theoretischen Erkenntnisse erfolgt in Kapitel 5. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird in Kapitel 6 die empirische Untersuchung zu den Wegen zum sozialpolitischen Engagement vorgestellt. Diese gliedert sich in folgende Abschnitte: Zuerst erfolgen einführende Kapitel, um die Vorgehensweise zu klären (Kap. 6.1 Interviewmethode, Kap. 6.2 Datenerhebung und Kap. 6.3 Erklärung zur Datenauswertung), anschließend erfolgt in Kapitel 6.4 die Einzelauswertung der Interviews, die in Kapitel 7 in einem Gesamtbild dargestellt werden. Im achten und letzten Kapitel wird die gesamte Arbeit abschließend diskutiert.

1 Fragestellung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Gründe für sozialpolitisches Engagement zu identifizieren. Dabei wird der Fokus auf die biographische Entwicklung gelegt und untersucht, inwiefern Engagement auf dieser begründet. Der biographische Einstiegsverlauf, beginnend mit den situativen Umständen und biographischen Rahmenbedingungen soll erfasst werden. Die zugrundeliegende Frage lautet: Wie kommt es dazu, dass Menschen sich sozialpolitisch engagieren?

Die Gründe für den Einstieg in sozialpolitisches Engagement sollen anhand einer theoretischen Auseinandersetzung identifiziert und mithilfe einer empirischen Erhebung untersucht werden. Dabei steht nicht ein repräsentativer Anspruch für die Untersuchung im Vordergrund, sondern die Wahrnehmung und Darstellung komplexer Einzelfälle. Die Identifikation und Darstellung des engagementbiographischen Verlaufs erfolgt in der Analyse auf Basis des Modells nach Wir-Sinn und fokussierten Motiven von Corsten und Kauppert (2007), das in Kapitel 4.4 vorgestellt wird.

2 Bürgerschaftliches Engagement:
Begriffliche Annäherung

2.1 Begriffsverwandtschaften: vom Ehrenamt zum Engagement

Über die unterschiedlichen Begriffe in diesem Feld herrscht Uneinigkeit, da sie jeweils mit unterschiedlichen Denkschulen und Werthaltungen in Verbindung gebracht werden. Der Begriff des „bürgerschaftlichen Engagements“ wurde durch die Enquete Kommission zur „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ des deutschen Bundestags populär. Ziel war es, „den engen Zusammenhang von Engagement, Bürgerschaft und Bürgersinn deutlich zu machen“ (Zimmer & Vilain, 2005, S. 7). In diesem Verständnis steht im Vordergrund, dass die BürgerInnen sich auf „vielfältige Weise und selbstorganisiert in die Belange unseres Gemeinwesens einbringen und so die Zukunft von Staat und Gesellschaft wesentlich mitbestimmen und prägen“ (ebd.). Das Engagement „von unten“ soll eine kritische Haltung zu Staat und Verwaltung hervorheben und umfasst ein breitgefächertes Spektrum von Aktivitäten und Engagementformen, die auf den folgenden Seiten erläutert werden. Die Begriffswahl für die vorliegende Arbeit erfolgte in Anlehnung an diese Überlegungen.

Weitere gängige Begriffe sind „Freiwilligentätigkeit“, „freiwillige Arbeit“ oder „Ehrenamt“. Alle tragen unterschiedliche ideologische Färbungen in sich. Eine einheitliche Bezeichnung lässt sich für den deutschsprachigen Raum, im Gegensatz zum englischen Pendant des „Volunteering“, nicht festmachen (vgl. Klages, 2000, S. 155f). Das Ehrenamt ist der wohl bekannteste Ausdruck, wird auf Grund seiner Geschichte aber eher in Zusammenhang mit gewählten, ernannten und bestellten Personen verwendet und reicht daher für das heutige Konzept des Engagements nicht mehr aus (vgl. Zimmer & Vilain, 2005, S. 7f).

2.2 Definitorische Abgrenzung

Da aufgrund der unterschiedlichen Begrifflichkeiten auch definitorische Unreinheiten herrschen, existiert ein sehr breit gefächerter gemeinsamer Nenner, der sich auf folgende Weise beschreiben lässt: Bürgerschaftliches Engagement meint freiwilliges Handeln, das unentgeltlich ist und zugunsten des Gemeinwohls stattfindet. Um eine Abgrenzung von klassischen Freizeitvereinen zu schaffen, die ebenfalls unter dieser Definition Platz finden würden, gilt es auch noch den sozialpolitischen Bereich hervorzuheben. Daraus ergeben sich die vier Elemente die etwas genauer unter Betracht gezogen werden: die Freiwilligkeit, die Unentgeltlichkeit, die Gemeinwohlorientierung und die sozialpolitischen Orientierung.

2.2.1 Freiwilligkeit

Das Prinzip der Freiwilligkeit stellt das deutsche Pendant des Begriffs des „Volunteering“ dar, das im internationalen Kontext Verbreitung gefunden hat. Zu sehen ist es aber nicht „im Gegensatzpaar von Freiwilligkeit und Zwang, sondern steht im Gegensatz zur Beruflichkeit einer Tätigkeit“ (Igl, 2002, S. 49). Demzufolge dient es nicht „der Schaffung einer Lebensgrundlage“ (ebd.), da die monetäre Entlohnung entfällt. In diesem Kontext wird evident, dass der Begriff des Ehrenamtes nicht mehr Aktualität hat. Ursprünglich diente es dazu BürgerInnen verpflichtend an eine Tätigkeit zu binden. Es handelte sich um ein Amt, das seinen TrägerInnen „zur ‚Ehre‘ gereichte und in seinen Anfängen ein Zugeständnis der Obrigkeit gegenüber bürgerlichen Partizipationsbestrebungen bei öffentlich-politischen Angelegenheiten darstellte“ (Schüll, 2003, S. 36). Das gilt beispielsweise für das Amt des Schöffen. Umgangssprachlich hat sich der Begriff jedoch auch außerhalb seiner ursprünglichen Bedeutung durchgesetzt und findet immer noch häufig Verwendung. So sprechen Menschen, die sich engagieren, von ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit, obwohl es mit einem Amt nichts zu tun hat (ebd.). Die hier gewählte Definition stützt sich an das Kriterium der Freiwilligkeit. Menschen in gewählten Ämtern wurden in der Erhebung nicht befragt, sondern lediglich Personen, die sich aus eigener Initiative engagierten.

2.2.2 Unentgeltlichkeit

Ursprünglich, im Verständnis des Ehrenamtsbegriffes, war die Vergeltung der Tätigkeit die Ehre, die einer Person zukam. Die Honorierung war die gesellschaftliche Anerkennung, im Gegensatz zu der sonst üblichen monetären Entlohnung. Daraus resultiert das Kriterium der Unentgeltlichkeit (vgl. Igl, 2002, S. 52). Dennoch wird Engagement häufig in Form von Anerkennungen vergolten, was der Tätigkeit den unentgeltlichen Charakter aber nicht abträglich macht (vgl. Schüll, 2003, S. 31ff auch Igl, 2002, S. 52). Diese Anerkennungen können unterschiedliche Formen annehmen. Beispiele in monetärer Form sind die Erstattung nachgewiesener tätigkeitsbezogener Auslagen oder geringe Aufwandsentschädigungen. Der Kern des Prinzips der Unentgeltlichkeit ist aber darin zu sehen, dass „die eigentliche Arbeitsleistung (in der Regel also: die Arbeitszeit) nicht direkt vergütet wird“ (Schüll, 2003, S. 32).

2.2.3 Gemeinwohlorientierung

Das Gemeinwohl bezeichnet „moralisch akzentuierte Handlungsdispositionen (Tugend, Solidarität, Verantwortungsbewusstsein)“, dem „ein normatives Ideal“ zugeschreiben ist. Daran sind „die Resultate politischer Prozesse zu bemessen“ (Corsten & Kauppert, 2007, S. 348). Wenn also dem Handeln „eine objektive gemeinnützig orientierte Tendenz innewohnt“ (Igl, 2002, S. 50) kann von Gemeinwohlorientierung gesprochen werden. In der Literatur (vgl. Schüll, 2003, S. 45f, später empirisch widerlegt auf S. 277) wird hier teils eine Abgrenzung zum Eigennutz getroffen, wogegen sich aber sinnvolle Argumente finden lassen: Als Interessensvertretungen von Gruppen eignen sich gruppenzugehörige Menschen am besten, aufgrund der Kenntnisse, die aus eben dieser Gruppenzugehörigkeit resultieren. Dem Handeln kann dann ein Eigennutz zugeschrieben werden, der aber keinesfalls einen Bedeutungsverlust dieses Engagements für Dritte heißen muss. Die eigennützliche „Nebenwirkung“ des Engagements ist hier also kein Ausschlusskriterium. Der Fokus liegt viel mehr auf der objektiven Außensicht. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass familiäre Tätigkeiten nicht als gemeinwohlorientierte Tätigkeiten gelten. Grund dafür ist, dass „Kindererziehung [noch] nicht primär als Engagement für die Gesellschaft gedeutet“ wird. „Ähnliches gilt für pflegerische Tätigkeiten“ (Igl, 2002, S. 51).

2.2.4 Abgrenzung des Bereichs: Sozialpolitische Orientierung

Die Engagementbereiche sind vielseitig und schwer abgrenzbar. Bei einer österreichweiten Untersuchung der Statistik Austria (2008) wurde zwischen zehn Bereichen unterschieden:

žKatastrophenhilfs- und Rettungsdienste

žKunst, Kultur, Unterhaltung und Freizeit

žUmwelt, Natur und Tierschutz

žKirchlicher oder religiöser Bereich

žSozial- und Gesundheitsbereich

žPolitische Arbeit und Interessensvertretung

žBürgerliche Aktivitäten und Gemeinwesen

žBildung

žSport und Bewegung

žNachbarschaftshilfe und informeller Bereich

Diese Aufzählung ist nicht trennscharf, denn viele Tätigkeiten im freiwilligen Engagement lassen sich mehreren Bereichen zuordnen. Es ist auch offensichtlich, dass die Betätigung je nach Bereich nicht aufgrund gleicher Motive erfolgen und den gleichen sozialen Nutzen mit sich bringen kann. Es gibt beispielsweise wohl einen motivationalen Unterschied, ob man nun in einer Musikkapelle oder in einem Sportverein spielt, oder ob man sich in einer Bürgerinitiative engagiert. Sozialpolitisches Engagement ist ein direkter Beitrag zur Demokratie, wobei soziales Kapital genauso in Bereichen gewonnen wird, die dem einfachen Freizeitvergnügen dienlich sind (vgl. Putnam, 2000, S. 411, zur Erläuterung s. Kap. 3.3). Daher ist die Bedeutsamkeit für eine funktionierende Gesellschaft gleichrangig, jedoch das direkte Verhältnis zu hinterfragen[1].

Im Zentrum der Arbeit steht das sozialpolitische Engagement. Daher wurde der Fokus auf den Engagementcharakter, an Stelle des Engagementbereiches (wie z.B. Kultur, Natur, Sport) gelegt. Für die Untersuchung wurden Personen ausgewählt, die unterschiedlichen und zum Teil auch mehreren Bereichen zuordenbar sind, aber deren Engagementcharakter ausnahmslos sozialpolitisch ist. Das entscheidende Element, das als Abgrenzungsmerkmal dienen soll, ist bürgerschaftliches Engagement in dem Sinne zu verstehen, als dass es stattfindet um andere Strukturen zu erreichen. Die getroffene Abgrenzung schließt Engagement im religiösen Bereich ein. Da es hier aber auf Grund von Glaubensbetätigung zu einer anderen Motivlage kommt (vgl. Grönlund, 2011 S. 12), werden Engagementformen im kirchlichen Bereich und auch kirchlich gestützte Institutionen ausgeschlossen.

Peter Schüll (vgl. 2003, S. 27-63) hat die Dimensionalität von Engagementformen ausführlich diskutiert. Zusätzlich zu den bisher erwähnten Elementen unterscheidet er auch zwischen organisatorischen Rahmen, Dauer, zeitlicher Intensität, Aktivitätsgrad (passiv oder aktiv), Professionalitätsgrad, Objektbezug (personen-, sach- oder themenbezogene Tätigkeit), formale Legitimation (Einsatz durch Wahl oder nicht) und sozialer Reichweite (Einsatz im soz. Nahbereich oder für Unbekannte). Da diese Aufzählung der ergänzenden Dimensionen den oben angeführten nachrangig sind, soll nur kurz dazu Stellung genommen werden.

Zwar finden die meisten bürgerschaftlich engagierten Tätigkeiten im organisatorischen Zusammenhang statt (vgl. Igl, 2002, S. 3), etwa in Vereinen, doch im Zuge der veränderten Welt des Engagements (vgl. z.B. Zimmer & Vilain, 2005, S. 101-131, auch Peglow, 2002, S. 27-31), haben sich Formen außerhalb eines organisatorischen Rahmens entwickelt. Engagement bedarf heute nicht mehr unbedingt eines Vereines oder ähnlicher Institutionalisierung um stattzufinden. Beispielsweise rufen Organisationen gelegentlich dazu auf, an einem ausgewählten Datum Aktionen zu veranstalten[2]. Dadurch bietet sich Menschen auf der ganzen Welt die Möglichkeit sich zu engagieren, auch wenn es nur einmalig ist und eben nicht organisationsgebunden stattfindet. Dieses Beispiel veranschaulicht gut, dass es heutzutage eine Vielzahl von Engagementformen gibt, zu denen unter anderem auch Initiativen, Projekte und Selbsthilfegruppen gehören, die es erlauben sich ungebunden und eventuell auch nur kurzlebig zu betätigen (vgl. Igl, 2002, S. 58). Diese Entwicklung bringt eine weitere Erschwernis für empirische Untersuchungen mit sich, die einer notwendigen Operationalisierung bedürfen und daher einen weiteren Graubereich akzeptiert werden muss. Auch in der vorliegenden Arbeit wurde der organisatorische Zusammenhang offen gehalten. Die ausgewählten ProbandInnen zählen sich stets zu Plattformen, Gruppen, Initiativen, Vereinen usw., die formelle Regelung ist allerdings nicht immer gegeben. Mehr Bedeutung wurde der zeitlichen Komponente zugeschrieben. Die Mindestdauer des Engagements von einem Jahr und die Aktivität im wöchentlichen Ausmaß dienen als Orientierung. Der Aktivitätsgrad stellt ein Ausschlusskriterium dar. Aufgrund von abweichenden Motivlagen (vgl. Jacobi, 2009) wurden im Gegensatz zum passiven Engagement durch Spenden ausschließlich aktiv Engagierte befragt[3]. Der Professionalitätsgrad ist überwiegend niedrig, da das Hauptaugenmerk auf Personen liegt, die sich nicht aufgrund ihres Berufes engagieren und der Engagementbereich daher meist von der Profession abweicht. Die weiteren Dimensionen von Schüll wurden offen gelassen, da sie in Bezug auf die Fragestellung unerheblich waren.

Zusammenfassend könnte damit der Begriff des „sozialpolitischen Engagements“ als ein objektiv gemeinwohlorientiertes Handeln verstanden werden, das einen sozialpolitischen Charakter hat, von der handelnden Person freiwillig übernommen worden und überwiegend unentgeltlich ist. Diese Definition bleibt aber klärungsbedürftig, da allein der Begriff „gemeinwohlorientiert“ schwer fassbar und der Ausdruck „überwiegend unentgeltlich“ schwammig ist. Sie erweist sich aber, angesichts der breit gefächerten Tätigkeiten die sie umfasst, dennoch als geboten.

2.2.5 Motive

Abschließend soll der Begriff der „Motive“ erläutert werden, da diese im Zentrum der vorliegenden Forschungsarbeit steht. Laut Schütz und Luckmann[4] (1979, S. 226) sind diese „verständliche und feststellbare Gründe des Dafürhaltens, … es handelt sich um Leidenschaften, Vorurteile, Gewohnheiten und auch um Zwang, der von sozialen Umständen ausgeht". Die beiden Autoren Michael Corsten und Michael Kauppert formten den Begriff der „fokussierten Motive“, dem in dieser Arbeit ein besonderer Stellenwert zugeschrieben wird. Eine diesbezügliche Erläuterung ist aber erst an späterer Stelle (Kap. 4.4) sinnvoll.

3 Bürgerschaftliches Engagement im Lichte dreier Diskurslinien

Um die gesellschaftliche Debatte um bürgerschaftliches Engagement lassen sich drei Diskurslinien ausmachen, „die über den Wert und die Stellung freiwilliger Arbeit in der modernen Gesellschaft reflektieren“ (Corsten & Kauppert, 2007, S. 360): Die Debatte um die Zivilgesellschaft (Kap. 3.1), die Individualisierungstheorie (Kap. 3.2) und den Kommunitarismus (Kap. 3.3). Auf den nächsten Seiten erfolgt ein kurzer Überblick über die wichtigsten Themen des jeweiligen Diskurses. Dies dient einem besseren Verständnis dafür, aus welcher Perspektive das bürgerschaftliche Engagement beleuchtet werden kann. Dabei wird dem Kommunitarismus am meisten Aufmerksamkeit zugewendet, da sich die Erwartungen seitens der Politik hauptsächlich darauf beziehen. Zur Diskussion der Diskurslinien wird vermehrt auf die Resultate der Untersuchungen von Corsten und Kauppert (2007) Bezug genommen. Das Konzept selbst wird allerdings erst in Kapitel 4.4 erläutert.

3.1 Zivilgesellschaftlicher Diskurs:
Bürgergesellschaft, Zivilgesellschaft & Demokratie

Das Konzept der traditionellen Bürgergesellschaft reicht zurück bis in die Poleis im alten Griechenland (vgl. Kymlicka & Norman, 2000, S. 8). Seine heutige Bedeutung beschreibt die Stanford Encyclopedia of Philosophy (2006) mit den Worten: Bürger und Bürgerinnen sind Mitglieder einer politischen Gemeinschaft, welche Rechte genießen und Pflichten der Mitgliedschaft übernehmen.[5] Zwei Aspekte dieser Definition sind zu beachten. Erstens sind die wirkenden AkteurInnen die politische Gemeinschaft, also der Staat und die BürgerInnen. Die Bürgergesellschaft meint die Beziehung zwischen Individuen und einem bestimmten Staat (vgl. Gordon, 1999, S. 2). Zweitens haben die BürgerInnen beides, sowohl Rechte als auch Pflichten. Die Rechte beziehen sich auf den zivilen Bereich, etwa den Schutz durch den Rechtsstaat, den politischen Bereich, wofür das Wahlrecht das beliebteste Beispiel ist und den sozialen Bereich, in den der Schutz durch den Wohlfahrtsstaat bei wirtschaftlichen Nöten fällt.

Die Pflichten bestehen aus dem Dienst bei der Bundeswehr oder dem Zivildienst, dem Steuerzahlen und dem rechtskonformen Verhalten. Die Beziehung zwischen dem Individuum und dem Staat geht allerdings weit über diese Punkte hinaus. BürgerInnen schulden dem Staat und der Demokratie viel mehr Pflichten als hier angesprochen wurde. Diese tiefere Betrachtung der Pflichten ist das Herzstück der theoretischen Verortung, da sie die Bedeutsamkeit des zivilgesellschaftlichen Engagements erklären. Sie ist der entscheidende Baustein bei der Betrachtung von Menschen als BürgerInnen, anstatt als KonsumentInnen oder als Mitglieder einer Organisation. Die BürgerInnen stehen unter der Erwartung sich zivilgesellschaftlich zu beteiligen und Bürgertugenden an den Tag zu legen. Die Beziehung ist demnach nicht nur funktionell und bedarf des Engagements der BürgerInnen.

Dem sozialpolitischen Engagement wird häufig eine Funktion als Korrekturinstanz zugeschrieben. Dies entspricht dem demokratischen Model von Marc Nerfin (1987), in dem den StaatsbürgerInnen neben der Regierung und dem Staat eine ebenso wichtige Bedeutung zukommt. Aber bereits Montesquieu (1994, zit. n. Kessl, 2006, S. 67) äußert sich hierzu wie folgt: „Damit die Macht nicht missbraucht werden kann, ist es nötig, durch die Anordnung der Dinge zu bewirken, dass die Macht die Macht bremse.“ Hiermit meint Montesquieu, dass die Rückbindung des Staates in der Bürgerschaft[6] entscheidend für die Stabilität desselben ist. Später beruft sich Tocqueville auf Montesquieu und weitet das Modell der Demokratie aus. An einem gesellschaftlichen Wandel in Richtung mehr Gleichheit und wachsendem Fortschritt angelangt, sieht er eine Bedrohung. Der Individualismus ist für Tocqueville (vgl. Hereth, 1991, S. 89) die Hauptgefahr, die die Freiheit des Menschen bedroht. Er verbindet damit das Erwerbsmotiv, das bis Dato nicht an seiner Überzeugungskraft einbüßen musste. Es führt dazu, dass sich Einzelpersonen zunehmend in ihr Privatleben zurückziehen und sich weniger an der Öffentlichkeit beteiligen. Eine Teilnahmslosigkeit der BürgerInnen würde einen Despotismus begünstigen. Laut Tocqueville kann die Freiheit durch eine Bürgergesellschaft, vor allem aber durch politische Partizipation, bzw. bürgerschaftliches Engagement gerettet werden (vgl. Kessl, 2006, S. 67f). Dadurch hat sich die Diskussion um die Zivilgesellschaft auf die Frage konzentriert, „in welcher Funktion Akteure an kollektiven Aufgaben partizipieren können. Der Diskurs um die Zivilgesellschaft ist daher im Kern eine Diskussion um die Bürgergesellschaft“ (Corsten & Kauppert, 2007, S. 361). Daraus ist ein Dilemma für das bürgerschaftliche Engagement entstanden. „Einesteils übernimmt es eine Lückenbüßerfunktion, dann nämlich, wenn ehemalige Staatsaufgaben übernommen werden. Andererseits aber soll gerade im Engagement der Bürger der besondere Wert einer Gesellschaft bestehen, die sich als liberal (und darin zugleich als zivil) versteht. Der Bürger ist deswegen die Instanz, an den die Appelle für mehr Gemeinsinn gerichtet sind“ (ebd.). Demnach passiert Engagement im Diskurs der Zivilgesellschaft in der Eigenschaft als BürgerIn, als Teil einer zivilen Gesellschaft, und nicht in der als Mitmensch. Corsten und Kauppert (2007) belegen allerdings, dass sich Menschen zunächst aus elementarer „Sorge um sich“ selbst engagieren (s. Kap. 4.4). Dieser Theorie zufolge ist der gesellschaftliche Nutzen des Engagements lediglich eine „Nebenwirkung“. Die beiden Autoren erwähnen dabei nicht, dass der fehlende gesellschaftliche Beitrag möglicherweise – wenn auch nur unbewusst – die Sorge auslösen könnte. Demnach könnte es sich bei der oben bezeichneten Nebenwirkung um die gewünschte Wirkung handeln. Die „Sorge um sich“ könnte der Wunsch sein, den eigenen Seelenfrieden zu finden indem dem gesellschaftlichen Nutzen nachgegangen wird. In dieser alternativen Leseweise könnte die Diskurslinie der Zivilgesellschaft doch gegen die Argumente von Corsten und Kauppert behaupten.

3.2 Individualisierungsthese:
Verantwortung & gestaltende AkteurInnen

Die Idee einer vermehrten Individualisierung wird laut Ulrich Beck (1986, S. 206) anhand von drei Dimensionen bestimmt: der Freisetzungsdimension (Herauslösung aus traditionellen Sozialformen und -bindungen), der Entzauberungsdimension (Verlust traditioneller Sicherheiten) und der (Re-)Integrationsdimension (neue soziale Einbindung). Bei näherer Betrachtung bleibt unklar, welche Institutionen diese neue soziale Einbindung der (Re-) Integrationsdimension übernehmen sollen (vgl. Braun, 2001, S. 9). Basierend auf einer Reaktionskette, führt der Freisetzungsprozess, der häufig mit Freiheit assoziiert wird, über die beiden weiteren Dimensionen zu weniger Solidarität und folglich zur Vereinzelnung und auch zu weniger sozialer Einbindung (ebd.). Dieser Reaktionskette scheint ein Gesellschaftsbild zu unterliegen, das durch traditionelle Werte, wie Sicherheit, Orientierung und Gemeinschaftsgeist, gekennzeichnet ist. Die Anschauungen Becks verweisen unter anderem auf die oben beschriebenen Ideen des 19. Jahrhunderts (z.B. Tocqueville). „Individualisierung ist ein grundsätzliches Kennzeichen der Moderne ebenso wie die Ideologie vom autonomen Subjekt, das sich alle Erfolge und Misserfolge als selbst produziert zurechnet“ (ebd.). Der Mensch wird zum Gestalter seiner eigenen Biographie. In der Folge lautet die Kernfrage „wie die offenbar hochindividualisierte, ethnisch-kulturell vielfältige, in Einzelinteressen zerfallende (post-)moderne Gesellschaft ihren inneren Zusammenhalt bewahren kann“ (Braun, 2001, S. 9). Die Frage rückt die Bedeutung des „sozialen Kitts“ (ebd., S. 10), wie bindendes Sozialkapital (erläutert im Folgekapitel 3.3.1) häufig genannt wird, in den Mittelpunkt.

Die Individualisierungsthese rechnet den BürgerInnen zu, dass sie im Laufe ihrer Biographie Verantwortung für gesellschaftliche Belange übernehmen (vgl. Beck, 1983, zit. n. Corsten & Kauppert, 2007, S. 360). Bezogen auf bürgerschaftliches Engagement bedeutet das, „dass freiwillige Aktivitäten nicht mehr über Milieuzugehörigkeiten gesteuert werden, sondern über individuell zugerechnete biographische Entscheidungen (z. B. Arbeiter engagieren sich nicht mehr bei der Arbeiterwohlfahrt, sondern im Eine-Welt-Laden). Die individualisierte Zurechnung der biographischen Wahl eines Engagements wäre mit dem Motivwandel von der Pflicht zum Selbstbezug kompatibel“ (ebd.). Diese Überlegung entspricht dem Wandel vom Ehrenamt zum Engagement, wie in Kapitel 2.2.1 näher besprochen wurde. Corsten und Kauppert (2007, S. 360) kritisieren hier, dass sich Menschen nicht beliebig in einem Engagementfeld engagieren können, sondern die Wahl stark von ihrer Biographie abhängt (s. Kap. 4.4 sich biographisch bestimmen lassen). Die Autoren (ebd., S. 361) argumentieren, dass es sich bei der Wahl des Engagements um ein Zusammenspiel von „Optionen und Entwicklungs­chancen, von denen sich Akteure in der Zukunft bestimmen lassen wollen, den Einflüssen und Prägungen aus der Vergangenheit und den in der Gegenwart zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompetenzen“ handelt. Demnach kann sich nicht jeder Mensch einem beliebigen Engagement widmen, wodurch die Individualisierungsthese bezogen auf bürgerschaftliches Engagement widerlegt wird. Die Individualisierungsthese bietet noch eine zweite Lesart. Darin „gilt Engagement als Element der Sinngebung und Befriedigung, da subjektive Präferenzen zunehmend zur Richtschnur individuellen Handelns würden“ (Braun, 2001, S. 12). Auf diese Weise wird das Engagement als eine rein persönliche Angelegenheit verstanden. Es bildet eine Möglichkeit der Selbsterfüllung. Dabei wird allerdings sowohl der Bezug auf Dritte als auch die Bedeutung des Engagements für die Gesellschaft völlig ausgeklammert.

3.3 Kommunitarismus: Sozialkapital, Demokratieförderung & Engagement

Resultierend aus der Individualisierungsthese wird die Bedeutung von Handlungsressourcen hervorgehoben, die spezifischer als Sozialkapital bezeichnet werden. Im Kommunitarismus „besteht die Essenz der Gesellschaft in ihrem Sozialkapital“ (Corsten & Kauppert, 2007, S. 361). Dieser Diskurs wird von Seiten der Politik am meisten verfolgt und soll angesichts der jüngsten Entwicklungen hier ausführlicher diskutiert werden. In Bezug auf gemeinnützige Vereine und Stiftungen[7] werden seitens der Europäischen Kommission drei Aspekte hervorgehoben. Dazu zählen mit der „Schaffung von Arbeitsplätzen“ als Nebenerscheinung bei freiwilligem Engagement der wirtschaftliche Aspekt, der soziale Aspekt mit „der Leistung eines Beitrags zur Festlegung sozialpolitischer Strategien und somit zum sozialen Fortschritt“ und schließlich der politische Aspekt aufgrund der „Förderung von Demokratie, Bürgersinn und Bürger­beteiligung“ (Rat der Europäischen Union, 2009, S. 43). Weitere Aspekte, die der Europäische Rat dem freiwilligen Engagement zuschreibt, sind die Förderung von Solidarität und dem Zugehörigkeitsgefühl zur Gemeinschaft und der Abbau von Diskriminierung (ebd.). Ein Potential wird auch in der Bekämpfung geschlechtsbezogener Ungleichheiten und in den resultierenden bereichernden Lernerfahrungen, allen voran im Erwerb sozialer Fertigkeiten, gesehen (vgl. ebd.). „Alle Formen des Engagements haben im Alltag Bedeutung für den Zusammenhalt im Gemeinwesen“ heißt es im Bericht der Enquete-Kommission Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements (2002, S. 57). Alle diese Erwartungen des Europäischen Rates und auch die der Enquete Kommission können zusammengefasst dahingehend gedeutet werden, als dass Engagement einen positiven Einfluss auf Sozialkapital hat. Bevor diese Erwartungen weiter diskutiert werden, sollen einige Theorien über das Sozialkapital vorgestellt werden, da der Sozialkapitalbegriff unterschiedlich verwendet wird.

3.3.1 Sozialkapital und Demokratie

Pierre Bourdieu versteht Sozialkapital als „die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind“, beziehungsweise als die „Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen“ (1992, S. 63). Charakteristisch für Bourdieus Ansatz ist, dass er lediglich von der Ebene der Einzelperson ausgeht. „Jeder Mensch verfügt demnach über ein Netz an Beziehungen (in unterschied­lichem Ausmaß institutionalisiert), aus denen [sic] er auf Basis von Austauschbeziehungen schöpfen kann.“ (Eder, 2011, S. 12). Durch diese Austauschbeziehungen kann Sozialkapital in andere Kapitalformen[8] umgesetzt werden. „Das Sozialkapital wird hier vom Blickwinkel des Einzelnen gegenüber einem Netzwerk betrachtet und steigert die individuelle Produktivität einer Person“ (ebd.).

Robert Putnam hingegen vertritt die These, dass Netzwerke, abgesehen vom persönlichen Nutzen, wie es Bourdieu beschreibt, auch Wirkungen nach außen haben. Diese öffentlichen Wirkungen sind in einer Reihe seiner Studien[9] belegt. Laut Putnam (1994) ist die wichtigste Voraussetzung für die Effizienz demokratischer Institutionen nicht der ökonomische Entwicklungsstand, sondern das Sozialkapital. Der direkte Zusammenhang von Sozialkapital mit wirtschaftlichem Erfolg, Gesundheit, Bildung, geringerer Kriminalitätsrate und höherer Lebensqualität konnte auch in weiteren empirischen Studien nachgewiesen werden (vgl. Austrian Chapter und European Support Centre des Club of Rome, 2005; OECD, 2001; Wilkinson & Pickett, 2009). Das bedeutet, dass eine Person, die eine Gegend mit hohem Sozialkapital bewohnt, aber selbst nicht gut vernetzt ist, von dem hohen Sozialkapital profitiert, etwa aufgrund einer niedrigeren Kriminalitätsrate. „Putnams Definition von Sozialkapital zentriert sich um Vertrauen und die Norm der Gegenseitigkeit in sozialen Netzwerken“ (Eder, 2011, S. 13). „Social capital refers to connections among individuals – social networks and the norms of reciprocity and trustworthiness that arise from them“ (Putnam, 2000, S. 19). Demnach tragen dichte soziale Interaktionen zur Entstehung von Normen bei. Aufgrund von immer wiederkehrenden Verhaltensmustern (auch von Fremden) innerhalb der Gesellschaft entsteht das Vertrauen auf bestimmtes Verhalten und im Anschluss daran bestimmte Normen. Dadurch haben Menschen beispielsweise eine höhere Bereitschaft zu helfen, auch wenn sie von der Person, der sie die Hilfe leisen keine unmittelbare Gegenleistung erwarten können. Durch die erlernten Muster gehen sie davon aus, dass ein anderes Mitglied ihnen die gleiche Hilfe bieten würde, wenn sie selbst einmal in eine ähnliche Situation kämen. Hier setzt auch die Theorie über den Einfluss auf eine gelingende Demokratie an. Für Robert Putnam (1994, S. 185) ist Sozialkapital der Schlüssel dazu. In Putnams (2000, S. 290) Worten: „Social capital makes us smarter, healthier, safer, richer and better able to govern a just and stable democracy“. Um den Zusammenhang zu verdeutlichen dient die Darstellung 1. Überall dort, wo Menschen in Beziehung treten entsteht Sozialkapital. Es gilt als Maßstab für den Zusammenhalt oder die gelingenden Beziehungen innerhalb einer Gesellschaft und entsteht auf mehreren Ebenen (vgl. Hinterberger, Hutterer & Schnepf, 2006, S. 196). Die erste, oder die Mikroebene ist der unmittelbare Nahbereich einer

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dar. 1: Schematische Darstellung der Entstehung und der Effekte von Sozialkapital

Person, nämlich der Familien- und Freundeskreis. Die nächste Ebene bildet die Mesoebene mit dem erweiterten Bekanntenkreis und Netzwerken wie Vereine, dem Berufsumfeld, der Nachbarschaft. Hierzu gehören auch die Kontakte durch das Engagement. Die letzte und sogenannte Makroebene entsteht unabhängig von persönlicher Bekanntschaft, durch die einfache Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder Gemeinschaft, Weltanschauung oder Religion. Das verbindende Glied sind hier geteilte höhere Ideale oder Werte. In diesem Zusammenhang unterscheidet Putnam (2000, S. 22f) zwischen bindendem (bonding) und brückenbildendem (bridging) Sozialkapital. Bindendes Sozialkapital, welches auch gerne als der „soziale Kitt“ von Gesellschaften genannt wird, ist das Element, das homogene Gruppen auszeichnet. Die Gefahr besteht dabei darin, dass diese Komponente auch negative Effekte auf Gesellschaften als Ganzes haben kann, trotz positiver Effekte auf Gruppenmitglieder. Ein Beispiel dafür kann ein Verein sein, in dem das Gemeinschaftsgefühl innerhalb der Gruppe hoch, aber die Öffnung für andere Menschen nicht gegeben ist. Wenn Menschen und Gemeinschaften aber für andere Nationalitäten, Hautfarben, Religionen und Generationen offen sind, entsteht brückenbildendes Sozialkapital. Damit eine Gemeinschaft lebendig und entwicklungsfähig bleibt, braucht sie beide Komponenten.

3.3.2 Sozialkapital und Engagement

Die jungen Menschen unserer Zeit zeigen, laut Jeremy Rifkin (2010, S. 412-415), bereits ein höheres Bewusstsein für ihre Verantwortung bezüglich sozialpolitischer oder umwelt­technischer Probleme als vorangegangene Generationen. Ebenso verfügt die junge Generation über einen stärkeren Gemeinschaftssinn und größere Beziehungsfähigkeit als alle vorangegangenen Generationen. Diese beiden Erkenntnisse weisen einen Zusammenhang auf. Durch ein stärkeres Problembewusstsein und höheres Verantwortungsgefühl erhöht sich die Chance zum Handeln. Handelt ein Mensch zu Gunsten seiner Mitmenschen, so steigert er deren soziales Vertrauen und damit das Sozialkapital. Ein hohes Sozialkapital trägt durch diese Vertrauenskomponente zum Wohlbefinden von Einzelnen bei (vgl. Hinterberger et al., 2006, S. 196). Dies führt wiederum zu einem stärkeren Gemeinschaftssinn und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich weitere Personen engagieren. Engagement fördert demnach weiteres Engagement und das Wohlbefinden der Personen innerhalb der Gemeinschaften.

Im Zusammenhang mit bürgerschaftlichem Engagement schreibt Putnam (2000, S. 116), dass es als Maßstab für Sozialkapital gesehen werden könne. Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den beiden Konzepten: „Freiwilliges soziales Engagement … hat eine starke sozialpolitische Bedeutung für die Engagierten wie für die Adressaten und ist gleichzeitig Katalysator für neue Vergesellschaftungsformen und Netzwerke jenseits von Erwerbsarbeit. Die Gesamtheit solcher Netzwerke und Engagementformen begreift man … als ‚soziales Kapital‘“ (Heinze & Strünck, 2000, S. 178). Um soziales Kapital zu messen, werden unter anderem der Grad des generalisierten Vertrauens, die Aufmerksamkeit, die Individuen sozialen Belangen entgegenbringen und die Anzahl der Mitgliedschaften in Vereinen (tertiary associations) erhoben (ebd.). Zu betonen ist hier die Schwierigkeit der Messung von bürgerschaftlichem Engagement, das unter anderem auch außerhalb fester Strukturen stattfindet. Putnam (2001, S. 26) fordert in diesem Zusammenhang „die Entwicklung neuer Methoden zur Identifizierung und Messung des informellen Sozialkapitals“.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Freiwilligentätigkeit Solidarität stärkt, den BürgerInnen das Zugehörigkeitsgefühl zur Gesellschaft vermittelt und sich äußerst förderlich auf das Sozialkapital auswirkt.

3.3.3 Positive Effekte bürgerschaftlichen Engagements

Abgesehen von den oben beschriebenen positiven Effekten bürgerschaftlichen Engagements auf das Sozialkapital einer Gemeinschaft, kann auch eine Reihe von erfreulichen Wirkungen auf Individuen festgestellt werden. Es gilt, dass engagierte Personen in der Regel erfüllter, glücklicher und gesünder sind. Dies ist das Ergebnis zahlreicher Studien (vgl. Whiteley, 2004; Borgonovi, 2008, zit. n. Bucher 2009, S. 106f). Außerdem existiert eine Reihe von weiteren positiven Aspekten des Engagements. So wirkt es sich auch positiv auf das Selbstwertgefühl aus und vermittelt soziale Fähigkeiten zur Kooperation wie Führung­s­kompetenzen und trägt durch die aufklärende Komponente wesentlich zum Humankapital bei (vgl. Putnam, 2000, S. 405). Ein Artikel von Hinterberger et al. (2006, S. 190) schildert eine Fülle von Sozialkapitalstudien mit interessanten Ergebnissen. Dem zufolge ist Sozialkapital auch wirtschaftlich sehr förderlich. Er zeigt außerdem auf, „dass in Regionen mit hohem Sozialkapital eine allgemeine hohe Lebenszufriedenheit herrscht, während dies in Regionen mit [nur] hohem Finanzkapital nicht der Fall ist. Dabei gilt …, dass Menschen, die in Vereinen und anderen Gruppen aktiv sind, über eine individuell höhere Lebenszufriedenheit berichten (Hinterberger et al., 2006, S. 190). 25,1% der Bevölkerung in Salzburg leistet freiwilliges Engagement (Statistik Austria, 2008, S. 18). Hochgerechnet in Arbeitsvolumen kommt man dabei in Österreich auf 15 Millionen Arbeitsstunden pro Woche. Das entspricht rund 12% des wöchentlichen Arbeitsvolumens aller Erwerbstätigen. Diese Zahlen veranschaulichen deutlich die wirtschaftliche Bedeutsamkeit von freiwilligem Engagement. Badelt (2002, S. 85) spricht in diesem Zusammenhang von einem wesentlichen Faktor des österreichischen Sozial- und Wirtschaftslebens.

3.3.4 Exkurs: Sozialkapital und Schule

Ferdinand Eder, Ernst Gehmacher und Sigrid Kroismayr verfassten 2006 einen Aufsatz, in dem sie unter anderem die Frage beantworteten, inwiefern sich die Quantität und Qualität sozialer Beziehungen auf die Leistung der SchülerInnen auswirkt bzw. inwiefern sich Sozialkapital auf das Wohlbefinden und den schulischen Erfolg von SchülerInnen auswirkt. Als Datenbasis diente eine repräsentative Untersuchung, an der 7.625 SchülerInnen teilnahmen, die die vierte bis zwölfte Schulstufe besuchten. Die wichtigsten Ergebnisse sollen hier kurz zusammengefasst werden.

Bezüglich des Sozialkapital-Levels der Herkunftsfamilien kann gesagt werden, dass je geringer er ist, sich die schulischen Nachteile von Kindern vergrößern (Eder et al., 2006, S. 110). Außerdem hat die Größe der Schule einen Einfluss auf den schulischen Erfolg und zwar dahingehend, dass „die SchülerInnen, welche eine kleinere Schule besuchen, bessere Schulergebnisse“ aufweisen (ebd., S. 113). Um das Sozialkapital der SchülerInnen zu erheben, wurden ihre Beziehungen zu den vier Personengruppen Eltern, FreundInnen, MitschülerInnen und LehrerInnen untersucht (vgl. ebd., S. 114). Zu den Eltern lässt sich sagen, dass „je positiver die Beziehung zu den Eltern erlebt wird, um so besser … die Befindlichkeit [ist]“ (ebd., S. 116). Die Noten sind „bei beeinträchtigten Elternbeziehungen [ebenfalls] deutlich schlechter“ (ebd., S. 118).

„Bei den SchülerInnen mit positiven Freundschaftsbeziehungen ist der Anteil jener, die ‚fast immer‘ glücklicher Laune sind, mehr als doppelt so groß wie bei SchülerInnen mit beeinträchtigten Freundschaftsbeziehungen.“ (ebd., S. 119f). Die AutorInnen sehen deutliche Belege dafür „wie wichtig Freundschaftsbeziehungen auch für eine positive Bewältigung der Schule sind“ (ebd., S. 120). Ähnlich wie bei den Freundschafts­beziehungen verhält es sich mit den MitschülerInnen (vgl. ebd., S. 120-126). Die Beziehungen zu den FreundInnen und MitschülerInnen schlagen sich allerdings, anders als bei der zu den Eltern, nicht auf die Noten nieder.

Die Zusammenhänge zur Befindlichkeit und den LehrerInnenbeziehungen sind weniger stark ausgeprägt als die zu den Eltern, FreundInnen und MitschülerInnen, die Tendenz ist aber nach wie vor gegeben. Deutlicher sind die Unterschiede in den Noten. Das deuten die Autoren so, als dass „SchülerInnen mit guten LehrerInnenbeziehungen entweder tatsächlich mehr leisten oder einfach bessere Noten bekommen“ (ebd., S. 128). Eine bedeutende Erkenntnis der Untersuchung ist, dass junge Menschen, die „gut in Vereinen integriert sind, … deutlich mehr ‚fast immer‘ glücklich sind als … [jene], die wenig Anschluss haben“ (ebd., S. 130). Auch in Hinblick auf die schulische Leistung lassen sich positive Zusammenhänge erkennen. Es haben jene Jugendliche, „die stark in Vereine einbezogen sind, in den meisten Schultypen die besseren Noten. Obwohl die Ergebnisse nicht schlüssig zu interpretieren sind[10], ist ein eindeutiger positiver Effekt von Vereinstätigkeit nachweisbar“.

3.4 Fazit

In den erweiterten Darstellungen der Diskurslinien wurde deutlich, dass es unabdingbar ist, Engagement differenzierter zu betrachten. Der politische Anspruch an die aktive Bürgerschaft zur Stärkung der Demokratie kann nur in bestimmten Engagementformen erfüllt werden. Die Betrachtung der drei Diskurslinien hat allerdings gezeigt, dass es nicht möglich ist universelle Gründe für bürgerschaftliches Engagement zu identifizieren. Im folgenden Kapitel werden unterschiedliche Analysemodelle vorgestellt, die sich genau dieses Ziel gesetzt haben: den Gründen für bürgerschaftliches Engagement auf die Spur zu kommen.

4 Theoretische Analysemodelle

Die Gründe für Engagement werden immer wieder im Zuge von Surveys erhoben, jedoch sind diese lediglich eine Auswahl willkürlich erstellter Items und nicht theoriegebunden (vgl. Statistik Austria, 2008, oder IGF, 2011). Ausgewählte fundierte Untersuchungen sollen in diesem Kapitel vorgestellt werden. Allerdings ist Forschungsliteratur dezidiert zum sozialpolitischen Engagement kaum vorhanden, weshalb hier vor allem verwandte und generelle Modelle Erwähnung finden. Dabei wird je nach Möglichkeit jeweils auf den sozialpolitischen Bereich Bezug genommen. Im Zentrum der Fragestellung stehen die Motive sozialpolitischen Engagements. Allen Modellen ist gemein, dass die Motive, sich freiwillig zu engagieren, äußerst vielfältig und höchst komplex sind, in einer individualbiographischen Logik verankert sind und in unterschiedlichsten Kombinationen auftreten können (vgl. Keupp, Kraus & Straus, 2000, S. 224 oder Schüll, 2003, S. 92).

Das Erklärungsmodell von Peter Schüll (Kap. 4.1) wird zuerst erklärt werden, anschließend folgt eine Erläuterung der Eingangsmotivationen von Heiner Keupp, Wolfgang Kraus und Florian Straus (Kap. 4.2). Der funktionale Ansatz (Kap. 4.3) stellt den Mittelteil dieses Kapitels dar. Das Kernstück aber bildet das Erklärungsmodell des „Wir-Sinns und fokussierter Motive“ (Kap. 4.4), das in der Auswertung der Interviews dieser Arbeit seine Anwendung findet. Den Abschluss bildet das Kapitel 4.5 über weitere erklärende Befunde, die nicht als Erklärungs­modell betrachtet werden können, allerdings nicht weniger interessant sind, und daher auch Erwähnung verdienen. Im Anschluss an diese Erläuterungen erfolgt eine Erklärung zur Wahl des Analysemodells (Kap. 4.6), das für die Auswertung der Daten dieser Untersuchung herangezogen wird.

4.1 Erklärungsmodell von Peter Schüll

Peter Schüll (2003, S. 92-105) erarbeitete ein Modell zur Erklärung von Freiwilligenarbeit basierend auf den Modellen von Eva Nadai (1996) einerseits und John Wilson und Marc Musick (1997) andererseits. Dabei bilden die Faktoren „Motive“ und „Ressourcen“ den Kern des Modells. Die Motive steuern dabei nicht nur, ob ein Engagement stattfindet, sondern schlussendlich auch wie dieses aussieht (Was und Wo). Dabei geht Schüll davon aus, dass „Tätigkeitsmotive nicht als isolierte Phänomene begriffen werden dürfen, die … als rein ‚innere Antriebskräfte‘ auf die Form des ehrenamtlichen Engagements wirken.“ Die Motive, wie die Ressourcen werden von soziokulturellen Faktoren (Wertorientierungen, religiöse Weltanschauungen, Lebens­erfahrungen, d.h. allgemein biographische wie spezifische, die sich auf das Engagement beziehen) ebenso wie von soziodemographischen und sozioökonomischen Faktoren (Alter, Geschlecht, Familiensituation, Einkommen usw.) beeinflusst. Dabei stuft Schüll die soziodemographischen Faktoren als Einflussgröße schwächer ein. Die Ressourcen teilen sich in zwei Gruppen. Die erste Gruppe bezeichnet die Grundlage, wie ein Mindestmaß an Zeit und Einkommen, die für das Engagement unabdingbar ist. Die andere Gruppe steuert „in hohem Maße den Zugang zu bestimmten Formen“ von Engagement. So bestimmt z.B. der körperliche Zustand, ob man überhaupt eine Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr in Betracht ziehen kann. Schüll merkt an, dass die soziokulturellen Faktoren mit den soziodemographischen bzw. sozioökonomischen Faktoren sich nicht nur gegenseitig beeinflussen, sondern, dass auch Elemente untereinander korrelieren können (z.B. Wertorientierung und religiöse Überzeugung, oder Bildungsniveau und Einkommen).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dar. 2: Erklärungsmodell für Freiwilligenarbeit nach Schüll (2003, S. 98)

[...]


[1] Eine genauere Betrachtung des Verhältnisses von Engagement und seines Zusammenhangs mit der Demokratie erfolgt in Kapitel 3.3.1.

[2] Beispiele dafür sind die Organisation „350“, die am 10.10.2010 zum weltweiten Aktionstag aufrief. „Occupy“ wählte dafür den 11.11.2011.

[3] Robert Jacobi veröffentlichte 2009 sein Buch „Die Goodwill-Gesellschaft“ in dem er sich der passiven Aktivitätsform und damit der Welt der StifterInnen und SpenderInnen widmete. Für Informationen dazu sei auf seine umfangreiche Untersuchung verwiesen.

[4] Die Autoren treffen hier eine Abgrenzung zu Ursachen, welche ihres Erachtens nach „nicht die Verständlichkeit von Gründen“ haben.

[5] Freie Übersetzung. Der Originaltext: „A citizen is a member of a political community who enjoys the rights and assumes the duties of membership.“

[6] Für Montesquieu sind besitzlose BürgerInnen der politischen Partizipation ausgeschlossen. Da sich dieser Zusammenhang aber auf die, seines Erachtens, mündigen BürgerInnen bezieht und sich dieses Paradigma des Besitzes als Prämisse für politische Beteiligung in unserer Gesellschaft bis Dato gewandelt hat, betrachte ich diese Aussage mit der eben getroffenen Erweiterung der Montesquieu’schen Sichtweise als zutreffend.

[7] Der Rat trifft keinerlei Unterscheidung zwischen organisationsgebundenen und -freiem Engagement. Auch wird in Bezug auf die genannten Erwartungen keinerlei Differenzierung zwischen den Engagementbereichen gemacht. Demnach wird der gleiche Erwartungsanspruch an alle Bereiche erhoben, vom Fußballverein bis zur Bürgerinitiative.

[8] Pierre Bourdieu versteht Kapital als „akkumulierte Arbeit, entweder in Form von Material oder in verinnerlichter, ‚inkorperierter‘ Form“ (1992, S. 49) und erweitert den Kapitalbegriff über seine, aus der Wirtschaftstheorie bekannte, Form hinaus. So kommt es zur Unterscheidung des ökonomischen, kulturellen und symbolischen Kapitals. „In welcher Gestalt es jeweils erscheint, hängt von dem jeweiligen Anwendungsbereich sowie den mehr oder weniger hohen Transformationskosten ab“ (1992, S. 52). Die Kapitalformen sind konvertierbar: Das ökonomische Kapital entspricht dem wirtschaftlich gebräuchlichen Kapitalbegriff und ist direkt in Geld konvertierbar. Das kulturelle Kapital entspricht der institutionalisierten Bildung und ist letzten Endes in ökonomisches Kapital konvertierbar. Dies gilt ebenso für das soziale Kapital.

[9] Nachzulesen in „Gemeinsinn und Eigennutz“ (2001), „Bowling Alone“ (2000) und „Making Democracy Work” (1994).

[10] Die AutorInnen weisen auf den Zeitfaktor von Vereinstätigkeit hin. Sie äußern Bedenken dahingehend, dass leistungsstarke SchülerInnen neben der Bewältigung der Schule noch ausreichend Zeit für weitere Aktivitäten haben oder andererseits, dass das Engagement möglicherweise auch auf Kosten der Zeit gehen kann, die ansonsten dem Lernen gewidmet werden würde.

Excerpt out of 86 pages

Details

Title
Wege zum sozialpolitischen Engagement: Eine qualitative Studie
College
University of Salzburg  (Fachbereich Erziehungswissenschaft)
Grade
1,6
Author
Year
2012
Pages
86
Catalog Number
V199860
ISBN (eBook)
9783656292241
ISBN (Book)
9783656294375
File size
1206 KB
Language
German
Keywords
sozialpolitisches Engagement, Biographie, problemzentrierte Interviews, Wir-Sinn, fokussierte Motive
Quote paper
Sandra Filzmoser (Author), 2012, Wege zum sozialpolitischen Engagement: Eine qualitative Studie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199860

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