Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vorgeschichte der Bauernbefreiung
3. Prozeß der Bauernbefreiung
3.1 Erste Schritte
3.2 Widerstand von „oben“
4. Kehrseite der Bauernbefreiung
5. Durchbruch 1848/49
6. Resümee
Literaturverzeichnis
Bildanhang
1. Einleitung
Die 48er-Revolution setzt einen Meilenstein in der Geschichte Deutschlands. Ihr Gedankengut findet seinen Ursprung in der Französischen Revolution1, welches sich nur einige Jahre später in ganz Europa wieder fand. Der Ruf und innerliche Drang nach einer demokratisch verfassten und einheitlichen Nation2, fand Anklang in den Ohren des europäischen Bürgertums. So dauerte es auch nicht lange, bis der Ruf nach einem deutschen Nationalstaat laut wurde. Dieses Bestreben ist der ideelle und gleichzeitig politische Kernpunkt der 48er-Revolution. Sie war das erste Aufbegehren der unteren Stände der Bevölkerung, welche aber an den Reformen von „oben“ gescheitert ist. Der Adel und der Staat kamen dem aufrührerischen Bürgertum jedoch zuvor, indem sie dem unzufriedenen Bauern, welcher der eigentliche Krisenherd und das Druckmittel der Revolutionäre war3, Zugeständnisse machte und ihm zugunsten Gesetze und Reformen erlies. So scheiterte die 48er-Revolution zwar auf ideeller Basis4, doch es stellt sich nun die Frage, ob sie aus sozialer Hinsicht auch gescheitert ist, oder vielmehr doch als erfolgreich angesehen werden kann und sollte, denn eines ihrer Früchte ist die sogenannte „Bauernbefreiung“5.
Diese Überlegung soll an Hand von Literaten, wie Peter Eitel6 und Christof Dipper7 und anderen zeitgenössischen Quellen8 erörtert und dargelegt werden. Dabei soll vorweg erst einmal ein kurzer Abrissüber die Vorgeschichte der Bauernbefreiung, also die Zustände der damaligen Zeit, einen Einblick in die Thematik gewähren. Danach soll der Prozess der Bauernbefreiung, mit einem spezifischen Blick auf Oberschwaben, aufgezeichnet werden. Fehlen sollte dabei auch nicht der Widerstand von oben, welcher den Prozess teilweise stark ins Stocken brachte oder gar lahm legte. Auch die Kehrseite der Bauernbefreiung und die darauf folgenden Gegenmaßnahmen sollen hier erörtert werden. Als letzter, thematischer Punkt soll der Durchbruch der Bauernbefreiung in der Revolution 1848/49 aufgearbeitet werden, um ein abschließendes Resümee und auch eine Antwort auf die vorangehende Fragestellung zu erhalten.
2. Vorgeschichte der Bauernbefreiung
Die Menschenrechte sind das Credo unserer Tage9 und die Tatsache, dass ein jeder in der heutigen Zeit sein eigener Herr ist und fast uneingeschränkt nach seinem eigenen Gutdünken, tun und lassen kann was er will, ist ein Phänomen, dass nicht immer so war. Wenn man den Blick nur in das 18. Anfang 19. Jahrhundert wirft, trifft man auf eine Landbevölkerung, welche zum größten Teil leibeigen war und nicht die heutigen Grund- und Menschenrechte, ihr eigen nennen konnte. Die sogenannte Leibeigenschaft10 bezeichnet die persönliche Verfügungsbefugnis eines Leibherrnüber einen Leibeigenen, welche vom Mittelalter bis in die Neuzeit ein weit verbreitetes System war.11 Kontrolliert wurde dieses System von den Leibherrn, oder auch als Grundherrn bezeichnet, welche aus hohem oder auch niedrigem Adel stammen konnten12, Klöstern13 oder Fürstbistümer14, aber auch ein König selbst konnte diese Stellung einnehmen.15 Leibeigene waren meist die Bauern, welche auf den Ländereien des Grundherrn angesiedelt waren. Zwischen diesen zwei Gruppierungen stand eine symbiotische Beziehung, welche sich jedoch mehr zum Vorteil des Grundherrn entpuppte. Jede dieser zwei Gruppierungen hatte gewisse Dienste füreinander zu leisten, damit das System aufrecht erhalten werden konnte. Die Bauern waren zu Frondiensten16 verpflichtet17. Diese Frondienste bestanden hauptsächlich aus einer Vielzahl von sogenannten Hand- und Spanndiensten.18 Dazu zählten der am häufigsten eingeforderte Ackerdienst, Transportleistungen, die Anstellung von Mitarbeitern im herrschaftlichen Haushalt und auch der sogenannte Schüppendienst, welcher die Verpflichtung zu Baumaßnahmen wie Brücken, Wege, Wassergräben oder sonstige Errichtungen von Bauwerken beinhaltete.19 Doch der Bauer hatte seinem Grundherrn nicht nur Abgaben in Form von seiner Arbeitskraft während den eingeforderten Frondienste zu leisten, sondern musste auch noch Geld und/oder Naturalien abgeben.20 Diese letzteren genannten Abgaben wurden auch als der Zehnt bezeichnet.21 Sie umfassen den zehnten Teil des Ertrages aus dem Grundstück oder des Einkommens, welches der leibeigene Bauer an seinen Leibherrn zu entrichten hatte.22 Abgesehen von diesen Diensten, welche die Bauern ihrem Vorgesetzten gegenüber zu leisten hatten, gab es noch andere Regeln, welchen sie unterworfen waren, wie beispielsweise, dass der Leibeigene nur mit der Zustimmung des Leibherrn aus seinem Territorium wegziehen durfte.23 Diese Art „Auswanderung“, in ein Gebiet eines anderen Grundherrn, musste sich der Bauer mit einem sogenannten Manumisionsgeld24 als Loskaufsgebühr ermöglichen, welche von dem Grundherrn festgelegt wurde.25 Auch unterstand der Bauer der Gerichtsbarkeit des Leibherrn.26 Weiterhin durfte der Bauer auch nicht ohne Genehmigung des Grundherrn heiraten27 und mit der Eheschließung alleine, endete auch die Leibeigenschaft nicht.28 Auch bei der Geburt eines Kindes, wurde auf dieses die Leibeigenschaftübertragen, ausschlaggebend dabei war der Stand der Mutter, war sie leibeigen dann auch das Kind.29
Doch auch der Grundherr hatte seinen Leibeigenen „Gegenreichungen“ zu leisten.30 Sie gewährten den Bauern militärischen und auch juristischen Schutz. Das bedeutet, dass im Falle einer Vorladung vor ein Gericht, der Grundherr einen Rechtsbeistand stellen musste.31 Der Leibherr sollte auch für den Frieden sorgen und Streit schlichten oder Friedensbrecher zur Rechenschaft ziehen.32 Er musste auch den Bauern wirtschaftliche Grundsicherungen und Unterstützung bei Krankheitsfällen, Katastrophen oder auch bei Missernten gewähren. Daher erhielt der Bauer auch Rohstoffe wie Brenn- und Bauholz, Ziegel, Kalk, Stein und andere wichtige Baumaterialien.33 So beruhte das Pflichtverhältniss der beiden Gruppierungen auf „Treue und Gehorsam“ gegen „Schutz und Schirm“, welches sichüber Jahrhunderte hielt.34 Was jedoch die Beziehung innerhalb der beiden Gruppierungen auf die Probe stellte, waren Zeiten der Missernte, oder das einige Grundherrn den Frondienst auch zur Saat- oder Erntezeit einforderten, was dazu führen konnte, dass der hörige Bauer, der bei sich zu Hause gerade zur selben Zeit auch seine Ernte einfahren musste, keine Chance hatte das zu tun, und dies sich oft auf die Lebensbedürfnisse dieser Bauern radikal auswirkte.
So scheint es, dass die leibeigenen Bauern das schlechtere Los gezogen haben, da sie nicht ihr „eigener Herr“ sein konnten und rechtlich gesehen nicht frei waren. Doch betrachtet man zum Beispiel die bäuerliche Bevölkerung in Oberschwaben um diese Zeit, sieht man das klare Gegenteil. Ein bestätigendes und zeitgenössisches Bild dieser Annahme, liefert uns der Biberacher Maler Johann Baptist Pflug, der in seiner Karikatur, mit der Bezeichnung „Neuwürttembergischer Fallehenbauer und Altwürttembergischer Grundbesitzer“,35 einem dicken, dennoch leibeigenen Lehnsbauer, einen dünnen, zwar rechtlich bessergestellten, freien, aber viel ärmeren Bauern gegenüberstellt.36 Dieses Phänomen scheint auf den ersten Blick sehr kontrovers, doch es lässt sich sehr leicht erläutern. Die Bauern im Herzogtum Württemberg unterlagen keiner Leibeigenschaft mehr, denn seit dem 16. Jahrhundert fungierten die Adeligen und Klöster nicht mehr als Inhaber von Herrschaftsrechten. So hatte die bäuerliche Bevölkerung meist ihre eigenes freies Gut oder Erblehen, welches sie bewirtschaften konnten. Dies war soweit sehr positiv, doch das Problem lag in der Tatsache, dass die Realteilung im Herzogtum Württembergüblich war. Das bedeutet, dass nach dem Tod des Bauern, das Erbe gleichmäßig auf alle Kinder aufgeteilt wurde und dies zu einer enormen Zersplitterung ihrer Güter führte.37 Die Felder, die zu bestellen waren, wurden immer kleiner und die einst großen Güter zerfielen in kleine, separat verwaltete Grundstücke. Diese Zersplitterung brachte große Nachteile mit sich, da ein großes Gut, auf Dauer, wirtschaftlich besser genutzt werden konnte und ertragreicher war, als kleine und auch teilweise geographisch getrennte, einzelne „Güterstückchen“. So spricht Wolfgang von Hippel, der Professor für Neuere Geschichte an der Universität von Mannheim, zu Recht von Eitel. Geschichte Oberschwabens. S. 109.
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1 Müller, F. L.: Die Revolution von 1848/49. Darmstadt [3]2009; Werner, E. M.: Kleine Geschichte der deutschen Revolution von 1848/49. Böhlau 2009; Engelhausen, F.:
2 Die Revolution von 1848/49. Schöningh 2007. Die Revolution von 1848/49. Schöningh 2007.
3 Abb. 1 „Wehe, wehe, steht der Bauer auf.“ Die Balance - Karikatur der Revolution 1848/1849 mit Bezug auf die Unzufriedenheit der Landbevölkerung.
4 Winkler, U.: Kompakt-Wissen Geschichte. Geschichte Oberstufe. Von der Französischen Revolution bis heut. 201 0. S. 20.
5 Knapp, G. F.; Grünberg, K. u. a.: Bauernbefreiung. In: Brockhaus Enzyklopädie. Bd. 2. Wiesbaden 1970. S. 373.
6 Eitel, Peter: Geschichte Oberschwabens im 19. Und 20. Jahrhundert. Band 1: Der Weg ins Königreich Würrtemberg (1800-1870). Ostfildern 2010.
7 Dipper, Christof: Die Bauernbefreiung in Deutschland: 1790 - 1850. Stuttgart 1980.
8 Hippel, W. v.: Die Bauernbefreiung im Königreich Württemberg. Bd. 2. Boppard 1977. S. 115.
9 Blickle, Renate: Frei von fremder Willkür. Zu den gesellschaftlichen Ursprüngen der frühen Menschenrechte. Das Beispiel Altbayern. In: Leibeigenschaft. Bäuerliche Unfreiheit in der frühen Neuzeit. Hrsg. v. Jan Klußmann. Köln 2003. S. 157.
10 Lütge, F.: Leibeigenschaft im fränkischen Reich und Deutschland. In: Brockhaus Enzyklopädie. Bd. 11. Wiesbaden 1970. S. 286.
11 Ullmann, Ingo: Die rechtliche Behandlung holsteinischer Leibeigener um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Dargestellt unter besonderer Berücksichtigung der Schmoeler Leibeigenschaftsprozesse von 1738 bis 1743 sowie von 1767 bis 1777. Frankfurt am Main u. a. 2007. S. 32.
12 Keitel, Christian: Herrschaftüber Land und Leute. Leibherrschaft und Territorialisierung in Württemberg 1246 - 1593. Leinfelden - Echterdingen 2000. S. 20.
13 Ebd
14 Keitel. Herrschaftüber Land und Leute. S. 108.
15 Eitel. Geschichte Oberschwabens S. 109.
16 Dazu: Siebeck, Oscar: Der Frondienst als Arbeitssystem. Seine Entstehung und seine Ausbreitung im Mittelalter. Tübingen 1904; Hauser, Alexander: Die Gesetzgebung zur Herstellung unbeschränkten Grundeigentums und zur Aufhebung der Leibherrschaft. Der Württembergische Weg. Tübingen 2003. S. 19-24.
17 Eitel. Geschichte Oberschwabens. S. 109.s
18 Ullmann. Holsteinische Leibeigene. S. 35; Hauser. Gesetzgebung. S. 20.
19 Ebd.
20 Ebd.
21 Eitel. Geschichte Oberschwabens. S. 110.
22 Ebd.
23 Hauser. Gesetzgebung. S. 31.
24 Eitel. Geschichte Oberschwabens. S. 110.
25 Ebd.
26 Hauser. Gesetzgebung. S. 30.
27 Hauser. Gesetzgebung. S. 31.
28 Ullmann. Holsteinische Leibeigene
29 Ebd. S. 132.
30 Eitel. Geschichte Oberschwabens. S. 109.
31 Dazu Rösener, Werner (Hrsg.): Strukturen der Grundherrschaft im frühern Mittelalter.Göttingen 1989.
32Eitel. Geschichte Oberschwabens. S. 109.
33Eitel. Geschichte Oberschwabens. S. 109.
34 Die Leibeigenschaft dauert vom Mittealter bis ins 19. Jahrhundert an. Erst mit dem Ende der „Bauernerbefreiung“ hört auch die Leibeigenschaft au zu bestehen.
35 Abb. 2
36 Eitel. Geschichte Oberschwabens. S. 108f.
37 Ebd. S. 109.
- Arbeit zitieren
- Bettina Weishaupt (Autor:in), 2012, Die Bauernbefreiung - Die Spuren der 48er-Revolution und weshalb sie doch nicht gescheitert ist, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199753
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