Dialogdarstellung für digitale Spiele: Eine Schnittstelle zwischen Game Writer und Entwicklerteam


Bachelor Thesis, 2012

64 Pages


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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Motivation
1.2 Zielsetzung

2 Game Writing
2.1 Der Game Writer im Entwicklerteam
2.1.1 Game Designer
2.1.2 Programmierer
2.1.3 Künstler
2.2 Möglichkeiten des Storytellings
2.2.1 Videosequenzen
2.2.2 Dialoge
2.2.2.1 Bedingungen

3 Werkzeuge der Autoren
3.1 Chat Mapper
3.2 articy:draft
3.3 Final Draft
3.4 Scrivener
3.5 Mindmapping-Software
3.6 Calliope-d
3.7 SimDialog
3.8 ScriptEase & Aurora Toolset
3.9 Anforderungen an die Visualisierung von Dialogen
3.10 Bewertung der Werkzeuge

4 Konzeption einer Visualisierung
4.1 Platz
4.2 Arbeitsoberfläche
4.2.1 Verzweigte Pfade
4.2.2 Aktionsgruppe
4.2.3 Dialogaktionen
4.2.4 Endknoten
4.2.5 Brotkrumennavigation
4.2.6 Startknoten
4.2.7 Dialogfilter

5 Prototypische Umsetzung
5.1 Entwicklungsumgebung
5.2 Dialogfilter
5.3 Dialogansicht
5.3.1 Brotkrumennavigation
5.3.2 Aktionsgruppen und Dialogaktionen
5.3.2.1 Erstellen und Bearbeiten
5.3.3 Evaluation
5.4 Zusammenfassung

6 Schlussfolgerung
6.1 Kritische Reflexion
6.2 Fazit
6.3 Ausblick
6.4 Persönliche Bemerkungen

Glossar

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Für die Erstellung von Dialogen für Videospiele werden unterschiedlichste Softwarelösungen herangezogen. Das Spektrum reicht hier von Dialogeditoren, die speziell für Game Writer entwickelt wurden, bis hin zu Textverarbeitungs- und Tabellenkalkulationsprogrammen. Ein Problem, das diese Werkzeuge teilen, ist die Darstellung von verzweigten Dialogen. Oftmals werden hier Graphen verwendet, die schnellüber den zur Verfügung stehenden Platz hinauswachsen und ein Navigieren erschweren. Diese Arbeit soll hierfür einen Lösungsansatz bieten.

Um dieses Ziel zu erreichen, werden aktuelle Werkzeuge sowie die Rolle des Game Writers in Entwicklerteams analysiert. Auf Basis dieser Grundlage wird ein Konzept für eine Dialogdarstellung entwickelt, die sich für die Erstellung und Evaluation von Dialogen eignet. Darüber hinaus liefert die prototypische Umsetzung des Konzeptes, welche die Kernfunktionalitäten aufweist, einen Machbarkeitsnachweis, um die Anforderungen an eine Visualisierung zu validieren.

Schlüsselwö rter: Videospiele, Dialoge, Visualisierung, Game Writing

Abstract

There are several software solutions in use to write dialogs for video games. The spectrum ranges from dialog editors that were specially developed for game writers to text processing programs and spreadsheet software. One problem, that those tools have in common, is the representation of branching dialogs. Often graphs are used but they outgrow the available space quite fast and make navigation very difficult. This thesis shall provide a solution to this problem.

To achieve this goal current tools as well as the role of the game writer in developing teams are analyzed. Based on this groundwork a concept for the visualization of dialogs will be developed that supports the writing and evaluation of dialogs. Furthermore the prototypical implementation provides a proof of concept to validate the requirements for representations.

Keywords: Video Games, Dialog, Dialogue, Visualization, Game Writing

1 Einleitung

I cherfindenichts-ichentdeckenuretwasneu “ -François Auguste René Rodin Game Writer vereinen die alte Tradition des Geschichtenerzählens mit der modernen Technologie der heutigen Spieleindustrie. Das Game Writing stellt dabei eine eigene ”Kunstform“dar,daeineGeschichteindigitalenSpielennichteinfachlinearerzählt werden kann. Die Spieler haben das Ruder in der Hand und Game Writer müssen sich der Aufgabe stellen, dem Spieler die Geschichte zu erzählen, ohne zu wissen, was die- ser als nächstes tut. Eine besondere Herausforderung spielt hier die Interaktivität der Dialoge. Oftmals haben Spieler die Möglichkeit, Entscheidungen in Dialogen zu treffen und so den Spielverlauf zu beeinflussen. Die Wahlmöglichkeiten in Dialogen können auch von Game Writern genutzt werden, um eine Illusion von spielerischer Freiheit bei den Spielern zu erzeugen. Auf diese Weise können nichtlineare Dialoge mit der Geschichte eine Spiels verknüpft werden, um diese linear zu erzählen. Da eine einzelne Dialogzeile keinen Entscheidungsfreiraum bietet, müssen mehrere Zeilen geschrieben und miteinander verbunden werden, um zu unterschiedlichen Ausgängen eines Dialo- ges führen zu können.

Um diese Aufgabe zu erleichtern, soll in dieser Bachelorarbeit eine Visualisierung ent- wickelt werden, die es erlaubt verzweigte Dialogstrukturen abzubilden und zu erstellen. Darüber hinaus soll die Möglichkeit gegeben sein, während der Entwicklungszeit eines Spiels die Dialoge mit Hilfe der Visualisierung zu evaluieren. Dies soll die Konsistenz der Dialoge - hinsichtlich des Sprachgebrauchs und der Resultate - gewährleisten.

1.1 Motivation

Das Game Writing ist eine Disziplin, die sichüber den gesamten Entwicklungspro- zess eines Spiels erstrecken kann und stark beeinflussend auf viele Bereiche der Ent- wicklung wirkt. Daraus resultiert, dass die eingesetzten Werkzeuge jeden Bereich mit den nötigen Informationen versorgen müssen. Aktuelle Dialogeditoren verwen- den Graphen zur Darstellung der Elemente eines Dialoges. Da es sich dabei jedoch nicht um platzfüllende Darstellungsformen handelt, wird der verfügbare Platz schnellüberstiegen. Deshalb müssen grafische Repräsentationen gefunden werden, die eine durchschaubare Mischung aus Daten, Interaktionsmöglichkeiten und Abhängigkeiten gewährleisten können. Darüber hinaus betrachten Dialogeditoren zumeist die Thema- tik der Evaluation nicht oder nicht ausreichend genug, um eine adäquate Leistung in diesem Bereich zu erbringen. Zumeist muss die Evaluation manuell erfolgen, indem die Ansicht von einem Knoten zum nächsten verschoben wird, da diese — aufgrund des begrenzten Platzes — nicht gleichzeitig dargestellt werden können. Die mangelndeÜbersicht kann sich somit als Fehlerquelle herausstellen und sich negativ auf die Bewertung und Anpassung von Dialogen auswirken.

1.2 Zielsetzung

In dieser Bachelorarbeit soll eine innovative Darstellungsform entwickelt werden, die besonders auf die Bedürfnisse von Game Writern zugeschnitten ist. Die Anforderun- gen, die sich aus der Arbeit in Entwicklerteams ergeben, sollen dabei jedoch nicht vergessen werden. Die Visualisierung soll nicht nur der Demonstration von Dialo- gen dienen, sondern eine voll funktionsfähige Arbeitsoberfläche darstellen, die zur Erstellung und Evaluation von Dialogen genutzt werden kann. Bei der Entwicklung der Visualisierung werden wissenschaftliche Arbeiten aus den Bereichen Game Wri- ting und Daten-Visualisierung berücksichtigt. Des Weiteren sollen auch Kriterien aus der Software-Ergonomie beachtet werden, um eine gebrauchstaugliche Arbeitsoberfläche zu gestalten.

Das entwickelte Konzept soll prototypisch auf Basis der Windows Presentation Founda tion (WPF) mit der Programmiersprche C# umgesetzt werden. Durch die Darstellung von Dialogen aus Spielen soll abschließend ein Machbarkeitsnachweis geliefert und eine Diskussionsgrundlage für eine platzfüllende Visualisierung von Dialogen in Videospielen geschaffen werden.

2 Game Writing

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit dem Tätigkeitsfeld der Game Writer. Es werden die Aufgaben, die diese im Entwicklerteamübernehmen, beschrieben und gezeigt welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um Spielern narrative Inhalte zu vermitteln. Da sich diese Bachelorarbeit in erster Linie der Darstellung und Bearbeitung von Dialogen widmet, wird dieses Themenfeld eingehender betrachtet. Abschließend wird die in den folgenden Kapiteln wichtige verwendete Terminologie festgelegt.

2.1 Der Game Writer im Entwicklerteam

Game Writer kommen im Entwicklungsprozess an vielen Stellen zum Einsatz. In Sport- spielen formulieren sie beispielsweise die Sätze der Kommentatoren, in Abenteuerspie- len sind sie zuständig für die Ausarbeitung der Dialoge und in Rollenspielen schreiben sie unter anderem die Beschreibungen für Quests und Gegenstände. Inhalt ihrer Arbeit sind aber auch Benutzerhandbücher, Lösungsbücher oder die Hintergrundgeschichten von Charakteren und ganzen Spielwelten [Bat04]. Ein Beispiel dafür ist der Kodex aus dem Spiel Dragon Age Origins (BioWare), mit dessen Hilfe der Spieler Informationenüber die Welt Thedas sammeln und - nach eigenem Interesse an der Geschichte - lesen kann. Game Writer sind damit für sämtliche narrativen Inhalte eines Spieles verantwortlich. Wie stark ein Game Writer in einem Projekt involviert ist, hängt in erster Linie von der Art des Spiels ab. In Spielen, die stark handlungsgetrieben sind, können sie für die gesamte Handlung des Spiels verantwortlich sein. In anderen Projekten kann es sich nur um die Ausformulierung und Lokalisation von Texten handeln [Boe11]. Abhängig von der Arbeit und der damit verbundenen Verantwortung ist auch die Art der Beschäftigung. Oftmals sind Game Writer Freelancer, die nur an bestimmten Zeit- punkten des Entwicklungsprozess am Projekt mitarbeiten [Bat04].

Da ein nicht unerheblicher Anteil der Game Writer vor Eintritt in die Spielebranche als Drehbuchautoren arbeiteten, wird an dieser Stelle kurz die Arbeit beider Berufe voneinander abgegrenzt. Während ein Drehbuchautor eine Idee für einen Film nieder- schreibt und diese an ein Filmstudio schickt, damit der Film produziert wird, suchen Game Studios nach Game Writern, um eine bestehende Spielidee durch narrative Inhal- te zu ergänzen. Das bedeutet allerdings nicht, dass zwischen Game Writern und dem restlichen Team keine Zusammenarbeit stattfindet oder, dass Game Writer keine Verbes- serungsvorschläge einbringen können. Jedoch geschieht dies in der Regel in Absprache mit Game Designern, Programmierern oder Künstlern(Sound, 2D, 3D etc.) [Inc06].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1: Einfache Darstellung eines Entwicklungsteams aus Sicht der Game Writer

2.1.1 Game Designer

In Abbildung 2.1 sind die Verbindungen des Game Writers zu den weiteren Teammit- gliedern zu sehen. Je stärker die dargestellte Verbindung, desto enger ist die Zusam- menarbeit und die Beziehung zum Game Writer. Im Entwicklungsprozess haben Game Writer die stärkste Beziehung zum Game Designer. Der Game Designer hat die Vision vor Augen, wie das endgültige Spiel einmal aussehen soll [Mar06]. Er ist derjenige, der den Spaß ins Spiel bringt und für gutes Spielerlebnis sorgt. Als einer der zentralen Ent- scheidungsträger muss er Vorschläge des Teams im Hinblick auf die Spielidee und ihre Durchführbarkeit abwägen und Entscheidungen treffen, ob Veränderungen am Game Design vorgenommen werden. Daraus ergibt sich, dass die Vision des Game Designers nicht von Anfang bis Ende unveränderlich feststeht. Im Entwicklungsprozess müssen Anpassungen vorgenommen werden, die sich zum Beispiel aus den technischen Re- striktionen der Hardware-Plattform, der begrenzten Entwicklungszeit und dem Budget ergeben.

Die Vision beeinflusst besonders die Arbeit des Game Writers, da sich hierdurch zum Beispiel sein Schreibstil ergibt. Im Falle eines atmosphärisch düsteren Spiels würde sich ein blumiger und fröhlicher Schreibstil negativ auf das Gameplay und besonders auf die Immersion auswirken. In gleichen Maßen muss der Game Writer das Bild, das der Game Designer von einer Figur und dessen Charakter hat, berücksichtigen, damit der Spieler anhand der Dialoge und der Geschichte den Archetypus einer Figur erkennen kann.

Darüber hinaus muss der Game Writer Informationen erhalten, wie die narrativen Inhal- te an den Spielerübermittelt werden sollen. Sind aufwendige Videosequenzen geplant? Kann auf Scripted-Scenes und Dialoge zurückgegriffen werden? Dies sind einige von vielen Fragen, die einem Game Writer beantwortet werden müssen.

2.1.2 Programmierer

Quelle: http://masseffect.wikia.com/wiki/Dialogue

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.2: Mass-E ff ect - Das Dialog-Wheel

Quelle: http://www.gamearch.com/2010/04/20/vancouver-game-design-expo-2010/1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.3: Mass-E ff ect - Aufbau des Dialog-Wheels

Der Programmierer erweckt die Vision des Game Designers zum Leben. Im Gegen- satz zum Game Writer ist ein Programmierer meist vom ersten Tag der Umsetzung am Projekt beteiligt und bleibt dies bis zum Tag der Fertigstellung und gegebenen- falls noch darüber hinaus. Sein Arbeitsbereich erstreckt sich unter anderemüber die Umsetzung der Spiellogik, der grafischen Effekte, der Integration von Assets und der Programmierung der künstlichen Intelligenz. Je nach Größe des Projektes und des Ent- wicklungsteams widmen sich ein einzelner oder aber mehrere Programmierer diesen Komponenten [Bat04]. Als Schnittstelle zum Game Writer ist besonders die Umsetzung eines Dialogsystems zu nennen, das letztendlich den Charakteren die Worte des Game Writers in den Mund legt. Maßgeblich ist hier auch die verwendete Game Engine. Torque (Garagegames) und Virtools (3DExperience) verwenden beispielsweise eine Skriptsprache zur Umsetzung der Dialoge, was dazu führen kann, dass Programmierer die Texte des Game Writers in die Skriptsprache der Game Engineübertragen müssen [OBBC08]. Als Beispiel für die Darstellung eines Dialogsystems in einem Spiel soll hier das Dialog Wheel aus dem Spiel Mass E ff ect (BioWare) 1 dienen.

In der Abbildung 2.2 ist das Dialog-Wheel auf die Aussage ” L ookslikeadozen.May- be more. “ von Fai Dan zu sehen. Der Spieler kann sich hier zwischen den Aussagen ” C anihelp? “,” Whatsgoingon? “und ” Onlyadozen? “entscheiden.DabeiistderAufbau des Dialog-Wheels stets der selbe (siehe Abbildung 2.3). In diesem Beispiel kann der Spieler eine neutrale Aussage (in Abbildung 2.2 gelb markiert) treffen oder sich für eine Antwort entscheiden, die einem Vorbild (engl. Paragon) oder einem Abtrünnigen (engl. Renegade) entspricht. Die Wahl beeinflusst den späteren Spielverlauf, da sich der Spieler so einen bestimmten Ruf erarbeitet, der sich in der Reaktion von Nicht-Spieler- Charakteren auf ihn widerspiegelt. Je nach Spielsituation und Ausbau der Fähigkeiten des Spielers-Charakters kann die Anzahl der Auswahlmöglichkeiten variieren. Für den Game Writer bedeutet dies, dass er bei diesem Dialogsystem für bis zu sechs Aus- wahlmöglichkeiten Dialogzeilen verfassen muss, die zu einer Verzweigung des Dialogs führen.

2.1.3 Künstler

Der 2D- und 3D-Künstler setzt die Idee eines Charakters grafisch um. Der Game De- signer gibt dabei einen Rahmen vor, wie zum Beispiel die zeitliche Epoche definiert ist, in der das Spiel anzusiedeln ist, und ob es nur eine menschliche Rasse gibt oder der Charakter als Teil der Spielwelt einer anderen Rasse entstammt. Der Game Writer wird diesen Rahmen durch Details füllen, indem er zum Beispiel eine Hintergrundge- schichte zu einem Charakter verfasst. Dieser könnte gemäß seiner kriegerischen Natur im Kampf ein Auge verloren haben, was der Künstler bei der Erstellung des Models be- achten sollte. Im besten Fall sollte das Aussehen des Charakters dem Bild entsprechen, welches der Game Writer im Kopf des Spielers erzeugt, da es ansonsten auch hier zu einer Störung der Immersion kommen kann.

2.2 Möglichkeiten des Storytellings

Game Writern stehen mehrere Stilmittel zur Verfügung, um Spielern narrative Inhalte zu vermitteln. Hier soll nun ein kurzerÜberblicküber die Möglichkeiten gegeben wer- den.

Quelle: http://blog.arunace.com/?attachment i d = 1982

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.4: Diablo 3 - Videosequenz (mit Leah)

Quelle: http://diablo.gameplorer.de/bilderstrecken/akt-1-in-bildern/18/

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.5: Diablo 3 - Scripted-Scene

2.2.1 Videosequenzen

Ein Mittel, bei welchem die Arbeit des Game Writers der des Drehbuchautoren am nächsten kommt, ist die Videosequenz (in Form eines Game Intros oder einer Cutsce- ne). Dabei handelt es sich meist um eine hochwertig produzierte filmähnliche Szene, die jedem Spieler auf die gleiche Weise präsentiert wird. Videosequenzen werden be- sonders bei Schlüsselmomenten oder Wendepunkten in einem Spiel verwendet. Dabei kommt es zu einem Kontrollverlust, was bedeutet, dass Spieler nicht mehr in die Szene eingreifen können. Eng verwandt mit der Videosequenz ist die Scripted-Scene. Dabei handelt es sich um eine Sequenz, die mit den Mitteln der Game Engine umgesetzt wird.

Es besteht somit kein grafischer Unterschied zum Rest des Spiels. Die Abbildungen 2.2.1 und 2.5 sollen den grafischen Unterschied zwischen einer Videosequenz und einer Scripted-Scene verdeutlichen. Auch bei Scripted-Scenes verliert der Spieler die Kon- trolleüber das Spiel. Allerdings gibt es Spiele, die diesen Kontrollverlust vermeiden. In Half-Life 2 (Valve) und World of Warcraft (Blizzard) behält der Spieler weiterhin die Kon- trolleüber seinen Charakter und kann mit der Umgebung interagieren. Er trifft somit selbst die Entscheidung, ob er der Szene seine Aufmerksamkeit widmet oder nicht. Die Szenen haben unabhängig von den Aktionen des Spielers einen linearen Verlauf. Der Game Writer kann somit - wie bei einem Drehbuch - die Dialogzeilen schreiben und Regieanweisungen geben.

2.2.2 Dialoge

Eine besonders interaktive Möglichkeit des Storytellings sind Dialoge. Damit sind Ge- spräche im Spiel zwischen dem Spieler und Nicht-Spieler-Charakteren gemeint. Hier hat der Spieler die Möglichkeit sich innerhalb eines Menüs für Dialogzeilen zu ent- scheiden, die sein Charakter äußert. In Abbildung 2.6 ist ein solches Menüim Spiel The Elder Scrolls V: Skyrim (Bethesda Softworks) zu sehen und auch das Dialog-Wheel aus Mass E ff ect in der Abbildung 2.2 auf Seite 5 stellt ein solches Dialog-Menüdar. Die Beson- derheit bei Dialogen ist, dass diese sich entsprechend der getroffenen Wahl des Spielers verzweigen. Für Game Writer bedeutet dies, dass sie nicht einfach einen Dialog Zeile für Zeile niederschreiben können, sondern stattdessen verschiedene Möglichkeiten des Dialogverlaufs ausarbeiten müssen. Aus dem Game Design können sich so zum Bei- spiel verschiedenen Handlungsstränge ergeben, wenn der Spieler in Mass E ff ect sich für eine feindselige Aussage statt einer freundlichen entscheidet (siehe Abbildung 2.3 auf Seite 2.3).

Abb. 2.6: Skyrim - Dialog mit Farengar Heimlich-Feuer

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.7 soll verdeutlichen, wie ein kurzes Gespräch als Graph dargestellt wer-den kann. Der Pirat (NSC) leitet dabei das Gespräch mit der Dialogzeile ”Whereisthe Gold?“ ein. Guybrush (also: der Spieler) hat drei Möglichkeiten, wie er auf diese Aussage reagiert. Die dritte Wahlmöglichkeit verzweigt dabei ein weiteres Mal. Die getroffene Wahl führt dabei zu unterschiedlichen Ausgängen. Die erste Option ( ”Idontknow!“) führt dazu, dass Guybrush das Gold kampflos behält. Durch die zweite Option ( ”Its over there!“) verliert Guybrush das Gold und bei der dritten Option hat der Spieler die Wahl, ob er gegen den Piraten kämpft oder das Gold kampflos abgibt. In einer Videosequenz könnte ein Game Writer sich einfach auf einen der Dialogzweige beschränken. Durch einen solch verzweigten Dialog kann dem Spieler jedoch das Gefühl gegeben werden, dass er den Spielverlauf selbst in der Hand hat. Die Abbildung 2. 7 zeigt dabei einen Dialog, der auf den Spielverlauf einwirkt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.7: Dialoggraph - Gespräch zwischen Guybrush und einem Piraten

Ein anderes Beispiel für verzweigte Dialoge zeigt sich in Abbildung 2. 8. Hier hat der Spieler die Möglichkeit, sich zu Beginn des Dialoges zwischen drei Aussagen zu ent- scheiden, der Ausgang ist jedoch - unabhängig von der getroffenen Wahl - derselbe. Eine solche Dialogführung stellt ein einfaches Mittel dar, um eine Illusion von Freiheit für einen ”linearen“DialogbeidenSpielernzuerzeugen.NegativkönntensichDialo- ge dieser Art auf Spieler auswirken, die aufgrund des Ausgangs eines Gesprächs ein neues Spiel beginnen oder einen alten Spielstand laden, nur um zu erfahren, dass ihre Entscheidung keine Auswirkungen auf den Spielfluss haben. Deshalb sollte kritisch abgewogen werden, wann eine solche Dialogstruktur eingesetzt werden kann [Mar[06]]. Wie die Abbildungen zeigen, haben Gespräche einen Anfang und im interaktivsten Fall zwei oder mehr Ausgänge mit dazugehörigen Zweigen. Game Writer können Spielern aber auch anbieten, einen Dialog weiter zu durchstöbern. Dazu können Game Writer mit Rücksprüngen arbeiten, die es Spielern erlauben, tiefer in Dialoge einzudringen undüber Rücksprungknoten an einen vorherigen Punkt im Gespräch zu springen, an dem bereits eine Entscheidung getroffen wurde. In Abbildung 2.9 können Spieler so zum Beispiel an den Anfang des Dialoges zurückspringen. Häufig finden sich diese Rücksprungknoten bei sehr informationslastigen Spielen, die Spieler dazu einladen, mehrüber die Hintergrundgeschichte zu lernen. Eine genauere Betrachtung der The- matik ist unter dem Begriff Hubs-And-Spokes Dialogue in der Bachelorarbeit von Katja Neuwald zu finden [Neu10].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.8: Dialoggraph - Scheinwahl

Abb. 2.9: Dialoggraph - Sprung an den Anfang des Dialogs

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2.2.1 Bedingungen

Bei Bedingungen handelt es sich um Variablen, die vor oder innerhalb von Dialogen beachtet werden müssen und einen Dialog beeinflussen können. Hier bedarf es beson- ders der Zusammenarbeit von Game Writern und Programmierern, um sicherzustellen, ob mit Bedingungen gearbeitet werden kann und in welcher Form und Anzahl dies möglich ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.10: Beispielskript - Dialog mit Bedingungen

In Abbildung 2.10 werden einige Dialogzeilen eines NSC gezeigt, die gemäß der Be- dingungen ausgewählt werden. Handelt es sich bei dem Charakter des Spielers zum Beispiel nicht um einen Krieger, so wird er vom NSC zu einem anderen Ort geschickt. Handelt es sich um einen Krieger mit einem Level niedriger als zehn, so wird der NSC ihn abweisen, da er noch zu wenig Erfahrung hat. Im Beispiel werden unter anderem das Level und die Klasse des Spielers als Bedingungen verwendet. Häufig wird aber auchüberprüft, ob der Spieler im Besitz eines wichtigen Gegenstands ist oder eine Auf- gabe erfolgreich erfüllt hat. Die Nutzung von Bedingungen lässt ein Spiel intelligenter erscheinen, da zum Beispiel anders auf den Spieler reagiert wird, wenn er bereits mit einem NSC in Kontakt getreten ist. Für Game Writer erhöht dies jedoch ungemein den Komplexitätsgrad und darüber hinaus müssen mehr Dialogzeilen geschrieben werden. Deshalb muss beim Game Design darauf geachtet werden, wie stark mit Variablen gear- beitet werden soll, damit diese Arbeit in einem kalkulierbaren Rahmen bleibt [Mar06].

Da zeitgleich zu dieser Bachelorarbeit die Formulierung, Benutzung und Definition von Bedigungen und Konsequenzen durch Min-Ki Ko untersucht werden, soll hier diese kurze Betrachtung der Thematik genügen.

3 Werkzeuge der Autoren

Bei der in diesem Kapitel vorgestellten Software handelt es sich um eine kleine Auswahl an Werkzeugen, die von Game Writern eingesetzt werden, um verzweigte Dialoge zu erstellen. Ein besonderer Fokus liegt bei der Betrachtung auf der Visualisierung von Dialogen. Die Software kann nach ihrem eigentlichem Einsatzgebiet unterschieden werden.

Software für Game Writer: In diese Gruppe fallen Werkzeuge wie Chat Mapper und articy:draft, die für die Zielgruppe Game Writer entwickelt wurden und damit die Ansprüche der Zielgruppe an verzweigende Dialoge berücksichtigen.

Software für (Dreh)Buchautoren: Final Draft und Scrivener gehören in diesen Be- reich. Fuß fassen konnten diese Programme durch die beruflichen Wurzeln vieler Game Writer, die vormals als Schriftsteller, Journalisten oder Drehbuchautoren arbeiteten.

Software zur Erstellung von Mindmaps: Mindmapping-Tools können aufgrund ih- rer bevorzugten Baumstruktur genutzt werden, um nicht-lineare Dialoge darzu- stellen.

Des Weiteren werden Ansätze und Umsetzungen aus der Wissenschaft betrachtet, die zum Beispiel wie ScriptEase bereits eingesetzt werden oder sich wie Calliope-d und SimDialog in der Entwicklung befinden.

Neben den hier erwähnten Werkzeugen befinden sich noch Inhouse-Lösungen von Game Studios im Einsatz, die speziell auf die Bedürfnisse eines Spiels oder eines Entwicklerteams zugeschnitten sind.

3.1 Chat Mapper

Bei Chat Mapper (Urban Brain Studios) handelt es sich um ein Werkzeug zur Erzeugung von verzweigten Dialogen - speziell für die Zielgruppe Game Writer. Dem Anwender steht zur Erstellung und Bearbeitung der Dialoge eine grafische Benutzeroberfläche zur Verfügung. Im Programm wird zwischen Dialogen (in Chat-Mapper: Conversations) und Dialogaktionen (in Chat Mapper: Dialog) unterschieden. Ein Spiel enthält mehrere Dialoge und ein Dialog besteht aus mehreren Dialogaktionen. Dialogaktionen werden als einzelne Elemente/Knoten visualisiert und in einer baumähnlichen Struktur orga- nisiert. Dabei entspricht jeder Knoten einer Dialogzeile. Die einzelnen Knoten stellen dabei Informationen wie dieÜberschrift, den Menütext, die beteiligten Charaktere und den gesprochenen Text bereit.Über ein Property-Fenster lassen sich weitere Eigenschaf- ten einer Dialogaktion einsehen und bearbeiten. Gemäß der baumähnlichen Struktur haben Dialogaktionen mindestens einen Vorgänger. Um Verzweigungen darzustellen, können Gruppen eingefügt werden, die alternative Dialogaktionen unter sich vereinen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, Dialogaktionen untereinander zu verlinken, um so am Ende eines Dialogpfads einen Sprung zurück an eine vorherige Gruppe abbilden zu können. Da die gewählte Darstellungsform bereits bei kleinen Dialogen zu großen Graphen führt, steht ein Overview- Fenster zur Verfügung, das den aktuellen Dialog in seiner Gesamtheit - aber in verkleinerter Form - darstellt.

Neben der Dialogerstellung bietet Chat Mapper auch die Möglichkeit, Charaktere, Ge- genstände, Orte und Bedingungen zu verwalten. Für jedes dieser ”Assets“können passende Eigenschaften wie Beschreibung, Alter, Geschlecht, Zustand und Kapitel ge- setzt werden. Darüber hinaus steht eine Testumgebung für die Dialoge zur Verfügung.

Abb 3.: Chat Mapper

In einer Simulation können die 1 Dialogzeilenüber die Menütexte ausgewählt werden und es erscheint die Dialogzeile als gesprochener Text unterhalb des Charakterbildes. Auf diese Weise lassen sich Konversationen beispielhaft durchspielen und fehlerhafte Verzweigungen ausfindig machen. Die Darstellung des Simulators entspricht einem einfachen - aber zweckmäßigen - Spiel.

[...]


1 Bei der Entwicklung der Mass E ff ect-Triologie wurde sehr viel Verantwortung durch Drew Karpyshyn, der als Game Writer und Romanautor arbeitet,übernommen. Als Hauptverantwortlicher entwickelte er das ”Drehbuch“desSpielsunddarüberhinausveröffentlichteerdreiRomane,welchedie Mass E ff ect-Teile einleiten und miteinander verbinden.

Excerpt out of 64 pages

Details

Title
Dialogdarstellung für digitale Spiele: Eine Schnittstelle zwischen Game Writer und Entwicklerteam
College
University of Duisburg-Essen
Author
Year
2012
Pages
64
Catalog Number
V199723
ISBN (eBook)
9783656275855
ISBN (Book)
9783656277446
File size
3334 KB
Language
German
Keywords
ansatz, visualisierung, erstellung, spiele, dialoge
Quote paper
Markus Stolzenburg (Author), 2012, Dialogdarstellung für digitale Spiele: Eine Schnittstelle zwischen Game Writer und Entwicklerteam, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199723

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