Montage im Computerspiel


Bachelorarbeit, 2012

72 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Montagetheorien des Films
2.1. Sergei Michailowitsch Eisenstein
2.2. Béla Balázs
2.3. Hollywoods Montagetheorie

3. Montage in narrativen Spielabschnitten
3.1. Cutscenes
3.1.1. Formen
3.1.2. Mafia 2
3.1.3. Fahrenheit
3.1.4. Command and Conquer: Alarmstufe Rot
3.2. Skriptsequenzen am Beispiel von Half-Life 2
3.3. Dialogsequenzen am Beispiel von Gothic und L.A. Noire

4. Montage in ludischen Spielabschnitten
4.1. Black Mirror 3
4.2. Shogun 2: Total War
4.3. L.A. Noire

5. Fazit

Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1. 180-Grad-Regel / Grafik zu Sherlock Holmes

Abb. 2. 180-Grad Regel / Grafik zu Mafia 2

1. Einleitung

Das übergreifende Thema dieser Bachelor-Thesis ist die Montage. Eisenstein behauptete: „Cinematography is, first and foremost, montage.“ (Eisenstein 1929: 28) Alfred Hitchcock bezeichnete sie gar als einzige Kunstform, die das letzte Jahrhundert hervorbringen konnte (vgl. fr-online 2008). Seit ihrer Entdeckung und den ersten Experimenten durch Georges Méliès und später vor allem Edwin S. Porter mit seinem Film Life of an American Fireman (USA, Edwin S. Porter 1903), setzten sich viele Filmemacher und Theoretiker mit diesem Themenkomplex auseinander. Dabei wird der Begriff Montage oft nur unscharf definiert und überlagert sich mit dem Wort Schnitt.

Zum einen wird Montage häufig mit dem Begriff Schnitt gleichgesetzt. Laut Duden bedeutet Schnitt einen „Wechsel von einer Einstellung zur nächsten durch Schneiden“ oder eine „Aneinanderreihung der Bilder verschiedener Fernsehkameras zu einer zusammenhängenden Abfolge“. Der Schnitt befasst sich also mit dem Erstellen einer Sequenz oder anders ausgedrückt: Mit der Verbindung einzelner Einstellungen zu einer Einheit, die in ihrem Ablauf zeitlich und räumlich kontinuierlich ist (Beller 2005: 11). Dagegen handelt es sich bei der Filmmontage, um einen Vorgang, „der einen Film in seinem Ablauf strukturiert“ (ebd.: 9) und der „die Auswahl, Begrenzung und Anordnung der visuellen und akustischen Elemente eines Filmes meint“ (ebd.).

Zusammengenommen befasst sich die Montage also sowohl mit dem Schnitt einzelner Sequenzen, als auch um die Anordnung der Sequenzen zu einem Film. In dieser Arbeit wird Schnitt daher als ein notwendiger, untergeordneter Bestandteil der Montage angesehen.

Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt aber nicht auf der Montage im Film, sondern auf ihrer Anwendung im Computerspiel[1]. Die Relevanz für eine Auseinandersetzung mit diesem Thema folgt dabei aus dem hohen Tempo, in dem sich dieses Medium in der Vergangenheit entwickelt hat und welches es noch immer vorweisen kann. Der Umsatz mit Computer- und Videospielsoftware als Datenträger oder Download betrug in Deutschland im Jahr 2010 1.590 Millionen Euro (BIU 2012). Zum Vergleich betrugen im selben Jahr die Verkäufe der Musikbranche von physischen und digitalen Datenträgern 1.489 Millionen Euro (BVMI 2012). 2011 gelang es Call of Duty: Modern Warfare 3 (Activision, 2011) den von Avatar (USA, James Cameron 2009) aufgestellten Verkaufsrekord von einer Milliarde US-Dollar nach 17 Verkaufstagen, nach bereits 16 zu schlagen (web.de 2011). Diese Zahlen belegen, dass Computerspiele schon lange kein Randphänomen mehr sind und sich das Game zunehmend als dominierendes Medium etabliert.

Zwar existieren unzählige Bücher, die sich mit der Montage im Film auseinandersetzen, die Literatur über die Anwendung im Computerspiel ist hingegen nach wie vor wenig präsent. In den aufkommenden Game Studies, die sich wissenschaftlich mit dem Phänomen Computerspiel beschäftigen, findet dieser Zweig nur wenig Aufmerksamkeit oder wird gar ausgeklammert. Andreas Rauscher behauptet beispielsweise in seinem Text „Hindernislauf der Attraktionen - Filmische Spielwelten in Shooter-Games“, dass keine Montage in First-Person-Shootern[2] existiere (2009: 375). Somit ist diese Arbeit also auch eine Antwort auf die Frage, ob Montage im Computerspiel zu finden ist. Daran schließt sich an: Tritt Montage in einer gewandelten Form auf und wenn ja in welcher?

Marshall McLuhan erkannte, dass der Inhalt jeden Mediums immer ein anderes Medium ist (1964: 8). Zusätzlich spricht für die Existenz der Montage im Computerspiel, die zu beobachtende Entwicklung, dass sich die Medien Film und Game aufeinander zubewegen. Neben der wirtschaftlichen Konkurrenz, nutzen beide das jeweils andere Medium für Anregungen. „The continuous cross-referencing between film and video game has blurred some borderlines. Films inspire the computer game industry, leading to many titles quoting or referring to film content and design. At the same time, video game production methods as well as aesthetics influence film [...]” (Nitsche 2008: 90). Beispiele finden sich in Filmen wie Avatar oder James Bond: Ein Quantum Trost (orig. Titel: Quantum of Solace) (USA/GB, Marc Foster 2008), die beinahe wie selbstverständlich als Spiel adaptiert werden. Umgekehrt bedienen sich Filme wie Lara Croft: Tomb Raider (USA/D/UK/J, Simon West 2001) oder Alone in the Dark (CDN/D/USA, Uwe Boll 2005) einer Computerspielvorlage.

Eine weitere Erscheinung dieses Austauschs ist, dass Computerspiele, seitdem es die technischen Möglichkeiten erlauben, wie selbstverständlich Filmsequenzen enthalten. Beinahe jedes Game beginnt mit einem Film als Introduktion und nutzt weitere Zwischensequenzen, um die Handlung voranzutreiben. Jüngste Beispiele wie Heavy Rain (Sony Computer Entertainment, 2010), die beinahe ausschließlich aus interaktiven Zwischensequenzen bestehen, legen entsprechend starken Fokus auf eine filmische Darstellung. Das Videospiel-Magazin Gamepro erwartet etwa von einem Spieler[3], der sich Heavy Rain zuwendet, ihn ,,(...) als interaktiven Film (...)“ zu akzeptieren und nicht als „gewöhnliches Videospiel“ (Gamepro 2010).

Eine grundlegende Annahme dieser Arbeit ist somit, dass filmästhetische Kenntnisse bei der Betrachtung von Computerspielen von Bedeutung sind. Explizit untersucht werden hierzu die Montagetheorien von Sergej Michailowitsch Eisenstein und Béla Balázs. Die Theorien dieser beiden Personen sind im Zusammenhang mit dieser Arbeit besonders reizvoll, da ihre Auffassungen über die Verwendung von Montage sehr unterschiedlich geprägt sind. Als Methodik wird ein Vergleich zwischen den theoretischen Gedanken von Balázs/Eisenstein und der praktischen Umsetzung im Computerspiel angewandt. Dazu werden bestimmte Computerspiele und Filme als Beispiele ausgewählt und analysiert. Die Filme Streik (orig. Titel: Стачка) (UdSSR, Sergej Eisenstein 1925) und Oktober[4] (orig. Titel: Октябрь) (UdSSR, Sergej Eisenstein 1928), die als Vertreter einer Montage im Sinne von Eisenstein stehen, werden Russian Ark (orig. Titel: Русский ковчег) (RUS/D, Alexander Sokurow 2002) und Children of Men (USA/GB, Alfonso Cuarón 2006) als Beispiele für eine Montage nach der Theorie von Balázs gegenübergestellt.

Auch auf Seiten der Spiele ist eine Differenzierung nötig. Unterschieden wird in dieser Arbeit zwischen narrativen und ludischen Abschnitten, wobei sich zwischen diesen beiden Gruppen bereits Grauzonen abzeichnen. Auch in der Gestaltung bestehen unterschiedliche Ausprägungen. So sind sowohl vorberechnete[5] Cutscenes, Sequenzen in Spielgrafik und Zwischensequenzen mit Realfilm-Aufnahmen narrativen Strukturen zuzuordnen. Relevante Fragen sind hierbei: Welche Montagetheorie von Balázs oder Eisenstein findet sich im Computerspiel wieder und warum werden diese eingesetzt? Werden Konventionen des klassischen Hollywoods eingehalten? Nach dem Vergleich zwischen den beiden Medien stellt sich die Frage, ob und wie sich die Montage von Spiel zu Spiel unterscheidet. Welche Erscheinungsformen kann die Montage im Game annehmen? Um diese Frage zu beantworten, greift diese Arbeit auf Computerspiele verschiedener Genre zurück. Dieser möglichst genreunabhängige Einblick, folgt der Auffassung, dass die Unterschiede in der visuellen Präsentation zwischen verschiedenen Genres größer ist, als zwischen Vertretern des identischen Genres und sich hiermit weitreichendere Erkenntnisse über die unterschiedlichen Montagetechniken auftun. Daher wird beispielsweise sowohl das Genre der First-Person-Shooter anhand von Half­Life II (Vivendi Universal, 2004), das Echtzeitstrategiespiel[6] durch Command & Conquer: Alarmstufe Rot (Virgin Interactive, 1996), als auch die Gattung der Point-and-Click-Adventures[7] mit Hilfe von Black Mirror 3 (dtp entertainment, 2011) beleuchtet.

Die Auswahl der untersuchten Spiele zielt dabei in keiner Weise auf eine Vollständigkeit ab, dafür bieten die Erscheinungsformen von Computerspielen eine zu hohe Vielfalt an. Dem ist zum Beispiel geschuldet, dass diese Arbeit ausschließlich PC-Spiele untersucht. Herausgearbeitete Kenntnisse sind aber dennoch auf Konsolenspiele anwendbar, da viele der untersuchten Games auf unterschiedliche Plattformen portiert wurden. Das Action-Adventure L.A. Noire (Rockstar Games, 2011) erschien etwa sowohl auf dem PC, als auch für die Playstation 3 und die Xbox 360. Außerdem wird auf die Informationsebenen von Ton und Musik nur beschränkt eingegangen, da das Bild im Fokus der Ausführungen stehen soll.

Der Beginn dieser Arbeit widmet sich einer Einführung in die Montagetheorien von Eisenstein, Balázs und Hollywoods. Mit Hilfe von Abbildungen und Filmbeispielen werden die Inhalte der Theorien beschrieben. Anschließend folgt die Untersuchung der praktischen Montage in Computerspielen. Hierzu ist eine Erläuterung der Kontroverse zwischen den Ludologen und den Narratologen notwendig, anhand derer sich diese Arbeit orientiert. Demnach erfolgt zuerst eine genauere Betrachtung narrativer Elemente, zu denen Cutscenes, Skriptsequenzen und Dialoge gehören. Die Beweggründe für diese Zuweisung werden in den entsprechenden Abschnitten diskutiert. Im Kapitel zu den ludischen Spielabschnitten widmen sich die Erläuterungen der Montage im eigentlichen Gameplay[8] eines Spiels. Die Vorgehensweise folgt in den Kapiteln der narrativen und der ludischen Elementen einem ähnlichen Ablauf. Als erstes wird ein ausgewähltes Spiel und eine Beispielsequenz daraus vorgestellt. Anschließend erfolgt eine Betrachtung unter dem Aspekt der Montage. Gegebenenfalls werden die Ausführungen durch weitere Beispiele aus anderen Games ergänzt. Nach Abschluss der Untersuchungen wird im letzten Abschnitt dieser Arbeit ein Fazit formuliert, das die gewonnen Erkenntnisse zusammenfasst.

[...]


[1] In dieser Arbeit vereint der Begriff Computerspiel Video-, Konsolen- und PC-Spiel; im Folgenden wird auch der Begriff Game als Synonym verwendet, da sich dieser häufig in der Literatur der Game Studies findet.

[2] auch: Ego-Shooter; Actionspiel aus der Ich-Perspektive.

[3] In der vorliegenden Arbeit wird zur Vereinfachung nur die männliche Form des Wortes verwendet, gemeint sind aberauch Spielerinnen.

[4] Vollständiger Titel: Oktober. Zehn Tage, die die Welt erschütterten.

[5] Vorberechnet oder pre-rendered, meint das Rendern einer Sequenz im Vorfeld und nicht etwa in Echtzeit wie es bei In-Game-Sequenzen in Spielgrafik der Fall ist. Rendern wiederum bedeutet die Erstellung einer grafischen Darstellung anhand von Rohdaten. Dieser Vorgang wird auch Bildsynthese genannt.

[6] Games mit Fokus auf taktisches Handeln, bei denen alle Spieler ihre Aktionen gleichzeitig ausführen.

[7] Gattung von Computerspielen, bei denen der Benutzer hauptsächlich den Mauszeiger nutzt, um mit der Spielwelt zu interagieren.

[8] Die Art der dominanten Spielmechanik, die in einem Computerspiel ausgeführt werden muss.

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Montage im Computerspiel
Hochschule
Fachhochschule Kiel
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
72
Katalognummer
V199359
ISBN (eBook)
9783656256601
ISBN (Buch)
9783656259992
Dateigröße
3157 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vergleich der Montagetheorien von Béla Balázs, Sergei Michailowitsch Eisenstein und Hollywoods mit der praktischen Anwendung im Computerspiel.
Schlagworte
Montage, Schnitt, Film, game, im, Computerspiel, editing, spiel, bela, balazs, eisenstein, hollywood, la, l.a., noire, studies, verschmelzung, movie
Arbeit zitieren
Daniel Zimmermann (Autor:in), 2012, Montage im Computerspiel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/199359

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