Die Werkstattprozesse von ICE-Fahrzeugen und deren Transfer in einen rationellen Prozess für BE-Fahrzeuge

Downstreampotential für den Fahrzeugservicebereich in Europa


Bachelorarbeit, 2012

116 Seiten, Note: 1,8


Leseprobe


Inhalt

Abkürzungsverzeichnis:

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Theoretischer Abschnitt
1.1 Einführung
1.1.1 e-mobil BW GmbH
1.1.2 Motivation
1.1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Bachelorthesis
1.2 Grundlagen
1.2.1 Organisationstheorien und Organisationsbegriffe
1.2.2 Prozesse
1.2.3 Transfer
1.3 Aftersales
1.3.1 Fahrzeugservice/Aftersales-Service
1.3.2 Kundenbindung und Kundenzufriedenheit
1.3.2.1 Kundensegmentierung
1.3.2.2 Sinus-Milieu
1.4 Kfz-Werkstattbetrieb
1.4.1 Betriebsorganisation und Verwaltung in einem Kfz-Werkstattbetrieb
1.4.2 Kfz-Werkstattprozesse
1.4.2.1 Terminvereinbarung
1.4.2.2 Terminvorbereitung
1.4.2.3 Fahrzeugannahme
1.4.2.4 Dialogannahme
1.4.2.5 Diagnose
1.4.2.6 Leistungserstellung/Durchführung des Werkstattauftrages
1.4.2.6.1 Wartung/Inspektion
1.4.2.6.2 Reparatur
1.4.2.7 Abrechnung und Fahrzeugübergabe
1.4.3 Controlling
1.5 Up- und Downstream
1.5.1 Lebenszyklusbetrachtung
1.5.1.1 Produktlebenszyklus
1.5.1.2 Technologielebenszyklus
1.6 Zwischenfazit

2 Praxisbezogener Abschnitt
2.1 Einleitung
2.2 Fahrzeugmarkt
2.2.1 Zahlen und Daten
2.2.2 Abgrenzung zwischen ICE- und BE-Fahrzeugen
2.2.3 Gesetzliche Veränderungen
2.2.4 Normung
2.2.5 Technische Änderungen
2.2.6 Elektrische Komponenten im Detail
2.2.6.1 Die Batterie
2.2.6.2 Motor und Getriebe
2.2.6.3 Leistungselektronik
2.3 Elektrofahrzeugmarktprognose
2.3.1 Lebenszyklusbetrachtung
2.3.2 IFA-Szenarien
2.4 Kfz-Werkstattbetrieb
2.4.1 Betriebsorganisation und Verwaltung
2.4.2 KFZ-Werkstattprozesse
2.4.2.1 Terminvereinbarung
2.4.2.2 Terminvorbereitung
2.4.2.3 Fahrzeugannahme
2.4.2.4 Diagnose
2.4.2.5 Leistungserstellung/Leistungsdurchführung
2.4.2.6 Fahrzeugübergabe
2.4.2.7 Veränderung der Werkstattprozesse
2.4.3 Sinus-Milieu
2.4.4 Aus- und Weiterbildung
2.5 Wertschöpfungsveränderungen
2.5.1 Downstreampotenziale
2.5.1.1 Fahrzeugkurzzeitmietmodelle
2.5.1.2 SmartGrid
2.5.1.3 Reichweitenlösungen
2.5.1.4 Better Place
2.5.2 Verwertung und Wiederaufbereitung im Fahrzeugbereich

3 Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Kundendienste in den verschiedenen Verkaufsphasen

Abbildung 2: Dienstleistungen in der Nachkaufphase

Abbildung 3: Kundensegmentierung

Abbildung 4: Sinus-Milieus Deutschland 2010

Abbildung 5: Sinus-Milieus in Europa

Abbildung 6: Einheitlicher Werkstattprozess

Abbildung 7: Nutzfahrzeugwerkstattprozess

Abbildung 8: Kfz-Werkstattprozesse unter Berücksichtigung einzelner Prozesse

Abbildung 9: Wertschöpfungskette

Abbildung 10: Up- und Downstreambetrachtung – Downstreambetrachtung unter Berücksichtigung einzelner Prozesse

Abbildung 11: Produktlebenszyklus

Abbildung 12 Lebenszyklusbetrachtung nach Ansoff

Abbildung 13 Stabile und dynamische Technologieentwicklung

Abbildung 14: Technologielebenszyklus nach Arthur D. Little

Abbildung 15: Technologielebenszyklus nach Ford und Ryan

Abbildung 16: S-Kurvenmodell nach McKinsey

Abbildung 17: Vielfalt elektromobiler Antriebskonzepte im Vergleich zum Konventionellen

Abbildung 18: EG-Richtlinien im Überblick

Abbildung 19: Hauptmodule des Gesamtfahrzeugs

Abbildung 20: Fahrzeugproduktstruktur

Abbildung 21: Wesentliche Systemunterschiede zwischen BE-und ICE- Fahrzeug

Abbildung 22: Drehmoment und Leistungskennlinien im Vergleich

Abbildung 23: Darstellung der Szenariovariablen

Abbildung 24: Studienvergleich von Fahrzeugen mit einem reinen oder ergänzenden Elektroantrieb

Abbildung 25: Marktentwicklung Antriebskonzepte

Abbildung 26: Technologielebenszyklus des klassischen Verbrennungsmotors

Abbildung 27: Übertragbarkeit der Prozesse

Abbildung 28: Veränderung der Prozesse

Abbildung 29: Sinus-Milieu mit der Hervorhebung von möglichen Elektrofahrzeugkunden

Abbildung 30: Die fünf Sicherheitsregeln für HV-Arbeiten

Abbildung 31: Hochvoltqualifizierungsstufen

Abbildung 32: Veränderung der Wertschöpfungspotenziale auf der Grundlage des IFA Szenario „Evolution“

Abbildung 33: Veränderung der Wertschöpfungspotenziale auf der Grundlage des IFA Szenario „Zeitwende“

Abbildung 34: Veränderung der Wertschöpfungspotenziale auf der Grundlage des IFA Szenario „Strukturbruch“

Abbildung 35: Integriertes SmartGrid Management

Abbildung 36: Prozesse der Wiederverwertung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Kundenbindungserfolg

Tabelle 2: Milieubeschreibungen

Tabelle 3: Werkstattauslastungsquote

Tabelle 4: Übersicht Komponentenveränderung

Tabelle 5 Fahrzeugabsatzprognosen

1 Theoretischer Abschnitt

1.1 Einführung

1.1.1 e-mobil BW GmbH

Bereits im Frühjahr 2010 wurde von der Landesregierung Baden-Württemberg ein Arbeitskreis rund um die Elektromobilität ins Leben gerufen. Aus diesem Arbeitskreis ergab sich die Notwendigkeit, eine Institution zu gründen, die als Bindeglied zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft fungieren sollte. Am 03. März 2010 wurde in diesem Zuge die Agentur e-mobil BW GmbH im Handelsregister eingetragen. Die Ziele der Landesagentur bestehen darin, große, mittelständische und Kleinunternehmen in Richtung Zukunftstechnologien, speziell im Fahrzeugbereich, zu unterstützen. Neue Antriebssysteme spielen hierbei eine Hauptrolle. Auch der Fahrzeugleichtbau und die Modifizierung der vorhandenen Komponenten werden gezielt durch die Firma e-mobil BW GmbH betrachtet. Der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) erklärte zur Gründung der Landesagentur:

„Die Landesregierung sieht das Thema ‚Neue Antriebssysteme’ als eine Schlüsseltechnologie auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität an. Klimaschutz und Energieeffizienz werden für die Automobilindustrie immer mehr zu den alles beherrschenden Themen. Optimierte Otto- und Dieselmotoren sowie modifizierte Komponenten außerhalb des Antriebsstrangs führen zu immer verbrauchsärmeren und gleichzeitig leistungsstarken Fahrzeugen.“[1]

Die e-mobil BW GmbH ist die zentrale Anlauf-, Beratungs- und Servicestelle für jegliche Themen rund um Elektromobilität und Brennstofftechnologie in Baden-Württemberg. Mit ihrer Tätigkeit soll die Region hinsichtlich des „unvermeidlichen Strukturwandels in der Automobilbranche“[2] bestmöglich unterstützt werden. Die e-mobil BW GmbH bildet deshalb eine Plattform, um Projekte aus Wirtschaft, Wissenschaft, bestehenden Initiativen und Förderaktivitäten zu vernetzen. Sie verbindet insbesondere die kleinen und mittelständischen Unternehmen mit den großen Original Equipment Manufacturers (OEMs), um Synergieeffekte rund um den Innovationsprozess Elektromobilität zu erzielen. Eine solche Vernetzung beinhaltet die Förderung des Wissenstransfers, die Analyse zur Gewinnung von neuen Wertschöpfungsstrukturen und die Erkenntnis von neuen Innovationspotenzialen.

Ein weiteres Arbeitsfeld der e-mobil BW GmbH stellt die Clusterförderung für die Region Süd-West dar. Die oben genannten Synergieeffekte können durch ein Cluster optimal gefördert werden, da die großen, mittleren und kleinen Firmen ihre gemeinsamen Projekte und Erfahrungen besser durch die in einem Cluster gebildete örtliche Nähe austauschen können.

Ihre Strategie stellt die e-mobil BW GmbH auf ihrer Homepage in fünf Leitgedanken vor:

- „e-mobil BW 1: Industrialisierung der Elektromobilität.
- e-mobil BW 2: Umweltschutz durch nachhaltige Mobilitätsenergie und Infrastruktur
- e-mobil BW 3: Ausbau der Forschung zu Mobilitätslösungen
- e-mobil BW 4: Markt schaffen – e-mobil im Straßenverkehr
- e-mobil BW 5: Ausbau Bildung, Ausbildung und Studium zur e-Mobilität“[3]

Diese Bachelorthesis fällt in den Rahmen des Themenschwerpunkts „e-mobil BW 1: Industrialisierung der Elektromobilität. Die Industrialisierung der Elektromobilität wird die Massenfertigung von Elektrofahrzeugen ermöglichen. Sobald diese Fahrzeuge für den Massenmarkt produziert werden, muss ein entsprechendes Werkstattservicenetz vorhanden sein. Die Notwendigkeit, das Werkstattservicenetz und die Downstreampotenziale zu analysieren geht aus den folgenden Kapiteln 1.3 (Aftersales) bis 1.5 (Up- und Downstream) hervor.

1.1.2 Motivation

Das Grundbedürfnis Mobilität (von Menschen und Gütern) spielt eine bedeutende Rolle im gesellschaftlichen Leben. Gesellschaftlicher Wohlstand wird an der Mobilitätsverfügbarkeit gemessen. Seit dem 20. Jahrhundert stehen die verschiedensten Mobilitätsarten und -lösungen zur Verfügung. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts haben sich die Rahmenbedingungen für die Mobilität jedoch tiefgreifend verschoben und werden sich auch in Zukunft weiter verändern. Denn der Klimawandel und die weltweit zur Neige gehenden Erdölreserven zwingen dazu, die gesamten CO2-Emissionen sowie den Erdölverbrauch drastisch zu reduzieren. Gerade die veränderten Mobilitätslösungen bilden die Basis für CO2-Einsparungspotenziale. Zudem wächst die weltweite Urbanisierung, was zur Folge hat, dass sowohl die Luftverschmutzung als auch die Geräuschkulisse in den Städten stetig zunehmen. Darum ist eine Reduktion von lokalen Lärm- und Schadstoffemissionen zwingend notwendig.[4]

Die kommende Veränderung bringt neue Chancen für den Automobilsektor, birgt aber gleichzeitig neue Risiken. In zahlreichen Studien sowie in der öffentlichen Presse wird bereits über die Potenziale und Gefahren des Elektro- und Hybridfahrzeugmarkts diskutiert. Was aber passiert, wenn diese Autos gewartet werden müssen? Sind die Werkstätten entsprechend auf den automobilen Service vorbereitet? Ist das nötige Knowhow vorhanden? Wie sieht die Lieferantenstruktur aus? All diese Fragen beziehen sich auf den Aftersales-Bereich, in dem ein Großteil des Gewinnes der Automobilhersteller zu verzeichnen ist.

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2020 eine Million e-Fahrzeuge in den Verkehr zu bringen.[5] Diese Fahrzeuge müssen repariert und gewartet werden, wodurch sich bereits zeitnah der Aftersalesmarkt stark verändern wird. Neben neuen Gesellschaften, Branchen und Institutionen, die auf den Markt drängen werden, wird sich auch die Ersatzteilinfrastruktur verändern. Daraus werden wiederum neue Prozesse und Organisationen entstehen.

Ziel dieser Ausarbeitung ist es, den Istzustand im Aftersales- bzw. Fahrzeugservicebereich und dessen Downstreampotenziale zu analysieren und diese auf die zukünftige Elektromobilität zu übertragen, um im Anschluss Lösungsansätze und weiter bestehende kritische Fragen hinsichtlich der elektromobilen Veränderungen zu formulieren. Die folgende theoretische Ausarbeitung wird in Bezug auf die Automobilbranche erstellt.

1.1.3 Vorgehensweise und Aufbau der Bachelorthesis

Im theoretischen Teil dieser Bachelorthesis wurde bis hierhin auf das Unternehmen (Kapitel 1.1.1 (e-mobil BW GmbH)) und die mit dem Thema e-Mobilität verbundenen Motivationen (Kapitel 1.1.2 (Motivation)) eingegangen. Im Folgenden werden zunächst die betriebswirtschaftlichen Grundlagen der Organisation sowie Prozesse, die das Thema dieser Ausarbeitung betreffen, erläutert (Kapitel 1.2 (Grundlagen)). Im Anschluss daran wird in Kapitel 1.3 (Aftersales) der Fokus auf das eigentliche Themengebiet des Aftersales und Fahrzeugservices gelegt. Als wesentlichen Bestandteil des Aftersales-Bereiches erfolgt in diesem Kapitel die Betrachtung der Kundenbindung und der Kundenzufriedenheit (Kapitel 1.3.2 (Kundenbindung und Kundenzufriedenheit)) und dabei speziell die Strategien, die Unternehmen anwenden, um diese zu erzielen (Kapitel 1.3.2.1 (Kundensegmentierung) und 1.3.2.2 Sinus-Milieu)). Aufbauend auf diesen Grundlagen erfolgt eine allgemeine Betrachtung des Servicewerkstattbetriebes (Kapitel 1.4 Kfz-Werkstattbetrieb) mit einer detaillierten Darstellung der dort ablaufenden Prozessschritte (Kapitel 1.4.2 (Kfz-Werkstattprozesse)). Danach erfolgt eine Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette des Fahrzeugmarktes, sowie einer Erläuterung der Up- und Downstreamaktivitäten (Kapitel 1.5 (Wertschöpfungskettenbetrachtung unter Hervorhebung des Downstreams)). Da die Prioritäten in der Wertschöpfungskette vom Produktstatus abhängen, erfolgt dabei auch eine detaillierte Betrachtung des Produktlebenszyklus (1.5.1 Lebenszyklusbetrachtung).

Damit sind die theoretischen Grundlagen für den anwendungsorientierten Teil geschaffen (Kapitel 2 (Praxisbezogener Abschnitt)). In diesem Abschnitt werden die beschriebenen Prozesse und Anwendungen auf ihre Übertragbarkeit auf Elektro-und Hybridfahrzeuge hin überprüft und die durch die Elektromobilität entstehenden Downstreampotenziale betrachtet. Zu Beginn des praxisorientierten Teils erfolgt die Betrachtung des Fahrzeugmarktes (Kapitel (2.2 Fahrzeugmarkt)), bei der eine Abgrenzung zwischen Elektro- und Hybridfahrzeugen vorgenommen (Kapitel 2.2.2 (Abgrenzung zwischen ICE- und BE-Fahrzeugen)) sowie die gesetzlichen und technischen Veränderungen für die Elektromobilität erläutert werden (Kapitel 2.2.3 (Gesetzliche Änderungen) und Kapitel 2.2.5 (Technische Änderungen)). Danach werden die Kernkomponenten des Elektrofahrzeuges, die für die Werkstätten die größte Herausforderung darstellen, einer detaillierten Betrachtung unterzogen (Kapitel 2.2.6 Elektrische Komponenten im Detail)). Im Anschluss daran erfolgt die Analyse mehrerer Prognosen für den Elektrofahrzeugmarkt (Kapitel 2.3 (Elektrofahrzeugprognosen)). Diese Prognosen dienen als Grundlage für die darauffolgende Betrachtung des Lebenszyklus‘ (Kapitel 2.3.1 Lebenszyklusbetrachtung)). Im Anschluss daran, werden die Werkstattprozesse für ICE-Motoren in mögliche Prozesse für BE-Fahrzeuge umgewandelt und Problematiken dieser Transformationen aufgezeigt (Kapitel 2.4 (KFZ-Werkstattbetrieb)). Die sich aus der Elektromobilität ergebenden Veränderungen für die gesamte automobile Wertschöpfungskette werden in Kapitel 2.5 (Wertschöpfungsveränderungen) erläutert. Abschließend erfolgt im Fazit eine Übersicht über die in dieser Abhandlung deutlich gewordenen Problemfelder und mögliche weitere Forschungsansätze (Kapitel 3 (Fazit)).

1.2 Grundlagen

1.2.1 Organisationstheorien und Organisationsbegriffe

Die Gestaltung der Organisation ist von elementarer Bedeutung, um die nach außen getragene Unternehmensstrategie intern durch strukturierte Arbeitsabläufe verwirklichen zu können. Damit stellt sie ein zentrales Element zur Koordination von Personaltätigkeiten in Unternehmungen dar.[6]

Die Ausarbeitungen von Fritz Nordsiek (1906-1984) aus dem Jahre 1932 bilden die Grundlagen der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre. Nordsiek differenziert die Organisationslehre analytisch in eine Beziehungs- und Ablauflehre, die wiederum jeweils in Aufbauorganisationen und Ablauforganisationen unterteilt werden.[7]

Dieser Einteilung der Aufbauorganisation liegt aber häufig eine funktionale Differenzierung zugrunde. Damit ist nicht mehr klar, wie sich Aufbau- und Funktionsorganisation überhaupt unterscheiden.

In der Aufbauorganisation findet die Differenzierung und Einteilung der unterschiedlichen Kompetenzen der Unternehmung in einzelne Teileinheiten statt, wodurch eine bessere Koordination der verschiedenen Organisationseinheiten ermöglicht wird. Die inhaltliche, räumliche und zeitliche Folge der Arbeitsprozesse wird hingegen in der Ablauforganisation beschrieben.[8]

Die funktionale Organisation hingegen gliedert die unterschiedlichen Bereiche einer Unternehmung in verschiedene Funktionsbereiche. In kleineren Firmen wird meist zwischen kaufmännischem und technischem Funktionsbereich unterschieden. Je größer das Unternehmen, desto differenzierter werden allerdings die Funktionsbereiche.[9] Im Wesentlichen können die beiden Funktionsbereiche der Unternehmen wiederum in zwei Bereiche gegliedert werden: Zum einen in den leistungsorientierten und zum anderen in den ressourcenorientierten Funktionsbereich.[10]

Der leistungsorientierte Funktionsbereich umfasst die Funktionsbereiche Forschung und Entwicklung, Produktion, sowie Vertrieb und Kundendienst. Diese Bereiche orientieren sich an einem Transformationsprozess, durch den Input in Output umgewandelt wird.[11]

Der ressourcenorientierte Funktionsbereich beinhaltet die Funktionsfelder Personalwirtschaft, Finanzwirtschaft, Beschaffung, sowie Materialwirtschaft und Anlagenwirtschaft. Der ressourcenorientierte Funktionsbereich bezieht sich auf die Beschaffung sowie deren Verwaltung. Ferner beschäftigt er sich mit der Leistungserstellung, d.h. die Verwandlung des Inputs in den Output sowie dessen Verwertung.[12]

Zusammenfassend können als Vorteile der funktionalen Organisation die Übersichtlichkeit, der einheitliche Instanzenweg, die Nutzung von Größen- und Spezialisierungsvorteilen sowie die Kompetenz- und Verantwortungsübertragung an die Instanzen angeführt werden. Nachteile der funktionalen Organisation liegen vor allem im schwerfälligen Informationsfluss, im entstehenden Bereichsdenken und dem damit verbundenen Egoismus sowie in der Überlastung von Führungskräften aufgrund mangelnder Delegation begründet.[13]

Welche Organisationsform die jeweilige Institution wählt, hängt stark von ihren Leitbildern, Firmenphilosophien und Firmenstrategien ab. Die Wahl der Organisationsform hat, im Fall des hier betrachteten Aftersales, Auswirkungen auf die Durchführbarkeit der werkstattinternen Prozesse. Bevor in Kapitel 1.4.2 (Werkstattprozesse) speziell auf werkstattinterne Prozesse eingegangen wird, werden im folgenden Kapitel 1.2.2 zunächst Prozesse und ihre Bedeutung in Unternehmen im Allgemeinen behandelt.

1.2.2 Prozesse

„Ein Prozess ist eine Kette von zusammenhängenden Aktivitäten, die gemeinsam einen Kundennutzen schaffen.“[14]

Obiges Zitat beschreibt in einfachen Worten Unternehmensprozesse. Diese Prozesse sind stark an der Wertschöpfungskette, d.h. an einen „auf Kundenbedarf ausgerichtete[n] Ablauf mit wettbewerbsfähigen Veredelungsstufen“[15] angelehnt. Eine Wertschöpfungskette wird dann zu einem Prozess, wenn der Wertschöpfungskette eine Zuständigkeit zugeordnet wird. Das Prozessmanagement soll zum einen den Erfolg der Wertschöpfungskette sicherstellen und zum anderen zur kontinuierlichen Verbesserung der Abläufe beitragen. Dementsprechend dient das Prozessmanagement der Planung, Kontrolle und Steuerung der Prozesse sowohl im inner- als auch im überbetrieblichen Bereich, von denen wiederum jeder sowohl Kern- als auch Supportprozesse beinhaltet werden.[16]

Ihre herausragende Bedeutung in den Unternehmen, macht die Prozesse unabhängig von der Größe eines Betriebes zu einem zentralen Managementthema. Für nahezu alle kaufmännischen aber auch technischen Abteilungen stehen ausgereifte Prozessverbesserungsprogramme zur Verfügung. Unter die bekanntesten Programme fallen der Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP), Kaizen, Kanban, Business Prozess Redesign, ISO (Qualitätsmanagement), Supply Chain Management und Werkstattprozesse. Diese sind für den Aftersales-Bereich von herausragender Bedeutung. Bevor auf diese im Kapitel 1.4.2 (Werkstattprozesse) eingegangen wird, wird zunächst beschrieben wie besonders bewährte Prozesse auf Prozesse für ähnliche Produktstrukturen übertragen, bzw. transformiert werden können.

1.2.3 Transfer

Es gibt die verschiedensten Ansätze für die Durchführung eines Transfers. Im Rahmen dieser Bachelorthesis wird unter Transfer das Transferieren eines Prozesses verstanden. Transferiert wird in den meisten Fällen ein Prozess, der als Benchmark angesehen wird. Daher ist es hilfreich eine Benchmark-Studie für eine größere Anzahl von Prozessen zu erstellen. Im Anschluss kann entweder der Prozess herangezogen werden, der sich als der Beste erwiesen hat, oder es besteht die Möglichkeit, die besten Eigenschaften eines jeden Produktes herauszufiltern und diese anschließend zu einem Best-Practice-Prozess zusammenzufassen. Unter Best-Practice versteht sich

„[…] eine für eine bestimmte Problemstellung erarbeitete Lösung, welche die dafür bestmögliche darstellt. Bestmöglich bedeutet, dass diese Lösung mit anderen innerhalb oder außerhalb als die Beste (im Sinne von Effektivität bzw. Effizienz) erkannt wurde.“[17]

Im Rahmen dieser Bachelorthesis wurden bereits Werkstattprozesse unter Berücksichtigung der Best-Practice betrachtet (Kapitel 1.4.2 (Werkstattprozesse)). Hierfür wurden vor allem die besten Prozesspunkte aus der „Fit for Service Studie 2007“ herangezogen. In dieser Studie wurden die Geschäftsführer und Serviceleiter von vierzehn erfolgreichen Autohäusern mithilfe eines 200-seitigen Analysebogens befragt. Eine eigene Benchmark-Studie zu erstellen, würde aufgrund der umfangreichen Themenstellung den Rahmen der Bachelorthesis sprengen. Allerdings wird im praktischen Teil eine Überprüfung vorgenommen, inwiefern sich die Best-Practice-Analyse auf Werkstattprozesse für Elektrofahrzeuge übertragen lässt. Dabei wird jeder Prozessschritt einzeln betrachtet und entweder eins zu eins übertragen oder entsprechend angepasst. In den folgenden Kapiteln werden allerdings zuerst der Aftersales (Kapitel 1.3) und der Aftersales-Service (Kapitel 1.3.1) betrachtet, die die Grundlage für die Werkstattprozesse darstellen.

1.3 Aftersales

Jedes Produkt hat eine bestimmte Lebensdauer. Einfachere Produkte werden gekauft, verwendet und bei geendeter Funktionalität entsorgt. Bei einfachen Produkten finden deshalb kaum Wartungen oder Reparaturen statt, weshalb hier nicht näher auf den Aftersales-Bereich der einfachen Produkte eingegangen wird. Anders verhält es sich bei komplexen und aufgrund dieser Komplexität preisintensiveren Produkten. Denn bei hohen Anschaffungspreisen bei gleichzeitig niedrigen Ersatzteilkosten überlegt sich der Kunde durchaus, inwiefern eine Wartung oder Reparatur dieser Produkte lohnenswert ist.[18] Für die Betrachtung des Aftersales wird in dieser Arbeit deshalb der Schwerpunkt auf das komplexe Produkt Automobil gelegt.

Der Preiskampf vieler Hersteller komplexer Produkte nimmt vor allem durch die Globalisierung und Schaffung neuer Absatz- und Wettbewerbsmärkte stetig zu. Dies hat deutliche Auswirkung auf den Gewinn bzw. den Deckungsbeitrag, d.h. auf die „Differenz zwischen dem Erlös und den variablen Kosten eines Gutes, die zur Deckung aller anderen Kosten und als Gewinn verbleibt.“[19] Weitere Ursachen der zunehmenden Bedeutung des Aftersales-Bereiches liegen in der Verkürzung des Produktlebenszyklus‘, der sich durch die ständigen Produktinnovationen aufgrund erhöhten Wettbewerbsdrucks kontinuierlich verringert. Die Verkürzung des Produktlebenszyklus‘ hat zur Folge, dass Hersteller kaum noch am klassischen Fahrzeugverkauf verdienen und deswegen ihren Gewinn im Aftersales erzielen müssen. Damit wird der Aftersales-Bereich verstärkt zu einer immer bedeutender werdenden Einnahmequelle. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Aftersales ist sowohl eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Bereich als auch eine Betrachtung und Hinterfragung von Organisationen und Prozesse des Vertriebs, des Marketings, der Auftragsabwicklung, des Kundendienstes, der Instandhaltung, der Reparaturannahme und der Sicherheitsvorkehrungen unabdingbar. Dies wird Bestandteil des Kapitels 1.4 sein.

Viele Unternehmen haben den Aftersales als Einnahmequelle erkannt und stark in diesen Bereich investiert, denn nach Barkawi übertrifft der Anteil der Serviceeinahmen in den großen Volkswirtschaften den des Produktionsanteils.[20]

Laut Fachliteratur entspricht der Anteil der Fertigung von Aftersales-Teilen 20-30% des Aftersales-Teileumsatzes. Die Aftersales-Teile-Umsätze generieren allerdings mit steigender Tendenz bis zu 40% des Gewinnes. Einige Untersuchungen besagen sogar, dass die Margen im Aftersales-Geschäft bis zu zehnmal höher ausfallen als die des klassischen Produktgeschäftes.[21]

Zwei große Teilbereiche des Aftersales sind auf der einen Seite der Vertrieb von Ersatzteilen und auf der anderen Seite der Lohnumsatz im Servicebereich. Diese Bachelorthesis befasst sich überwiegend mit den Werkstattprozessen und dem Fahrzeugservice. Auf die Herstellung von Aftersales-Artikeln wird an dieser Stelle nicht eingegangen, sondern das Augenmerk in den folgenden Kapiteln 1.3.1 (Fahrzeugservice/Aftersales-Service) bis 1.4 (Kfz-Werkstattbetrieb) auf den Fahrzeugservicebereich gelegt.

1.3.1 Fahrzeugservice/Aftersales-Service

Der Begriff Fahrzeugservice setzt sich aus den Wörtern „Fahrzeug“ und „Service“ zusammen, wobei unter „Service“ Dienstleistungen aller Art zu verstehen sind.[22] Dienstleistungen lassen sich in Primär- und Sekundärdienstleistungen unterteilen. Während Primärdienstleistungen selbständige Absatzobjekte darstellen, die von materiellen Produkten unabhängig sind (z.B. eine Rechtsberatung), handelt es sich bei Sekundärdienstleitungen um unselbstständige Dienstleistungen, die immer mit einem weiteren Sach- und Dienstleistungsangebot gebündelt sind.[23]

Ein häufig verwendeter Begriff für Sekundärdienstleistungen ist der Kundendienst, für dessen Definition wiederum unterschiedliche Abgrenzungsmöglichkeiten vorliegen. In dieser Ausarbeitung werden unter Kundendienst alle Dienstleistungen verstanden, die neben dem Primärprodukt erbracht werden. Wie aus nachfolgender Abbildung 1 hervorgeht, lassen sich die Kundendienste in drei verschiedene Phasen einteilen: Die Vorverkaufsphase, die Verkaufsphase und die Nachkaufphase.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Kundendienste in den verschiedenen Verkaufsphasen[24]

Im Rahmen dieser Bachelorthesis werden im Zusammenhang mit den Fahrzeugserviceprozessen die Dienstleistungen rund um die dritte Phase, die Nachkaufphase, die auch als Aftersales-Service bezeichnet wird, abgehandelt. In der Literatur finden sich unterschiedliche Definitionen des Aftersales-Services. So beschreibt Dangelmaier den Aftersales-Service als „die Dienstleistungen, welche nach dem Kauf eines Produktes für Zielgruppen in materieller oder immaterieller Weise erbracht werden.“[25] Schmidt hingegen beschreibt den Aftersales-Service als

„alle Dienstleistung, die einem Konsumenten eines gekauften Produktes in der Nachkaufphase zur Verfügung gestellt werden […] [Sie] [b]einhalten demnach alle Zusatz-, Folge-und Nebenleistungen, die als Unterstützung der Primär- beziehungsweise Hauptdienstleistung zum Einsatz kommen.“[26]

Aus diesen Definitionen wird ersichtlich, dass der Aftersales alle Dienstleistungsarten im Nachkaufbereich einschließlich der Versicherungsleistungen und Finanzierungsdienstleistungen, die für Reparaturen etc. angeboten werden, umfasst.

Aus technischer Sicht kann im Wesentlichem zwischen drei Dienstleistungsarten differenziert werden: den muss-Dienstleistungen, den soll-Dienstleistungen und den kann-Dienstleistungen,[27] die sich wie folgt unterscheiden:

- muss-Dienstleistungen ermöglichen erst die Inbetriebnahme. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Installation von Industrieanlagen.
- Dienstleistungen, die zwangsläufig anfallen, aber ihr Zeitpunkt noch nicht absehbar ist, werden als soll-Dienstleistungen bezeichnet. Darunter fallen z.B. die Wartung oder die Inspektion, Modernisierungs- und Überholungsmaßnahmen, die Montage, der Ersatzteileverkauf, die Beratung und das Training.
- Unter kann-Dienstleistungen fallen Dienstleistungen, die dem Kunden helfen, die Betriebsbereitschaft wiederherzustellen, oder der Service rund um das eigentliche Produkt. Eine kann-Dienstleistung kann demnach laut Diez von der Autoreparatur bis hin zur Cafeteria im Autohaus reichen. Typische kann-Dienstleistungen im Automobilsektor stellen z.B. die Reparatur, Entstörung eines technischen Defektes sowie Finanzdienstleistungen dar.[28]

In Abbildung 2 werden zur Veranschaulichung die in der Literatur häufig verwendeten Dienstleistungsarten aufgezeigt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 : Dienstleistungen in der Nachkaufphase[29]

Obige Abbildung veranschaulicht den Prozess, den Produkte im Anschluss an ihren Verkauf durchleben. Ein Großteil der Produkte muss vor ihrer Benutzung dem Kunden erst erklärt und/oder montiert und eingerichtet werden. Funktioniert das Produkt nicht, muss es evtl. zum Hersteller zurückgeschickt werden. Während der Nutzungsphase fallen bei komplexen Produkten sowohl Instandhaltungsmaßnahmen, wie z.B. die Inspektion des Autos, als auch Reparaturen an. Hierfür müssen in der Regel Ersatzteile beschaffen werden. Die „Endstation“ jedes Produktes stellt die Entsorgung bzw. Verwertung und das Recycling dar.

Einige Autoteile im Aftersales-Bereich lassen sich durch ihre recht einfache Produktkomplexität leicht imitieren. Substitutionsprodukte treten oft durch die Verlagerung der Produktionsstätte und Verwendung alternativer Werkstoffe mit einem deutlichen Preisunterschied in den Aftersalesmarkt ein. Im Aftersales-Service hingegen lassen sich die Leistungen, die sich durch eine Kombination von Produkten und immaterieller, individueller Dienstleistungen zusammensetzen nur schwer imitieren. Mitarbeiter der Servicewerkstätten können zudem wichtige Produktdetails und Informationen an den Kunden weitergeben. Im Gegenzug stellt der Servicemitarbeiter eine Schnittstelle zwischen Endverbraucher und Werkstätte dar, wodurch Verbesserungsideen der Kunden und Anwendungsproblematiken an die Werkstatt und den Hersteller weitergegeben werden können.[30] Um wichtige Abgrenzungsmerkmale handelt es sich hierbei bei der Kundenbindung und Kundenzufriedenheit, die maßgebliche Erfolgsfaktoren im Aftersales-Geschäft darstellen.[31] Ihre Bedeutung und ihre Auswirkung auf den Unternehmenserfolg werden im folgenden Kapitel 1.3.2 betrachtet.

1.3.2 Kundenbindung und Kundenzufriedenheit

Das Ziel von Unternehmern besteht darin, Kunden langfristig an ihr Unternehmen zu binden. Besitzt das Unternehmen ein erfolgreiches Aftersales-Management, wird die Kundenloyalität und Kundenzufriedenheit dadurch gestärkt. Kein oder schlechtes Aftersales-Management hat im Umkehrschluss negative Auswirkungen auf die Kundenloyalität.[32] Diese Erkenntnis kann auf folgende ökonomischen Erfolgswirkungen zurückgeführt werden:

- Die Preisbereitschaft zufriedener Kunden ist höher.
- Zufriedene Kunden empfehlen den Betrieb weiter, unzufriedene Kunden hingegen halten potenzielle Kunden davon ab, Leistungen eines Betriebes in Anspruch zu nehmen.
- Zufriedene Kunden zeigen größere Loyalität, die direkte Auswirkung auf die Kundenbindung hat.

Die positiven Auswirkungen loyaler Kunden auf einen Betrieb stellen sich wie folgt dar:

- Es kommt häufig zur Tätigung von Wiederholungskäufen.
- Über einen Zeitverlauf werden immer hochwertigere und dadurch preisintensivere Käufe getätigt (Upselling Potenzial).
- Es werden zusätzliche Produkte im Betrieb erworben. So können sich beispielsweise Reifenkäufer zu Gebrauchtwagenkunden entwickeln.
- Stammkunden sind weniger vertriebskostenintensiv als Neukunden, denn die Akquise von Neukunden ist fünfmal teurer als die Betreuung der Stammkundschaft.[33]

Die aufgeführten Vorteile von zufriedenen, loyalen Kunden gelten in der Regel bei allen wartungsintensiven und komplexen Produkten. Wobei beachtet werden muss, dass im Fall von Industriegütern häufig Rahmenvereinbarungen für Service- und Instandhaltungsverträge bei Vertragsabschluss mitverhandelt werden. Industriegüterprodukte sind oft so komplex, dass nur der Hersteller zur Durchführung des Aftersales-Services in der Lage ist, wodurch der Kunde mit dem Verkauf an das Unternehmen als Servicedienstleister gebunden wird. Endkundenprodukte stehen in der Regel unter stärkerem Wettbewerbsdruck, weshalb sich die Unternehmen durch Kundenbindungsmaßnahmen, wie z.B. ihre Aftersales-Kunden dauerhaft sichern müssen. Unter Kundenbindungsmaßnahmen fallen z.B. Full-Serviceverträge, Finanzierungsverträge oder Zusatzgarantien, wie beispielsweise Ausfallgarantien.[34]

Im B2C-Bereich hingegen gibt es zahlreiche Bonusprogramme, oder Aktionen, wie z.B. Weihnachtsrabatte oder Geburtstagsaktionen. Unter Werkzeuge zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit fallen der Kundenfragebogen oder auch der „Beschwerdefragebogen.“[35]

Mittels dieser Werkzeuge lässt sich die Kundenzufriedenheit ermitteln. Daraus folgt, dass es sich bei der Kundenzufriedenheit um eine stets messbare Größe handelt. Zudem kann sie anhand der Anzahl wiederkehrender Kunden oder durch direkte Befragungen ermittelt werden.[36] In der Service Studie 2004 wurde die Kundenbindung an Werkstätten untersucht. Das Ergebnis dieser Servicestudie zeigt Tabelle 1:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1 : Kundenbindungserfolg[37]

Die Zahlen aus Tabelle 1 unterstreichen die Relevanz von Kundenbindung im Werkstattbereich, da aus ihr hervorgeht, dass nur 7% aller Kunden die Werkstätten wechseln. Als häufigsten Grund für ihre Loyalität geben die Kunden gute Erfahrungen, gute Arbeit und guter Service an. Lediglich 8% gehen aus Kostengründen in dieselbe Werkstätte.[38] Damit der Kunde seine Werkstatterfahrungen als guten Service wahrnimmt, muss die Werkstätte im Großen und Ganzen seine Erwartungen erfüllen können. Aus diesem Grund findet eine Segmentierung der Kunden statt, auf deren Vorgehensweise und Durchführung im folgenden Kapitel 1.3.2.1 eingegangen wird.

1.3.2.1 Kundensegmentierung

Da sich die Ansprüche der Kunden unterscheiden, müssen die Unternehmen die Bedürfnisse ihrer vorhandenen Kunden oder potentieller Kunden sehr genau einschätzen können, um sie optimal ansprechen zu können. Aufgrund des mit den neuen Medien einhergehenden Mangels an Kundenkontakt lernen immer weniger Unternehmen ihre Kunden persönlich kennen. Dies führt auf Unternehmensseite zu Bestrebungen, die große Anzahl individueller Kundenmerkmale in verschiedene homogene Gruppen (Segmente) zu gliedern.[39]

Das Ziel der Kundensegmentierung besteht darin, durch das Eingehen auf die im Segment erforschten Bedürfnisse den Kunden gezielter anzusprechen und dadurch ein effektiveres und effizienteres Marketing zu betreiben. Bedingung eines erfolgreichen kundensegmentspezifischen Marketings ist die exakte Zuordnung aller kundenspezifischen Variablen.

Allerdings ist eine Kundensegmentierung nicht für jedes Produkt ratsam, weshalb eine vorangehende Abgrenzung des Marktes zweckmäßig ist. In einem zweiten Schritt kann die Suche nach weiteren Zielgruppen erfolgen, sodass weitere Segmente entstehen.[40]

Für die Durchführung einer Segmentierung stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Die Art des Produktes gibt in den meisten Fällen bereits vor, ob es den B2B- oder B2C-Markt bedienen soll. Im B2B-Bereich stellt sich die Frage, wer für die Kaufentscheidung zuständig ist, bzw. ob mehrere Personen am Kaufprozess beteiligt sind. Dies ist wichtig, damit verkäuferseitig der Fokus auf die entsprechenden Personen gelegt werden kann.

Des Weiteren findet bei den Marktsegmentierungen eine Unterscheidung zwischen eindimensionaler und mehrdimensionaler Marktsegmentierung statt. Während die Kunden bei der eindimensionalen Marktsegmentierung nach nur einem Merkmal eingeteilt werden, erfolgt die mehrdimensionale Marktsegmentierung mittels einer Kombination von Merkmalen. Im Folgenden werden beispielhaft einige Kundenmerkmale angeführt, die häufig zur Segmentierung herangezogen werden:

- Soziografische Merkmale (Einkommen, Wohnverhältnisse, Beruf, etc.),
- Psychografische Merkmale (Glauben, Werte, Einstellungen, Verhalten, Lebensstil, etc.),
- Regionale Merkmale (Wohnort, Wohngegend, regionale Bindungen, etc.),
- Verhaltensorientierte Merkmale (Preispositionierung, Einkaufsstätten, Mediennutzung, etc.)[41]

Als Voraussetzung für die Einteilung in die verschiedenen Kundensegmente gilt, dass sich die Merkmale als klar definierbar, messbar, substantiell, erreichbar, trennbar und machbar erweisen müssen. Ohne vorherige Überprüfungen dieser Eigenschaften wird der Erfolg einer Segmentierung gering ausfallen.[42]

Die oben angeführten Kriterien gelten sowohl für die Segmentierung im B2C- als auch im industriellen Sektor. Im Falle des Letzteren existieren allerdings noch weitere Kriterien anhand derer eine Segmentierung vorgenommen werden kann:

- Demographische Merkmale (Standort, Unternehmensgröße, Branche, etc.),
- Operative Merkmale (Anwenderstatus, Kundenkompetenz, Technologie, etc.),
- Firmenspezifische Merkmale (Kundenbeschaffungskonzepte, Organisationsform, Beschaffung, allgemeine Beschaffungspolitik, Kaufkriterien, etc.),
- Situationsbedingte Faktoren (Spezifische Produktanforderungen, Auftragsumfang, Dringlichkeit, etc.)
- Personengebundene Faktoren (Risikobereitschaft, Ähnlichkeit zwischen Käufer und Verkäufer, Lieferantentreue, etc.)[43]

In Abbildung 3 wird eine solche Kundensegmentierung graphisch dargestellt. Den einzelnen Punkten entsprechen dabei Individuen, die in einer größeren Gruppe zusammengefasst werden. Diese Gruppe wiederrum stellt ein einzelnes Kundensegment dar. Sind die Kundensegmente bestimmt, können zu jedem Segment die Merkmalsausprägungen definiert werden, um anschließend ein entsprechendes Kernmotiv zu formulieren. Unter Kernmotive fallen zum Beispiel hohe Qualitätsansprüche, ein möglichst günstiger Einkaufspreis, Service- und Wartungsangebote, örtliche Gegebenheiten, das Produktdesign oder der Produktstatus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 : Kundensegmentierung[44]

Aufschlussreiche Forschungen im Bereich Segmentierungen betreibt die Firma Sinus-Sociovision GmbH in Heidelberg. Über Jahrzehnte hinweg erforscht sie die Wertorientierungen von Menschen sowie deren Alltagseinstellungen zu Arbeit, Familie, Freizeit, Geld und Konsum. Die durch die Forschungen gewonnenen Erkenntnisse stellt die Sociovision GmbH zusammengefasst im sogenannten Sinus-Milieu dar.[45]

1.3.2.2 Sinus-Milieu

Das Sinus-Milieumodell wird von den verschiedensten Unternehmen und Institutionen genutzt, um ihre Produkte und Dienstleistungen strategisch zu positionieren und ihr Marketing segmentationsgerecht auszurichten.

Das in Abbildung 4 aufgezeigte Sinus-Milieumodell besteht aus zehn Milieus, in denen hoch angesiedelte Gesellschaftsgruppen tendenziell einen höheren Bildungsabschluss und ein gehobenes Einkommen besitzen. Gesellschaftsgruppen, die sich weiter rechts auf der x-Achse befinden, werden als moderner im soziokulturellen Sinn bezeichnet. Wie aus der Grafik hervorgeht, überschneiden sich die Grenzen der Milieus. Diese Übergänge spiegeln die nicht eindeutige Trennbarkeit der Alltagseinstellungen und Grundorientierungen wider, die das Sinus-Institut als „Unschärferelation der Alltagstauglichkeit“ bezeichnet.[46]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Sinus-Milieus Deutschland 2010[47]

Die zehn verschiedenen Milieus lassen sich wiederum in vier verschiedene Gruppen einteilen, die die Sinus-Sociovision GmbH wie folgt beschreibt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Milieubeschreibungen[48]

Die Größen der Milieus verändern sich im Laufe der Jahre. Aus diesem Grund werden stetig weitere Nachforschungen betrieben. Die in Tabelle 2 aufgeführte Milieuansicht bezieht sich auf Deutschland. Die Ausprägungen in den Ländern variieren allerdings entsprechend der unterschiedlichen Lebenseinstellungen. Diese Unterschiede veranschaulicht Abbildung 5, in der jeweils einzelne Milieus mit dem entsprechenden Land in Bezug gesetzt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Sinus-Milieus in Europa[49]

In der Service-Studie 2004 von Diez und Reindl[50] wurden Teile einer vom Sinus-Institut publizierten Studie veröffentlicht. Die in der Studie beschriebene Einteilung der Servicekunden hat zum Zweck, den Werkstätten die Möglichkeit zu eröffnen, den diversen Bedürfnissen der verschiedenen Kundensegmente besser gerecht zu werden.

Das Sinus-Institut unterteilt die Servicekunden in folgende sechs Kundengruppen:[51]

1. Der prestige- und qualitätsorientierte Servicekunde

Er möchte nicht das technische Problem als solches verstehen, stattdessen erwartet er von der Werkstatt, dass sie sich professionell seiner Problematik annimmt und sie entsprechend löst.

Dieses Segment umfasst 19% aller Servicekunden.

2. Der desinteressierte Servicekunde

Bei ihm handelt es sich um den klassischen Do-it-Yourself-Verbraucher. Er nimmt so gut wie gar keine Werkstattangebote in Anspruch. Die Reparatur und Wartung nimmt er nach Möglichkeit selbst vor .

Dieses Segment umfasst 19% aller Servicekunden.

3. Der fun-orientierte Servicekunde

Zu dieser Kundengruppe gehört der technikbegeisterte Kunde. Er führt ähnlich wie der desinteressierte Kunde die Reparaturen selbst durch. Bei Auftragsvergabe an eine Werkstatt hat er großes Misstrauen gegenüber der Werkstätte, aber gleichzeitig hohe Qualitäts- und Serviceansprüche.

Dieses Segment umfasst 19% aller Servicekunden.

4. Der service- und händlerorientierte Servicekunde

Dieser Verbraucher vertraut nahezu blind der Kompetenz der Servicewerkstätte seines Vertrauens.

Dieses Segment umfasst lediglich 5% aller Servicekunden.

5. Der gebrauchswert- und sicherheitsorientierte Servicekunde

Diese Kundengruppe gehört zu den größten Kundengruppen des automobilen Servicebereichs. Sie vertraut der Fachwerkstatt und sieht in ihr einen guten und kompetenten Partner.

Dieses Segment umfasst 37% aller Servicekunden.

6. Der kritisch- distanzierte Servicekunde

Er vertraut grundsätzlich keiner speziellen Werkstatt und ist deswegen auch bereit, häufig die Werkstätte zu wechseln.

Dieses Segment umfasst 5% aller Servicekunden.[52],[53]

Aus den Erkenntnissen über die Verhaltensweisen der Kunden lassen sich entsprechende Kundenpräferenzen ableiten. Ist die genaue Kundenpräferenz bekannt, besteht die Möglichkeit, das Angebot entsprechend anzupassen oder auch die Entwicklung der Produkte in eine entsprechende Richtung zu lenken. Um ein möglichst genaues Bild zu erhalten, werden die Präferenzen in einer Kundenpräferenzstruktur dargestellt, anhand derer ermittelt werden kann, wie wichtig unterschiedlichen Kundentypen die verschiedenen Produkteigenschaften wie Betriebskosten, Qualität oder Sicherheit sind.[54] Aufgrund der Vielzahl an Themen wird nicht näher auf die Kundenpräferenzstruktur eingegangen. Das obige Kapitel 1.3.2. (Kundenbindung und Kundenzufriedenheit) dient als Grundlage, um ein betriebswirtschaftliches Verständnis für den Werkstattbetrieb und der damit verbundenen Werkstattprozesse aufbauen zu können.

1.4 Kfz-Werkstattbetrieb

1.4.1 Betriebsorganisation und Verwaltung in einem Kfz-Werkstattbetrieb

Die Betriebsorganisation im Fahrzeugbereich ist meist funktional untergliedert. Die Anzahl der Funktionsbereiche hängt vor allem von der Größe des Betriebes und dessen Schwerpunkten ab. Im Autohaus oder in einer Autohauskette stellt die Werkstatt in der Regel einen Teil einer Organisation und damit einen eigenständigen Funktionsbereich dar. Innerhalb eines Funktionsbereiches gibt es je nach Größe der Werkstatt im Wesentlichen zwei weitere Kernuntergliederungen: Zum einen den Funktionsbereich Karosserie und Lackierbetrieb und zum anderen den Wartungs- und Reparaturbetrieb. Um den reibungslosen Ablauf dieser Bereiche zu gewährleisten, wird zudem ein Ersatzteil- und Zubehörlager benötigt.[55] Unter weitere Unterfunktionsbereiche können die in Kapitel 1.4.2 (Kfz-Werkstattprozesse) aufgeführten Werkstattprozesse fallen, da sich einzelne dieser Prozessschritte zu einer Funktion zusammenfassen lassen. Beispielsweise können die Bereiche Terminvereinbarung, Terminvorbereitung, Fahrzeugannahme und Fahrzeugübergabe dem Funktionsbereich Kundenservice zugeordnet werden.

Wie in jeden Betrieb fallen auch in Werkstattbetrieben Verwaltungsaufgaben für die allgemeine Betriebsorganisation, die Buchhaltung, die Lohnbuchhaltung, die Provisionsabrechnung, das Personalmanagement, die Rechnungserstellung, die Kasse, die Überwachung des Zahlungsein- und -ausgangs, das Controlling und die EDV-Betreuung an. Bei kleineren Betrieben übernimmt diese Aufgaben der Werkstattmeister und Inhaber selbst. Größere Betriebe müssen hierfür mindestens eine Fachkraft beschäftigen.[56]

Je nach Größe des Betriebes wird für die Verwaltung jedem Funktionsbereich ein Verantwortlicher zugeteilt. Hierbei kann es auch einen Verantwortlichen für mehrere Bereiche geben. Jede Werkstatt hat allerdings immer einen Werkstattleiter, der mindestens einen Meistertitel führt. In Autohäusern kann der Meister dem Geschäftsführer unterstellt sein, wohingegen in kleineren Betrieben dem Werkstattinhaber diese Rolle zukommt. Zudem fungiert der Werkstattmeister in kleinen Unternehmen als Ansprechpartner der Kunden, indem er beispielsweise die Rechnung erläutert oder Technikfragen der Kunden beantwortet. In größeren Unternehmen führen diese Aufgabe alternativ Servicekräfte oder ein Servicemeister aus.

1.4.2 Kfz-Werkstattprozesse

In einer Werkstatt finden zahlreiche Prozesse statt, die von der Fahrzeugannahme und Diagnose, über Wartung und Reparatur, bis hin zur Fakturierung reichen. Als Beispiel wird in Abbildung 6 ein stark vereinfachter Standard-Werkstattprozess in einer Servicewerkstätte angeführt. Dieser Prozess ist auf nahezu alle komplexe Produkte übertragbar, sehr realitätsnah und wird weltweit in Werkstätten eingesetzt. Der Ablauf des Standard-Werkstattprozesses unterscheidet sich nach Auftragstyp. Während bei einem Wartungsauftrag in vielen Werkstätten keine Diagnose stattfindet, wird bei Reparaturaufträgen meistens eine Diagnose durchgeführt. Ergibt die Diagnose, dass ein Fehler vorliegt, wird das Fahrzeug repariert. Liegen keine Mängel vor, erfolgt die Auslieferung des Fahrzeugs an den Kunden. Parallel zu Diagnose und Reparatur wird in vielen Betrieben eine Wartung vorgenommen, die im Fahrzeugservicebereich beispielsweise das Nachfüllen des Kühlwassers, des Öls oder des Scheibenwischwassers beinhaltet.[57] Von den meisten Kunden wird eine solche Wartung als Serviceleistung erwartet.

Das Schaubild (Abbildung 6) beschreibt den Werkstattprozess basierend auf den Begrifflichkeiten Diagnose, Wartung und Reparatur. Aus der Literatur ergeben sich allerdings verschiedene Ansätze zum Umgang mit diesen Begriffen, weshalb in den Kapiteln 1.4.2.3 (Fahrzeugannahme) – 1.4.2.7 (Abrechnung und Fahrzeugübergabe) näher auf die Begrifflichkeiten und ihre Abgrenzungen eingegangen wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Einheitlicher Werkstattprozess[58]

Im letzten Jahrzehnt wurde in den Werkstätten die sogenannte Dialogannahme eingeführt. Das Ziel der Dialogannahme besteht darin, den Servicetechniker zusammen mit dem Kunden eine Fahrzeugdiagnose im Rahmen der Fahrzeugannahme durchführen zu lassen. Diese Veränderung bezüglich der Einbindung des Kunden hat zur Folge, dass vor allen Wartungen eine Kurzdiagnose durchgeführt wird.[59] Abbildung 7 veranschaulicht diesen nun leicht veränderten Werkstattprozess. Der Trend zur Dialogannahme hat aus Kostengründen wieder abgenommen oder wurde in einigen Werkstätten von vornherein nicht eingeführt. Meist finden Dialogannahmen nur noch bei akuten Fehlermeldungen, die von einem Kombiinstrument angezeigt werden, statt. Im Pkw-Bereich fällt demnach bei vielen Autohäusern und Werkstätten die Diagnose erst im Falle einer bevorstehenden Reparatur an.[60] Auf die Dialogannahme wird in Kapitel 1.4.2.4 (Dialogannahme) näher eingegangen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Nutzfahrzeugwerkstattprozess[61]

Vorhergehende Abbildung 7 veranschaulicht einen Werkstattprozess aus der Nutzfahrzeugbranche, der aber beispielhaft für alle Bereiche der Fahrzeugbranche angeführt werden kann. Das Schaubild gliedert sich in drei vertikale Spalten, wobei die erste Spalte Prozesse aufzeigt, die unmittelbar mit dem Kunden zusammen stattfinden. In Spalte zwei wird der jeweilige Prozessschritt, in Spalte drei der entsprechende Prozessablauf beschrieben.

Ein Werkstattprozess läuft in der Regel folgendermaßen ab: Der Kunde meldet sich telefonisch bei der Werkstatt und vereinbart einen Termin (Service Anmeldung); nach der Anmeldung wird die Annahme vorbereitet. Hierzu werden die Verfügbarkeiten von Material (wie beispielsweise Hebebühne oder Diagnosemessgeräte) und Personal geprüft. Im Anschluss wird eine Vordiagnose durchgeführt und der Annahmeprozess damit abgeschlossen.

Nach der Annahme erfolgt die Arbeitsvorbereitung, wofür die Arbeitsanweisung überprüft und das Fahrzeug entsprechend vorbereitet wird. Vor Beginn der Wartung/Reparatur wird eine Fahrzeugdiagnose mittels eines Diagnosegeräts durchgeführt. Nach Abschluss der Diagnose wird der Reparaturauftrag vorbereitet, durchgeführt und abgeschlossen. Im Anschluss erfolgt ein Funktionstest, die Überprüfung der Dokumentation des Werkstattauftrages sowie abschließend die Abrechnung des Werkstattauftrages. Handelt es sich bei dem Auftrag um einen Garantieauftrag, wird dieser noch im Anschluss bearbeitet. Nach Erledigung aller Schritte wird die Fahrzeugübergabe vorbereitet, durchgeführt und abgeschlossen. Im letzten Schritt finden eine Befragung des Kunden bezüglich seiner Zufriedenheit und die Auswertung der Werkstattprozesse durch das Controlling statt.

Die oben aufgeführten Prozesse laufen in aller Regel in jedem Servicebetrieb nach diesem Prinzip ab. Im Detail unterscheiden sich die Werkstätten allerdings grundlegend. Jeder Hersteller liefert zwar genaue und durchdachte Prozessbeschreibungen, deren Umsetzung hängt allerdings sehr von den örtlichen und betriebsspezifischen Rahmenbedingungen ab. Laut der Studie „Fit for Service 2007“[62] fehlt es in vielen Betrieben an der notwendigen Prozesssicherheit, die als Grundvoraussetzung für eine reibungslose und professionell gestaltete Prozesskette einer Servicewerkstätte gilt.

Wie Abbildung 7 illustriert auch nachfolgende Abbildung 8 Werkstattprozesse. In diesem Fall liegt der Fokus allerdings auf den unterschiedlichen Leistungsarten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Kfz-Werkstattprozesse unter Berücksichtigung einzelner Prozesse[63]

In der vorangegangenen Grafik werden die unterschiedlichen Prozesse in einer Werkstatt in einer zeitlichen Reihenfolge mit den prozessbetreffenden Abteilungen dargestellt. Wie in Abbildungen 7 und 8 stellen die aufgeführten Leistungen nur einen Auszug aus dem Leistungsspektrum einer Servicewerkstätte dar. Auch die Länge der abgebildeten Prozessschritte spiegelt nicht die Dauer des entsprechenden Prozesses wider sondern stellt den Fokus des Kernprozesses dar.

Die einzelnen Prozessschritte werden in den nachfolgenden Kapiteln im Detail ausgeführt. Den ersten Prozess eines jeden Werkstattprozesses stellt stets die Terminvereinbarung dar.

1.4.2.1 Terminvereinbarung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mit der Terminvereinbarung beginnt die Herausforderung der Kundenbindung. Hierbei gibt es zwei mögliche Ansätze: Zum einen kann die Werkstätte abwarten, bis der Kunde von selbst in das Haus kommt oder ihn aktiv mittels Aktionen in die Werkstatt locken.[64] Unter mögliche Aktionen fallen zum Beispiel das Reifengeschäft und die Reifenlagerung. Gerade Letztere bindet den Kunden langfristig an den Betrieb. Allerdings gilt es zu beachten, dass beim Reifengeschäft zum ersten Schneefall alle Kunden auf einmal zum Reifenwechsel erscheinen wollen.[65] Damit noch genügend Zeit für die Kundenbetreuung bleibt, sollte von Seiten der Werkstatt der Versuch unternommen werden, mittels Frühbucheraktionen in Kombination mit Telefonaktionen den Reifenwechsel zu entzerren.[66] Im Gegensatz zum Reifenwechsel lässt sich der anstehende Inspektionstermin nur schwer vorausplanen, da er durch die Onbord-Diagnose fahrzeugindividuell ermittelt wird. Stattdessen stehen in regelmäßigen Abständen der HU- und der AU-Termin an, auf die der Kunde durch den Servicebetrieb aktiv aufmerksam gemacht werden kann. Am besten erfolgt die Umsetzung der oben beschriebenen Maßnahmen mittels moderner EDV-Systeme. Selbstverständlich wird vor der Terminvergabe die Realisierbarkeit des Auftrages überprüft.[67] Eine höhere Werkstattauslastungsquote wird, wie die aus der Studie von ExxonMobil stammende Grafik verdeutlicht, mit einer aktiven Kundenansprache erzielt.[68]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Werkstattauslastungsquote[69]

Tabelle 3 zeigt, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Werkstattauslastung und aktiver Terminvereinbarung besteht. So schaffen es nur 13% der Werkstätten insgesamt eine Auslastung von 90-100% zu erzielen. Im Gegensatz dazu erreichen 46% aller Werkstätten mit aktiver Terminvereinbarung eine Auslastung von 90-100% oder sogar von über 100%.

Unmittelbar auf die Terminvereinbarung erfolgt die Terminvorbereitung.

1.4.2.2 Terminvorbereitung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vor allem aus betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Sicht spielt die Terminvorbereitung eine wichtige Rolle, da sie die Grundlage für einen weiteren reibungslosen Werkstattablauf darstellt. Kernprozesse der Terminvorbereitung sind die Zuteilung der Monteure und Werkstattplätze sowie die Überprüfung der Teileverfügbarkeit.[70] Die Einteilung der Monteure erfolgt auf persönlicher Ebene über den Werkstattmeister. Festgehalten wird die Einteilung mit Hilfe des Steckkartensystems und zusätzlich eines entsprechenden EDV-Systems.

Das Teilelager spielt dabei eine Schlüsselrolle: Müssen Teile erst bestellt werden, kostet dies unnötige Wartezeit für den Kunden. Befinden sich hingegen dauerhaft zu viele Teile auf Lager, verursacht dies wiederum hohe Lagerkosten und unnötige Kapitalbindung. Eine Kenngröße für einen Wirtschaftlichen Teileprozess ist die Umschlaghäufigkeit, die sich aus dem Quotienten aus Lagerbestand und Wareneinsatz pro Jahr ergibt.[71] Es lässt sich durch eine Kombination aus Expressbestellungen und Lagerhaltung von besonders schnell drehenden Produkten erhöhen. Laufen die Prozesse, Terminvereinbarung und Terminvorbereitung plangemäß und routiniert, ist die beste Grundlage für den darauffolgenden Prozess der Fahrzeugannahme geschaffen.

[...]


[1] O.V. 2010

[2] Loogen, F. 2010

[3] Loogen, F. 2010a

[4] Vgl. Spath, D. et al. 2011, S.6

[5] Vgl. Die Bundesregierung 2009, S. 10

[6] Vgl. Hungenberg, H./ Wulf, T. 2011, S. 199

[7] Vgl. Leibundgut, A. 2010, S. 26

[8] Vgl. Witte, H. 2007, S. 174

[9] Vgl. Schulte-Zurhausen, M. 2010, S. 32 ff.

[10] Vgl. Vahs, D. 2007, S. 11ff.

[11] Vgl. Baldegger, R. 2007, S. 314

[12] Vgl. Klug, F. 2010, S. 108

[13] Vgl. Vahs, D. 2007, S. 12 ff.

[14] Feldbrügge, R./ Brecht-Hadraschek, B. 2008, S. 6

[15] Hirzel, M./ Kühn, F./ Gaida, I. 2008, S. 12 ff.

[16] Vgl. Becker, J./ Kugler M./ Rosemann, M. 2005, S. 38

[17] Lehner, F. 2009, S. 190

[18] Vgl. Berndt, R. 2005, S. 27

[19] Vgl. O.V. 2009

[20] Vgl. Barkawi, K./ Baader, A./ Montanus, S. 2006, S. 3

[21] Vgl. Barkawi, K./ Baader, A./ Montanus, S. 2006, S. 1; Kaerner, H. 2004, S. 7

[22] Vgl. Wawrzynek, S. 2007, S. 41

[23] Vgl. Kramer, J./ Neumann-Szyszka, J./ Simon, M. 2010, S. 173

[24] Kaerner, H. 2004, S.21

[25] Dangelmaier, W./ Emmerich, A./ Gajwski, T. 2006. S. 155

[26] Schmidt, T./ Laucht, O./ Bauer, A. 2006, S. 95

[27] Vgl. Diez, W. 2006, S. 163

[28] Vgl. Diez, W. 2006, S. 164

[29] Vgl. Xie, X. 2006, S.24

[30] Vgl. Xie, X. 2006, S. 26

[31] Vgl. Arndt, S. 2007, S. 23

[32] Vgl. Diez, W./ Freudentaler, M. 2011, S. 8

[33] Vgl. Diez, W./ Freudentaler, M. 2011, S. 10

[34] Vgl. Kaerner, H. 2004, S. 40

[35] Hammerl, M. 2008, S. 4

[36] Vgl. Elfroth, A./ Zupancic, D./ Neckermann, S. 2005, S. 49

[37] Diez, W./ Reindl, S. 2004, S.24.

[38] Vgl. Diez, W./ Reindl, S. 2004, S.24.

[39] Vgl. Freter, H. 2008, S. 305

[40] Vgl. Freter, H. 2008, S. 29

[41] Vgl. Kotler, P. et al. 2010, S. 459

[42] Vgl. Freter, H. 2008, S. 91

[43] Vgl. Olbricht, R. 2006, S. 50

[44] Flaig, J. et al, o.J.

[45] Vgl, Flaig, B., 2010

[46] Flaig, B. 2010a

[47] Flaig, B. 2010b

[48] Flaig, B. 2010

[49] Flaig, B. 2010

[50] Vgl. Diez, W./ Reindl, S. 2004, S. 25

[51] Vgl. Diez, W./ Reindl, S. 2004, S. 25 f.

[52] Vgl. Diez, W./ Reindl, S. 2004, S. 25 f.

[53] Obige Zahlen stammen aus der Service-Studie 2004 von Diez und Reindl. Die Summe der Anteile übersteigt 100%. Da nicht nachvollziehbar ist, woher diese Abweichungen stammen, wurden diese Zahlen trotz des offensichtlichen Fehlers übernommen.

[54] Vgl. Burmester, R. 2011, S. 52.

[55] Vgl. Sommer, M.; 2004, S. 26

[56] Vgl. Sommer, M.; 2004, S. 178

[57] Vgl. Reif, K. 2011, S. 247

[58] Vgl. Erhard, C./ Loogen, F./ Hamester, J. 2008, S.8

[59] Vgl. Brachat, H. 2003, S. 13; Diez, W. 2006, S. 186

[60] Vgl. Sauer, M. 2006, S. 48

[61] Erhard, C./ Loogen, F./ Hamester, J. 2008, S.8.

[62] Vgl. Schütt, K.-P./ Eickmeier, D. 2007, S. 3ff.

[63] Vgl.Erhard, C./ Loogen, F./ Hamester, J. 2008, S. 8

[64] Vgl. Schütt, K.-P./ Eickmeier, D. 2007, S. 22 f.

[65] Vgl. Diez, W./ Freudenthaler, M. 2011, S. 40 f.

[66] Vgl. Schütt, K.-P./ Eickmeier, D. 2007, S. 24

[67] Vgl. Schörs, T. 2006, S. 33

[68] Vgl. Schütt, K.-P./ Eickmeier, D. 2007, S. 25

[69] Vgl. Schütt, K.-P./ Eickmeier, D. 2007, S. 25

[70] Vgl. Schörs, T. 2006, S. 33

[71] Vgl. Aubeck, H. 2009, S. 304

Ende der Leseprobe aus 116 Seiten

Details

Titel
Die Werkstattprozesse von ICE-Fahrzeugen und deren Transfer in einen rationellen Prozess für BE-Fahrzeuge
Untertitel
Downstreampotential für den Fahrzeugservicebereich in Europa
Hochschule
Fachhochschule Esslingen Hochschule für Technik Esslingen  (Wirtschaft)
Note
1,8
Autor
Jahr
2012
Seiten
116
Katalognummer
V198992
ISBN (eBook)
9783656267294
ISBN (Buch)
9783656269458
Dateigröße
5044 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aftersales Service, Werkstattprozesse, Elektrofahrzeuge, Fahrzeugservice, Fahrzeugservice für Elektrofahrzeuge, Elektrofahrzeugprognose, Prognosesn für Elektrofahrzeuge, Kundensegmentierung, Kundensegmentierung für den Fahrzeugservice, KFZ- Werkstatt, Betriebsorganisation, Downstream, Upstream, Up-und-Downstream, Downstreampotenziale, Downstreampotenziale für Elektrofahrzeuge, Downstreampotenziale für den Fahrzeugservice, SmartGrid, Energiewende, Fahrzeug Kurzzeitmietprogramme, Elektrofahrzeugkomponenten, Gesetzliche Veränderungen für Elektrofahrzeuge, Aftersalesservice, Werkstattorganisation
Arbeit zitieren
Jonathan Ruwwe (Autor:in), 2012, Die Werkstattprozesse von ICE-Fahrzeugen und deren Transfer in einen rationellen Prozess für BE-Fahrzeuge, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198992

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