Das Grüne Band Europas

Im Spannungsfeld von Naturschutz und Tourismus


Bachelorarbeit, 2011

77 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1 Einleitung

2 Methode
2.1 Literaturübersicht
2.2 Problemlösungsweg

3 Das Grüne Band Europas
3.1 Geschichte: „Wie kam es zum Grünen Band?“
3.1.1 Der Eiserne Vorhang
3.1.2 Die Wiedervereinigung Deutschlands
3.2 Entstehung des Grünen Bandes
3.2.1 Das Grüne Band Deutschlands
3.2.2 Das Grüne Band Europas
3.3 Allgemeine geografische Beschreibung des Grünen Bandes Europas
3.3.1 Das Fennoskandische Grüne Band – Fennoscandian Green Belt
3.3.2 Das Zentraleuropäische Grüne Band – Central European Green Belt
3.3.3 Das Südosteuropäische Grüne Band – South Eastern European Green Belt

4 Das Grüne Band im Spannungsfeld von Naturschutz und Tourismus
4.1 Überblick über die verschiedenen Formen von Tourismus
4.1.1 Massentourismus
4.1.2 Verantwortungsvolle Formen von Tourismus
4.2 Eignet sich das Grüne Band Europas für den Tourismus?
4.3 Tourismus am Grünen Band
4.3.1 Vermarktung von Tourismus am Grünen Band
4.3.2 Das touristische Angebot
4.3.3 Die touristische Nachfrage
4.3.4 Managementoptionen für Tourismus am Grünen Band
4.3.5 Biosphärenreservate – PAN-Parks
4.3.6 Umfassendes BesucherInnenmanagement
4.3.7 Allgemeine Feststellungen über den Tourismus am Grünen Band
4.4 Eignet sich der Tourismus für das Grüne Band?

5 Beispiele für Touristische Nutzungen am Grünen Band
5.1 Prespa-Ohrid Region
5.1.1 Allgemeiner geografischer Überblick
5.1.2 Gefährdungsfaktoren und Zielsetzung des Prespa-Nationalparks
5.1.3 Die Fauna der Prespa – Ohrid Region
5.1.4 Die Flora der Prespa – Ohrid Region
5.1.5 Tourismus in der Prespa – Ohrid Region
5.1.6 Zusammenschau von Tourismus und Naturschutz im Gebiet
5.2 Iron Curtain Trail (ICT) – Europa-Radweg Eiserner Vorhang
5.2.1 Allgemeine Informationen über den ICT
5.2.2 Der Iron Curtain Trail im Spannungsfeld von Tourismus und Naturschutz

6 Naturschutz & Tourismus: „Warum funktioniert das (nicht)?“
6.1 Einleitung
6.2 Auswirkungen der Aktivitäten von NaturtouristInnen
6.2.1 Wandern
6.2.2 Radfahren
6.2.3 Mountainbiking
6.2.4 Klettern
6.2.5 Reiten
6.2.6 Sportarten im Luftraum – Paragleiten, Segelfliegen
6.2.7 Wintersportarten
6.2.7.1 Alpinschifahren – Snowboarden
6.2.7.2 Schitouren, Snowboardtouren, Schneeschuhwandern
6.2.8 Wassersportarten
6.2.8.1 Baden
6.2.8.2 Canyoning
6.2.8.3 Kanu-, Kajakfahren
6.2.9 Motorisierte „Sportarten“
6.2.10 Zelten - Camping
6.2.11 Naturbeobachtung - Birdwatching
6.3 Verhältnis von Tourismus und Naturschutz – Kann nachhaltiger Tourismus erreicht werden?
6.3.1 Finanzierung
6.3.2 Trends im naturnahen Tourismus
6.3.3 Deckmäntelchen Ökotourismus
6.3.4 Conclusio: Tourismus - Naturschutz
6.4 Schutzkategorien und deren Eigenschaften - Management
6.4.1 IUCN-Schutzkategorien
6.4.2 UNESCO-Schutzkategorien

7 Diskussion

8 Literaturverzeichnis

9 Abbildungs-, Tabellen- und Abkürzungsverzeichnis:

10 Anhang
A.1 Übersichtstabelle
A.2 Tier- und Pflanzenartentabelle
A.3 Quer durch das Grüne Band Europas - Allgemeiner Überblick
A.4 Überblickskarte

1 Einleitung

Entlang dem Eisernen Vorhang, der sich für rund 40 Jahre quer durch Europa erstreckte, sind große Gebiete zu politischen und wirtschaftlichen Randlagen geworden. In diesen Grenzregionen blieb aufgrund der Abgeschiedenheit und dadurch, dass sie oft militärisches Sperrgebiet waren, vieles erhalten, was sonst durch menschliche Intensivnutzungen der Industrialisierung verloren gegangen ist. So finden sich entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs heute viele Flächen von höchstem ökologischem Wert.

„Wie an einer Perlenschnur reihen sich ursprüngliche Wälder, stille Seenlandschaften, unberührte Küsten, ungezähmte Flüsse, einsame Gebirge und traditionelle vielgestaltige Kulturlandschaften entlang der ehemaligen Grenze auf.“[1]

Heute bieten genau diese Flächen, sogenannte „Perlen am Grünen Band“, letzte Rückzugsmöglichkeiten für seltene und gefährdete Arten. So finden sich am Grünen Band Fischotter, Wolf, Luchs, Braunbär und in den Feuchtgebieten viele verschiedene Vogelarten. In seiner Gesamtheit stellt das Grüne Band ein wichtiges Rückgrat des europäischen Biotopverbunds dar. Seine wirtschaftlich marginalisierten und gerade aufgrund stehengebliebener Entwicklung naturschutzfachlich höchst wertvollen Gebiete mit dem Bild „einer heilen Welt“ sind jedoch heute gerade für den Tourismus äußerst interessant.

„Ebenso vielseitig wie die Möglichkeiten sich in der Natur zu vergnügen sind allerdings auch die Belastungen und Störungen der Natur durch den Tourismus. Bevor die eigentliche Interaktion zwischen Tourist und Umwelt beginnt, fällt der Energieverbrauch durch die Reise und für die Reiseinfrastruktur negativ ins Gewicht. Darauf folgen Belastungen durch Wohninfrastruktur, Energie- und Wasserverbrauch sowie Abfall und Entsorgung.“[2]

Somit beginnt der Konflikt zwischen dem Naturschutz[3], dem ursprünglichen Ziel des Grünen Bandes, und dem heute aufkommenden Tourismus. Genau um dieses Spannungsfeld geht es in dieser Bakkalaureatsarbeit. Das Europäische Grüne Band wird in Hinblick auf Naturschutz und Tourismus untersucht. Die Forschungsfrage lautet: Gibt es einen Zielkonflikt zwischen dem Tourismus und dem Naturschutz am Grünen Band Europas?

Doch nicht nur durch Tourismus ist das Grüne Band Europas bedroht, auch der Handel kann die einzigartige Natur gefährden. Aufgrund der u.a. durch die EU-Erweiterung 2004 verstärkten Handelsbeziehungen wird ergo auch die dazu nötige Infrastruktur massiv ausgebaut:

“Transport infrastructure is fundamental for the smooth operation of the internal market, for the mobility of persons and goods and for the economic, social and territorial cohesion of the European Union. The EU 27 comprises 5.000.000 km of paved roads, out of which 65.100 km are motorways, 212.80 km of rail lines, out of which 110.458 km electrified, and 42.709 km of navigable inland waterways. The total investment on transport infrastructure during the period 2000-2006 was € 859 billion (…)”[4]

Dieses Streben nach verstärktem Handel, wirtschaftlichem Wachstum und dem damit verbundenen starken infrastrukturellen Aufbau stellt eine Bedrohung für zusammenhängende, aber auch einzelne Schutzgebiete dar. „Massentourismus, Freizeitwirtschaft, Zweitwohnsitze und Energiesektor (Gaspipelines, Pufferspeicher) gelten in manchen Staaten noch immer als fortschrittliche Formen der Landnutzung.“[5] Eine Zerstücklung der Kette von Schutzgebieten und eine Verringerung der Korridor-Funktion sind die Folgen. Der Schutz des Biotopverbundsystems vor Zerschneidung durch Straßen ist eine wichtige raumplanerische Herausforderung der einzelnen Regionen, auf die jedoch in Hinblick auf den Rahmen dieser Arbeit nicht eingegangen werden kann. Eine weitere Herausforderung stellt der Tourismus dar, der in einigen Regionen neuen Aufschwung erlebt und boomt. Das heutige Grüne Band kann aufgrund der genannten Einflüsse als bedroht und äußerst schützenswert angesehen werden.

2 Methode

2.1 Literaturübersicht

Der Eiserne Vorhang wurde 1989, also vor 22 Jahren, durchtrennt. Im selben Jahr erfolgte die Verfassung einer Resolution über das Grüne Band von Naturschützern sowohl der BRD als auch der DDR. Deren Inhalt lautet:

„Der Grenzstreifen zwischen der Bundesrepublik und der Deutschen Demokratischen Republik ist als grünes Band und als ökologischer Rückgrat Mitteleuropas vorrangig zu sichern, d.h. es muß umgehend eine einstweilige Sicherstellung dieser Gebiete in der DDR und BRD erfolgen. Darüber hinaus sollen großflächige grenzüberschreitende Schutzgebiete errichtet oder miteinander vernetzt werden. Die Detailkonzeption sollte vom Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz (ILN) und von der Bundesforschungsanstalt für Naturschutz und Landschaftsökologie (BFANL) durchgeführt werden. Bei der Detailkonzeption sind die Bedürfnisse der ortsansässigen Bevölkerung zu berücksichtigen. Diese Forderung ist keine nachträgliche Rechtfertigung der Grenze.“[6]

Das Europäische Grüne Band ist ein recht junges Thema. Somit war es einfach, Literatur ab dem Jahr 2000 zu finden. Besonders über den deutschen Abschnitt des Grünen Bandes gibt es ausreichend (deutsch- und englischsprachige) Literatur.

In Deutschland hat das heutige Grüne Band vermutlich auch einen höheren Bekanntheitsgrad als in Österreich, obwohl im Jahr 2009 in Linz, der damaligen Kulturhauptstadt Europas, im Schlossmuseum eine Ausstellung zum Thema stattfand.

Im Internet sind sogar virtuelle Führungen bzw. Besichtigungen des deutschen Grünen Bandes möglich.[7]

Über die Abschnitte an der finnisch-russischen, aber auch an der bulgarisch-griechischen und der bulgarisch-türkischen Grenze ist es schwieriger deutsche oder englische Literatur zu finden. Hier erwies sich die offizielle Homepage des European Green Belt als hilfreich.[8]

Für die theoretische Hauptaussage wurde zusätzlich noch nach Literatur über das Verhältnis von Naturschutz und Tourismus recherchiert. Einige deutsch- und englischsprachige Werke sind in die allgemeinen Betrachtungen eingeflossen.

2.2 Problemlösungsweg

Im Zuge dieser Bakkalaureatsarbeit wurde hauptsächlich Literaturrecherche zum Erkenntnisgewinn betrieben. Die vorwiegend aktuelle Literatur wurde mit Hilfe verschiedener Medien gefunden. Bücher, aber auch Zeitschriften und das Internet erwiesen sich als gute Quellen. Im Internet waren besonders die Seiten der Naturschutzorganisationen und -ämter[9], die sich für die Implementierung und den Erhalt des Grünen Bandes eingesetzt haben und noch immer einsetzen, sehr hilfreich. Auch Google Scholar ergab einige nützliche Treffer.

Die Entwicklung des Grünen Bandes wird zuerst anhand seiner Geschichte erklärt. Es folgt ein kurzer Überblick über die Geografie und Vielfalt des Green Belt Europe. Eine ausführliche Beschreibung von besonderen Gebieten in seinen – naturschutzfachlichen – Besonderheiten, aber auch den potentiellen Gefährdungen ist im Anhang zu finden.

Das Hauptaugenmerk ist auf das allgemeine theoretische Spannungsfeld zwischen bzw. das Verhältnis von Naturschutz und Tourismus gelegt. Im Anschluss daran sind praktische Beispiele anhand konkreter Gebiete mit Vor- und Nachteilen angeführt.

3 Das Grüne Band Europas

3.1 Geschichte: „Wie kam es zum Grünen Band?“

3.1.1 Der Eiserne Vorhang

Das heutige Grüne Band Europas als Lebenslinie und wertvolles Biotopverbundsystem ist eng mit der europäischen Geschichte verbunden. Bis 1989 befand sich auf demselben Gebiet der Eiserne Vorhang, eine Grenze, die durch Stacheldrähte, Minenfelder, Selbstschussanlagen und Wachtürme eine Todeszone war. Der Eiserne Vorhang teilte Europa ca. 40 Jahre lang in zwei voneinander getrennte Hälften und stellte eine, für Menschen beider Seiten, beinahe unüberwindbare Grenze dar.[10]

„16,9 Millionen Menschen deutscher Abstammung“[11] wurden aus weiten Teilen Osteuropas vertrieben, ca. 400.000 starben dabei. Nach 1945 waren neben großen Teilen Asiens auch „(…) große Teile Europas unter kommunistischer Herrschaft: die Baltischen Staaten, (…) Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien, Bulgarien und Albanien. Auch der sowjetisch besetzte Teil Deutschlands, der 1949 endgültig vom restlichen Deutschland abgetrennt und als eigener Staat mit dem Namen Deutsche Demokratische Republik errichtet wurde, wurde in den sozialistischen Block einbezogen.“[12]

Nachdem das militärische Vordringen des Kommunismus den Westen bedrohte, begann der Kalte Krieg mit seinem gigantischen Wettrüsten. Die Welt war in zwei Blöcke geteilt (die Westmächte und den sowjetischen Ostblock) und diese waren durch den sogenannten Eisernen Vorhang (im geteilten Deutschland ab 1949) voneinander abgeschottet.

Der ursprünglich aus dem Theater kommende Begriff Eiserner Vorhang war seit dem 19. Jahrhundert gebräuchlich. Er meinte eine Brandschutzeinrichtung, welche dazu da war, durch Feuereffekte häufig vorkommende Brände auf der Bühne durch Fallenlassen des Eisernen Vorhangs vom Publikum zu trennen. Doch im darauf folgenden Jahrhundert kam es zu einem politischen Gebrauch des Begriffs.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglichte der Marshallplan dem freien Westen ein enormes Wirtschaftswachstum, ganz im Gegensatz zu den zur Sowjetunion gehörenden Blockstaaten, in denen hauptsächlich auf Rüstungs- und Schwerindustrie gesetzt wurde und Lebensmittel und Konsumgüter ständig begrenzt waren.

„Der sich verschärfende Ost-West-Gegensatz und der Kalte Krieg ließen den Eisernen Vorhang zur machtpolitischen, ökonomischen und militärischen Grenze zwischen der westlichen demokratischen Welt und einem Block kommunistischer Diktaturen im Osten Europas und zu einer das totalitäre System des Kommunismus repräsentierenden, todbringenden Trennwand werden. Im nuklearen Gleichgewicht des Schreckens trennte ein eiserner Zaun die Blöcke. Die Berliner Mauer 1961 schloß das letzte noch durchlässige Stück.“[13]

Im Jahr 1965 wurden auch die ungarisch-österreichische und die tschechisch-österreichische Grenze ausgebaut.

„Das kommunistische System konnte seinen Bestand nur durch eine absolute Abschirmung von äußeren Einflüssen und Verbindungen sichern. So war es aus der Sicht der kommunistischen Machthaber nur folgerichtig, daß in einem letzten Schritt ab 1949 alle Grenzen, auch die zwischen den einzelnen kommunistischen Staaten, hermetisch abgeriegelt wurden. Die Übergänge zum Westen wurden stark befestigt und streng bewacht. Die Grenzen waren als Todesstreifen eingerichtet. Die Bevölkerung in den kommunistisch-totalitären Diktaturen mußte ein Leben in Isolation, in einer Art "Wohnhaft", in einem Gefängnis, das niemand verlassen, dessen Mauern nichts durchdringen und dessen Grenzen niemand überwinden sollte, erdulden.“[14]

Es war den Blockstaaten, aufgrund von militärischer Gewalt aus Moskau, nicht möglich, sich von der Sowjetunion zu lösen. Nur Albanien und in geringerem Grad auch Rumänien gelang eine Abschottung (daher ist Albanien auch auf drei Seiten vom heutigen Grünen Band umschlossen). Unter Tito öffnete Jugoslawien, wenn auch mit Einschränkungen, seine Grenzen für Handel und Tourismus.

Nach Stalins Tod 1953 kam es aufgrund der Unzufriedenheit der Bevölkerung der einzelnen Blockstaaten laufend zu Demonstrationen und Aufständen, die jedoch mit militärischer Gewalt niedergeschlagen wurden. Unter der auf Schwerindustrie ausgerichteten Wirtschaft litten aber der Dienstleistungsbereich, die Infrastruktur, aber auch die gesamte Computerentwicklung. Anstelle von Investitionsgütern wurden immer mehr Energie- und Rohstoffe exportiert, durch Misswirtschaft und Korruption erlahmte die Wirtschaft immer mehr.

1985 wurde Michail Gorbatschow, kurz vor dem noch nicht absehbaren Ende der Sowjetunion, Generalsekretär der Kommunistischen Partei der UdSSR und versuchte Reformen durchzuführen. In Polen kam durch Arbeiter- und Intellektuellenmassenbewegungen wieder die Opposition an die Regierung und in Ungarn begannen die Reformen. Am 2. Mai 1989 startete der Abbau der Grenze zu Österreich, wenig später[15] kam es am Grenzübergang Klingenbach-Sopron (Ödenburg) offiziell zur Durchtrennung. Nach dem Pan-Europäischen Picknick der Opposition, bei dem tausende Menschen beim Fertő-Hanság Nationalpark zusammenkamen und einige DDR Bürger nach Österreich flüchten konnten, wurde die Grenze von 10. auf 11. September endgültig von Ungarn geöffnet.

In der DDR selbst trat das SED[16] -Politbüro nach vielen Demonstrationen zurück und am 9. November 1989 kam es unter Günter Schabowski, einem neu gewählten Mitglied, zur gesamten Grenzöffnung zur BRD - die Wende wurde eingeleitet. Schnell wurden provisorische Grenzübergänge gebaut, um die Zeit bis zum kompletten Abbau der Grenze zu überbrücken. Auch in der Tschechoslowakei ereignete sich Vergleichbares und am 11. Dezember 1989 wurde der Stacheldraht beim damaligen österreichisch-tschechoslowakischen Grenzübergang Wullowitz durchtrennt.[17][18]

3.1.2 Die Wiedervereinigung Deutschlands

Helmut Kohl, der damalige Bundeskanzler der BRD, verhandelte mit Michail Gorbatschow, dem damaligen Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und ab März 1990 Präsident der Sowjetunion, über die Wiedervereinigung Deutschlands. Am 3. Oktober 1990 kam es dann nach vier Jahrzehnten des geteilten Deutschlands zum Beitreten der DDR zur BRD und somit zur Wiedervereinigung. Bis zum Ende des Jahres 1990 folgte die weitere Auflösung der UdSSR. Litauen, Lettland und Estland, durch die das heutige Grüne Band läuft, aber auch die asiatischen Staaten, u.a. Tadschikistan und Kasachstan, wurden unabhängig und der „Kalte Krieg“ fand sein Ende.[19][20]

3.2 Entstehung des Grünen Bandes

3.2.1 Das Grüne Band Deutschlands

Kai Frobel gilt als der Initiator des Grünen Bandes. Er wuchs in Mitwitz im heutigen Bayern auf und schon als Jugendlichem war ihm der außerordentliche Vogelreichtum der Grenzflächen aufgefallen. Auf 140 Kilometern wurde ein Abschnitt der Grenze vom Bund Naturschutz (dem Bayrischen Landesverband des BUND[21]) vogelkundlich kartiert und der Wert des von intensiv genutzter Agrarlandschaft umgebenen Grenzstreifens festgestellt. Interessant ist, dass ausgerechnet der ehemalige militärische Sicherheitsstreifen, in dem es regelmäßig Todesopfer gab, nicht unbedingt Naturschutzgedanken aufkommen lässt. Trotzdem gelang die Umwandlung von einer Todeszone in eine Lebenslinie. Das Bild eines auf einem DDR-Grenzpfahl balzenden Braunkehlchen wurde zu einem für die Artenvielfalt stehenden Symbol.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs kam es zum Kontaktaufbau mit DDR-NaturschützerInnen und, um die wertvollen Abschnitte zu erhalten, zum teilweisen Flächenankauf. Am 9. Dezember 1989 fand ein erstes Treffen von Naturschützern der BRD und der DDR in Hof statt. Eine einstimmige Resolution wurde verfasst, die die Sicherung der Naturschätze und die Errichtung von grenzüberschreitenden Schutzgebieten zum Ziel hat. Nach der Wiedervereinigung war es wichtig, die vielen wertvollen Biotope vor raschem Umpflügen zu schützen – daher starteten BUND und BN u.a. mit Ausstellungen und Pressefahrten und dem Verteilen von Faltblättern. 2001 erfasste das Bundesamt für Naturschutz (BfN) gemeinsam mit dem BUND auf dem gesamten deutschen Bundesgebiet die Flächen des Grünen Bandes. 2005 wurden die Flächen des Bundes den einzelnen Bundesländern Deutschlands mit der Zielbestimmung Naturschutz übertragen. Doch noch immer ist die Ausweisung von fehlenden Schutzgebieten durchzuführen, ebenso wie der Flächenerwerb der restlichen Flächen durch den BUND.[22]

3.2.2 Das Grüne Band Europas

„Die einzigartige Vielfalt der europäischen Landschaften entlang des Grünen Bandes zeigt sich auch in der enormen Anzahl von 3.272 Naturschutzgebieten in einem Bereich von 25 Kilometern beiderseits des mindestens 12.500 km langen Grenzverlaufes und unterstreicht die Wichtigkeit dieser Initiative für den Naturschutz.“[23]

Anders als der Name Grünes Band vermuten lässt, ist das Gebiet nicht durchgängig geschützt – sondern kann vielmehr als Netz von geschützten Gebieten beschrieben werden, die – in ihrer Gesamtheit - Trittsteine quer durch Europa bilden.[24]

Michail Gorbatschow, der wesentlich am Abbau der Todeszone beteiligt war, wurde 2002 vom damaligen deutschen Umweltbundesminister Trittin erstmals zur heutigen Lebenslinie eingeladen. Der BUND und das BfN unterbreiteten ihm einen Vorschlag für ein „Grünes Band Europas“. Es gelang, die seit den 90er Jahren initiierten Teilabschnitte, wie das „Fennoscandian Green Belt“ und das „Balkan Green Belt“, zu verknüpfen.[25] 2003 wurde vom BfN eine internationale Konferenz organisiert, an der die meisten Anrainerstaaten teilnahmen, und die Errichtung einer internationalen Arbeitsgruppe wurde besprochen. Die übergeordnete Koordination wurde der IUCN[26] übertragen, die dann im September 2004 ein Treffen in Ungarn am Neusiedler See organisierte, bei dem ein Arbeitsprogramm (Programme of Work, PoW) festgelegt wurde, das heute die Grundlage für die Green Belt Initiative darstellt und u.a. auch die Regionalkoordinatoren benennt.[27] Zur Umsetzung von Projekten des Grünen Bandes werden auch EU INTERREG Programme genutzt, die grenzübergreifendes Handeln und Zusammenarbeiten fördern sollen.[28] Neben dem Erhalt der Natur ist auch die Etablierung einer nachhaltigen Regionalentwicklung Ziel der IUCN.[29]

Um den Wert des Grünen Bandes aufzuzeigen und um Maßnahmen koordinieren zu können, wurde von der Initiative „Grünes Band Europa“ eine große landschaftsökologische Kartierung in Form eines GIS Projektes gemacht. Aus den Karten gehen eindeutig die vielen Schutzgebiete (mit Namen und Schutzkategorie) hervor. Es wird zwischen Kerngebieten, Clustern, Linearen Korridoren und Satellitengebieten unterschieden.[30] Als Kerngebiete werden Nationalparke, große FFH- oder Vogelschutz-Gebiete und große Naturschutzgebiete bezeichnet, als Cluster mittlere bis große Gebiete, die nahe, bzw. in einem Umfeld von 25 Kilometern beiderseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs liegen. Satellitengebiete sind Gebiete, die sich rund um Kerngebiete befinden.[31]

Heute erstreckt sich das Grüne Band Europas als internationales Naturschutzprojekt entlang der 24 beteiligten Staaten von der Subarktis bis zur Schwarzmeerküste. Auf diesen 12.500 Kilometern repräsentiert es alle wichtigen Landschaften und Ökoregionen Europas.

Kennzeichnend für die Flächen des Grünen Bandes ist, dass die nach dem 2. Weltkrieg einsetzende Industrialisierung, im Westen aufgrund der wirtschaftlich marginalisierten Lage, im Osten aufgrund der Sperrgebiete, (meist) nicht stattfand.

Ziele sind der Erhalt von Wildnisgebieten und von urtümlichen Kulturlandschaften[32], deren Vernetzung und Schutz u.a. vor Infrastrukturmaßnahmen. Es steht der Prozess im Vordergrund, vieles ist erst im Entstehen und muss noch umgesetzt werden. Die Ziele sollen durch eine Kette von Modellen nachhaltiger Regionalentwicklung erreicht werden.[33]

„Das Grüne Band ist heute eine friedliche Spur in der Landschaft. Sie läuft entlang grandioser europäischer Natur- und Kulturlandschaften. Das Grüne Band hat aber nicht nur eine überregionale Bedeutung für den Naturschutz. Es ist für kommende Generationen auch ein lebendiges ökologisches Denkmal der früheren Teilung Europas. Es trennt nicht mehr, es verbindet Menschen in einem zusammenwachsenden Europa. Und vielleicht ist es auch eine Vision für andere Grenzen der Welt, die einem Miteinander von Mensch und Natur weichen.“[34]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Zuständigkeiten am Grünen Band: Die drei Regionalkoordinatoren

http://www.erlebnisgruenesband.de/gruenes-band/europa/paneuropaeische-initiative.html eigene Überarbeitung

3.3 Allgemeine geografische Beschreibung des Grünen Bandes Europas

Die verschiedenen Abschnitte des Grünen Bandes werden im Folgenden grob und im Anhang detailliert textlich beschrieben.[35]

3.3.1 Das Fennoskandische Grüne Band – Fennoscandian Green Belt

Das Fennoskandische Grüne Band beginnt ganz im Norden Europas an der von Fjorden geprägten Küste der Barentssee in Norwegen und bildet dort mit dem weiter südlich anschließenden Finnland die Grenze zu Russland. Das „Fennoscandian Green Belt“ ist ca. 1350 km lang und die Größe der Schutzgebiete beträgt ca. 13.100 km².[36] Im Vergleich zur Größe Österreichs ist dieses etwas größer als Tirol (mit 12.640 km²). Die Vereinigung der Zapovediks[37] und Nationalparke Nordwest-Russlands haben die Koordinationsfunktion übernommen.[38]

3.3.2 Das Zentraleuropäische Grüne Band – Central European Green Belt

Dieser Abschnitt beginnt an der Ostseeküste der Baltischen Staaten (Estland, Lettland und Litauen), gefolgt von Kaliningrad (der zur Russland gehörenden Exklave), der Nordküste Polens und Deutschlands (bis Travemünde). Von dort geht es dann entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs zwischen ehemaliger BRD und DDR bis zur Deutsch-tschechischen Grenze, weiter im Südosten dann entlang der Grenze zu den österreichischen Nachbarländern, Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien. An der italienisch-slowenischen Grenze gelangt ein erster Abzweiger des Grünen Bandes zur Adria. Die Flussniederungen der Donau, Theiß, Drau und Mur sind aufgrund der meist vorherrschenden intensiv genutzten Agrarflächen in diesen Gebieten besonders wichtige Habitate. Das „Central European Green Belt“ ist ca. 4839km lang und der BUND (mit seinem Projektbüro Grünes Band) hat die Koordinationsfunktion inne.[39]

3.3.3 Das Südosteuropäische Grüne Band – South Eastern European Green Belt

Am Dreiländereck von Österreich, Slowenien und Ungarn zieht sich das Grüne Band entlang der kroatisch-ungarischen weiter zur serbisch-rumänischen Grenze. Bei der serbisch-bulgarischen Grenze geht es über die Berge des Stara Planina [24] und zwischen Mazedonien und Bulgarien über die Berge Ogražden, Maleševska und Vlahina [25] weiter. Entlang der mazedonisch-griechischen Grenze mit den Berlasica- und Kerkini-Bergen verläuft eine Abzweigung des Grünen Bandes, vorbei an dem Ohrid-, dem Kleinen und dem Großen Prespasee [27], nach Albanien. Diese Seen sind von den Bergen Pelister, Galičica, Mal i Thatë und Jablanica [28] umgeben und beherbergen zahlreiche Wasservogelarten, wie z.B. den Krauskopfpelikan (Pelecanus crispus). Hier konnte sich sogar eine eigenständige Forellenart – die Ohridforelle (Salmo letnica) - entwickeln. Aufgrund der einstigen kompletten politischen Isolierung Albaniens[40] ‚ verlaufen bis auf die Adriaküste rund um dieses Land zwei Abzweiger des Grünen Bandes.

An der albanisch-montenegrischen Grenze hat das Grüne Band Balkan mit den Korab-Bergen seine höchste Erhebung erreicht. Im Norden Albaniens über die Prokletije-Berge entlang der serbisch-montenegrischen Grenze macht das Grüne Band Europas den zweiten Abstecher zur Adria und im Süden entlang der Grenze zu Griechenland den dritten.

Der Hauptverlauf des Grünen Bandes erfolgt dann über die Kožuf-Berge und den Kajmakčalan zwischen Mazedonien und Bulgarien entlang der bulgarisch-griechischen und dann entlang der bulgarisch-türkischen Grenze – entlang der Rhodopen - bis zum Schwarzen Meer. Zum Teil ist das Biotopverbundsystem hier bis zu 50 km breit. In diesem letzten Abschnitt liegt auch die heutige – stark ausgebaute - EU-Außengrenze.

Das Grüne Band stellt besonders in Südosteuropa eine Chance dar, die Länder untereinander wieder zu verbinden und eine Kette von Schutzgebieten zu errichten.

Am Balkan verläuft die Lebenslinie vor allem entlang artenreicher Gebirge (Alpen, Karpaten, Rhodopen, Dinariden), die aufgrund der südlichen Lage auch schon zahlreiche wärmeliebende, spezialisierte alpine Arten aufweisen. Dominierend sind Kiefernwälder und sommergrüne Eichenwälder. Da die Landnutzung hauptsächlich in tieferen Lagen erfolgte, sind noch Reste von Wildnis erhalten geblieben, aber auch die geschaffenen Kulturlandschaften mit Weideland, Hecken und kleinen Dörfern sind sehr artenreich. Viele alte Haustierrassen sind weitverbreitet und die hügeligen Gebiete bieten ideale Bedingungen für ländlichen Tourismus. Auch die Feuchtgebiete, wie Küsten, Flüsse und Seen, sind sehr wichtig. Leider steigt in letzter Zeit der Druck in alpinen Regionen durch Tourismus und Forstwirtschaft und in den Küstenregionen durch Tourismus und Fischerei.

„In Albanien, Kroatien und Montenegro konzentrieren sich die Jäger auf die Küstenbereiche. So entsteht ein enormer Jagddruck, denn genau hier liegen die wenigen intakten Rastplätze der Zugvögel. Nach einem kräftezehrenden Flug über das Mittelmeer kommen die Tiere völlig erschöpft an der Küste an, wo sie anstatt Ruhe zu finden bereits von den Jägern erwartet werden.”[41]

Auch die Initiative Trans-European Transport Networks (TEN-T), die den Warenaustausch fördern will, bedroht durch geplante Straßenbauprojekte, wie die N4 Autobahn von Athen nach Sofia, die Konnektivität des Grünen Bandes.

EuroNatur arbeitet am Balkan als Regionalkoordinator und hat somit jede Menge an Herausforderungen zu meistern.[42]

4 Das Grüne Band im Spannungsfeld von Naturschutz und Tourismus

4.1 Überblick über die verschiedenen Formen von Tourismus

Laut Duden wird unter Tourismus das „Reisen, [bzw.] der Reiseverkehr [in organisierter Form] zum Kennenlernen fremder Orte u. Länder zur Erholung“[43] verstanden. Ein/e TouristIn, der/die auch „Urlaubsreisende[/]r“ genannt werden kann, ist jemand „der [/die] reist, um fremde Orte u. Länder kennen zu lernen.“[44] Je nach Reiseform können verschiedene Formen von Tourismus voneinander unterschieden werden. Im Folgenden soll ein Einblick gegeben werden.

4.1.1 Massentourismus

Als Massentourismus wird ein „in großem Umfang betriebener Tourismus für breite Schichten der Bevölkerung“[45] definiert. Gewöhnliche Strandurlaube in diversen, oftmals all-inklusive Ressorts zählen z.B. dazu. „Massentourismus kann man auch als Harten Tourismus bezeichnen, wobei die Massentouristen wenig Zeit verbringen, schnelle Verkehrsmittel benutzen und ein festes Programm planen. Den Aufenthalt erleben sie passiv und bequem, sie brauchen keine Fremdsprache kennen und (…) Shopping [gehört zu einer der Haupttätigkeiten.]“[46]

Doch sarkastischer Weise tragen gerade diese MassentouristInnen zur hohen Wachstumsrate im naturnahen Tourismus bei. Das eintägige Aufsuchen von Schutzgebieten stellt eine beliebte Abwechslung und Attraktion zum vordergründigen Strandurlaub bzw. zu einer Kreuzfahrt dar.[47] So ist seit den 1990er Jahren der Ökotourismusanteil pro Jahr zwischen 20 und 34% gestiegen. Das heißt jedoch noch lange nicht, dass Massentourismus im Wandel begriffen ist. Schätzungen zufolge wird der Ökotourismus in Zukunft ca. 25% des weltweiten Umsatzes im Tourismusbereich ausmachen. Wandern, Radfahren, Kajakfahren, Tauchen etc. sind Teil dieses Wachstums und machen einen wesentlich höheren Anteil aus als komfortarme Outdoor-Abenteuer oder spezialisierte Naturbeobachtung.[48] Laut Experten haben ökologische Resorts und Hotels einen Marktvorteil, besonders bei frühzeitigem Umstieg.[49]

4.1.2 Verantwortungsvolle Formen von Tourismus

Wie in der Einleitung gezeigt, kann ungelenkter konventioneller Massentourismus seine Grundlagen – die Natur – zerstören. Aufgrund von Kritik seitens der Reisenden und Bereisten wurde vermehrt verantwortungsvoller Tourismus nachgefragt. Nach Ties sind Abenteuer-, Öko-, Geo-, Naturtourismus, Naturnaher, Armenfördernder, Verantwortungsvoller, Nachhaltiger Tourismus und Kulturtourismus verschiedene Kategorien von verantwortungsvollem Tourismus[50] und gemäß dem Prinzip der Nachhaltigkeit entwickelt. Nachhaltige Formen von Tourismus sind z.B. nachhaltiger Tourismus, sanfter Tourismus und naturnaher Tourismus.[51]

Im Brundtland-Bericht[52] wurde nachhaltige Entwicklung folgendermaßen definiert:

„«Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, welche die heutigen Bedürfnisse zu decken vermag, ohne für künftige Generationen die Möglichkeit zu schmälern, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken.»“[53]

Nachhaltiger Tourismus

„Nur unter Einbezug und Berücksichtigung der drei Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft ist es möglich, den ökonomischen Nutzen mit der Minimierung der ökologischen Belastungen zu verbinden und somit eine positive Wechselwirkung zwischen Naturschutz und Tourismus [auch in Zukunft] zu erreichen.“[54]

Früher wurde der ökonomische Wohlstand oft als oberstes Ziel gesehen, ohne dessen Erreichung ökologische und soziale Probleme hintan gestellt wurden. Doch aufgrund der Gleichberechtigung von Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft ist diese altbekannte Argumentation nicht mehr legitim.[55]

Je nach AutorIn wird der Begriff sanfter Tourismus unterschiedlich definiert. Laut Internationaler Alpenschutzkommission (CIPRA) bedeutet sanfter Tourismus, für Urlaube bereits vorhandene Infrastrukturen der Bevölkerung zu nutzen und somit die Landschaft nicht durch zusätzliche Infrastrukturen zu belasten. Auch der Erhalt der Erholungslandschaft ist wichtig. Kirstges hingegen schreibt, dass es noch keine eindeutige Definition von sanftem Tourismus gibt. Außerdem führe jede Art von Tourismus zu negativer Beeinträchtigung. Daher ist von sanfterem Tourismus die Rede:[56]

„Hierunter sind Reiseformen und Massnahmen zu verstehen, die versuchen, stärker als bisher in Einklang mit der sozialen und natürlichen Umwelt zu sein, um so nachhaltig auch die wirtschaftliche Basis für den Tourismus zu sichern.“[57]

Forderungen an den sanfteren Tourismus:

- „Eine möglichst geringe Belastung der Natur
- Den direkten Kontakt zum Lebensraum von Flora und Fauna behutsam ermöglichen
- Das Leben und die Kultur der einheimischen Bevölkerung miteinbeziehen
- Die Wirtschaftsinteressen der einheimischen Bevölkerung und die Bedürfnisse der Touristen bei der Planung berücksichtigen
- Die Erholungssuchenden für die Lebens- und Wirtschaftsbedingungen der Urlaubsregion zu sensibilisieren
- So weit wie möglich auf zusätzliche, die Landschaft verändernde Tourismuseinrichtungen verzichten und dafür bestehende Einrichtungen mitbenützen lassen
- Den Kontakt und somit das Verständnis zwischen Einheimischen und Touristen fördern“[58]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Eigenschaften von hartem und sanftem Reisen im Vergleich

Eigene Darstellung nach Jungk in Waibel (2003)

Wenn nachhaltiger Tourismus in der intakten Natur – als räumlichem Bezug – ausgeführt wird, so ist von Ökotourismus die Rede:

„Ökotourismus ist eine Form verantwortungsbewussten Reisens in naturnahe Gebiete, bei dem das Erleben von Natur im Mittelpunkt steht. Ökotourismus minimiert negative ökologische und sozio-kulturelle Auswirkungen, trägt zur Finanzierung von Schutzgebieten oder Naturschutzmaßnahmen bei und schafft Einkommensmöglichkeiten für die lokale Bevölkerung. Indirekt soll Ökotourismus die Naturschutzakzeptanz (…) [der BesucherInnen, der lokalen Bevölkerung und der gesamten Gesellschaft] erhöhen.“[59][60]

Im Vergleich zum konventionellen Massentourismus fällt auf, dass aufgrund der Naturverbundenheit, auf den Bau von großen Infrastrukturprojekten verzichtet werden kann.[61] NaturtouristInnen fragen dafür eher nach geführten Touren, Kursen etc., was Arbeitsplätze in der Region schafft.

„(…) [Es] entfallen die meist sehr hohen Kosten für [Neu-]Bau und Unterhalt von Transport- und Beherbergungsbetrieben, inklusive der damit verbundenen Kosten von Eingriffen in Natur und Landschaft.“[62]

Der Naturtourismus beinhaltet, wie auch der Ökotourismus, das Erlebnis von Natur, ist aber nicht zwingend nachhaltig.[63]

„Als Naturtourismus (…) kann jede Form von Tourismus bezeichnet werden, die vor allem von der natürlichen Umwelt als Attraktion oder Umgebung abhängt. Diese Form von Tourismus kann jedoch grössere negative Auswirkungen auf Natur und Kultur haben.“[64]

Die Arbeitsgruppe Ökotourismus hat untersucht, inwiefern Naturtourismus zu Formen von Ökotourismus weiterentwickelt werden kann. Laut Nolte können die Begriffe Ökotourismus, nachhaltiger Tourismus und laut Leuthold auch naturnaher Tourismus synonym verwendet werden.[65]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Ökotourismus im Vergleich zu anderen Tourismusformen und Begriffen

Ökotourismus als Überschneidung von nachhaltigem Tourismus und Naturtourismus

http://www.studienkreis.org/deutsch/publikationen/schriftenreihe/Diss_W_Strasdas_A.pdf

Im Gegensatz zum Naturtourismus, bei dem einzig der Besuch der Natur das Ziel der Reise ist, ist im Ökotourismus auch der Erhalt kultureller Werte und ein ökonomischer Nutzen für die Gastgeber gegeben.[66] Ökotourismus lässt sich laut Honey[67] durch folgende Punkte charakterisieren:

- Es handelt sich um eine Reise in eine „natürliche Umgebung“.

- Die Eingriffe in die Natur werden minimiert.
- Aspekte der Umweltbildung (für Touristen und die lokale Bevölkerung) sind gegeben.
- Geldmittel für Umwelt- und Naturschutz werden aus Spenden, Eintrittsgeldern, von Tour-AnbieterInnen und aus Unterkünften lukriert.
- Finanzielle Vorteile und eine erhöhte Beschäftigungsrate bieten sich der lokalen Bevölkerung an. Und diese profitiert gleichzeitig von Infrastruktureinrichtungen. Wichtig ist, dass die Zurverfügungstellung von Unterkünften durch die lokale Bevölkerung erfolgt.
- Respekt gegenüber der Natur und Kultur (und Lernen von ihr) herrscht vor. Das setzt ausreichende Information der TouristInnen vor Reiseantritt voraus.
- Menschenrechte und demokratische Bewegungen werden unterstützt.

„»Ökotourismus ist eine Tourismusform, in der das Hauptmotiv des Touristen in der Beobachtung und im Genuss der Natur sowie den vorherrschenden traditionellen Kulturen in den Naturregionen besteht.«“[68]

[...]


[1] Rieken und Ullrich, 2009, S. 397

[2] ZHAW-IUNR, o.J., S. 2

[3] Definition von Naturschutz: „[gesetzliche] Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege u. Erhaltung von Naturlandschaften, Naturdenkmälern o. Ä. od. von seltenen, in ihrem Bestand gefährdeten Pflanzen und Tieren“ (Rat der Wissenschaftlichen Dudenredaktion, 2003)

[4] http://ec.europa.eu/transport/infrastructure/index_en.htm

[5] Lang et al., 2009, S. 405

[6] Erste 1989 von Naturschützern aus Ost und West verabschiedete Resolution zum Grünen Band Frobel et al., 2009, S. 400

[7] vgl. http://www.bund.net/bundnet/themen_und_projekte/gruenes_band/auf_google_earth_erleben/

[8] vgl. http://www.europeangreenbelt.org/

[9] u.a. Hompages von EuroNatur, BfN u. Umweltbundesamt

[10] Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte noch immer Gewalt und Chaos in Europa. Die Siegermächte (die USA, Großbritannien und die Sowjetunion) trafen sich in Potsdam, um die „Nachkriegsordnung“ mit dem Potsdamer Abkommen festzusetzen. Winston Churchill (Großbritannien), Harry Truman (USA) und Josef Stalin (Sowjetunion) verhandelten über die neuen Grenzen, die Neuordnung und auch über Zwangsumsiedelungen, die als Antwort auf die nationalsozialistischen Gräueltaten aufgefasst werden können.

[11] Sandgruber und Loidol, 2009, S. 6

[12] ebda., S. 1

[13] ebda., S. 5

[14] Sandgruber und Loidol, 2009, S. 9

[15] am 27. Juni

[16] Sozialistische Einheitspartei Deutschlands

[17] vgl. Sandgruber und Loidol, 2009, S. 1–22

[18] vgl. Molden, Berthold in Wrbka et al., 2009, S. 10-14

[19] vgl. Sandgruber und Loidol, 2009, S. 1–22

[20] vgl. Molden, Berthold in Wrbka et al., 2009 S. 10-14

[21] Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

[22] vgl. Frobel, Kai in Wrbka et al., 2009, S. 16-19

[23] Renetzeder, Christa; Wrbka, Thomas; Grünweis, Franz Michael in Wrbka et al., 2009, S. 31

[24] vgl. Terry et al., 2006, S. 42

[25] vgl. Frobel, Kai in Wrbka et al., 2009, S. 19

[26] International Union for Conservation of Nature and Natural Resources

[27] vgl. Rieken, Uwe und Ullrich, Karin in Wrbka et al., 2009, S. 20-25

[28] vgl. Terry, et al., 2006, S. 58

[29] ebda.

[30] vgl. http://www.europeangreenbelt.org/005.database_gallery.maps.html

[31] vgl. Schlumprecht, Helmut und Ludwig, Franka in Wrbka et al., 2009, S. 295-296

[32] Kulturlandschaft ist „vom Menschen umgestaltete Naturlandschaft“ ( Rat der Wissenschaftlichen
Dudenredaktion, 2003)

[33] vgl. Frobel, Kai in Wrbka et al., 2009, S. 19

[34] Frobel, Kai in Wrbka et al., 2009, S. 19

[35] Dort findet sich auch ein Überblick in Tabellenform. Zur leichteren Orientierung empfiehlt es sich die Landkarte –ganz hinten im Anhang – auszuklappen (Abb. 6). Die in Klammern [ ] angegebenen Ziffern finden sich dort wieder.

[36] vgl. Terry et al., 2006, S. 37 u. 40

[37] Flächen mit besonderem Schutz in der ehemaligen Sowjetunion und im heutigen Russland

[38] vgl. Rieken, Uwe und Ullrich, Karin in Wrbka et al., 2009, S. 24

[39] vgl. Terry et al., 2006, S. 46

[40] ca. ab dem Jahr 1970

[41] EuroNatur-Kampagne "Tatort Adria - Vogeljagd auf dem Balkan"

[42] vgl. Terry et al., 2006, S. 69

[43] Rat der Wissenschaftlichen Dudenredaktion, 2003

[44] ebda.

[45] ebda.

[46] Mohylova, 2008, S. 13

[47] vgl. Danielli und Sonderegger, 2009, S. 149

[48] vgl. ebda., S. 22 ff u. 74

[49] vgl. Danielli und Sonderegger, 2009, S. 22 ff u. 74

[50] vgl. Danielli und Sonderegger, 2009, S.18

[51] Zhaw-Iunr, o.J., S. 6

[52] herausgegeben von der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung

[53] Brundtland-Bericht in Danielli und Sonderegger, 2009, S.31

[54] Zhaw-Iunr, o.J., S. 6

[55] vgl. Danielli und Sonderegger, 2009, S. 31

[56] vgl. ebda., S. 20

[57] ebda.

[58] Danielli und Sonderegger, 2009, S. 20

[59] Strasdas, 2001, S. 6

[60] vgl. Arbeitsgruppe Ökotourismus, 1995, S. 37 ff

[61] Danielli und Sonderegger, 2009, S. 84

[62] ebda.

[63] vgl. Nolte, 2005, S.32

[64] Danielli und Sonderegger, 2009, S. 22

[65] vgl. ebda., S. 22

[66] vgl. ebda., S. 21

[67] vgl. Honey, 1999, S. 22ff

[68] World Tourism Organisation UNWTO (2004) in Danielli und Sonderegger, 2009, S. 22

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Das Grüne Band Europas
Untertitel
Im Spannungsfeld von Naturschutz und Tourismus
Hochschule
Universität für Bodenkultur Wien  (Institut für Landschaftsentwicklung, Erholungs- und Naturschutzplanung (ILEN))
Note
1
Autor
Jahr
2011
Seiten
77
Katalognummer
V198814
ISBN (eBook)
9783656312758
ISBN (Buch)
9783656313175
Dateigröße
5610 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
European Green Belt
Arbeit zitieren
Viktor Vahdat (Autor:in), 2011, Das Grüne Band Europas, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198814

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