Wahlen in Rosenberg (OS) 1848 bis 1933


Essay, 2012

13 Seiten


Leseprobe


Von Andreas Pawlik[1]

Überwiegend konservativ, teilweise katholisch, stark auf Personen fixiert wählten die Rosenberger bis zum Ende des Ersten Weltkrieges; in der Weimarer Republik (1919 – 1933) spielten die parteipolitischen Inhalte eine stärkere Rolle. Das lernen wir, wenn wir uns die Wahlergebnisse für den Kreis Rosenberg für den Zeitraum von 1848 bis 1933 anschauen, sowohl bei den Wahlen zum Preußischen Landtag als auch zum Reichstag:

Die erste „moderne“ Wahl im Kreis Rosenberg fand im Jahr 1848 statt. Am 1. Mai 1848 wurden Urwahlen zum Preußischen Landtag (Preußische Nationalversammlung) durchgeführt. Der Preußische Landtag bestand aus zwei Kammern: Die erste Kammer nannte sich Preußisches Herrenhaus; seine Mitglieder berief der König. Die zweite Kammer, das Preußische Abgeordnetenhaus, wurde indirekt von der wahlberechtigten Bevölkerung gewählt.

Alle männlichen Bewohner von Preußen, die das 24. Lebensjahr vollendet hatten, waren verpflichtet, Vorschläge für die sogenannten Wahlmänner per Post abzugeben; sie hatten auf einem Zettel jeweils den Namen ihres Kandidaten an das Wahlkomitee nach Kreuzburg zu schicken. Fürsorgeempfänger und Soldaten im Dienst waren davon ausgenommen. Die ausgewählten Wahlmänner sollten dann die zukünftigen Abgeordneten wählen.

Diese zweite Stufe der Wahl fand am 8. Mai 1848 statt. Im Wahlkreis 103 - Oppeln Nr. 1, den Rosenberg und Kreuzburg gemeinsam bildeten, hatte man zwei Abgeordnete für den Preußischen Landtag zu bestimmen. Aus dem Kreis Rosenberg wurde Martin Gorzołka gewählt.

Der erste Abgeordnete für den Kreis Rosenberg wurde am 9. November 1808 in Groß-Borek geboren. Dort hatte er als Bauer eine ca. 15 ha große Landwirtschaft. Gorzołka konnte kaum deutsch, deshalb hat er im Landtag nie eine Rede gehalten. Aus seiner Korrespondenz erfahren wir, dass er für die Abschaffung der Jagdprivilegien der Adligen gestimmt hat. Außer der Forderung, die den Bauern das Jagen ermöglichen sollte, hat sich Gorzołka für die Verfassung als ein Werk des Parlamentes eingesetzt. Er stand damit im Gegensatz zu anderen Abgeordneten, welche die zukünftige Verfassung als einen einmaligen Akt des Königs ansahen. Gorzołka unterstützte darüber hinaus Bemühungen, die recht friedlich waren; z.B. der Rückzug der Armee aus Berlin, die Schaffung eines dauerhaften inneren Friedens und die Einstellung aller Gerichtsprozesse, die gegen Bauern im Rosenberger Kreis angestrengt worden waren, wegen deren Protesten gegen zu hohe Steuern. Insgesamt waren das 92 Fälle.

Auf Grund einiger Missverständnisse, die ihren Ursprung nicht nur in mangelhaften Kenntnissen der deutschen Sprache hatten, sondern auch in dem Versuch der dauernden Durchsetzung Rosenberger Lokalinteressen, wurde Gorzołka am 7. November 1848 beurlaubt. Nach Berlin kam sein Stellvertreter Joseph Ligendza, auch ein Bauer aus Groß-Borek. Am Tag seiner Ankunft in Berlin wurde jedoch eine Sitzungspause des Preußischen Landtages ausgerufen. Kurz danach hat der preußische König, Friedrich Wilhelm IV. (1795 – 1861), am 10. Dezember 1848 den gerade erst gewählten Preußischen Landtag aufgelöst und Neuwahlen anberaumt.

Die neue Wahl für den Preußischen Landtag fand Ende Januar, Anfang Februar 1849 statt. Damals wurde Martin Gorzołka abermals zum Abgeordneten gewählt. Der Landtag wurde jedoch schon im April 1849 vom König wieder aufgelöst.

Nach dem schwierigen Start des preußischen Parlamentarismus wurde per Verordnung des Königs vom 30. Mai 1849 das Dreiklassenwahlrecht eingeführt, welches bis 1918 in Preußen in Kraft blieb.

Die Abgeordneten wurden indirekt, also über Wahlmänner, gewählt. Dazu teilte man die Wähler je nach ihren Steuerzahlungen in drei Klassen ein. Der ersten Klasse gehörten Wahlberechtigte mit besonders hohem Steueraufkommen, in der Regel Großgrundbesitzer und Adlige, der zweiten Klasse Bürger mit mittlerem Steueraufkommen, meist Kaufleute an, und alle übrigen gehörten zur dritten Klasse. Tatsächlich umfasste die dritte Klasse ca. 83% der Wähler. Die Stimmen der ersten Klasse hatte ungefähr das 17,5fache Gewicht der Stimme der Wähler der dritten Klasse. Außerdem konnte das Wahlverhalten wirksam beeinflusst werden, weil die Wahl nicht geheim war. Die Wahlmänner wählten die Abgeordneten gemeinsam, in öffentlicher und mündlicher Wahl.

Die nächste Wahl zum Preußischen Landtag fand im Juli 1849 statt. Wie bei den letzten Wahlen wurde – nun schon das dritte Mal – der Bauer Gorzołka gewählt. Diesmal versuchte dieser, mit seiner ganzen Kraft allen Abgeordneten die Situation der oberschlesischen Bauern darzustellen. Zusammen mit einem Abgeordneten aus Beuten, dem Priester Szafranek, berichtete er auf einer Kommissionssitzung über Armut und Ausbeutung von Bauern, die in Oberschlesien lebten. Gorzołka beschuldigte die vor Ort ansässigen Adligen, für die katastrophale Situation der Bauern im Kreis Rosenberg verantwortlich zu sein. Seine Bemühungen ernteten aber nur oberflächliches Entsetzen und scheinbare Betroffenheit. Die Legislaturperiode des Preußischen Landtages endete am 19. Mai 1852. Der erste Abgeordnete aus dem Rosenberger Kreis wurde nun nicht mehr wiedergewählt. Er starb in seinem Heimatdorf im Jahr 1876.

Fast gleichzeitig mit den Wahlen zum Preußischen Landtag fanden auch Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung statt, die eine Verfassung erarbeiten sollte, um die absolute Königsmacht zu begrenzen. Am 10. Mai 1848 wurde die Urwahl durchgeführt, mit der wieder zunächst die Wahlmänner zu bestimmen waren. Danach, eine Woche später, am 17. Mai 1848 fand die zweite Stufe der Wahl statt. Aus den Kreisen Rosenberg und Kreuzburg, die zu einem Wahlkreis zusammengelegt worden waren, wurden zwei Abgeordnete bestimmt. Den Kreis Rosenberg repräsentierte Christian Minkus.

Der Trödelhändler aus Marienfeld wurde am 11. Mai 1770 dort geboren. Auf Grund seiner Tätigkeit war er ziemlich bekannt und beliebt unter den Bauern im Kreis Rosenberg. Minkus konnte interessant und lange über Politik reden, und diese Eigenschaften brachten ihm sehr viele Zuschauer und Kunden. Mit der Zeit gewann der Händler aus Marienfeld ein gewisses Vertrauen und wurde als Abgeordneter der Deutschen Nationalversammlung gewählt. Der schon 78jährige Minkus konnte aber kaum deutsch, und auch auf Grund seiner Altersschwächen (u.a. seiner Schwerhörigkeit) hatte er große Probleme mit der Verständigung. Wahrscheinlich aus Versehen trug er sich in die Liste einer Bauernpartei namens „Deutscher Hof“ ein und wurde damit gleichzeitig deren Mitglied.

Trotz seines hohen Alters versuchte sich Minkus sehr stark für die Verbesserung der Situation der oberschlesischen Bauern zu engagieren. Seine Forderungen diesbezüglich kennen wir nur aus seiner Korrespondenz, weil er – wie Gorzołka - keine Parlamentsrede gehalten hat. Während der Legislaturperiode der Deutschen Nationalversammlung (18.05.1848 – 30.05.1849) in Frankfurt am Main wurde Minkus von einigen links orientierten Abgeordneten unterstützt. Er nahm siebenmal an Sitzungen der Bauernkommission teil. Dort musste seine Äußerungen ein Abgeordneter aus Oels, Karl Rössler, ins Deutsche übersetzen. Im September 1848, während der Herbstpause der Nationalversammlung, kam Minkus nach Marienfeld zurück. Aufgemuntert durch die revolutionäre Stimmung in den Strassen von Frankfurt, empfangen durch auf eine bessere Zukunft hoffende Bauern aus seinem Wahlkreis, kam er auch nach Rosenberg und Landsberg, wo es zu gewissen Unruhen kam. Die Eskalation der Konflikte richtete sich in erster Linie gegen die hiesigen Beamten und Dorfbesitzer, welche die Bauern im Rosenberger Kreis besonders unterdrückten. (Die Armut und enorme Ausbeutung der dortigen Bauern waren wahrscheinlich am extremsten in Oberschlesien.) Die Unruhen sind jedoch durch das weise Handeln des Oppelner Kommissars Christian Schemmel, dem späteren Landrat von Rosenberg (1849 – 1862), beigelegt worden.

Nach der Auflösung der Deutschen Nationalversammlung durch den König am 30. Mai 1849 kam Christian Minkus nach Marienfeld zurück. Er starb kurz danach am 20. November 1849 im Alter von 79 Jahren.

Bei den nächsten drei Wahlen zum Preußischen Landtag (1852, 1856 und 1859) wurde Christian Schemmel, der damalige Rosenberger Landrat (1849 – 1862), gewählt.

In der Legislaturperiode von 1856 bis 1859 repräsentierte den Kreis Rosenberg im Preußischen Landtag bereits der neue Rosenberger Pfarrer, Heinrich Strauß (1857 – 1871).

Heinrich Strauß wurde am 6. Januar 1812 in Marzdorf bei Zopten als Sohn des Generalpächters des dortigen Gutes, Franz Strauß, geboren. Er besuchte das Matthiasgymnasium in Breslau und kam zuerst als Kaplan nach Oltaschin bei Breslau. Danach wurde er im Jahr 1838 als Religionslehrer an das Gymnasium nach Ratibor versetzt. Von 1847 bis 1852 wurde er Pfarrverweser und Kreisschulinspektor des Kreises Kosel. In dieser Zeit arbeitete er in Groß-Niemsdorf. 1852 wurde Heinrich Strauß Pfarrer in Guttentag, wo er bis 1857 seelsorgerische Arbeit leistete. Nach dem Tod des Pfarrers Mathias Ludynia (1856) wurde Strauß nach Rosenberg versetzt. Politisch betrachtet war er „ein Mann des Ausgleiches und der völkischen Versöhnung“. Erzpriester Strauß arbeitete in Rosenberg bis zu seinem plötzlichen Tod durch einen Schlaganfall am 26. Juli 1871. Seine letzte Ruhe fand Pfarrer Strauß neben seiner Mutter auf dem alten Friedhof der Corpus Christi Kirche.

Zum Norddeutschen Reichstag wurden leider keine Kandidaten direkt aus dem Kreis Rosenberg bestimmt.

Beginnend Mitte der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts rivalisierten im Wahlkreis Kreuzburg-Rosenberg drei Richtungen:

- eine kulturkämpferisch-freikonservative, die von dem Mitbegründer der Reichspartei, Eduard Graf von Bethusy-Huc, angeführt wurde,
- eine katholisch-konservative und
- seit 1870 das Zentrum.

Die Konservativen standen im Gegensatz zu den politisch Liberalen. Die konservative Partei in Deutschland war nach 1870 in die Deutschkonservative Partei und in die Freikonservativen gespalten. Die Freikonservativen (gegründet 1866) waren eine gemäßigt konservative Partei im preußischen Abgeordnetenhaus: im Deutschen Reichstag wurden sie Deutsche Reichspartei genannt. „Deutschkonservative Partei“ ist seit 1876 der Name der früheren Anhänger der streng konservativen Partei im Deutschen Reichstag und im preußischen Landtag.

Die Zentrumspartei (Deutsche Zentrumspartei, Zentrum) wurde 1870 gegründet. Sie war die Partei des politischen Katholizismus und stand während des Kulturkampfes im scharfen Gegensatz zu Bismarck und den Liberalen. Das äußerte sich u.a. auch in ihrem Eintreten für die Erhaltung des Religionsunterrichtes in polnischer Sprache, dort, wo auch in den Familien Polnisch gesprochen wurde. Als letzte bürgerliche Partei löste sich das Zentrum 1933 auf.

Bei den Wahlen zum Preußischen Landtag im Jahr 1862 wurde zum ersten Mal ein Enkel des ehemaligen Besitzers von Rosenberg, des Grafen Ernst von Bethusy-Huc (1764 – 1831), Graf Eduard von Bethusy-Huc gewählt.

[...]


[1] Zusammengetragen vom Autor aus dessen Archiv, bearbeitet von Dr. Michael Schlese.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Wahlen in Rosenberg (OS) 1848 bis 1933
Hochschule
Freie Universität Berlin
Autor
Jahr
2012
Seiten
13
Katalognummer
V198290
ISBN (eBook)
9783656245872
ISBN (Buch)
9783656246091
Dateigröße
822 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Oberschlesien, Wahlen, Politische Parteien, Schlesie, Polen, Geschichte
Arbeit zitieren
Andreas Pawlik (Autor:in), 2012, Wahlen in Rosenberg (OS) 1848 bis 1933, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198290

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