Die Herstellung Filmischer Paranoia im Hollywood-Thriller am Filmbeispiel "Der Manchurian Kandidat"


Hausarbeit, 2009

17 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Paranoia - Begriffsklärung

3. Paranoia im Film

4. Der Manchurian Kandidat
4.1 Dramaturgie
4.2 Herstellung paranoider Atmosphäre

5. Fazit

6. Quellenverzeichnis

7. Anhang

1. Einleitung

Unser Zeitalter ist geprägt von globalem, konspirativem Denken. Nicht zuletzt brachte der 11. September diverse Verschwörungstheorien hervor. Dieses transmediale Phänomen findet sich auch in Filmen wieder. In Kinoproduktionen werden das Unbehagen in der Kultur und Verschwörungstheorien aufgenommen und in die Dramaturgie integriert. Die damit verbundene Paranoia bildet das Zentrum der Erzählung paranoider Filme. Als fester Bestandteil der Populärkultur hat Verschwörungsdenken vor allem unterhaltenden Charakter und ist damit zu einer oft verwendeten Erzählstruktur in Kinofilmen geworden.

Vor allem in Polit-Thrillern wird auf die Inszenierung filmischer Paranoia zurückgegriffen. Die Handlung dieser Filme beruht auf fiktiven politischen Ereignissen, die auch Bezug auf die in der Realität nehmen. Politische Intrigen und Staatsstreiche werden mit der Dramaturgie des Thrillers im Film erzählt. Die filmische Spannungserzeugung erfolgt durch den ,thrill', der durch die Herstellung paranoider Atmosphäre entsteht. ,Thrill' ist - in Abgrenzung zu Suspense (Erwartungsspannung) und Schock (überraschend, erschreckend) - die latente Spannungshaltung und Beunruhigung, in der sich der Zuschauer beim Rezipieren des Films befindet. Polit-Thriller arbeiten mit der Problemstellung, dass der Mensch im Grundsatz nicht gut, sondern korrupt ist. Damit kann man sagen, dass sie ausgehend von ihrer zu Grunde liegenden anthropologischen Auffassung näher an Hobbes und Kant liegen, die besagen, dass der Mensch von Natur aus kein soziales Wesen sondern radikal böse und mit seinen Mitmenschen verfeindet ist. Vor allem das Machtstreben der Menschen wird in diesen Filmen immer wieder dargestellt.

In der folgenden Arbeit soll deutlich gemacht werden, was filmische Paranoia genau ist und wie sie entstanden ist. Anhand des Polit-Thrillers ,Der Manchurian Kandidat' von 2004 wird die Gestaltung des paranoiden Stils untersucht. Das analytische Interesse orientiert sich an der Frage nach der Herstellung von Atmosphären der Angst und Verunsicherung im paranoiden Thriller. Um zunächst eine theoretische Grundlage für die Untersuchung zu entwickeln, wird erst der Begriff ,Paranoia' an sich erläutert. In einem weiteren Schritt wird die Entwicklung der filmischen Paranoia im Film nachgezeichnet. Im weiteren Verlauf wird der Film ,Der Manchurian Kandidat' vorgestellt, die Handlung dargelegt und im Hinblick auf dramaturgische Mittel untersucht. Der Analyseteil befasst sich mit der Herstellung paranoider Atmosphäre im Film. Es werden stilistische Mittel des Films deutlich gemacht. Das Einstellungsprotokoll einer ausgewählten Szene wird eingesetzt, um Aspekte der mise-en-cadre des Films bestimmen zu können. Meine methodische Vorgehensweise stützt sich auf Techniken der Filmanalyse nach Hickethier, Faulstich, Kühnel und Monaco.

In einem abschließenden Fazit werden die Ergebnisse der Untersuchung des paranoiden Stils zusammengefasst und bewertet.

2. Paranoia - Begriffsklärung

Der Begriff Paranoia kommt aus der psychoanalytischen Diagnostik und leitet sich von den griechischen Wörtern para (= neben) und nous (= Verstand) ab. Übersetzt hieße es ,neben dem Verstand seiend'. Es handelt sich um eine Geistesstörung, die durch ein komplexes Wahnsystem gekennzeichnet ist. Seit 1863 ist Paranoia als psychologischer Begriff für Verfolgungswahn in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen.

Den Ausgangspunkt des medizinischen Paranoia-Phänomens als psychotisches Symptom stellen nach dem deutschen Arzt Heinrich Schulte ,Wir'-intendierte Situationen dar, in denen es zu einer Nicht­Realisierbarkeit eines ,Wir' für einen Menschen kommt. Es entsteht eine Kluft zwischen dem Individuum und dem Rest der Gruppe. Schafft es das Individuum nicht, sich von der Gruppe zu distanzieren, so versucht es die Ausgeschlossenheit anderweitig zu relativieren. Das Individuum kann das Erleben der Kluft überwinden, indem er die Gruppe als feindlich ansieht und somit eine Verbindung zu dieser schafft. Der Ausgeschlossene sieht so den Rest der Gruppe als Verband gegen ihn, was paranoides Denken und Verhalten verursacht (vgl. Ruh 1996).

Paranoia wird nicht mehr nur als Krankheitsbild im Sinne klinischer psychopathologischer Symptomatik angesehen, sondern als eine Art Persönlichkeitsstil. „Den paranoiden Charakter kennzeichnen nach einer Aufstellung von Robins und Post folgende wesentliche Merkmale: Behutsamkeit, Misstrauen, Hypersensibilität und Isoliertheit" (Naziri 2003, 26). Verbunden mit diesen Kennzeichen spielen Verschwörungstheorien eine wesentliche Rolle als dramaturgischer Aspekt im paranoiden Film. Verschwörungen ergeben sich aus Situationen, in denen einem Menschen - seiner Meinung nach unverdienter Weise - Unglück widerfährt. „'When bad things happen to good people', dann kann in der Welt etwas nicht stimmen, und diese Unstimmigkeit können Verschwörungstheorien überzeugend deuten" (Groh 1992, 273).

Freud erklärt zu dem Paranoia-Phänomen außerdem, dass sich bei Paranoikern ebenso viel zum Bewusstsein durchdrängt, wie bei Normalen. Bei Normalen ist jedoch viel mehr im Unterbewussten vorhanden. „Er [der Paranoiker] erkennt etwas, was dem Normalen entgeht, er sieht schärfer als das normale Denkvermögen. Auch die Protagonisten [..] werden größtenteils zu Erkennenden, deren paranoide Ängste sich letztendlich - zumindest innerhalb des fiktionalen Weltentwurfes - als gerechtfertigt erweisen" (Naziri 2003, 28). Filme mit paranoiden Protagonisten verfügen demnach über eine besondere Art der Spannungserzeugung, auf die im weiteren Verlauf der Arbeit noch näher eingegangen wird.

3. Paranoia im Film

In Kinoproduktionen werden Paranoiaszenarien und Verschwörungstheorien „schon immer mit dem lustvollen Nervenkitzel, der Angstlust des Thrillers verbunden" (Taylor, 2002). Die Wurzeln für diese Art der Filme liegen in den Zehner- und Zwanzigerjahren, in denen Louis Feuillades und Fritz Lang ihre ,Meisterverbrecher'-Filme produzierten. In den Jahren bis I960 ist Paranoia im Film „weitgehend ein situativer Effekt einzelner Momente" (Taylor, 2002), bei dem die Wirkung „endemisch" (Taylor, 2002) bleibt. In den Siebzigerjahren, in denen ein Boom der paranoiden Filme wie The Conversation (1974, R: Francis Ford Coppola), The Parallax View (1974, R: Alan J. Pakula) Three Days of the Condor (1975, R: Sydney Pollack) zu verzeichnen ist, wurde dieser Stil zu einem Subgenre des Thrillers, dem paranoiden Thriller (auch conspiracy thriller/ Verschwörungsfilme genannt), wobei der Politthriller als wichtigstes Hilfsgenre fungiert (vgl. Taylor, 2002). Die Filme, meist amerikanische Produktionen, nährten sich von der „Angst vor dem inneren Feind" (Naziri 2002, 16) und dem „Moment des Misstrauens" (Naziri 2002, 17), was sich auf die „Krise des ideologischen Vertrauens" (Naziri 2002, 19) zurückführen lässt, in der sich die amerikanische Gesellschaft in den 70er Jahren befand. Das „Verhältnis zwischen Film und historischer Wirklichkeit" (Naziri 2003, 11) spielt eine entscheidende Rolle bei diesen paranoiden Thrillern. In den Filmen spiegeln sich oft „die kollektiven Ängste einer Gesellschaft als Reflex auf eine ganze Reihe politisch-historischer Ereignisse und sozialer Veränderungen" (Naziri 2003, 11) wieder.

Gérard Naziri sieht die Ursprünge des Genres in der amerikanischen Kultur und Geschichte und den paranoiden Thriller damit als typisch amerikanisches Phänomen. Den paranoiden Stil der Verschwörungsfilme erklärt Robert Alan Goldberg als Phänomen, das aus historischen, sozialen und politischen Zusammenhängen entstanden ist. „Ein ohnmächtiges Gefühl des Ausgeliefertseins förderte die Kultivierung paranoider Ängste" (Naziri 2003, 13). Er führt den Begriff des conspiracy thinking ein, den er mit der amerikanischen Kultur fest verwurzelt sieht, da schon „die ersten Kolonialisten [..] ihren Nachbarn mit Misstrauen" begegneten (Naziri 2003). Verschwörer werden demnach von der Gesellschaft erst gemacht (vgl. Groh 1992, 272).

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Details

Titel
Die Herstellung Filmischer Paranoia im Hollywood-Thriller am Filmbeispiel "Der Manchurian Kandidat"
Autor
Jahr
2009
Seiten
17
Katalognummer
V198283
ISBN (eBook)
9783656244264
ISBN (Buch)
9783656246800
Dateigröße
554 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Filmische Paranoia, Filmanalytik, Der Manchurian Kandidat, Thriller, Filmdramaturgie
Arbeit zitieren
Sandra Garthaus (Autor:in), 2009, Die Herstellung Filmischer Paranoia im Hollywood-Thriller am Filmbeispiel "Der Manchurian Kandidat", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198283

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