Das Gailtal im jahreszeitlichen Brauchtum

Religionspädagogische und didaktische Ansätze für den Grundschulunterricht


Diplomarbeit, 2004

128 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0.Vorwort

1. Einleitung

2. Das Gailtal
2.1. Die Gebirgslandschaft des Gailtals
2.2. Klimatische Bedingungen
2.3. Historische Fakten
2.4. Die Gemeinden
2.4.1. Die Marktgemeinde Kötschach-Mauthen
2.4.2. Die Gemeinde Dellach
2.4.3. Die Marktgemeinde Kirchbach
2.4.4. Die Gemeinde Gitschtal
2.4.5. Die Stadtgemeinde Hermagor-Presseggersee
2.4.6. Die Gemeinde St. Stefan im Gailtal
2.4.7. Die Marktgemeinde Nötsch
2.4.8. Die Gemeinde Feistritz
2.4.9. Die Gemeinde Hohenthurn
2.4.10. Die Marktgemeinde Arnoldstein

3. Traditionelles Volksbrauchtum
3.1. Das Kärntnerlied im Gailtal
3.2. Die Gailtaler Tracht
3.3. Der Volkstanz

4. Jahreszeitliches Brauchtum
4.1. Dreikönigsbräuche
4.1.1. Dreikönigsspiele im Gailtal
4.1.2. Die Pehtra baba, Frau Percht oder Percht
4.1.3. Das Perchtenjagen
4.2. Unterhaltsame Bräuche im Fasching
4.2.1. Das Schimmelreiten
4.2.2. Das Blochziehen
4.3. Häufige Sitten und Bräuche der Osterzeit
4.3.1. Palmsonntag
4.3.2. Gründonnerstag
4.3.3. Karfreitag
4.3.5. Ostersonntag
4.4. Das Georgijagen im unteren Gailtal
4.5. Pfingstbräuche
4.5.1. Das Kufenstechen und der Lindentanz
4.5.2. Andere Sitten und Bräuche aus dem Gailtal
4.6. Zur Sommerzeit
4.6.1. Sonnwendfeiern im Gailtal
4.6.2. Sommerzeit ist Kirchtagszeit
4.7. Sitten und Bräuche von Herbst bis Winter
4.7.1. Der Herbst
4.7.2. Die Adventzeit
4.7.2.1. Die hl. Barbara
4.7.2.2. Der hl. Nikolaus
4.7.2.3. Die hl. Lucia
4.7.2.4. Thomasnacht
4.7.3. Die Weihnachtsfeiertage
4.7.3. Wenn das Jahr sich dem Ende zuneigt
4.8. St. Lorenzen im Gitschtal als Beispiel eigenständigen Brauchtums
4.8.1. "Schibele-Scheibele" oder Scheibenschlagen
4.8.2.Glunggern
4.8.3. Neujahrswünsche

5. Brauchtum im Lebenslauf des Menschen
5.1. Die Geburt
5.2. Die Gailtaler-Hochzeit
5.2.1. Die Brauteltern
5.2.2. Der Hochzeitslader
5.2.3. Die Mitgift
5.2.4. Der Abschied vom Elternhaus
5.2.5. Die erste Zeit des frisch gebackenen Hochzeitspaares
5.3. Wenn ein Mensch aus dem Leben scheidet

6. Neuartige Bräuche zur Belebung der Wirtschaft
6.1. Das Gailtaler Speckfest
6.2. Das Käsefestival in Kötschach-Mauthen
6.3. Das Polentafest in Nötsch

7. Die anthropologische und religionspädagogische Dimension des Brauchtums
7.1. Bräuche festigen die Gemeinschaft
7.2. Bräuche als Mittel zur Identitätsbildung
7.3. Bräuche ordnen das alltägliche Leben, die Zeit und den Raum

8. Brauchtum im Unterricht
8.1. Brauchtum im Lehrplan der Volksschule
8.2. Didaktischer Aufbau und mögliche Arbeitsweisen
8.3. Mögliche praktische Umsetzung

9. Haben die Bräuche in der heutigen Zeit ihre Relevanz für den Einzelnen verloren?
9.1. Forschungsergebnisse der Befragung der Kinder
9.2. Forschungsergebnisse der Befragung der Jugendlichen
9.3. Forschungsergebnisse der Befragung der Erwachsenen
9.4. Vergleich und Zusammenfassung der Ergebnisse

10. Zusammenfassung

11. Literatur- und Bildnachweis

0. Vorwort

Bräuche sind immer wieder interessant. Vor allem deshalb, weil sie die Eigenheit jeder Region präsentieren. Deshalb entschied ich mich, in meiner Diplomarbeit das Brauchtum meines Heimattals Gailtal zu bearbeiten. Es war eine ziemlich spontane Entscheidung und nach mehreren Überlegungen kam ich zu dem schluss, dass es gar nicht so einfach werden würde, Literatur zu diesem Thema zu finden. Auch deshalb, weil mir nur wenige Bräuche des Gailtales bekannt waren. Es existieren kaum Bücher, die auf das Brauchtum im Gailtal spezialisiert sind. Auch die Befragung von Bekannten brachte mich nicht weiter. So machte ich mich auf die Suche nach Büchern, die zumindest das Kärntner Brauchtum zum Thema hatten. Es war schließlich sehr mühsam, die einzelnen Informationen zusammenzutragen, da in den einzelnen Büchern nie sehr viel über das Gailtal zu finden war. Doch nach und nach entdeckte ich immer mehr Sitten und Bräuche, die in der Vergangenheit üblich waren, und es teilweise auch heute noch sind. Da viele Bräuche heute nicht mehr durchgeführt werden, existieren nur wenige Aufzeichnungen. So kam ich auch zu meiner Forschungsfrage. Alte Bräuche sind in Vergessenheit geraten. Bräuche dienen nur noch dem Kommerz. Mich interessierte, wie das nun wirklich ausschaut. Meine Forschungsfrage lautete also:

Haben die Bräuche in der heutigen Zeit ihre Relevanz für den Einzelnen verloren?

Es war interessant, die verschiedenen Fragebögen zusammenzustellen und auszuwerten. Die Ergebnisse befinden sich im 9. Kapitel meiner Arbeit.

Aus meinen Erfahrungen weiß ich, wie wichtig Brauchtum in der Schule ist. Aus diesem Grund befasst sich ein Kapitel auch mit diesem Thema.

Ich bin mir sicher, dass in den einzelnen Orten des Gailtales noch mehr spezielle Sitten und Bräuche existieren, doch deren Bearbeitung hätte den Rahmen meiner Arbeit gesprengt.

Hinzufügen möchte ich noch, dass ich bei der Schreibung von Orts- und Eigennamen die alte Rechtschreibung beibehalten habe.

Abschließend möchte ich sagen, dass mir das Schreiben meiner Diplomarbeit großen spaß bereitet hat und sehr interessant für mich war, da ich viel Neues dazugelernt habe.

Natürlich möchte ich mich bei allen, die mich bei meiner Arbeit unterstützt haben, ganz herzlich bedanken:

1. Einleitung

Der Ausdruck "Brauchtum" kommt vom Verb "brauchen". Bräuche sind also etwas, das wir brauchen. Bräuche beziehen sich immer auf eine große Gemeinschaft und sind grundsätzlich mit einem bestimmten Anlass verbunden.[1]

Das Brauchtum eines jeden Landes oder Tales spiegelt dessen soziale, religiöse, gemeinschaftliche und politische Eigenheiten wider. Die meisten Bräuche finden ihren Ursprung vor etwa tausend Jahren im bäuerlichen Alltag, da früher der Großteil der Bevölkerung dem Bauernstand angehörte.

Natürlich wurden viele Bräuche durch den Übergang in die Neuzeit einem Wandel unterzogen. Das bedeutet, sie wurden aktualisiert und der Zeit angepasst.[2] Die Entstehung der Bräuche in Kärnten und somit auch im Gailtal wurde ständig durch benachbarte Völker und den verschiedensten Religionen beeinflusst. In den Kärntner Adern fließt Blut der unterschiedlichsten Stämme. Illyrer, Kelten und sogar slawen besiedelten unser Land und hinterließen unverkennbare spuren im Kärntnerischen Brauchtum. Mittlerweile werden die alten Bräuche aber größtenteils nur noch von der ländlichen Bevölkerung gepflegt. Im städtischen Bereich sind diese in Vergessenheit geraten. Auf dem Land bedeuteten Bräuche und Feste Abwechslung zu den harten Werktagen, welche dadurch leichter zu ertragen waren. Aus diesem Grund sind sie auch heute noch aus dem Familienleben nicht wegzudenken.[3]

Bräuche waren früher aber nicht nur willkommene Gründe zum Feiern, sondern sie hatten auch viel mit Aberglauben zu tun. So weiß man, dass z. B. die Umzüge von unheimlich verkleideten Gestalten, die wir heute als Krampusse kennen, der Vertreibung von bösen Geistern dienten, aber oft auch Fruchtbarkeitsriten darstellten. Im Grunde dienten die meisten Bräuche dazu den Teufel, böse Geister, Krankheiten, Naturkatastrophen und Unglück fernzuhalten und für ein segenreiches, fruchtbares und glückliches Leben zu sorgen.

Das gesamte Leben und der Jahreslauf waren im Mittelalter von Sitten und Bräuchen durchzogen. Ernte, Viehzucht, Hochzeiten, Geburt, und Tod waren durch das christliche, aber auch das weltliche Brauchtum geprägt.

Auch heute noch nimmt das Brauchtum vor allem im ländlichen Bereich einen besonderen Stellenwert ein. Besonders im Gailtal haben sich, neben den allgemeinen jahreszeitlichen Bräuchen, einige außergewöhnliche Bräuche gehalten, wie z. B. das Kufenstechen, der Lindentanz, das slowenische Dreikönigssingen im unteren Gailtal und das Blochziehen im oberen Gailtal. Eine weitere Besonderheit ist der Ablauf einer richtigen Gailtaler Hochzeit.

Nicht vergessen dürfen wir die überlieferten Sitten und Bräuche der Osterzeit, beispielsweise der für das Gailtal charakteristische Palmbuschen oder vielmehr "Palmbaum". Auch bei den vielen Sitten, die an die jeweiligen Heiligen der Adventszeit gebunden sind, erkennt man das spezielle Brauchtum der Gailtaler / Gailtalerinnen.

Es handelt sich hierbei um alte, überlieferte Sitten und Bräuche, die sich seit ihrer Entwicklung nur in geringem Maße verändert haben.

Aber nicht nur diese Art von Brauchtum und Volksleben zeichnet das Gailtal aus. Charakteristisch für unser Tal sind vor allem die eigenständigen Trachten, die ungezügelte Freude am Musizieren, aber auch der Volkstanz und die vielen Blaskapellen.

Auch das Gitschtal, ein kleines Nebental des Gailtales, hat sich die Tradition einiger seltener Bräuche bewahrt. Nennenswert ist der uralte Sonnwendbrauch des Scheibenschlagens, das Glunggern, welches am Nikolaustag stattfindet und das "Neujahrswünschen", welches am Vormittag des 1. Januar durchgeführt wird. Was sich verändert hat, ist, dass sehr viele Menschen nicht mehr über den geschichtlichen und traditionellen Inhalt unserer Bräuche Bescheid wissen. Was zählt, sind eigentlich häufig nur noch Geschenke. An den Feiertagen, seien sie jetzt kirchlicher oder weltlicher Natur, interessiert die Menschen kaum noch, warum dieser Tag gefeiert wird. Viel größere Bedeutung kommt der Tatsache zu, dass der Tag arbeits- oder unterrichtsfrei oder ein weiterer Grund zum Feiern ist. Weihnachten ist heute nur noch vage als die stillste Zeit des Jahres zu erkennen. Heute wird der Zauber der Bräuche nur noch schemenhaft wahrgenommen. Die Festlichkeiten dienen eher als Attraktion für Urlauber / Urlauberinnen. Alles wird nur noch so gut wie möglich vermarktet. Der eigentliche, ernste Sinn der Bräuche geht verloren. Spaß und Vergnügen sind die heutigen Hintergründe.

Man denke nur an die Entwicklung ausschließlich wirtschaftlich orientierter Feste, wie das Polentafest in Nötsch, das Gailtaler Speckfest in Hermagor oder das Käsefestival in Kötschach-Mauthen.

Haben die alten Bräuche also ausgedient? Werden sie von den neuartigen Festen verdrängt? Haben sie überhaupt noch eine Chance? Geht es den Menschen nur noch um die wirtschaftliche Komponente?

Wir dürfen aber auch nicht vergessen, welche Bedeutung die Bräuche im Alltag für den Menschen haben. Sie sind ihm eine Stütze, ordnen und regeln sein Leben, geben ihm das Gefühl von Gemeinschaft und lassen ihn im Laufe seines Lebens um einige Erfahrungen reicher werden. Wichtige Entscheidungen, im Bezug auf Geburt, Hochzeit und Tod werden ihm von den überlieferten Sitten abgenommen. Außerdem bieten Bräuche unseren Kindern eine gute Grundlage zum Verständnis unserer Kultur und des Glaubens.

Einen großen Beitrag dazu liefert natürlich die Schule und ein Unterricht, der alle Komponenten des öffentlichen Lebens, der Umwelt und natürlich auch alle Sinne mit einbezieht. Ein Unterricht, der dem Schüler / der Schülerin die Möglichkeit bietet, seine / ihre Fähigkeiten durch viele verschiedene Arbeitsweisen zu erweitern.

In den folgenden acht Kapiteln werde ich die erwähnten Punkte genauer untersuchen und versuchen meine Hypothese zu verifizieren.

2. Das Gailtal

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

"Das Gailtal"

Quelle: Stabentheiner (Einbandinnenseite)

"De Berg so hoach, es Tàl so schian und mittndrin de Gaile Muaß àllweil wieder hamzua giahn, i find sunscht ka Derweile.

De Berg so hoach, de Leut so fein, da Sea, da Wàld, es Feld!

Es kànn ja ninderscht schiander sein, war noch so groaß de Welt!"[4]

Kaum sonst wo findet man auf solch engem Raum eine solche Vielfalt geographischer, geologischer, klimatischer, botanischer und historischer Besonderheiten.

Die Besonderheit des Gailtales, zeigt sich darin, dass sich das Gebirgstal über 100 km hinzieht und in drei verschiedene Talbereiche geteilt wird. Der oberste Talraum wird als "Tiroler Gailtal” bezeichnet, in der Mitte liegt das 1550 m bis 900 m hoch gelegene "Lesachtal” und erst von Kötschach-Mauthen in östlicher Richtung bis Arnoldstein erstreckt sich das eigentliche "Gailtal”, welches wieder in zwei Abschnitte geteilt wird, das etwa 2 km breite Obere Gailtal von Kötschach- Mauthen bis Hermagor und das Untere Gailtal von Hermagor bis zur Einmündung ins Villacher Feld.

Die Seitentäler des Gailtales sind die bei Kötschach gelegene Gailbergfurche, das etwa 12 km lange Tal der Gössering, das Gitschtal und das seit 1919 zu Italien gehörende Gailitztal oder Kanaltal mit seinem Hauptort Tarvis.

Die Grenzlage des Tales hat auch dessen Bevölkerung sehr beeinflusst. Drei Staaten (Österreich, Italien, Slowenien), aber auch drei Sprachkulturen (Germanische, Romanische, Slawische) treffen hier aufeinander.[5]

2.1. Die Gebirgslandschaft des Gailtals

Das Gailtal ist ein U-Tal, welches der eiszeitliche Gailgletscher ausgeschürft hat. Dieser Gailbruch ist auch die Grenze zwischen den ostalpinen Decken und den im Süden gelegenen Dinardinen.

Eingerahmt wird das Tal von der Karnischen Hauptkette im Süden und von den Gailtaler Alpen im Norden. Beide Gebirgsketten gehören zu den Südlichen Kalkalpen. Einige der dort gelegenen Berge sind:

- Hohe Warte (2780 m)
- Mooskofel (2506 m)
- Nordwand der Kellerwand (2774 m)
- Polinik (2332 m)
- Trogkofel (2279 m)
- Roßkofel (2240 m)
- Gartnerkofel (2195 m)
- Reißkofel (2371 m)
- Spitzegel (2118 m)
- Dobratsch (2166 m)

Immer wieder kommt es in diesem Gebiet zu kleineren Erdbeben, was beweist, dass die Krustenbewegung noch nicht zur Ruhe gekommen ist. Das schwerste Erdbeben gab es 1348, welches den Dobratschabsturz zur Folge hatte. Die Folgen dieses schweren Bebens sind noch heute am Fuße des Dobratsch, in Form eines Trümmerfelds, zu sehen.[6]

Das zwischen Gartnerkofel, Roßkofel und Trogkofel gelegene Wintersportzentrum, das Naßfeld, bietet mit seinen etlichen Schiliften, Gasthäusern und Hotels seinen Besuchern / Besucherinnen zahlreiche Möglichkeiten zum Schifahren und Snowboarden. Im Sommer kann man dort ausgiebige Wanderungen unternehmen und die Bergwelt genießen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

"Das Naßfeld"

Quelle: Stabentheiner, S. 49

1999 wurde die 7,6 km lange Talabfahrt mit der Seilbahn von Tröpolach auf das Naßfeld eröffnet, die eine erhebliche Verkehrsentlastung mit sich brachte.

2.2. Klimatische Bedingungen

Das Klima wird erheblich durch die Nähe der Oberitalienischen Tiefebene und der Adria beeinflusst. Das Klima in höheren Lagen nähert sich dadurch ozeanischen

Werten. Das typisch kontinentale Klima in den tieferen Regionen, welche von den Karnischen Alpen abgeschirmt werden, weist heiße Sommer und kalte Winter auf. Auch die reichen Niederschläge des Gailtals können durch diese Randlage erklärt werden. Trotzdem fallen die Sommer eher trocken aus. Dafür sind die Winter um so schneereicher. Aufgrund des Klimas lässt sich auch eine artenreiche Pflanzenwelt verzeichnen. Die alpine Flora herrscht in den Gebirgslagen vor und im Talbereich gibt es neben typischen mitteleuropäischen Arten auch Vertreter der mediterranen Flora. So kommen auch extrem seltene Pflanzen vor, wie z.B. die in Mitteleuropa nur am Gartnerkofel wachsende Wulfenia (Wulfenia carinthiaca).[7]

Ihre Blätter sind groß und zungenförmig und enthalten einen bitteren Saft, weshalb sie von den Kühen gemieden und häufig zertreten wird. Aus diesem Grund wird die Wulfenia auch "Kuhtritt" genannt. Ihre blauvioletten Blüten bilden eine Traube.[8]

2.3. Historische Fakten

Vor der deutschen Einwanderung gab es in Kärnten, besonders aber im Gailtal, neun verschiedene Völker (Illyrer, Italiker, Veneter, Römer, Kelten, Langobarden, Goten, Awaren, Slawen). Verschiedene Funde, aber auch Fluss- und Bergnamen weisen darauf hin:

- Gail, illyr. "Gailias" = die Überschäumende
- Gitschtal, illyr.-kelt. "Kutissia" = Gegend der Ziegenhirten ^ Karnische Alpen, Kärnten, illyr.-kelt. "karant-", "karn-" = Fels, Stein

Funde aus der Jungsteinzeit gibt es z.B. am Kanzianiberg bei Villach oder auch oberhalb von Dellach im Gailtal von der Gurina, am Fuße der Jauken (2247 m). Streu- und Depotfunde aus der Urnenfelderzeit finden wir im gesamten Gailtal.

Die Veneter haben den bereits in prähistorischer Zeit benützten Weg über den Plöckenpaß zur Straße ausgebaut und auf der Gurina Bergbau betrieben.

Funde der Kelten gibt es in Hermagor, Förk, Vorderberg und Dreulach.

Angelockt durch die Fülle an Bodenschätzen, kamen die Römer 15 v. Chr. über das Kanaltal ins Land und 60 Jahre später hieß diese Region, nun eine römische Provinz, Noricum. Die Römer errichteten Straßen und Siedlungen und brachten auch das christentum ins Land.

Vier Jahrhunderte später, in der Zeit der Völkerwanderungen, gehörte das Gailtal einige Zeit dem Ostgotenreich Theoderichs dem Großen und später auch dem Langobardenreich an.

Im Jahre 788 fiel das Land an das Frankenreich unter Karl dem Großen. Es begann eine reiche Besiedlung, Burgen und Schlösser wurden errichtet, Klöster gegründet. Das Gailtal kam unter die kirchliche Aufsicht Aquilejas und schon bald wurden die ersten Pfarren gegründet. (St. Hermagor, St. Daniel, St. Stefan).

1288 scheint Hermagor das erste Mal in einer Urkunde als Markt auf. Aus dem 11. und 12. Jahrhundert stammen die ältesten bekannten Urkunden. (1039 Risach im Gilitale = Reisach, 1169 Sanct Hermachor = Hermagor, 1183 Kinburch = Khünburg).

In bestimmten Gebieten sprach man bald nur noch Deutsch, in anderen Gebieten hielt sich die slowenische Mundart (das "Windische").

Im 15. Jahrhundert wurde auch das Gailtal von Türkeneinfällen heimgesucht. Hermagor wurde dabei in Schutt und Asche gelegt.

Während der Reformation wurde das Gailtal sehr schnell protestantisch. Erst nach dem Augsburger Religionsfrieden 1555 bekannte sich durch die Gegenreformation der Großteil der Bevölkerung, bis auf einige wenige abgelegenen Dörfern, wieder zum katholischen Glauben. So gibt es auch heute noch rein römisch-katholische

Dörfer und solche mit überwiegend evangelischer Bevölkerung (Rattendorf, Weißbriach, Agoritschach,...).

In den letzten Jahrhunderten wurde das Gailtal von Feuersbrünsten (Hermagor 1726 und 1904), Überschwemmungen, anderen Naturkatastrophen und Kriegen heimgesucht, wodurch die Bewohner / Bewohnerinnen immer wieder großes Leid erfahren mussten.

1809 wurde das Gailtal von den Franzosen besetzt. Denkmäler und Feldkreuze erinnern noch heute an diese schwere Zeit. Auch im 1. Weltkrieg hatte das Gailtal zahlreiche Opfer zu verzeichnen. Nur kurze Zeit später versuchte Jugoslawien sich Teile Kärntens anzueignen. Durch den Kärntner Abwehrkampf, bei dem auch etliche Freiwillige aus dem Gailtal beteiligt waren, kam es schließlich zur Volksabstimmung am 10. Oktober 1920. Ihr Ausgang sicherte die Einheit Kärntens in der heutigen Form. 1930 wurde Hermagor zur Stadt erhoben.

Zwischen den beiden Weltkriegen spürte auch das Gailtal die Wirtschaftskrise. Zahlreiche Menschen waren arbeitslos.

Im 2. Weltkrieg litt das Gailtal unter zahlreichen Fliegerangriffen. Kriegsdenkmäler erinnern heute noch daran. In der Nachkriegszeit erholte sich das Tal wirtschaftlich langsam. Naturkatastrophen wie das Hochwasser der Jahre 1965 und 1966 prüften seine Bewohner hart.[9]

2.4. Die Gemeinden

Das obere und untere Gailtal setzt sich aus neun Gemeinden zusammen, wobei das Gitschtal als zehnte Gemeinde dazugezählt wird. Die Gemeinden unterlagen im Laufe der Zeit ständigen Veränderungen und immer neuen Konstellationen, was die Zugehörigkeit der Ortschaften betrifft. immer mehr von ihnen erlangten das Marktrecht und machten Fortschritte in den Bereichen Tourismus, Handel und Wirtschaft.

2.4.1. Die Marktgemeinde Kötschach-Mauthen

Die drittgrößte Gemeinde des Gailtales (3700 Einwohner / Einwohnerinnen) liegt am westlichen Ende des Tales an der Kreuzung zwischen Gailtal- und Plöckenstraße. Sie besteht aus den ehemals selbstständigen Gemeinden Kötschach, Mauthen, Würmlach und St. Jakob und erstreckt sich über ein Gebiet von 154,48 km[2]. Die Gemeinden Kötschach und Mauthen wurden 1958 zur Marktgemeinde Kötschach-Mauthen zusammengeschlossen.

Im Winter bietet die Gemeinde Kötschach-Mauthen präparierte Schipisten und Langlaufloipen. Die warmen Sommertage kann man im, 1996 neu eröffneten, Naturbad oder im seit 1971 bestehenden Hallen- und Freibad verbringen.

Am Gailbergsattel liegt die Ortschaft Laas, wo sich das bekannte Landeskrankenhaus für alle inneren Erkrankungen befindet.[10] Das Plöckenmuseum im Rathaus von Kötschach-Mauthen zeigt Waffen und Ausrüstungsgegenstände aus der zeit des 1. Weltkrieges.

Am Plöckenpaß selbst befindet sich ein Freilichtmuseum, in dem man Bunker, Schützengräben, Stollengänge und ähnliches besichtigen kann.[11]

2.4.2. Die Gemeinde Dellach

Die auf einem Schwemmkegel liegende Gemeinde umfasst die Orte St. Daniel, Leifling, Wieserberg, Nölbling, Stollwitz, Goldberg und die vorrömische Siedlung Gurina. Sie erstreckt sich über ein Gebiet von 36,17 km2 und hat etwa 1400 Einwohner / Einwohnerinnen. Es gibt hier Bodenfunde, die auf eine Besiedlung bereits zur Eisenzeit deuten. Gründe dafür sind der Bergbau und die nahe Lage zum Plöckenpaß.[12]

Die zum größten Teil noch bäuerliche Bevölkerung pflegt das alte Brauchtum auch heute noch. Als beliebter Urlaubsort bietet die Gemeinde Dellach sehr schöne Wanderwege auf die Berge der Gailtaler Alpen und Karnischen Alpen.[13]

2.4.3. Die Marktgemeinde Kirchbach

Die viertgrößte Gemeinde des Gailtales (2850 Einwohner / Einwohnerinnen) umschließt die ehemaligen Gemeinden Reisach, Kirchbach und Waidegg und 30 weitere kleine Ortschaften und Weiler. 1996 wurde Kirchbach zur Marktgemeinde erhoben. Tourismus, Handel und Gewerbe bilden wichtige Stützen des wirtschaftlichen Lebens.

Zwischen den Orten Treßdorf und Kirchbach wurde 1962/63 ein Freischwimmbad gebaut. Einige Kilometer oberhalb von Reisach liegt das "Reißkofelbad", ein anerkanntes Heilbad, das 1976 zum Kneipp-Kurhaus erweitert wurde.[14]

2.4.4. Die Gemeinde Gitschtal

Das 12 km lange Seitental des Gailtales wird in einem späteren Kapitel noch näher beschrieben.

2.4.5. Die Stadtgemeinde Hermagor-Presseggersee

Die Großgemeinde mit der Bezirkshauptstadt Hermagor umschließt 12 Kastralgemeinden mit rund 60 Ortschaften und besteht aus den ehemals selbstständigen Gemeinden Hermagor, Möschach, Tröpolach, Rattendorf, Guggenberg, Mitschig, Egg und Görtschach. Sie reicht vom Naßfeld bis zum östlichen Ende des Presseggersees und ist Heimat von rund 7500 Einwohnern / Einwohnerinnen. Die Fläche der Gemeinde beträgt 204,31 km2.

Der wirtschaftliche Bereich erstreckt sich über Handel, Gewerbe, Kleinindustrie, Landwirtschaft und Tourismus. Es gibt mehrere Trachten- und Musikkapellen, Gesangvereine und Volkstumsgruppen.[15]

1984 wurde das Gailtaler Heimatmuseum in Möderndorf eröffnet. Es bietet in 16 Räumen einen Überblick über Geschichte, Kultur und Natur des Gailtales von der Urzeit bis in die Gegenwart. Auch das Schloss Möderndorf zeigt die Geschichte des mittleren Gailtales.[16]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

"Der hl. Hermagoras" Quelle: Stabentheiner, S. 35

Im zentrum der Altstadt von Hermagor befindet sich die stadtpfarrkirche mit der Statue des hl. Hermagoras.

2.4.6. Die Gemeinde St. Stefan im Gailtal

Die Gemeinde setzt sich aus den, früher eigenständigen, Gemeinden Vorderberg und St. Stefan zusammen, erstreckt sich über ein Gebiet von 66,24 km2 und hat rund 1900 Einwohner / Einwohnerinnen.[17]

Von Matschiedl aus führt eine Straße auf die Windische Höhe (1110 m), wo sich viele schöne Wanderwege befinden, und danach weiter ins Drautal.[18]

2.4.7. Die Marktgemeinde Nötsch

Nötsch liegt am Fuße des Dobratsch. Es umschließt drei Kastralgemeinden mit 17 Ortschaften. Einige von ihnen sind: Saak, Förk, Labientschach, St. Georgen, Emmersdorf. Die Marktgemeinde gehört zum Bezirk Villach-Land und erstreckt sich über ein Gebiet von 42,66 km[2] (2200 Einwohner / Einwohnerinnen). Nennenswert ist der vor kurzem fertiggestellte Gailtalzubringer, über den man bei Nötsch direkt auf die Autobahn Richtung Villach auffahren kann. In 550 m Seehöhe befindet sich der "Gailtaler Flugplatz”, einer der bekanntesten Zivilflugplätze Kärntens.[19]

Die Gemeinde ist durch den "Nötscher Kreis", eine Gemeinschaft berühmter Maler vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, auch außerhalb von Kärnten bekannt.[20]

2.4.8. Die Gemeinde Feistritz

Die kleinste Gemeinde des Gailtales umfasst ein Gebiet von 20 km2 mit 690 Einwohnern / Einwohnerinnen. Sie ist die einzige Gemeinde, die nur aus einer Ortschaft besteht und auch sie gehört zum Bezirk Villach-Land. Bis zum Jahre 1906 war Feistritz der Gemeinde Hohenthurn eingegliedert. Die Gemeinde ist vorwiegend auf Landwirtschaft, Fremdenverkehr und ein wenig Kleingewerbe ausgerichtet.[21]

Früher war dort die Pferdezucht der Landwirte von großer Bedeutung. Feistritz ist außerdem eines der größten Dörfer Kärntens mit reichem kulturellen Leben. So findet man dort Singgemeinschaften, Trachtengruppen und das bekannte Kufenstechen mit anschließendem Lindentanz.[22]

2.4.9. Die Gemeinde Hohenthurn

Die zweitkleinste Gemeinde des Gailtales erstreckt sich über ein Gebiet von 27 km[2] mit rund 880 Einwohnern / Einwohnerinnen. Sie umfasst die Ortschaften Achomitz, Göriach, Dreulach, Draschitz, Stossau und Hohenthurn. Die Gemeinde Hohenthurn gehört dem Bezirk Villach-Land an. Durch den Bau des Gailtalzubringers kam es in den höher gelegenen Orten zu einer beachtlichen Verkehrsberuhigung.[23]

2.4.10. Die Marktgemeinde Arnoldstein

Die letzte Gemeinde des Gailtales gehört ebenfalls zum Bezirk Villach-Land. Sie umfasst eine Fläche von 67 km2 (20 Ortschaften) mit etwa 6700 Einwohnern / Einwohnerinnen und ist damit die zweitgrößte Gemeinde des Tales. Sie reicht von Hart im Osten bis Thörl-Maglern im Südwesten, wo sich der Grenzübergang nach Italien befindet. Einige Kilometer in östlicher Richtung liegt der Grenzübergang Wurzenpaß, der nach Slowenien führt.[24]

3. Traditionelles Volksbrauchtum

Das Gailtal unterscheidet sich deutlich von anderen Tälern durch sein unvergleichbares Volksbrauchtum, welches sich in der Liebe zum volkstümlichen Gesang, den einzigartigen Trachten und Tänzen widerspiegelt.

3.1. Das Kärntnerlied im Gailtal

"Nimm dem Kärntner sein Lied, und er müsste welken wie die Blume ohne Tau"[25]

Einer Sage nach wurde den Kärntnern / Kärntnerinnen das Singen durch eine Fee beigebracht. Dies scheint glaubwürdig, wenn man an die Vielzahl von Chören und Singgemeinschaften in Kärnten denkt. Besonders im Gailtal nimmt das Kärntnerlied einen besonderen Stellenwert ein.

Der erste Männergesangverein des Gailtales wurde bereits 1861 im Zentrum des Tales, in Hermagor, gegründet. Es folgte Kötschach-Mauthen 1873 und Weißbriach 1877. 1920 wurde dann der Sängergau Gailtal gegründet.[26] Seit damals wird jedes Jahr, am 3. Sonntag im Juni, das "Gausingen" durchgeführt. Über 500 Sängerinnen und Sänger der vielen Gesangvereine und Chöre nehmen alljährlich daran teil. Die gesamte Umgebung integriert sich in diese Veranstaltung, die jedes Jahr in einem anderen Ort stattfindet. Am Vormittag präsentiert jeder Chor sein Können. Am Nachmittag zieht man in kleinen Gruppen durch den Ort zum "Kranzlsingen". Im Garten jedes Hauses haben die Bewohner / Bewohnerinnen bereits Essen und Getränke zur Stärkung bereitgestellt, als Belohnung für die schönen Ständchen. Bevor sie zum nächsten Haus weiterziehen, erhalten die Vereine noch einen Eichenkranz, der an die jeweilige

Fahne gehängt wird. Den Abschluss des Gausingens bilden Festansprachen und weitere Darbietungen der Chöre im Kultursaal oder in einem Festzelt.[27] Diese Gesangstradition resultiert aus der unverkennbaren Sangesfreude der Kärntner / Kärntnerinnen. Die bis heute entstandenen 30 Vereine und Kleingruppen im Gailtal lassen daran keinerlei Zweifel. Eine Persönlichkeit, die maßgeblich an der Verbreitung des Kärntnerliedes beteiligt war, ist der "Liederfürst" Thomas Koschat. Das bekannteste seiner Lieder ist ohne Zweifel "Valos'n bin i". Es wurde in über 18 Sprachen übersetzt.[28]

Im Gailtal wurde er bekannt durch den "Gailtaler Jägermarsch":

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

"Gailtaler Jägermarsch "

Quelle: Stabentheiner, S.11

In Kirchbach findet man an der Außenwand des Gasthofes Engl eine Gedenktafel, die an die Entstehung des Liedes erinnert. Thomas Koschat war öfters Gast beim Engl und saß dort oft mit den ortsansässigen Jägern zusammen, bis eines Abends
die Idee für dieses Lied entstand. Die Texte stammen größtenteils vom Pfarrer Koller. Thomas Koschat schrieb die Melodie dazu. Der "Gailtaler Jägermarsch" gilt als "Gailtaler Nationalhymne" und gehört auch heute noch zum Programm vieler Kärntner Chöre.[29]

Man findet im Gailtal aber nicht nur deutschsprachiges Liedgut. In den zweisprachigen Gebieten des unteren Gailtales ist auch das slowenische Volkslied weit verbreitet. Der in Görtschach geborene Matija Majer (1809-1892) sammelte slowenische Volkslieder und wurde dadurch bekannt.[30] Eine weitere Form der musikalischen Tradition im Gailtal ist das Blasmusikwesen. Ursprünge dafür findet man bereits im Jahre 1800. Damals sprach man eher noch von Hausmusik, welche von saiteninstrumenten gespielt wurde, die erst später durch Blasinstrumente ersetzt wurden. in weiterer Folge bildeten sich kleine Gruppen, aus denen sich später die Blasmusikkapellen entwickelten. Die erste Kapelle im Gailtal entstand im Jahre 1830 in Kötschach, die anderen erst im 20. Jahrhundert.

Eine solche Gemeinschaft vermittelte immer mehr das Gefühl von zusammengehörigkeit, und so beschloss man das auch nach außen hin zu zeigen und zwar mit Hilfe einheitlicher Bekleidung. Daraus entstanden die heutigen Musiktrachten der 14 Gailtaler Blaskapellen.[31]

"Alpenluft hat kein Wort, hat nur ein Klingen, was man nicht sagen kann muß [!] man halt singen."[32]

3.2. Die Gailtaler Tracht

Trachten symbolisieren Gemeinschaft und stärken die Zusammengehörigkeit. Sie sind von Tal zu Tal unterschiedlich. so erkennt man, aus welcher Region jemand kommt. Trachten werten die Festlichkeiten durch ihre Erscheinung auf. Vor allem die Trachtenkleider der Frauen stechen optisch hervor, während die der Männer weniger auffallend sind. Grundsätzlich unterscheidet man im Gailtal zwei Trachten.

Die Obergailtaler Festtracht entwickelte sich nach dem 2. Weltkrieg aus dem Gailtaler Dirndlkleid.[33] Der Rock ist aus dunklem Wollbrokat. Der Arm- und Halsausschnitt des Schnürleibchens ist mit einem schwarzen, etwa 2 cm breiten samtband eingefasst.

Der Latz ist meistens schwarz mit grünen Paspelungen. Geschnürt wird das Leibchen meist durch 12 Miederhaken. Der obere Rand des Latzes ist mit Goldspitzen verziert. Die Bluse hat am Hals schmale und an den Ärmeln breite Spitzen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

"Obergailtaler Tracht"

Quelle: Lattacher, S. 161

Die Männer tragen eine kastanienbraune Joppe, mit Silberknöpfen als Halsverschluss. Die Weste ist meist aus dunklem Samt gearbeitet. Dazu tragen sie pastellblaue Baumwoll- oder Wollstrümpfe. Der schwarze Hut ist weitkrempig, mit einer schwarzen gedrehten Schnur.[34]

Die Untergailtaler Tracht ist windischer, also slawischer Herkunft. Sie unterscheidet sich von allen anderen Kärntner Trachten in Form und Farbe. Die Röcke sind eher kurz und so wurde deren Produktion im 18. Jahrhundert von Kaiserin Maria Theresia, aufgrund von Sittenstrenge, verboten. Das ist Beweis dafür, dass die Tradition der windischen Festtagstracht weit zurückreicht. Vielleicht war Maria Theresia der Grund für den heute unter der Tracht getragenen Anstandsrock. Er wird zwischen der langen unterhose und dem unterrock angezogen und soll so Männerblicke abwehren.[35] Im Einzelnen sieht diese Tracht folgendermaßen aus:

Die Kleidung der Burschen besteht aus einem weißen Hemd mit weiten Ärmeln, einer schwarzen Lederhose, einer bunten Weste, einem Seidentuch über den Schultern, welches nur am Ärmelansatz zu sehen ist, und hohen schwarzen Lederstiefeln. Früher trugen die Burschen auch noch eine Zipfelmütze oder einen

Hut. Die Tracht der Mädchen ist um einiges umfangreicher. Der Rock ist schwarz und, wie bereits genannt, eher kurz. Das kurze weiße Hemd hat oben weite, zu den Manschetten hin enge Ärmel. Auf den weißen, gestärkten Kragen sind Spitzen aufgenäht. Er hängt im Dreieck über den Rücken hinunter. unter dem Rock befindet sich ein gestärkter unterrock, der einen Finger breit hervorschauen muss.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

"Untergailtaler Tracht"

Quelle: Lattacher, S. 102

Beim Tanzen wird ein weiterer Unterrock getragen, aus dem die lange Unterhose ebenfalls einen Finger breit hervorragen muss. Über die Brust wird ein buntes Dreieckstuch gelegt, welches hinten zusammengebunden und im Ausschnitt mit einer Brosche befestigt wird. Über dem schwarzen Rock wird außerdem noch eine schürze mit spitzen und eine schwarze schürze mit feinen stickereien und schmalen Nägeln getragen. Am Gürtel ist ein Ring mit bunten Seidenbändern befestigt. Die Beine stecken in weißen Wollstrümpfen und schwarzen, mit Bändern geschnürten Schuhen. Auf dem Kopf trägt das Mädchen ein buntes, im Nacken gebundenes Tuch.[36]

Daneben gibt es noch das Gailtaler Sommerdirndl, das Gailtaler Winterdirndl, sowie die Obergailtaler und die Untergailtaler Sonntagstracht.[37]

Eine weitere besondere Tracht ist die der "Goldhaubenfrauen Hermagor". Diese Trachtengruppe wurde im Jahre 1931 gegründet, um das alte Brauchtum wiederzubeleben. Heute sind sie als "Bürgerfrauen Hermagor" bekannt. Sie treten bei verschiedenen Veranstaltungen auf und sind auch im karitativen Bereich tätig.[38]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

"Hermagorer Bürgerfrau"

Quelle: Lattacher, S. 144

Ihre schwarzen Seidenkleider sind zweigeteilt und sowohl am Oberteil als auch am Rock mit schwarzen Rüschen verziert. Am Halsausschnitt sieht man einige
weiße Spitzen. Dazu tragen sie Goldketten und verschiedene Broschen. An den Hauben sind schwarze Bänder und ein auffälliger Goldspiegel befestigt.[39]

3.3. Der Volkstanz

"O Mensch lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen."[40]

Viele Zeugnisse für den Tanz im Gailtal vor dem 18. Jahrhundert existieren nicht. Ein Wandgemälde der Filialkirche St. Egyd in Dellach im Gailtal aus dem 13. Jahrhundert zeigt eine tanzende Dreiergruppe. Links und rechts, leider kaum noch zu erkennen, stehen zwei Teufelchen, welche den Tanz wohl als sündhaft darstellen sollen. Getanzt wurde im Gailtal immer schon gerne, aber durch den Klerus wurde immer wieder versucht, diese ausschweifende Aktivität einzudämmen.

Bevor sich der Paartanz entwickelte, gab es Dreier- und Reigentänze. Erst später entstanden Polka, Walzer oder Ländler. Auch Rundtänze wie Siebenschritt oder Kreuzpolka wurden kreiert. Ende des 19. Jahrhunderts kam der Schuhplattler nach Kärnten. Die Leute begannen Volkstanzgruppen zu bilden, welche zu verschiedensten Veranstaltungen auftraten. Um dieses Volksbrauchtum zu pflegen, werden auch heute immer wieder Kurse angeboten.[41] Es gibt heute mehrere speziell aus dem Gailtal stammende Tänze:

- Die Gailtaler Polka aus Kirchbach
- Kreistanz aus Kirchbach
- Der Gailtaler Lindentanz

4. Jahreszeitliches Brauchtum

Das jahreszeitliche Brauchtum bildet neben dem traditionellen Volksbrauchtum im Leben eines Gailtalers / einer Gailtalerin einen fixen Bestandteil, der nicht mehr wegzudenken ist. Von Januar bis Dezember, von Winter über Frühjahr und Sommer bis hin zum Herbst halten sich die meisten Bewohner / Bewohnerinnen des oberen und unteren Gailtales an überlieferte Traditionen und an den alten Glauben. Und die Gailtaler tun dies mit einer Hingabe und Freude, wie dies heute nicht mehr oft zu finden ist.

4.1. Dreikönigsbräuche

Am 6. Januar feierte man ursprünglich das Geburtsfest Jesu. Die Heiligen Drei Könige, welche die Ehre hatten, als erste dem Christuskind zu huldigen, erhielten ihre Namen Caspar, Melchior und Balthasar eigentlich durch den Volksmund, der diese Namen von der Abkürzung C+M+B ableitete ("Christus Mansionem Benedicat" - Christus möge dieses Haus segnen). Könige im eigentlichen Sinn waren sie wahrscheinlich nicht, eher Weise, Magier, Erleuchtete. Jedenfalls gehörten sie einer bestimmten Priesterklasse an. Sie zogen etwa ein Jahr nach der Geburt des Heilands aus dem Morgenland, wahrscheinlich Persien oder Mesopotamien, nach Bethlehem, um das Kind zu sehen, vielmehr den Gott, dessen Sternbild am Himmel zu sehen war. Auf alten Malereien sind eigentlich vier Männer dargestellt, doch aufgrund der drei Gaben an das Christuskind schloss man auf drei Magier. Diese Gaben haben ganz bestimmte Bedeutungen. Durch das Gold würdigten sie das Christuskind als König. Der Weihrauch symbolisierte die Verherrlichung und die Myrrhe ehrte seine Sterblichkeit. Im Mittelalter sah man sie als Vertreter der alten Weltteile Europa, Asien und Afrika. Aus diesem Grund wird einer von ihnen als Mohr dargestellt.

Bereits seit dem 10. Jahrhundert spielte man den Besuch der Heiligen Drei Könige beim Christuskind nach. Die Initialen der drei, C+M+B, werden bis heute mit Kreide an die Wohnungstür geschrieben. Diese Aufschrift soll das Haus über das ganze Jahr beschützen. Es gilt als schlechtes Omen, wenn der Besuch der Sternsinger ausbleibt.[42]

Der folgende Abschnitt soll Aufschluss geben über das alte, von den in Kärnten lebenden Slowenen überlieferte "Windische" Dreikönigssingen, welches charakteristisch für das untere Gailtal ist.

4.1.1. Dreikönigsspiele im Gailtal

Das untere Gailtal ist eng verbunden mit dem slowenischen Volksbrauchtum. Dies zeigt sich vor allem im Dreikönigssingen. Größtenteils wird es, wie fast überall üblich, von Kindern aus der jeweiligen Pfarrgemeinde durchgeführt. Doch in Vorderberg und einigen anderen Orten des unteren Gailtals, wie St. Stefan, Köstendorf oder Förolach, knüpft man immer noch an den slowenischen Volksbrauch und dessen Besonderheiten an.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde im Gailtal noch ein sehr altes slowenisches Sternsinger-Lied aus dem Jahre 1607 gesungen. Hier die deutsche Übersetzung:

"Der lichte Stern, er stieg empor, jenseits der dunklen Bergeshöhn.

Er strahlet hell, er leuchtet breit ringsum im weiten Weltenkreis.

Im Stern, da steht ein Kindelein, es hält ein goldnes Kreuzelein, im Kreuz sind goldne Lettern drin.

Dies Kind, es ist der wahre Gott, dies Kind, geboren ist es zur Stund, es ist geboren zu Bethlehem in einem Ställchen, arm und kalt, in einem Ochsenkrippentrog.

Das Eselein, das Öchselein erkannten es als wahren Gott,

die Welt, der Himmel sind sein Werk, dem Christen gab er Seel und Leib.

Drei König kamen dann herbei, Kaspar, Melchior, Balthasar und brachten ihm als Opfer dar Weihrauch, Myrrha und reines Gold.

Beschenkten wohl das Jesulein, des Himmelreiches König fein.

Frohlocke nun, Jerusalem, Jerusalem, du schöne Stadt!

Ein König ist in dir geborn, dem alle Herrscher untertan.

Oh, habe Dank, Maria rein, dass [!] du uns schenkst dein Kindelein. "[43]

Am 5. Januar machen sich zuerst die Kinder auf den Weg durch das Dorf. Die Drei Könige treten in einem Dreieck zusammen. Ein Vers wird von einem der Könige angestimmt. Alle singen ihn zu Ende und wiederholen dann den Vers im Chor. Nach jedem Vers werden die Plätze getauscht.

Später am Tag folgt eine Gruppe Jugendlicher, am Abend die Erwachsenen, die außerdem von einem Männerchor begleitet werden. Die Drei Könige singen nicht, gehen aber immer voraus. Sie stehen wieder im Dreieck, warten, während der Vorsänger den ersten Vers ansingt, und treten bei der Wiederholung einen schritt aufeinander zu. Dabei berühren sich ihre Säbel. Anschließend gehen sich wieder in Ausgangsposition. Dann beginnt das ganze Spiel von vorne, bis alle Verse gesungen wurden.[44]

"Drei von der jeweiligen Gruppe sind als Könige verkleidet. Alle tragen lange weiße Hemden (cikle), sind in weiße Tücher gehüllt und mit schwarzen Gürteln umgürtet. Um Hals und Schultern ist ein farbiges Seidentuch geschlungen, und den Kopf, teilweise auch das Gesicht, bedeckt ein ungefähr 70 cm langer Zylinder aus Karton. Diese Kappen sind reich verziert, bunt und mit den Anfangsbuchstaben der hl. Drei Könige versehen. König Kaspar, der Anführer der Gruppe, hat meist eine grüne Kappe. Die drei Könige haben Säbel umgeschnallt."[45]

[...]


[1] Vgl. Kirchhoff, Christliches Brauchtum von Advent bis Ostern, S. 7-8

[2] Vgl. Kaufmann, Brauchtum in Österreich, S. 7-8

[3] Vgl. Graber, Sitte und Brauch im Jahreslauf, S. 3-4

[4] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 5

[5] Vgl. Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 3-5

[6] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 5

[7] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 5

[8] Vgl. Burger, Das Handbuch von Rattendorf, S. 110

[9] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 6-9

[10] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 14-19

[11] Vgl. Ronacher, Die Gail entlang, S. 146-147

[12] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 24

[13] Vgl. Ronacher, Die Gail entlang, S. 169

[14] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 28-31

[15] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 34

[16] Vgl. Ronacher, Die Gail entlang, S. 144-146

[17] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 62

[18] Vgl. Ronacher, Die Gail entlang, S. 171

[19] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 68-74

[20] Vgl. Ronacher, Die Gail entlang, S. 171

[21] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 78

[22] Vgl. Ronacher, Die Gail entlang, S. 172

[23] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 81

[24] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 85

[25] vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 98, zit. n. Jos. Friedrich Perkonig

[26] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 98

[27] Vgl. Ronacher, Die Gail entlang, S. 154

[28] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 98

[29] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 11

[30] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 98

[31] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 100

[32] Stabentheiner, Gailtal, S. 98, zit. n. Peter Rossegger

[33] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 102-103

[34] Vgl. Lattacher/Kogler, Erlebnis Tracht, S. 161-162

[35] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 102-103

[36] Vgl. Zablatnik, Volksbrauchtum der Kärntner Slowenen, S. 60-61

[37] Vgl. Lattacher/Kogler, Erlebnis Tracht, S. 161-162

[38] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 102-103

[39] Vgl. Lattacher/Kogler, Erlebnis Tracht, S. 139

[40] Stabentheiner, Gailtal, S. 104, zit. n. Augustinus: Lob des Tanzes

[41] Vgl. Stabentheiner, Gailtal, S. 104

[42] Vgl. Melchers, Das große Buch der Heiligen, S. 20-21

[43] Kuret, Das festliche Jahr der Slowenen, S. 230-231

[44] Vgl. Zablatnik, Volksbrauchtum der Kärntner Slowenen, S. 25

[45] Zablatnik, Volksbrauchtum der Kärntner Slowenen, S. 25

Ende der Leseprobe aus 128 Seiten

Details

Titel
Das Gailtal im jahreszeitlichen Brauchtum
Untertitel
Religionspädagogische und didaktische Ansätze für den Grundschulunterricht
Hochschule
Pädagogische Hochschule Kärnten Viktor Frankl Hochschule
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
128
Katalognummer
V198093
ISBN (eBook)
9783656240839
ISBN (Buch)
9783656242666
Dateigröße
37316 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gailtal, brauchtum, religionspädagogische, ansätze, grundschulunterricht, Relevanz der Bräuche
Arbeit zitieren
MMag. Kerstin Schatzig (Autor:in), 2004, Das Gailtal im jahreszeitlichen Brauchtum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198093

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