Kennzahlen, Branchen und architektonische Gestaltung deutscher Flughäfen: Mit Fokus auf Einzelhandel und Gastronomie


Masterarbeit, 2012

116 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Der Wandel der Flughäfen
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Grundlagen-Definitionen und Rahmenbedingungen
2.1 Flughafen
2.1.1 Arten von Flughäfen
2.1.2 Definition
2.1.3 Betriebsformen und Eigentumsverhältnisse
2.1.4 Aufgaben und Funktionen eines Verkehrsflughafens
2.1.5 Einnahmequellen
2.1.6 Struktur von Flughäfen
2.2 Einzelhandel

3 Einflussfaktoren auf Flughäfen
3.1 Deregulierung und Liberalisierung
3.2 Intermodalität
3.3 Steuern
3.4 Planung
3.5 Wettbewerb der Flughäfen
3.6 Allianzen
3.7 Low-Cost-Carrier
3.8 Bodenverkehrsdienste
3.9 Weitere Faktoren

4 Allgemeine Situation deutscher Flughäfen mit Fokus auf Kennzahlen
4.1 Vergangenheit
4.2 Gegenwart
4.3 Zukunft

5 Airport Retailing
5.1 Angebotsstruktur
5.1.1 Architektur
5.1.2 Dominanz von Branchen, Marken und Lagen
5.1.3 Besondere Anforderungen
5.2 Nachfragestruktur
5.2.1 Kundengruppen
5.2.2 Dwell time
5.2.3 Verändertes Konsumentenverhalten
5.3 Zusatznutzen durch Erlebnisorientierung
5.4 Conclusio

6 Detaildarstellung ausgewählter Verkehrsflughäfen
6.1 Frankfurt am Main (FRA)
6.1.1 Terminal 1
6.1.2 Terminal 2
6.2 München Franz Josef Strauß (MUC)
6.2.1 Terminal 1
6.2.2 Terminal 2
6.3 Düsseldorf (DUS)
6.4 Hamburg Fuhlsbüttel (HAM)
6.4.1 Landside
6.4.2 Airside
6.5 Stuttgart (STR)
6.6 Berlin Brandenburg Airport Willy Brandt (BER)
6.6.1 Landside
6.6.2 Airside

7 Blick in die Zukunft

Anhang
Anhang I
Anhang II
Anhang III
Anhang IV
Anhang V

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Flughäfen und Flugplätze in Deutschland

Abbildung 2: Einteilung von Flugplätzen nach LuftVG

Abbildung 3: Internationale Verkehrs- und Regionalflughäfen in Deutschland

Abbildung 4: Der Flughafen als Verkehrsknotenpunkt

Abbildung 5: Flughafenstrukur

Abbildung 6: Pier-Konzept

Abbildung 7: Satelliten-Konzept

Abbildung 8: Linear-Konzept

Abbildung 9: Transporter-Konzept

Abbildung 10: Stellung des Handels als Vermittler

Abbildung 11: Einflussfaktoren auf das Unternehmen Flughafen

Abbildung 12: Hub-and-Spoke-System & Point-to-Point-System im Vergleich

Abbildung 13: Hochgeschwindigkeitsstreckennetz in Europa

Abbildung 14: Entfernungsabhängige Luftverkehrssteuer

Abbildung 15: Allianzen und Low-Cost-Carrier 2010 in Deutschland

Abbildung 16: Flugreisen pro Kopf in Abhängigkeit des realen BIP

Abbildung 17: Veränderungsraten des Globalen BIP & der Sitzplatzkilometer

Abbildung 18: Absolute Passagierzahlen 1970-2010

Abbildung 19: Umsatzstruktur dt. Flughäfen von 1975-1999, 2006-2010

Abbildung 20: Umsatzstruktur zum 31.12.2010

Abbildung 21: Einfluss der Lage auf Anteil der Käufe

Abbildung 22: Non-direct-Flow

Abbildung 23: Direct-Flow

Abbildung 24: Free-Flow

Abbildung 25: Mall-Konzept

Abbildung 26: Wait-in-Lounge

Abbildung 27: Branchendominanz an ausgewählten Flughäfen

Abbildung 28: Anzahl der Shops Airside vs. Landside

Abbildung 29: Branchenverteilung Airside vs. Landside

Abbildung 30: Spannungskurve eines Passagiers

Abbildung 31: Zeitvertreib der Passagiere

Abbildung 32: Kaufkraft nach Nation am Flughafen FRA

Abbildung 33: Bausteine eines Urban Entertainment Centers

Abbildung 34: Zusammenfassung - Kundengruppe und Shops

Abbildung 35: Situationsplan Berlin-Brandenburg Airport

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Abgrenzungsmöglichkeiten von Flughäfen

Tabelle 2: Eigentümerstruktur der internationalen Verkehrsflughäfen

Tabelle 3: Einnahmequellen der Flughäfen

Tabelle 4: Nutzung der Verkehrsmittel nach Entfernung

Tabelle 5: Verkehrsanbindung der Flughäfen

Tabelle 6: Kostenvorteile Low-Cost-Carrier ggü. konventioneller Airlines

Tabelle 7: Low-Cost Passagiere nach Flughäfen (in Tsd.) im 1. HJ 2011

Tabelle 8: Strukturmerkmale zum 31.12.2010

Tabelle 9: Betriebswirtschaftliche Kennzahlen Stand 31.12.2010

Tabelle 10: Wachstum 2010-2030

Tabelle 11: Ideale Platzierung von Shops, Airside vs. Landside

Tabelle 12: Branchenverteilung dt. internationaler Flughäfen (Jan 2012)

Tabelle 13: Markendominanz - Gastronomie

Tabelle 14: Markendominanz - Mode, Leder & Accessoires

Tabelle 15: Markendominanz - Airside vs. Landside

Tabelle 16: Zielgruppen an Flughäfen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Der Wandel der Flughäfen

Der erste dokumentierte Motorflug der Geschichte wurde 1903 von den Gebrüdern Wright in den Dünen von Kitty Hawk absolviert (Santin 2000, S.1). Die planmäßige Verkehrsfliegerei begann einige Zeit später, im Jahr 1919. Damals wurden Bomber aus dem ersten Weltkrieg zu Passagiermaschinen umgerüstet, indem Passagierkabinen in den Rumpf hinein geschnitten wurden. Militärische Flugfelder dienten als Flughäfen und die vorhandenen Werkstätten wurden als Hangars genutzt (Cuadra 2001, S.26). Die Start- und Landebahnen ähnelten vielmehr einem Fußballfeld denn Rollbahnen wie man sie heutzutage kennt.

Die nächsten Jahrzehnte waren geprägt durch die Erfüllung der Hauptaufgabe der sogenannten „öffentlichen Daseinsvorsorge“. Der Staat stellte den Bürgern die Einrichtungen und Dienstleistungen zur Verfügung, die für deren Grundversorgung erforderlich waren. Die dynamische Entwicklung der gesamten Luftfahrtindustrie trug dazu bei, dass sich Flughäfen zu eigenständigen Wirtschafts- und Standortfaktoren entwickelten und zur Schaffung von Arbeitsplätzen sowie zur Erhöhung der Lebensqualität beitrugen.

Zur selben Zeit mussten sich die Flughäfen kaum um Kosten und Erlöse sorgen. Einerseits konnten steigende Kosten sehr leicht auf die Kunden abgewälzt werden, da es nicht genügend Alternativen zu den vorhanden Airports[1] gab, andererseits waren diese komplett vom Staat finanziert. Es wurden enorme Subventionen gewährt, damit das Hauptziel einer allgegenwärtigen effektiven Infrastruktur erreicht werden konnte. Die Flughäfen agierten als staatlich geförderte Verkehrsknotenpunkte und nicht als kundenorientiertes Unternehmen (Jarach 2005, S.67).

In den letzten zwei Jahrzehnten sorgte die Expansion des Außenhandels, eine zunehmende internationale Arbeitsteilung und die multinationale Orientierung der Unternehmen für verschärfte Wettbewerbsbedingungen. Als Ende der 1990er Jahre der Ruf nach einer Re-regulierung und Privatisierung der deutschen Flughäfen immer lauter wurde, erkannten die Betreibergesellschaften, dass Änderungen in der Geschäftsstrategie unabdingbar waren.

1.1 Problemstellung

Der zunehmende Kostendruck der durch verschiedenste Einflussfaktoren bedingt ist und die Konkurrenz um Passagiere, Fluggesellschaften und andere Kundengruppen, zwingen die Betreibergesellschaften zum Umdenken. Um den Kunden einen „Mehrwert“ bieten zu können, ist es notwendig gezielte Zukunftsstrategien zu entwickeln und Zusatzfunktionen zu generieren (Preilowski 2009, S.9f). Heute sind Flughäfen laut Schulz et al. (2010, S.1) „riesige, pulsierende, architektonische Meisterwerke“, die täglich von Millionen von Menschen genutzt werden. Sie sind das Ziel von Freizeitaktivitäten wie Ausstellungen, Events, Konzerten oder Volksfesten und auch Einkaufsstätte, vorwiegend an Wochenenden und Feiertagen. Wochentags werden durch in Flughafennähe ausgerichtete Tagungen und Konferenzen zusätzliche Erlöse generiert. Weitaus größere Bedeutung haben allerdings die Einnahmen, die mit der Vermietung von Ladeneinheiten an Einzelhändler und Gastronomen erzielt werden können. In München liegt der Anteil dieser sogenannten Non-Aviation-Erlöse inzwischen bei 48% (Flughafen München GmbH 2010, S.2). Auf die Gestaltung der Flächen von Gastronomie und Einzelhandel wird sehr großer Wert gelegt. Manchmal scheint es fast so, als ob der Flughafen und seine Infrastruktur um die Shop-Flächen herum gebaut wird. Zu untersuchen sind im Folgenden die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich der am Flughafen vorhanden Branchen und aktiven Einzelhändler, sowie die Auswirkung der architektonischen Gestaltung des Flughafengebäudes auf das Kaufverhalten der Passagiere. Additiv werden die Unterschiede der deutschen internationalen Verkehrsflughäfen hinsichtlich ihrer betriebswirtschaftlichen Kennzahlen untersucht.

1.2 Aufbau der Arbeit

Nach der Einführung im ersten Kapitel werden im zweiten Kapitel grundsätzliche Definitionen vorgestellt um Flughäfen nach den gesetzlichen Bestimmungen einordnen zu können und einen Überblick über Aufgaben, Formen und die Eigentumsverhältnisse zu gewinnen. Des Weiteren werden die verschiedenen Einnahmequellen dezidiert untersucht und vorgestellt, ebenso wie Begrifflichkeiten des Einzelhandels. Ein weiterer Teilbereich des zweiten Kapitels wird die Darstellung der einzelnen Bereiche eines Flughafens sein. Verschiedene Abschnitte wie Terminal, Ankunftsbereich, Land- und Luftseite werden beleuchtet und hinsichtlich ihrer Architektur und Auswirkung auf das Nutzungskonzept beleuchtet.

Im dritten Kapitel werden verschiedene Einflussfaktoren identifiziert und es wird untersucht, wie diese auf Flughäfen wirken und welche Schlüsse sich daraus ziehen lassen. Beispielsweise werden die Position der Fluggesellschaften und der Wettbewerb der Flughäfen untereinander dargelegt. Andere Transporttechnologien und neue Informations- und Kommunikationstechnologien beeinflussen das „Unternehmen Flughafen“ genauso wie Steuern und Kapazitätsengpässe. Die gewonnen Informationen sind nicht nur für die Betrachtung der Flughäfen wichtig, denn sie beeinflussen auch Einzelhandel und Gastronomie signifikant.

Im vierten Kapitel wird die Situation „gestern – heute – morgen“ der deutschen Flughäfen beleuchtet. Hierbei liegt der Fokus auf betriebswirtschaftlichen Kennzahlen und deren Auswertung. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Entwicklung der Passagierzahlen und die Untersuchung von gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen, sowie treibender und hemmender Faktoren.

Das fünfte Kapitel widmet sich dem Einzelhandel am Flughafen, im Speziellen der Angebots- und Nachfragestruktur. Die Analyse der Angebotsseite zeigt den Einfluss der Flughafenarchitektur und verschiedener Konzepte der Passagierwegeführung auf. Ferner werden aktuelle Entwicklungen hinsichtlich des vorhandenen Branchenmixes, dominanter Marken und Lagen (Luft- oder Landseite) auf dem Flughafengelände spezifiziert. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Untersuchung der Angebotsstruktur ist das Aufzeigen spezieller Anforderungen an Einzelhändler am Flughafen. Auf der Nachfrageseite werden verschiedene Kundengruppen beleuchtet, genauso die Verweildauer und das sich verändernde Konsumentenverhalten. Dieses bedingt eine weitere Adaption der Gestaltung der Flughäfen. Um den Wunsch der Kunden nach Erlebnis zu erfüllen, müssen vermehrt Angebote mit Zusatznutzen geschaffen werden.

Das sechste Kapitel überprüft welche Erkenntnisse aus Kapitel 5 in Deutschland bereits angewendet werden. Dies geschieht mittels Detaildarstellungen der fünf passagierstärksten Verkehrsflughäfen Deutschlands. Mit Hilfe von Orientierungskarten kann die architektonische Gestaltung und die Anordnung der Retailflächen auf einen Blick erfasst und verglichen werden. Additiv werden Informationen zur Kundenstruktur und den Kernöffnungszeiten zur Verfügung gestellt. Ferner werden Besonderheiten der einzelnen Airports herausgearbeitet und darauf aufbauend werden besonders positive und negative Aspekte beleuchtet.

Ziel dieser Arbeit ist es, Flughafenbetreibern, Interessenten aus Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistung einen Überblick über den Einzelhandel am Flughafen zu geben. Interessierten soll durch die Lektüre bewusst gemacht werden, welche Besonderheiten an einem Flughafen zu beachten sind und welche Einflussfaktoren signifikant wichtig sind. Sie sollen somit in die Lage versetzt werden Investitionsentscheidungen treffen zu können. Bewusst wurde auf einen Vergleich mit Flughäfen verzichtet, die bekannt für ihren Einzelhandel sind (London Heathrow, Amsterdam Shiphol). Durch die Fokussierung auf Deutschland soll ein Nachschlagewerk für an deutschen Flughäfen interessierten Einzelhändlern, Gastronomen und Dienstleistern entstehen.

Zunächst werden nun wichtige Definitionen und Rahmenbedingungen für Flughäfen in Deutschland im Allgemeinen und für den Einzelhandel im Speziellen vorgestellt.

2. Grundlagen-Definitionen und Rahmenbedingungen

2.1 Flughafen

2.1.1 Arten von Flughäfen

Je nach Definition gibt es unterschiedliche Angaben darüber, wie viele Flughäfen in Deutschland existieren. Laut Droß/Thierstein gibt es 45 bis 60 Flughäfen, hinzukommen Sonderflughäfen und Militärflugplätze. Werden auch die Flugplätze dazu gezählt, die für motorisierte Kleinflugzeuge zur Verfügung stehen, gibt es weitere 439 Flugplätze. Laut der Bundesvereinigung gegen Fluglärm e.V., ist dies das dichteste Flugplatz-Netz der Welt. Abbildung 1 veranschaulicht dies.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Flughäfen und Flugplätze in Deutschland[2]

Es existieren zahlreiche verschiedene Einordnungsmöglichkeiten. Tabelle 1 zeigt eine Auswahl davon im Überblick (Sterzenbach et al. 2009, S.62):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Abgrenzungsmöglichkeiten von Flughäfen

Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden durch das Luftverkehrsgesetz (LuftVG) und die Luftverkehrszulassungsordnung (LuftVZO) geregelt (Beckers et al. 2003, S.12). Das LuftVG teilt Flugplätze wie in Abbildung 2 dargestellt ein: (Schulz et al. 2010, S.9 nach Maurer 2006):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Einteilung von Flugplätzen nach LuftVG

In dieser Arbeit liegt der Fokus auf sogenannten Verkehrsflughäfen, die im Folgenden definiert werden.

2.1.2 Definition

Ein Verkehrsflughafen ist ein räumlich abgegrenzter Bereich auf dem Land oder Wasser, der Anlagen und Ausrüstungen zur Verfügung stellt, damit die Ankunft, der Abflug und die Bewegung von Luftfahrzeugen auf dem Boden gewährleistet werden können (Santin 2000, S.86 nach Pompl 1998, S.120). Er ist eine Plattform die den Austausch von luft- und landseitigem Transport und von Personen oder Waren vereinfacht (Doganis 1992, S.7).

In Deutschland werden von verschiedenen Verbänden und Institutionen[3] unterschiedliche Abgrenzungen zur Auswertung von Flughäfen verwendet. In dieser Arbeit wird der Empfehlung der deutschen Flugsicherung (DFS) gefolgt. Diese benennt drei verschiedene Kategorien – internationaler Verkehrsflughafen, Regionalflughafen und Sonderflughafen. In Abbildung 3 werden alle Airports in Deutschland gezeigt, die die Kriterien der DFS erfüllen. Insgesamt werden 16 Flughäfen als internationale Verkehrsflughäfen geführt. Die Art der Durchführung der Flugsicherungsdienste determiniert deren Bezeichnung (Gebauer 2005, S.6f.). Zur Erbringung der Flugsicherung ist die DFS nur an den internationalen Verkehrsflughäfen gesetzlich verpflichtet. Diese Verpflichtung entsteht, wenn das BMVBS „einen Bedarf aus Gründen der Sicherheit und aus verkehrspolitischen Interessen anerkennt“ (§27d LuftVG) und der Bund die DFS mit der Flugsicherung beauftragt. An Regionalflughäfen ist die DFS nicht verpflichtet Flugsicherungsdienste zu übernehmen. Deshalb werden diese von natürlichen Personen oder Regionallotsen im Rahmen einer individuellen Einzelbeauftragung durch den BMVBS erbracht (Gebauer 2005, S.7).

Auch nach der Definition des DFS ist die Flughafendichte in Deutschland noch immer recht hoch. In jedem Bundesland gibt es zumindest einen (Sachsen-Anhalt) oder mehrere (Mecklenburg-Vorpommern) Regionalflughafen, bis hin zu drei internationalen Verkehrsflughäfen und vier Regionalflughäfen (Nordrhein-Westfalen). Auffallend ist, dass wirtschaftsschwache Standorte auch in Sachen Flughafen-Infrastruktur schlecht bedient werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Internationale Verkehrs- und Regionalflughäfen in Deutschland[4]

Die Wichtigkeit einer optimalen Anbindung an verschiedene Verkehrsmittel wird später genauer beleuchtet.

Im folgenden Abschnitt werden nun die Betriebsformen und Eigentumsverhältnisse der 16 internationalen Verkehrsflughäfen aufgezeigt.

2.1.3 Betriebsformen und Eigentumsverhältnisse

Nach Jarach (2005, S.5) gibt es vier verschiedene Betriebsformen bei Flughäfen, jede mit unterschiedlichem Anteil an privaten und öffentlichen Akteuren:

1. Direkte staatliche Kontrolle

Diese Form liegt vor, wenn eine zentrale Regierungsstelle die Verantwortung für die Leitung sämtlicher Flughäfen eines Landes übernimmt. Dies wird in Griechenland, Schweden und Norwegen praktiziert.

2. Dezentralisierte öffentliche Kontrolle durch Flughafen-Behörden

In diesem Fall werden formal unabhängige Akteure vom Staat ermächtigt, alle Aufgaben die Flughäfen und deren Leitung betreffen zu übernehmen. Die zentrale politische Kontrolle sollte auf makroökonomische, rechtliche und wettbewerbsverzerrende Aspekte beschränkt sein.

3. Mischung aus öffentlicher und privater Kontrolle

Hierbei sind private Betreiber aktiv in das Management integriert, oder sie sind Anteilseigentümer der Betreibergesellschaften.

4. Private Flughafenbetreiber

Private Eigentümerstrukturen wurden lange Zeit von der Politik verhindert. Es wurde befürchtet, dass die Kontrolle über die Infrastrukturentwicklung verloren ginge. In den letzten Jahren änderte sich dies und der Trend ging hin zur Privatisierung bei Flughafenbetreibern. Vorreiter war dies bezüglich die BAA in Großbritannien.

In Deutschland hat die Bundesregierung aus Kostengründen seit Jahren geplant, sich aus dem Flughafenbereich zurück zu ziehen und sich auf die Planung von Fernverkehrsanbindungen zu konzentrieren. Derzeit fungieren die Bundesländer als Genehmigungsbehörden und sind für die Flughafenentwicklung verantwortlich (Lehmann-Tolkmitt 2004, S.95). Auf Grund des überaus großen Innovationspotentials und zunehmendem Kapitalbedarf wird eine Privatisierung in der einschlägigen Fachliteratur seit Jahren diskutiert und einhellig gefordert. Trotzdem ist die öffentliche Hand immer noch Allein- oder Mehrheits-Eigentümer der Flughäfen (Beckers et al. 2003, S.4). Bisher wurden Teilprivatisierungen bei einigen größeren Flughäfen wie Düsseldorf und Frankfurt durchgesetzt. Tabelle 2 zeigt die Eigentümerstruktur der internationalen Verkehrsflughäfen Ende 2010.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Eigentümerstruktur der internationalen Verkehrsflughäfen[5]

Man kann erkennen, dass sich neben dem Bund auch Länder, Gemeinden und einige Städte an Verkehrsflughäfen beteiligen. Dies hat hauptsächlich strategische und regionalpolitische Gründe – es geht um die Wahrung der politischen Einflussmöglichkeiten insbesondere bei Flughafenerweiterungen und den damit verbundenen Problemen wie steigende Lärm- und Schadstoffbelastungen von Anwohnern (Lehmann-Tolkmitt 2004, S.95).

2.1.4 Aufgaben und Funktionen eines Verkehrsflughafens

Eine der Hauptaufgaben von Flughäfen ist noch immer die Erfüllung der öffentlichen Daseinsvorsorge, also die Durchführung und Sicherstellung des Flugbetriebes. Nach Schulz et al. führten tiefgreifende Veränderungen im Transportwesen und in Gesellschaft und Wirtschaft zu verschiedenen Entwicklungen:

Erstens waren Flughäfen früher nur dazu da, andere Ziele mit dem Flugzeug zu erreichen. Heute ermöglicht ein Flughafen zahlreiche Umsteigemöglichkeiten zwischen verschiedenen Verkehrsträgern wie Bus, Bahn oder Pkw. Dadurch wird der Flughafen zu einem multimodalen Verkehrsknoten. Abbildung 4 verdeutlicht den Unterschied zwischen heute und früher.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Der Flughafen als Verkehrsknotenpunkt[6]

Zweitens entwickeln sich Flughäfen immer mehr zu Konsum- und Freizeitwelten. In den letzten Jahren spielen sich viele unterschiedliche sozioökonomische Veränderungen ab. Die wöchentliche Arbeitszeit hat sich verkürzt, die Menschen haben mehr Freizeit. Außerdem steigen das Nettohaushaltseinkommen und damit das für Freizeitgestaltung verfügbare Einkommen stetig an. Trotz wirtschaftlicher Krisen änderten sich die Lebensmaximen hin zu Genuss, Erlebnis und Vergnügen (Schulz et al. 2010, S.85-88). Dies äußert sich auch in der Architektur und den Einnahmenquellen der Flughäfen.

Weitere Funktionen sind die Wegsicherung und Abfertigung. Der Flughafen muss alle erforderlichen Anlagen, Flächen und Gebäude bereitstellen, die dem Starten, Landen und Abstellen von Flugzeugen und der Abfertigung derselben, von Passagieren und Fracht dienen (Lehmann-Tolkmitt 2004, S.7).

Die von Sterzenbach et al. (2009, S.163) als Hilfsfunktionen bezeichneten Nebenaufgaben, wie die Bereitstellung von Flächen für Wartungsbetriebe oder Serviceleistungen für Passagiere und Besucher, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Insbesondere die Einnahmen die mit Parkplätzen, Autovermietungen, Handel und Gastronomie, auch Non-Aviation-Erlöse genannt, erzielt werden können, machen einen von Jahr zu Jahr höheren Anteil der Einnahmen aus. Im nachfolgenden Abschnitt werden die verschiedenen Einnahmequellen kurz dargestellt und kategorisiert.

2.1.5 Einnahmequellen

Traditionell waren gewerbliche Einnahmen an Flughäfen Nebenprodukte. Das Hauptanliegen war eine optimierte MCT (Minimum Connecting Time). Das Ziel war Passagiere so schnell und effizient wie möglich durch das Flughafengelände zu schleusen (Freathy/O’Connell 1998, S.249). Inzwischen etabliert sich immer mehr eine neue Sichtweise man betrachtet Flughäfen in einem gesamtwirtschaftlichen Kontext.

Die Bundesrepublik Deutschland zieht sich immer mehr aus der Finanzierung von Flughäfen zurück. Das Kapital das zur Instandhaltung und Weiterentwicklung benötigt wird, muss selbst erwirtschaftet werden. Die dazu nötigen Umsätze werden in zwei verschiedenen Geschäftsfeldern generiert – dem Aviation[7] und dem Non-Aviation-Bereich (Vojvodic 2008, S.96). Der Aviation-Bereich umfasst alles, was mit der Wegsicherungs- und Abfertigungsfunktion eines Flughafens zusammenhängt. Hierbei muss zwischen der Bereitstellung der Infrastruktur und der Erbringung der Bodenverkehrsdienste unterschieden werden. Zum Non-Aviation-Bereich gehören alle Aktivitäten die nicht zuvor als zugehörig zum Aviation-Bereich beschrieben wurden (Sterzenbach et al. 2009, S.177). Tabelle 3 zeigt die beiden unterschiedlichen Kategorien und deren Einnahmequellen auf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Einnahmequellen der Flughäfen[8]

Bei der Gegenüberstellung der Situation deutscher Flughäfen in Kapitel 4 hinkt der Vergleich an mancher Stelle, da die Flughafenbetreiber Aviation und Non-Aviation teilweise anders abgrenzen, oft aber nicht klar ist, wie sie das tun.

Der stetige Wandel der Flughäfen von reinen Abfertigungseinrichtungen zu multifunktionalen Einzelhandelszentren spiegelt sich in der Architektur wider und beeinflusst die Struktur des Flughafens entscheidend.

2.1.6 Struktur von Flughäfen

Nach Schulz et al. (2010, S.111) sind Flughäfen generell eingeteilt in eine Landseite (Landside oder öffentlicher Bereich), den Terminalbereich und die Luftseite (Airside oder nicht öffentlicher Bereich). Der schematische Aufbau bzw. die allgemeine Struktur von Flughäfen wird in Abbildung 5 gezeigt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Flughafenstrukur[9]

Landside

Über die bodengebundene Verkehrsstruktur erreichen und verlassen die Passagiere den Flughafen (Beckers et al 2003, S.6). Es wird oft nach ÖPNV (U-/S-Bahn, Bus, Bahn) und Individualverkehr (Pkw und Taxi) unterschieden. Auf der Landseite werden auch die sog. Vorfahrt und Parkmöglichkeiten für die Passagiere vorgehalten. Die Vorfahrt ist der Bereich am Flughafen an dem kurz gehalten werden kann, damit Passagiere das Fahrzeug verlassen. Anschließend treten die Fluggäste direkt in das Terminalgebäude hinein.

Terminal

Das Terminal ist die Verbindung von Luft- und Landseite. Alle notwendigen Einrichtungen zur Abfertigung von Passagieren und Gepäck sind hier angesiedelt. Nach Seel (2010, S.27f.) umfassen die primären Komponenten Einrichtungen zur Steuerung und Regelung der Abflug- (Departure), Ankunft- (Arrival) und Umsteige-Vorgänge (Transfer). Es gibt des Weiteren sekundäre Einrichtungen die den Aufenthalt der Passagiere angenehm und kurzweilig gestalten sollen (Ders. S.31).

Die Zuordnung der Abstellpositionen von Flugzeugen, deren Verknüpfung untereinander und die Anbindung an das Zentralgebäude definieren verschiedene Arten von Terminals. Es gibt vier verschiedene Grundkonzepte (Brust 2005, S.33 nach Hart 1986; Cuadra 2002, S.17) die in den jeweiligen Grafiken schematisch dargestellt sind:

1. Finger-/Pier-Konzept

Eine sehr kompakte Lösung, bei der man von der Eingangshalle über Korridore direkt zu den Gates gelangt. Bei zwei oder mehr Fingern muss der Zwischenraum so bemessen sein, dass er für ein bis zwei Vorfeld-Rollwege ausreicht. Die Pierlösung kann in verschiedenen Ausführungen erfolgen, z.B. als Y oder T, wobei bei diesen Varianten sehr viel Vorfeldfläche benötigt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Pier-Konzept

2. Satelliten-Konzept

Das Flughafengebäude wird mit der Abflug- und Empfangshalle über Tunnels, Brücken oder ein Transportsystem mit den separat auf dem Vorfeld errichteten Gates verbunden. Nachteilig sind hier die langen Wege. Ein großer Vorteil ist hingegen die konstante Entfernung vom Terminal zu den Gates. Normalerweise sind Satelliten rund, damit viele Flugzeuge gleichzeitig bei geringem Flächenverlust andocken können. Es gibt auch rechteckige Satelliten, die je nach Ausrichtung zum Terminal wieder sehr ähnlich zu den Pierlösungen sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Satelliten-Konzept

3. Linear-Konzept

Bei diesem Grundrisstyp befinden sich auf der Landseite die Check-in-Counter und auf der Luftseite die Gates. Normalerweise handelt es sich um längliche Strukturen, manchmal werden aber auch ein Halbkreis oder Kreis oder ein Polygon ausgebildet. Die Parkposition der Flugzeuge kann senkrecht, parallel oder schräg sein – dies beeinflusst die Entwicklungslänge des Gebäudes maßgeblich, da viel Platz zum Manövrieren benötigt wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Linear-Konzept

4. Transporter-Konzept

Bei dieser Variante wird auf eine bauliche Verbindung von Terminal und Flugzeug verzichtet. Passagiere und Gepäck werden z.B. per Bus zum Flugzeug gebracht. Von Vorteil sind die geringen Investitionsausgaben, nachteilig ist der arbeits- und kostenintensive Betrieb.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Transporter-Konzept[10]

Aus diesen vier Grundtypen lassen sich viele hybride Lösungen generieren. Gerade Großflughäfen nutzen dies und versuchen die Vorteile der verschiedenen Systeme optimal zu kombinieren. Manche Flughäfen werden von Beginn an modular geplant. Hierbei werden mehrere eigenständige Terminals geplant, die dann z.B. unterschiedlichen Fluggesellschaften zugewiesen werden.

Airside

Die Luftseite eines Flughafens beherbergt die Flugbetriebsflächen. Diese leiten das Flugzeug zwischen dem Terminal und den Start- und Landebahnen. Auch das Vorfeld, auf dem die Flugzeuge ihre Parkposition einnehmen gehört dazu. Ebenso wie die Reparatur- und Wartungshallen, sowie die sonstigen Serviceeinrichtungen wie Werksfeuerwehr und Winterdienst (Schulz et al. 2010, S.111).

Nach der Definition von Flughäfen und der Vorstellung der allgemeinen Rahmenbedingungen, folgt nun die Definition des Einzelhandels.

2.2 Einzelhandel

Traditionell steht der Einzelhandel im Mittelpunkt des tertiären Wirtschaftssektors, dem Dienstleistungssektor. Er ist vom Großhandel zu unterscheiden. Großhandel ist der Absatz von Waren an Wiederverkäufer, Weiterverarbeiter und Großverbraucher (Blotevogel 2003, S.1).

Bei der Definition des Einzelhandels gibt es zwei verschiedene Ansätze

1. Funktionell: Einzelhandel ist der Absatz von Waren an den Letztverbraucher. Er ist die letzte Stufe in der Distributionskette vom Urerzeuger bis zum Konsumenten.
2. Institutionell: Einzelhändler sind Betriebe oder Unternehmen, die ganz oder überwiegend Einzelhandel betreiben. Der Schwerpunkt dieser Unternehmen liegt in der Beschaffung und im Absatz der Güter. Der Handel übernimmt die Position eines Vermittlers zwischen der Produktion und dem Verbrauch (vgl. Abbildung 10)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Stellung des Handels als Vermittler[11]

Der Einzelhandel wird durch verschiedene Einflussfaktoren gelenkt. Stauch (1972, S.168f.) identifizierte diese den Einzelhandel beeinflussende Faktoren:

1. Exogen:

Wohnbevölkerung, Privater Konsum, Konsumgewohnheiten, Städtebauliche Aspekte, Technischer Fortschritt, Außenhandel, Gesetze.

2. Endogen:

Preis, Sortiment, Service, Standort.

Im Bereich des Flughafens haben die Wohnbevölkerung, städtebauliche Aspekte und der Außenhandel so gut wie keinen Einfluss. Die gesetzlichen Vorschriften beeinflussen den Handel am Flughafen nur insoweit, als sie die Handelsflächen teilweise beschränken. Andere gesetzliche Vorgaben, wie beispielsweise das Ladenschlussgesetz, gelten im Bereich von Flughäfen allerdings nicht. Der technische Fortschritt, der Konsum und die Konsumgewohnheiten beeinflussen den Einzelhandel an Flughäfen aber nicht so stark wie man es vom Handel z.B. in den Innenstädten kennt. Dies liegt daran, dass das typische Klientel, die Passagiere, sich in einer Sondersituation befinden. Viele Passagiere sind auf dem Weg in den Urlaub. Wenn es sich um wohlhabende Fluggäste handelt, achtet diese Zielgruppe nicht sonderlich auf den Preis, wenn Ihnen etwas gefällt. Die Urlauber, die einen günstigen Flug bei den sog. Low Cost Carriern erstanden haben, sind zwar viel preissensibler, aber da sie bei der Reisebuchung schon viel eingespart haben, gönnen diese sich oft ein Souvenir vom Flughafen. Die Konsumgewohnheiten am Flughafen entsprechen nicht der Norm. Hintergründe und Strategien, die für diese Situation am Airport entwickelt wurden, werden in Kapitel 5 näher erläutert. Auch die vier endogenen Faktoren (Preis, Sortiment, Service und Standort) haben einen anderen Stellenwert als im üblichen Einzelhandel. Sie werden ebenfalls im fünften Kapitel spezifiziert.

Im folgenden Abschnitt werden nun verschiedene Faktoren untersucht, die Einfluss auf das „Unternehmen Flughafen“ haben.

3. Einflussfaktoren auf Flughäfen

Die Einflussfaktoren auf Flughäfen sind vielschichtig und sehr unterschiedlich. Doch eines ist all diesen Faktoren gemein – sie tragen dazu bei, dass die Einnahmen aus dem Ursprungsgeschäft (Aviation-Bereich) seit Jahren rückläufig sind. Dieses Kapitel zeigt die wichtigsten Einflussfaktoren im Detail auf. Abbildung 11 verschafft einen ersten Überblick über die vorgestellten Faktoren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11: Einflussfaktoren auf das Unternehmen Flughafen[12]

3.1 Deregulierung und Liberalisierung

Der Begriff der Liberalisierung im Flugverkehr hat zweierlei Bedeutung. Auf der einen Seite wird damit zum Ausdruck gebracht, dass der Einfluss des Staates auf die Flughäfen zurück gedrängt wird (Lehmann-Tolkmitt 2004, S.55). Auf der anderen Seite wird der Begriff Liberalisierung dazu verwendet, zu beschreiben, dass die Beschränkungen Streckendienste anzubieten und Passagiere zu befördern keinen Bestand mehr haben. Am 1. April 1998 ist nach Vill (1998, S.70) die Liberalisierung des EU-Binnenmarktes in Kraft getreten. Die früher üblichen Pool-Absprachen und Angebots- bzw. Kapazitätsbeschränkungen greifen seitdem nicht mehr. Durch diese Neuregelung wird neuen Fluggesellschaften der Markteintritt erleichtert. Für die alteingesessenen Carrier haben sich hingegen der Kostendruck und der Wettbewerb verschärft (Flughafenkonzept der Bundesregierung 2009, S.45).

Im Verkehr mit Drittstaaten regeln normalerweise bilaterale Abkommen, welche Fluggesellschaften welche Airports mit welcher vorgegebenen Frequenz anfliegen dürfen. Die ICAO hat dazu neun Luftverkehrs-Freiheiten erstellt, die sich die Vertragspartner gewähren können. Diese werden „Freiheiten der Luft“ (engl. Freedom of the air) genannt (Anhang).

Der Unterschied zwischen Deregulierung und Liberalisierung ist, dass bei einer Liberalisierung das Grundsystem der Kontrolle bestehen bleibt. Hingegen sollen bei der Deregulierung die staatlichen Eingriffe in ihrer Gesamtheit aufgehoben werden. Gemeinsam ist beiden, dass sie darauf abzielen den Anteil behördlicher Kontrollen zu verändern (Lehmann-Tolkmitt 2004, S.55 nach von Wrangeli 1999, S.82). Die durch Deregulierung und Liberalisierung entstandene Aufhebung der Regulierung führte zu veränderten Flugnetzstrukturen. Es bildeten sich sog. „Hubs“, Flughäfen mit Drehkreuzfunktion. An diesen Hubs werden die Flüge von sog. „Spokes“ (Zubringer-Flughäfen) gebündelt. Dies trägt zur Verkehrsoptimierung der Fluggesellschaften bei, führt zu einem erhöhten Passagieraufkommen und einer größeren Zahl von Destinationen (Landes 2009, S.35). In Deutschland sind die Flughäfen Frankfurt und München internationale Hubs. Abbildung 12 verdeutlicht den Unterschied vom Hub-and-Spoke-System und dem Point-to-Point-System. Bei Point-to-Point werden die Flüge nicht gebündelt, es gibt also nur Direktverbindungen. Bei sechs Flughäfen sind jeweils 30 Verbindungen möglich. Das Hub-and-Spoke System benötigt dazu nur 10 Flüge, das Point-to-Point-System hingegen 30 Flüge.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12: Hub-and-Spoke-System & Point-to-Point-System im Vergleich[13]

Aber nicht nur die Verbindung der Flughäfen untereinander ist von großer Bedeutung, sondern auch die Anbindung an andere Verkehrsmittel.

3.2 Intermodalität

Die Intermodalität wird von der EU-Kommission definiert als „Verkehrssystem, bei dem mindestens zwei Verkehrsträger integriert in einer Transportkette von Haus zu Haus genutzt werden können“ (Flughafenkonzept 2009, S.39). Die intelligente Vernetzung von Luft, Straße und Schiene ist wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll (Stumpf 2010, S.35), da die Bedeutung der einzelnen Verkehrsträger in Abhängigkeit von der Entfernung stehtTabelle 4 zeigt, dass bei Reiseentfernungen ab 1.000 km das Flugzeug das beliebteste Reisemittel ist. Bei Kurzstrecken ist das Flugzeug im Nachteil – zwar ist die Reisegeschwindigkeit sehr hoch, aber der Zeitbedarf für Check-in, Sicherheitskontrollen und Boarding ist überproportional groß. Die kürzeste innerdeutsche Flugstrecke ist Frankfurt – Stuttgart mit 160km. Der Anteil der Transferpassagiere liegt hier allerdings bei 90%. Die Strecke wird nur von der Lufthansa bedient (Sterzenbach et al. 2009, S.117).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Nutzung der Verkehrsmittel nach Entfernung[14]

Da im Zuge der Globalisierung immer mehr Mittel- und Langstreckenflüge, sei es für Geschäfts- oder Privatreisen, unternommen werden, wird der Flughafen zu einem multimodalen Knotenpunkt. Durch eine gute Anbindung an die anderen Verkehrsmittel kann ein Airport seine Wettbewerbsbedingungen positiv beeinflussen. Tabelle 5 verschafft einen ersten Überblick darüber wie die 16 internationalen Verkehrsflughäfen derzeit in Deutschland an die anderen Verkehrsträger angeschlossen sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 5: Verkehrsanbindung der Flughäfen[15]

Am einfachsten und günstigsten ist eine Anbindung an die Straßenbahn. Mit ihr und der U-Bahn wird besonders für die Beschäftigten eine optimale Anbindung geschaffen. Dies ist auch die am weitesten verbreitete Form. Im Vergleich zur Anbindung an Straße und U-Bahn vergrößert eine Anbindung an das Bahnnetz das Einzugsgebiet signifikant. Dadurch erhöht sich die Zahl der potentiellen Passagiere und Kurzstreckenflüge können substituiert werden (Sterzenbach et al. 2010, S.181f.). Nach Droß/Thierstein (2008, S.12) sollten Hubs auch an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz angeschlossen sein, um ihre Rolle als intermodaler Knotenpunkt innerhalb Europas und der jeweiligen Metropolregionen im Besonderen gerecht werden zu können. Wie man an Abbildung 13 erkennt, sind in Deutschland die Flughäfen Frankfurt und Köln/Bonn bisher am besten intermodal erschlossen, München hingegen hat noch sehr großen Nachholbedarf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 13: Hochgeschwindigkeitsstreckennetz in Europa[16]

Eine Studie von Intraplan aus dem Jahr 2007 kommt zu dem Ergebnis, dass durch die Optimierung der Verknüpfung von Flug- und Bahnverkehr (Fern- und Regionalanschluss) rund 6,5 Mio. Originär-Flugpassagiere pro Jahr aus dem umliegenden Ausland gewonnen werden könnten.

Das durch bessere Anbindung an den Schienenverkehr entstehende Potential wird wohl nicht so schnell genutzt werden können, da die Einführung der Luftverkehrssteuer zum 1.1.2011 die Nachfrageentwicklung deutlich gebremst hat.

3.3 Steuern

Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) hatte lange vor Einführung der Luftverkehrssteuer vor den negativen Auswirkungen gewarnt und prognostizierte einen Rückgang der Passagierzahlen um 4,5% bis 4,8% (Flughafen Erfurt GmbH 2010, S.5). Dies trat gemäß der ADV-eigenen Monatsstatistik zwar nicht ein, diese Statistik lässt aber erkennen, dass kleinere und mittlere Flughäfen viel stärker betroffen sind als die großen Hubs (Anhang II). Dies liegt zum einen daran, dass an diesen Flughäfen verstärkt Low Cost Carrier aktiv sind, die die Steuer schlecht an ihre Kunden weitergeben können. Zum anderen sind diese Airports Spokes, also Zubringer, die v.a. innerdeutsche Flüge bedienen. Die Passagiere müssen also für Hin- und Rückflug Steuer zahlen. Die Luftverkehrssteuer ist wie in Abbildung 14 dargestellt, entfernungsabhängig.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 14: Entfernungsabhängige Luftverkehrssteuer[17]

Nach Ginten hat diese Steuer der BRD zwar die erhofften 995 Millionen Euro eingebracht, aber das Wachstum des deutschen Luftverkehrs wurde spürbar gebremst. Seit dem 1.1.2012 gelten neue Steuersätze für Abflüge von deutschen Airports. Kurzstrecken (bis 2.500 km) kosten laut Tarif nun 7,50 €, Mittelstrecken (2.500 – 6.000 km) 23,43 € und Langstrecken (> 6.000 km) 42,18 €. Dies ist aber der Einführung des EU-weiten Handels mit CO2-Verschmutzungszertifkaten (voraussichtlich ab Juni 2012) geschuldet und nicht dem Aufschrei der Luftverkehrsbranche. Die innerdeutschen Flüge sind weiterhin am stärksten belastet, da Hin- und Rückflug besteuert werden und zusätzlich der volle Umsatzsteuersatz von derzeit 19% geschuldet wird. Bereits in anderen europäischen Ländern wurde versucht durch Steuern eine Reduktion von CO2 durch Luftverkehr zu erreichen. In den Niederlanden wurde die sog. „Eco-Tax“ im Jahr 2008 eingeführt. Der Fiskus nahm hierdurch 300 Millionen Euro ein, der volkswirtschaftliche Schaden belief sich auf 1,3 Milliarden Euro, u.a. weil viele Passagiere auf nahe gelegene deutsche Flughäfen ausgewichen waren (Flughafen Köln/Bonn GmbH 2010, S.25). Nach einem Jahr wurde diese Steuer wieder abgeschafft. In Deutschland gibt es derzeit keine erkennbaren Abschaffungstendenzen.

Der Staat beeinflusst die Flughäfen und deren Umfeld allerdings nicht allein durch Steuern, sondern auch durch seine Planung.

3.4 Planung

Der Bund hat seine Genehmigungsbefugnis hinsichtlich Flughafen-Planungen an die Bundesländer delegiert. Diese nutzen hierfür das Instrumentarium des Landesentwicklungsplanes (LEP). Ein wichtiger Punkt ist das Nichtbeeinträchtigungsgebot. Es muss überprüft werden, ob der am Flughafen angebotene Einzelhandel regionalverträglich ist, d.h. ob es negative Auswirkungen auf den Einzelhandelsbestand der nahe liegenden Stadt- und Ortskerne gibt. Dies ist besonders wichtig, da durch die bestehenden Ladenschlussausnahmen an Flughäfen Wettbewerbsverzerrungen entstehen können (IHK Koblenz 2010).

Die Expansion eines Flughafens oder ein Neubau sind nicht nur sehr flächenintensiv, sondern es bedeutet zugleich mehr Flugbewegungen, Lärm und Emissionen. Airbus (2011, S.39) stellt in seinem aktuellen Global Market Forecast heraus, dass in den Westlichen Ländern die Schnelligkeit der Akzeptanz einer Flughafenerweiterung in erster Linie von folgenden vier Faktoren abhängt:

1. Einstellung der Bevölkerung gegenüber dem Luftverkehr,
2. Lage und Größe des Flughafens,
3. Beteiligungsniveau (an der Planung),
4. Möglichkeiten intermodaler Substitution.

Der erste Punkt dieser Aufstellung ist besonders vom Wohlstand der Bevölkerung abhängig. Je wohlhabender die Betroffenen, desto mehr Widerstand leisten sie. Hinsichtlich des Beteiligungsniveaus wurde im ersten Quartal 2012 vom Bundeskabinett der Entwurf für das sogenannte „Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren“ (PlVereinhG) beschlossenen. Die Gesetzesnovelle soll gewährleisten, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung bereits vor dem eigentlichen Verwaltungsverfahren beginnt und somit ein möglichst großer Personenkreis erreicht wird. Widerstände aus der Bevölkerung sollen früher erkannt und Massenproteste vermieden werden (Immobilien Zeitung 2012, S.13).

Aktuell haben die beiden Hubs Frankfurt und München eben diese Probleme zu bewältigen. Beide Flughäfen wollen eine dritte Start- und Landebahn bauen bzw. in Betrieb nehmen. In München wurden bis Anfang März diesen Jahres 34.000 Unterschriften gesammelt – jetzt wird am 17.6.2012 im Rahmen eines Bürgerbegehrens von den Münchnerinnen und Münchnern abgestimmt, ob sie die Startbahn ablehnen oder nicht. In Frankfurt wurde die Startbahn bereits in Betrieb genommen. Seitdem finden regelmäßig Montagsdemonstrationen im Terminal statt, um die Schließung Landebahn zu erreichen.

Den benachbarten – viel kleineren Flughäfen – kommen die aktuellen Entwicklungen in München und Frankfurt entgegen, denn sie stehen im direkten Wettbewerb zu ihnen und anderen nahe liegenden Flughäfen.

[...]


[1] Die Begriffe Flughafen und Airport werden in dieser Arbeit synonym verwendet.

[2] Quelle: http://www.fluglaerm.de/bvf/info/, Abruf vom 18.2.2012.

[3] Hierbei besonders DFS, ADV, Statistisches Bundesamt.

[4] Quelle: Lencer 2010.

[5] Quelle: Geschäftsberichte der Flughafenbetreiber, Stand: 31.12.2010.

[6] Quelle: Schulz et al 2010, S.85.

[7] Im angloamerikanischen Bereich spricht man von Aeronautical und Non-Aeronautical-Revenues oder auch von Travel- und Non-Travel-Revenues. Diese Begriffe sind synonym zu gebrauchen.

[8] Quelle: Nach Graham (2007) S.56 und Doganis (1992) S.54.

[9] Quelle: Schulz et al. 2010, S.111 nach Schulz 2009.

[10] Quelle: Eigene Darstellung.

[11] Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Heinritz/Klein/Popp 2003, S.21.

[12] Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Preilowski 2009, S.26.

[13] Quelle: Sterzenbach et al. 2009, S.205.

[14] Quelle: IVG 2011, S.1 nach DLR 2010, S.150.

[15] Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Sterzenbach (2009, S.176) nach BMVBM 2003, Jansen 2000, ergänzt um Angaben aus Beckmann et al. (2010, S.18), Flughafenkonzept der Bundesregierung (2009, S.18) und den Homepages der Flughäfen.

[16] Quelle: Akwa 2011, Stand: 30.12.2011.

[17] Quelle: http://www.adv.aero/arbeitsgebietethemen/verkehrkapazitaeten/verkehrsdaten01000/, Abruf vom 11.03.2012.

Ende der Leseprobe aus 116 Seiten

Details

Titel
Kennzahlen, Branchen und architektonische Gestaltung deutscher Flughäfen: Mit Fokus auf Einzelhandel und Gastronomie
Hochschule
Universität Regensburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
116
Katalognummer
V198070
ISBN (eBook)
9783656247623
ISBN (Buch)
9783656251309
Dateigröße
6366 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ziel dieser Arbeit ist es, Flughafenbetreibern, Interessenten aus Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistung einen Überblick über den Einzelhandel am Flughafen zu geben. Durch die Lektüre soll bewusst gemacht werden, welche Besonderheiten an einem Flughafen zu beachten sind und welche Einflussfaktoren signifikant sind. Interessierte sollen somit in die Lage versetzt werden Investitionsentscheidungen treffen zu können. Durch die Fokussierung auf Deutschland soll ein Nachschlagewerk für interessierte Einzelhändler, Gastronomen und Dienstleister entstehen.
Schlagworte
Einzelhandel, Retailing, Flughafen, Einflussfaktoren, Angebotsstruktur, Nachfragestruktur, Detaildarstellung, FRA, MUC, DUS, HAM, STR, BER, Airside, Landside, Terminal
Arbeit zitieren
Dagmar Schreiner (Autor:in), 2012, Kennzahlen, Branchen und architektonische Gestaltung deutscher Flughäfen: Mit Fokus auf Einzelhandel und Gastronomie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/198070

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