Lebenslanges Lernen in Rechtswissenschaften: Berechtigt der Master in Commercial Law, LL.M. (Com.), der Universität des Saarlandes zur juristischen Promotion?


Hausarbeit, 2012

43 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abkurzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Einleitung
Teil 1: Der Bologna Prozess in Deutschland
Teil 2: Die Debatte uber die Ausbildung der Juristen in Deutschlandangesichts des Bologna-Prozesses
Teil 3: Untersuchung der Promotionsordnungen der juristischen Fakultaten in Deutschland
Teil 4: Zusammenfassung und Bewertung

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis Seite

Tabelle 1 Ubersicht der Erstsemester in Jura an deutschen Universitaten

Tabelle 2 Ergebnistabelle Universitaten mit Promotionsrecht zum Dr. iur.

Vorwort

Diese wissenschaftliche Hausarbeit wurde im Sommersemester 2012 von der Technischen Universitat Kaiserslautern als Prufungsleistung fur den weiterbildenden Master-Studiengang Erwachsenenbildung angenommen.

Sie stellt die Frage nach dem Lebenslangen Lernen in den Rechtswissenschaften:

Berechtigt der akademische Abschluss Master in Commercial Law, LL.M. (Com.), der Universitat des Saarlandes, zur juristischen Promotion?

Diese Frage entstand aus meinem vorangegangenen weiterbildenden Fern-Studium des Wirtschaftsrechts an der Universitat des Saarlandes in Verbindung mit der Technischen Universitat Kaiserslautern. Im Rahmen der Werbung fur den Fern-Studiengang wurde u.a. damit geworben, dass der Master-Abschluss zur Promotion berechtige. Dieses Versprechen wurde im Rahmen dieser Arbeit untersucht. Alle Promotionsordnungen der juristischen Fakultaten deutscher Universitaten wurden auf diese Fragestellung hin untersucht.

Der Bologna-Prozess in Deutschland und die Debatte uber die Juristenausbildung in Deutschland wird dargestellt. Ein detaillierter Ergebnisteil untersucht mehr als 40 Promo­tionsordnungen auf die Moglichkeit der Promotion fur Master-Absolventen.

Eine Zusammenfassung stellt die Ergebnisse kurz und ubersichtlich dar und diskutiert sie abschlieBend.

Bremen, im Sommer 2012 Carsten Weerth

Einleitung

Diese wissenschaftliche Hausarbeit nach § 10 II der PO-EB beschaftigt sich mit der Frage- stellung, ob das Prinzip des Lebenslangen Lernens im Bereich der Rechtswissenschaften in Deutschland voll umgesetzt worden ist. Der Bologna-Prozess sollte zu einer europaweit ein- heitlichen Anerkennung von Hochschul-Abschlussen und erhohter Mobilitat der Studenten beitragen und einem Kompetenzerwerb im Lebenslauf, auch durch Studienphasen im Be- rufsleben, ermoglichen.

Das Hochschulstudium stellt grundsatzlich einen Bildungsbestandteil des tertiaren Sektors dar (Muller-Commichau, 2011, S. 2). Wenn das Hochschulsystem so flexibel und durchlassig wird, dass auch Erwachsene im Rahmen von Weiterbildung (i.S.d. Definition des Deutschen Bildungsrats, 1970) im Lebenslauf einen weiterbildenden Studiengang mit universitarem Hochschulabschluss erwerben konnen (z.B. den vorliegenden Studiengang EB, in dem es sich nach § 1 PO-EB um einen „weiterbildenden Master-Fernstudiengang“ handelt, fur den nach § 2 PO-EB die Zugangsberechtigung ist der „Nachweis eines abgeschlossenen Hochschulstudiums (Universitat oder FH) in Deutschland oder eines abgeschlossenen gleichwertigen Studiums an einer auslandischen Hochschule sowie eine mindestens einjahrige Berufstatigkeit nach dem Erststudium“), dann handelt es sich - auch nach der Definition des Deutschen Bildungsrats von 1970 fur Weiterbildung (Deutscher Bildungsrat, 1970) - um den quartaren Sektor (Muller-Commichau, 2011, S. 2).

Der erste Teil der Untersuchung stellt die Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland kurz dar.

Der zweite Teil der Untersuchung setzt sich mit der Debatte um die Reform der Juristenaus- bildung in Deutschland im Lichte der Bologna-Reform auseinander.

Der dritte Teil der Untersuchung - gleichsam der Hauptteil - untersucht die 45 Promotions- ordnungen der deutschen Universitaten auf folgende Fragestellung:

Berechtigt ein weiterbildender Masterabschluss in Deutschland zur juristischen Promotion in Deutschland? Der weiterbildende Studiengang „Wirtschaftsrecht fur die Unternehmensprax- is“ der TU Kaiserslautern in Zusammenarbeit mit der Universitat des Saarlandes schlieBt mit dem akademischen Grad „Master in Commercial Law - LL.M. (Com.)“ ab (§ 18 III PO-WR). Der vierte Teil stellt einen Zusammenfassung und Bewertung der Ergebnisse dar.

Teil 1: Der Bologna-Prozess in Deutschland

Mit der „Erklarung von Bologna“ vom 19.6.1999 (BMBF, 1999) haben 29 europaische Bil- dungsminister (die EU bestand seinerzeit aus 15 Mitgliedstaaten) „vereinbart bis zum Jahr 2010 einen einheitlichen europaischen Hochschulraum zu schaffen“ (Kremski, 2008, S. 1). „Ziel [dieses] Hochschulreformprozesses ist es, international akzeptierte Abschlusse zu schaffen, die Qualitat von Studienangeboten zu verbessern und mehr Beschaftigungsfahig- keit zu vermitteln“ (BMBF, 2012). Inzwischen nehmen „47 Staaten, die EU-Kommission so- wie 8 weitere Organisationen im Hochschulbereich“ am Bologna-Prozess teil (BMBF, 2012). Seit dem Jahr 2000 wurden bundesweit Diplomstudiengange an Fachhochschulen und Uni­versitaten auf die international anerkannten Abschlusse „Bachelor“ und „Master“ umgestellt: „Zum Wintersemester 2010/2011 waren rund 85 Prozent aller Studiengange (13.000 von 15.300 Studiengangen insgesamt) an deutschen Hochschulen auf die gestufte Studienstruk- tur umgestellt“ (BMBF, 2012).

Grundsatzlich soll europaweit ein einheitliches Studiensystem entstehen, das „sich auf zwei Zyklen (Bachelor- und Masterstudium) stutzt (Kremsky, 2008, S. 1).

Von Interesse fur die Debatte um den Master-Abschluss ist, dass der Bologna-Prozess zwei unterschiedliche Master-Abschlusse vorsieht - den konsekutiven Master (direkt im Anschluss an das Erststudium und den Bachelor-Abschluss) und alternativ den Weiterbildungs-Master - dabei handelt es sich nach dem Bologna-Modell um einen wirklichen Masterabschluss im Rahmen der Erwachsenenbildung - durch Weiterbildung im Lebenslauf, nach vorheriger Arbeitsphase (Voraussetzung fur die Zulassung ist daher regelmaBig die nachgewiesene Berufstatigkeit von mindestens einem Jahr) - insbesondere der Weiterbildungs-Master ist ein Beispiel fur die „postmoderne Gesellschaft“, in der sich die (Bildungs-) Biografien wandeln (Arnold, 2010, S. 1) und (Weiter-) Bildung im Rahmen einer „Suchbewegung“ und einer „Individualisierung“ der Gesellschaft (Siebert/Seidel, 2011, S. 1) im Rahmen der „Auflosung der Normalbiografie“ (Siebert/Seidel, 2011, S. 8) widerspiegelt.

Die Erlauterungen im „Diploma Supplement“ sollen das deutsche Hochschulsystem anderen Universitaten in anderen Staaten erlautern - von besonderer Bedeutung ist in diesem Zu- sammenhang der Abschnitt 8 mit folgender Erlauterung (KMK, 2010, S. 5): „8.5 Promotion

Universitaten sowie gleichgestellte Hochschulen und einige Kunst- und Musikhochschulen sind pro- motionsberechtigt. Formale Voraussetzung fur die Zulassung zur Promotion ist ein qualifizierter Mas­terabschluss (Fachhochschulen und Universitaten), ein Magisterabschluss, ein Diplom, eine Staats- prufung oder ein aquivalenter auslandischer Abschluss. Besonders qualifizierte Inhaber eines Bache- lorgrades oder eines Diplom (FH) konnen ohne einen weiteren Studienabschluss im Wege eines Eig- nungsfeststellungsverfahrens zur Promotion zugelassen werden. Die Universitaten bzw. promotions- berechtigten Hochschulen regeln sowohl die Zulassung zur Promotion als auch die Art der Eignungs- prufung. Voraussetzung fur die Zulassung ist auBerdem, dass das Promotionsprojekt von einem Hochschullehrer als Betreuer angenommen wird. “ (KMK, 2010).

Im zweiten Teil wird untersucht, welche Auswirkungen der Bologna-Prozess auf das Studium der Rechtswissenschaften und die juristischen Abschlusse hat.

Teil 2: Die Debatte uber die Ausbildung der Juristen in Deutschland angesichts des Bologna-Prozesses

In vielen Fachern fuhrte die Einfuhrung neuer Abschlusse zu Unruhe (z.B. in den Ingeniuers- wissenschaften an deutschen Universitaten, da der Dipl.-Ingenieur ein weltweit anerkannter Qualitatsnachweis gewesen sei), aber insbesondere in den Rechtswissenschaften gab es umfangreiche und tiefe Diskussionen zum Thema der Einfuhrung neuer Abschlusse, bzw. der Umstellung des klassischen Systems des 1. und 2. Staatsexamens - wie traditionell bei jedem Versuch einer Reform „seit dem 19. Jahrhundert“ (Verbeet, 2007). Bei den Rechtswis- senschaften (mit 1. und 2. Staatsexamen) handelt es sich um eine „anwendungsorientierte Profession“, die sich durch „formale Regelungen wie Zugangsberechtigungen kontrolliert und Stabilisiert“ (Freidson, 1979, S. 64 f., zitiert nach Wittwer/Mersch, 2007, S. 96). Zunachst waren in Deutschland alle Staatsexamina von der Umstellung ausgenommen (Kremsky, 2008, S. 1). Ende 2002 hat sich dann der Wissenschaftsrat auch alle mit Staatsexamina ab- schlieBenden Studiengange (mit Ausnahme der Medizin) „in das System gestufter Studien- gange zu uberfuhren“ (Kremsky, 2008, S. 1). Zunachst war unklar, ob die Bologna-Reform in Deutschland auch fur die Juristenausbildung gelten sollte - es gab eine hitzige Diskussion uber die Einfuhrung der neuen Abschlusse „Bachelor“ und „Master“ auch fur die klassische Juristenausbildung an deutschen Universitaten (nachgezeichnet von Kremsky, 2008). Es wurden mindestens neun Argumente gegen die Einfuhrung der neuen Studienabschlusse im Bereich Rechtswissenschaften aufgefuhrt (Kremsky, 2008, S. 1-3) und 12 Argumente fur die Einfuhrung der neuen Studienabschlusse im Bereich Jura (Kremsky, 2008, S. 3-5), die hier nicht detailliert aufgefuhrt werden sollen. Fur eine Reform der Juristenausbildung nach dem Muster der Bologna-Reform tritt die Stifterverband fur die Deutsche Wissenschaft vehement ein (Schluter/Dauner-Lieb, 2010), beispielsweise fur eine „behutsame Offnung der Curricula11 (Schluter/Dauner-Lieb, 2010, S. 8).

2005 wurde im Koalitionsvertrag der Bundesregierung im rechtspolitischen Teil noch festge- legt, dass Juristen von der Reform ausgenommen werden sollen“ (Hinrichs, 2005). Der Vor- sitzende der Hochschulrektorenkonferenz, Peter Gaehtgens nannte diese Passage dann auch „Unfug“, da es eine „groteske Vorstellung [ist], dass man meint, fur einzelne Studien­gange eine Ausnahme machen zu konnen. Alle Landerminister und der Bund haben sich per Gesetz zu der Umstellung verpflichtet“ (Hinrichs, 2005).

Die Juristen in Deutschland fuhren daruber hinaus die Debatte „Promotion oder LL.M.“ (also Master-Abschluss oder Doktorarbeit) (Winkler, 2008, S. 19 und Grohganz, 2011) - dieses zeigt bereits das immer noch vorherrschende System der beiden Staatsexamina an. Mit dem Master of Law-Abschluss (LL.M., in Deutschland auch Legum Magister genannt, Winkler, 2008, S. 19), wird der LL.M. an einer englischsprachigen, auBereuropaischen Universitat ge- meint, da LL.M. aus Deutschland diese Qualitat nur „verwassern wurden“, da „Verwechs- lungsgefahr“ bestunde (Eggert/Haug/Franken, 2011, S. 14).

Im Schatten der klassischen Juristenausbildung mit dem Ziel 1. Staatsexamen an den 45 deutschen Universitaten haben sich im Rahmen der Bologna-Reform zahlreiche neue Ba­chelor of Law-Studiengange (LL.B.) v.a. an Hochschulen und Fachhochschulen entwickelt, die auf Grund groBer Spezialisierung (v.a. auf den Bereich Wirtschaftsrecht), groBer Praxis- nahe und guter Professoren/Studenten-Verhaltnisse und der uberschaubaren Studienzeiten eine Alternative bieten: Fachhochschule Frankfurt am Main (LL.B. Wirtschaftsrecht, LL.M. Verhandeln und Gestalten von Vertragen), Hochschule Fulda (LL.B. Sozialrecht, LL.M. Sozialrecht und Sozialwirtschaft), Hochschule fur Wirtschaft und Umwelt Nurtigen-Geislingen (LL.B. Wirtschaftsrecht, LL.M. Unternehmensrestrukturierung und Insolvenzmangement), FH Westkuste, Hochschule fur Wirtschaft und Technik (LL.B. Wirtschaft und Recht), FOM Hoch­schule fur Oekonomie & Management (LL.B. Wirtschaftsrecht, B.A. Bachelor-Studiengang Steuerrecht, LL.M. Master-Studiengang Wirtschaftsrecht), SRH Hochschule Heidelberg (LL.B. Wirtschaftsrecht, LL.M. Internationales Wirtschafts- und Unternehmensrecht), Fach­hochschule Koln (LL.B. Wirtschaftsrecht, LL.M. Medienrecht und Medienwirtschaft), Hoch­schule Pforzheim (LL.B. Wirtschaftsrecht), Ostfalia Hochschule fur angewandte Wissen- schaften (LL.B. Wirtschaftsrecht, LL.B. Recht, Personalmanagement und -psychologie, LL.B. Recht, Finanzmanagement und Steuern, LL.M. International Law and Business) (Beck'scher Studienfuhrer Jura 2012). Bereits zuvor waren Diplom-Wirtschaftsjuristen-Studiengange ein- gefuhrt worden, die „seit rund 10 Jahren [...] etabliert“ sind (Hulsdunker in Beck'scher Stu­dienfuhrer Jura 2012, S. 33).

An den Hochschulen und Fachhochschulen ist in der Regel das Betreuungsverhaltnis deut- lich besser als an den Universitaten, die Anfangerzahlen sind geringer (etwa 30 bis 60 pro Studiengang) und die Studiendauer betragt (oft mit Auslandssemester 7 bis 8 Semester bis zum LL.B.).

Die FernUniversitat Hagen bietet einen LL.B. und seit 2007 einen konsekutiven LL.M.-Studi- engang an. Die Leuphana Universitat Luneburg bietet einen LL.B. in Unternehmens- und Wirtschaftsrecht sowie einen Masterstudiengang Umwelt- und Energierecht (ab WS 2012) an. Die TU Kaiserslautern bietet in Zusammenarbeit mit der Universitat des Saarlandes ein­en weiterbildenden Masterstudiengang „Wirtschaftsrecht fur die Unternehmenspraxis“ an (Master in Commercial Law - LL.M. (Com.).

Die Anzahl der jahrlich die klassische Juristenausbildung an deutschen Universitaten begin- nenden Studenten steigt bestandig und ist auf sehr hohem Niveau angelangt (Tab. 1).

In Munchen, Munster oder Hamburg beginnen im WS damit zwischen 600 und 800 Erstse- mester das klassische Jurastudium. An deutschen Universitaten schwankt die Betreuungs- dichte in der Regel zwischen 1/70 und 1/120 (Verhaltnis Professoren/Studenten).

Tabelle 1: Ubersicht der Erstsemester in Jura der klassischen Juristenausbildung an deut- schen Universitaten (Daten aus Beck'scher Studienfuhrer Jura 2012, S. 68-127)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im dritten Teil werden alle Promotionsordnungen der 45 deutschen Universitaten darauf un- tersucht, ob LL.M.-Absolventen (konkret Absolventen des weiterbildenden LL.M.-Studien- gangs „Wirtschaftsrecht fur die Unternehmenspraxis“ der Universitat des Saarlandes) in Jura promovieren konnen, und wenn ja, zu welchen Bedingungen. Eine erste Anfrage eines Absolventen an der FernUniversitat Hagen war nicht erfolgreich (Anhang).

Teil 3:Untersuchung der Promotionsordnungen der juristischen Fakultaten in Deutschland

In Deutschland haben folgende 43 staatliche Universitaten das Promotionsrecht fur Rechts­wissenschaften (Jura): Augsburg, Bayreuth, Berlin (Freie Universitat), Berlin (Humboldt-Uni- versiat), Bielefeld, Bochum, Bonn, Bremen, Dusseldorf, Erlangen-Nurnberg, Frankfurt am Main, Frankfurt (Oder), Freiburg, GieBen, Gottingen, Greifswald, Hagen (FernUni), Halle-Wit- tenberg, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Jena, Kiel, Koln, Konstanz, Leipzig, Mainz, Mann­heim, Marburg, Munchen, Munster, Oldenburg, Osnabruck, Passau, Potsdam, Regensburg, Rostock, Saarbrucken, Trier, Tubingen und Wurzburg. Daruber hinaus haben die beiden pri- vaten Universitaten das Promotionsrecht: Bucerius Law School Hamburg und EBS fur Wirt- schaft und Recht (Wiesbaden) (eine Ubersicht bietet die URL: http://www.yourist.de, direkter Link, URL: http://www.yourist.de/studium). Traditionell ist die Voraussetzung fur die Zulas- sung zur Promotion der Abschluss des juristischen Studiums mit dem ersten Staatsexamen und der Examensnote mindestens „vollbefriedigend“. Die Notenskala in Rechtswissenschaf­ten unterscheidet sich deutlich von anderen Notenskalen, weswegen sie kurz erlautert wer­den muss. In Jura wird eine 18-teilige Notenskala verwendet, die in der Bundesnotenverord- nung rechtlich festgelegt ist:

„Auszug aus der Verordnung uber eine Noten- und Punkteskala fur die erste und zweite juristische Prufung (Bundesnotenverordnung vom 3. Dezember 1981 - GVBl. I S. 1243)

§ 1 Notenstufen und Punktzahlen

Die einzelnen Leistungen in der ersten und zweiten Prufung sind mit einer der folgenden Noten und Punktzahlen zu bewerten:

sehr gut eine besonders hervorragende Leistung = 16 bis 18 Punkte gut eine erheblich uber den durchschnittlichen Anforderungen liegende Leistung = 13 bis 15 Punkte vollbefriedigend eine uber den durchschnittlichen Anforderungen liegende Leistung = 10 bis 12 Punkte befriedigend eine Leistung, die in jeder Hinsicht durchschnittlichen Anforderungen entspricht = 7 bis 9 Punkte ausreichend eine Leistung, die trotz ihrer Mangel durchschnittlichen Anforderungen noch entspricht = 4 bis 6 Punkte mangelhaft eine an erheblichen Mangeln leidende, im ganzen nicht mehr brauchbare Leistung = 1 bis 3 Punkte ungenugend eine vollig unbrauchbare Leistung = 0 Punkte.“

Es gibt aktuell sehr umfassende Kritik am Notensystem, bei dem gesprochen wird von „Kas- tensystem“ (Verbeet, 2007 und Baron von Lijnden, 2011), „wenig befriedigendes Notensys- tem“ (Kahrmann, 2005), „notenhorig“ (Wagner, 2011a), „Sklaven der Noten“ (Wieduwilt, 2011) - die Kritik ist umfassend und basiert von einem VorstoB der Absolventen Paul Hauser und Felix Wendenburg (Wendenburg/Hauser, ZRP 2011, S. 18, sowie die Berichte von Wagner, 2011b, Baron von Lijnden, 2011, Hild, 2011), aber in der Regel wirkungslos, da die Notenskala im oberen Bereich nicht ausgenutzt wird - „nur 0,2 Prozent aller Pruflinge im ersten Staatsexamen bekommen die Note 'sehr gut', 3,3 Prozent bekommen ein 'gut' und nur 15,9 Prozent gehen mit einem 'vollbefriedigend' nach Hause, einer zusatzlichen Notenstufe zwischen gut und befriedigend“ (Wagner, 2011b). „Die Notengebung bei Staatsexamina der Juristen ist traditionell knuppelhart“ (Wieduwilt, 2011): „Tatsachlich gelten die obersten drei Punktewerte - 16, 17, 18 - in Jura als praktisch unerreichbar“ (Baron von Lijnden, 2011).

Das Rechtsportal http://www.yourist.de wertet statistisch die Notengebung der 1. und 2. juris- tischen Staatsprufung in allen 16 Bundeslandern aus. Im Jahr 2009 gab es bundesweit nur 15 Absolventen im 1. Staatsexamen mit der Note „sehr gut“ - das entspricht einem Anteil von 0,1 Prozent (http://www.yourist.de/studium/examen.php). Das sog. „Pradikatsexamen“ (Note mindestens „vollbefriedigend“ und damit direkt zur Promotion in Rechtswissenschaften berechtigend) schafften im Jahr 2009 nur 13,9 Prozent - im Jahr 2006 war dieser Anteil noch bei 15,1 % (http://www.yourist.de/studium/examen.php).

Damit einher geht ein bestimmtes Menschenbild der Juristen, das die Studenten vom ersten Semester an (kennen) lernen mussen. „Sehr gute“ oder „gute“ Leistungen sind nicht vorge- sehen - sie kommen damit dem Menschenbild „Homo homini lupus (der Mensch ist dem Mit- menschen ein Wolf)“ (Siebert, 2011, S. 4). Das hat Auswirkungen auf die deutsche Zivilge- sellschaft, da Juristen in staatlichen Behorden, Ministerien, der Rechtsberatung aber auch Unternehmen regelmaBig die Fuhrungsspitze bilden und mit ihrer Denkweise einteilen, kate- gorisieren, leiten und lenken. Beispielsweise sind fast ein Viertel der Bundestagsabgeord- neten Volljuristen (der Anteil nimmt seit Jahren zu) (Wehner, 2008) - in Deutschland haben wir inzwischen eine „verrechtlichte Gesellschaft“ (Nissen in Noske, 1995, S. 16-23 und Weerth, 2012, S. 1). In Deutschland und v.a. in den USA wird daher eine Debatte um die „Humanisierung des Jurastudiums“ gefuhrt (Rath, 2011, Schwartz, 2008, Krieger, 2008 und Fines, 2008).

Doch warum der Kampf um die Noten und die juristische Promotion? Die Zahl der Rechts- anwalte in Deutschland steigt immer mehr: „mehr als 140.000 Mitglieder zahlt die Bundes- rechtanwaltkammer [2007] - doppelt so viele wie vor 13 Jahren [1994], achtmal mehr als vor 50 Jahren [1957]“ (Verbeet, 2007). 2012 stieg die Zahl der Anwalte auf 160.000 (Huff, 2012). Jura zahlt dabei fur Studenten zu „den funf finanziell attraktivsten Fachern“ fur Absolventen, wobei bei Absolventen im Beruf „gro6e Gehaltsunterschiede“ herrschen (Korner, 2012). Die Absolventen mit Pradikatsexamen konnen sich die Stellen aussuchen: ,,'Vollbefriedigend1 heiBt Karriere, alles darunter Kampf“ (Verbeet, 2007). „Die da oben - das sind Spitzenabsol- venten, die mit Pradikatsexamen, Promotion und einem internationalen Master-Abschluss freie Auswahl haben“ - „manche Kanzleien zahlen ihnen bereits im ersten Berufsjahr eine sechsstellige Summe“ (Verbeet, 2007). Ein bekannter „Sinnspruch zu juristischen Prufungen lautet [wegen der Notenskala] 'Vier gewinnt' [weil besteht]“ - hort sich einfach an, weil man mit vier von 18 Punkten besteht, doch das „Gros der Studenten muss sich [...] mit einem 'befriedigend' (6,5-8,99 Punkte; erreicht von 20-30 Prozent) oder einem 'ausreichend' (4-6,49 Punkte; erreicht von 35-40 Prozent zufrieden geben“ (Baron von Lijnden, 2011). „Die Noten des ersten und zweiten Staatsexamens ergeben gemeinsam die magische Zahl, anhand der- er der fertige Jurist in ein festgefahrenes Kastensystem spaterer Over- und Underachiever eingeordnet wird“ - „wer zwei 'vollbefriedigend' oder besser hat, dem ist ein hohes funfstelli- ges Einstiegsgehalt garantiert; kommt noch ein Doktortitel oder LL.M. dazu, winken auch im ersten Jahr schon sechsstellige Summen“ (Baron von Lijnden, 2011).

Es gibt einen sehr, sehr hohen Konkurrenzdruck - nur wenige Volljuristen konnen, auch we­gen der hohen Bedingungen fur die Zulassung zur Promotion (in der Regel mind. die Note „vollbefriedigend“), eine juristische Dissertation vorweisen: die Anzahl der Promotionen (nach dem Statistischen Bundesamt in den Jahren 2007/08 betrug etwa 15-20% der Absolventen (etwa 1.600 Promotionen auf ca. 8.300 Absolventen mit 2. Staatsexamen).

In der Folge werden die Promotionsordnungen der 45 deutschen Universitaten hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen fur eine juristische Dissertation gepruft - sind LL.M.-Absol- venten zugelassen, wenn ja unter welchen Voraussetzungen?

Der Kernsatz dieser Untersuchung ist in fast allen Landeshochschulgesetzen verankert: „Ein Master-Abschluss kann zur Promotion berechtigen“ (z.B. § 67 IV S. 1 Buchst. c HG NRW, § 65 II bremHG, § 9 II S. 1 niedersHG, § 70 III S. 1 hambHG, § 54 II S. 1 HG SH, § 64 I S. 2 Nr. 6 bayrHG, § 38 III Nr. 1 HG BW, § 54 V S. 1 tuhrHG, § 40 I S. 3 sachsHG, § 43 I S. 2 HG MV, § 35 II S. 1 berlHG, § 18 I S. 1 HG SA, § 24 I S. 2 hessHG, § 64 II Nr. 1 saarlUG; keine Regelung im HG RLP). Gleichzeitig wird deutlich, dass es keinen rechtlichen Anspruch zur Promotion gibt („muss“ zugelassen werden), denn „kann“ bedeutet Ermessensauslegung, d.h. in der Praxis, dass die Voraussetzungen (z.B. die Note) stimmen muss oder diese anders nachgewiesen werden mussen. In der Folge werden die allgemeinen, ublichen, Zulassungsvoraussetzung nicht dargestellt.

Augsburg: § 3 bestimmt in § 3 I Buchst. d) die Zulassung vor „bei auslandischen Bewerbern die Gesamtnote nicht schlechter als 'gut' in der nach den Aufbaustudiengangen 'Recht der Internationalen Wirtschaft' und 'Magister fur auslandische Juristen' an der Universitat Augs­burg abgelegten Magisterprufung“.

Allgemeine Regelungen zu Master of Law (LL.M.)-Absolventen sind nicht enthalten. GroBzugig sind die Regelung der § 3 VI und VII:

„(6) Ein Bewerber, der ein anderes als das juristische Hochschulstudium mit einer zur Promotion be- rechtigenden Prufung abgeschlossen hat, kann mit Zustimmung des Fakultatsrats zur Promotion zugelassen werden, wenn ihm die Promotionseignung gemaB Abs. 2 bescheinigt wird.“

„(7) Ein Bewerber, der ein Studium, das mindestens zur Halfte juristische Facher umfasst, an einer Fachhochschule mit einem Diplomgrad abgeschlossen hat, kann mit Zustimmung des Fakultatsrats zur Promotion zugelassen werden, wenn er im Ranking seines Abschlussjahrgangs zu den 10 vom Hundert besten Absolventen gehort, nachzuweisen durch Bescheinigung der zustandigen Prufungs- stelle, und ihm die Promotionseignung gemaB Abs. 2 bescheinigt wird.“

Bayreuth: § 5 regelt die Voraussetzung der Zulassung und sieht nach § 5 I S. 2 die Moglich- keit der Zulassung vor „wenn an der Universitat Bayreuth der Grad eines Magister Legum (LL.M.) mit mindestens der Note ,magna cum laude‘ fur die Magisterarbeit erworben wurde.“ Allgemeine Regelungen zu LL.M.-Absolventen sind nicht enthalten.

Eine Ausnahmeregelung enthalt § 5 IV:

„(4) In Ausnahmefallen kann der Dekan einen Bewerber zur rechtswissenschaftlichen Promotion zulassen, der kein juristisches Examen im Sinne der Absatze 1 und 2 abgelegt hat, wenn er

1. ein Examen abgelegt hat, das ihn zur Promotion in seinem Fachgebiet berechtigt, und
2. die Dissertation einen Grenzbereich zwischen seinem Fachgebiet und der Rechtswissenschaft behandelt, und
3. zwei prufungsberechtigte Lehrpersonen der Fakultat die Promotion befurworten und einer von ihnen die Betreuung der Dissertation ubernimmt.“

Berlin (FU): Allgemeine Regelungen zu LL.M.-Absolventen sind nicht enthalten. Die PO unterscheidet in § 4 in Antragsteller, die ihr Studium im Inland und im Ausland abgeschlos­sen haben. § 4 II regelt die Zulassung fur inlandische Absolventen und setzt das 1. oder 2. Staatsexamen voraus. Eine Ausnahmeregelung enthalt § 4 III:

„(3) 1Antragstellerinnen oder Antragsteller, die ihr Studium in der Bundesrepublik Deutschland abge- schlossen haben, erfullen die Zulassungsvoraussetzungen auch dann, wenn sie einen nicht rechtswis­senschaftlichen Hochschulgrad im Sinne des § 34 BerlHG mit „befriedigendem“ oder besserem Erfolg erworben und mindestens je zwei Abschlussklausuren in den Studienbereichen Burgerliches Recht, Strafrecht und Offentliches Recht und eine Hausarbeit in einem der genannten Studienbereiche ge­maB der Ordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Freien Universitat Berlin fur die Zwi- schenprufung und die universitare Schwerpunktbereichsprufung im Studiengang Rechtswissenschaft mit dem Abschlussziel der ersten juristischen Prufung (Prufungsordnung - PO) in der jeweils gelten- den Fassung bestanden haben. 2Fur den Nachweis der entsprechenden Befahigung von Fachhoch- schulabsolventinnen oder -absolventen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 BerlHG kann im Einzelfall von Voraussetzungen nach Satz 1 befreit werden.“

Berlin (Humboldt Universitat): Allgemeine Regelungen zu Master of Law (LL.M.)- Absolventen sind nicht enthalten. Ausnahmen regelt § 4 II:

„(2) Unbeschadet der Regelung des Abs. 1 kann eine wissenschaftlich besonders befahigte Doktoran- din/ein wissenschaftlich besonders befahigter Doktorand vom Fakultatsrat auf Vorschlag der Promoti- onskommission zugelassen werden, sofern eine Hochschullehrerin/ein Hochschullehrer der Fakultat die Zulassung schriftlich befurwortet und bereit ist, die Betreuung der Dissertation zu ubernehmen.“

Bielefeld: § 3 I enthalt einen gemischten Ansatz zur Zulassigkeit, da neben Abschluss wei- tere Leistungen vorzuweisen sind:

„(1) Der Zugang zur Promotion setzt voraus, dass die Bewerberin oder der Bewerber

1. einen zur Promotion berechtigenden juristischen Studiengang mit hervorragendem Ergebnis abgeschlossen hat,
2. weitere Leistungen, die die Eignung für die Promotion erkennen lassen, erbracht hat, und
3. die deutsche Sprache beherrscht.“

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Lebenslanges Lernen in Rechtswissenschaften: Berechtigt der Master in Commercial Law, LL.M. (Com.), der Universität des Saarlandes zur juristischen Promotion?
Hochschule
Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau  (Distance & Independent Studies Center (DISC) )
Note
2,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
43
Katalognummer
V197562
ISBN (eBook)
9783656237617
ISBN (Buch)
9783656237747
Dateigröße
663 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erwachsenenbildung, Lebenslanges Lernen, Bologna-Prozess, Master of Law, LL.M., Promotion, Dr.iur., Durchlässigkeit, Menschenbild, Notengebung, Kastensystem, Wirtschaftsjurist, Fachhochschule, Universität, Fernstudium, Weiterbildungs-Master
Arbeit zitieren
Dr. Carsten Weerth (Autor:in), 2012, Lebenslanges Lernen in Rechtswissenschaften: Berechtigt der Master in Commercial Law, LL.M. (Com.), der Universität des Saarlandes zur juristischen Promotion?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197562

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