Gestalttheorie, Phänomenologie und der Einfluss auf kindliche Lernprozesse


Hausarbeit, 2012

20 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Phänomenologische- und gestalttheoretische Ansätze
2.1 Gegenstände und ihre Bedeutungen aus pädagogischer Sicht
2.2 Phantasie und Kreativität in pädagogischen Handlungsfeldern
2.3 Der Synergismus von Material und Wahrnehmung

3.Praxisbeispiel: Nachhaltige Bildungsprozesse im Elementarbereich initiie- ren

4. Ausblick

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mit dieser Arbeit wird das Ziel verfolgt, einen Einblick in die wesentlichen As- pekte der Gestalttheorie und Phänomenologie unter Berücksichtigung der kindlichen Lernprozesse zu geben. Die Relation zwischen den Ansätzen in der Gestalttheorie und der Phänomenologie übt einen Einfluss auf die Ziele erziehungswissenschaftlicher Forschung im Bereich der Pädagogik der frü- hen Kindheit aus und wird daher einleitend im Fokus der Ausführungen ste- hen.

Die historischen Hintergründe und Zusammenhänge zwischen der Gestalttheorie, der Phänomenologie und der Bedeutung von Materialien, auf die in den jeweiligen Bereichen Bezug genommen wird, werden aus der Sicht der Pädagogik heraus recherchiert.

Bezogen auf die pädagogischen Handlungsfelder werden die Bereiche der Phantasie und Kreativität in der frühkindlichen Pädagogik näher untersucht und am Beispiel der Reggiopädagogik verdeutlicht.

Die elementaren Forschungsfelder, die Lernen als ästhetische Erfahrung in den Mittelpunkt rücken, können nur angeschnitten werden, da ihre genauere Elaboration den Rahmen dieser Arbeit bei Weitem sprengen würde. Wesentliche Facetten des Zusammenwirkens von Material und Wahrneh- mung werden durch einen Blick im Gesamtzusammenhang erfasst.

Die Analyse von Lernprozessen mit dem Fokus auf die gestalttheoretischen und phänomenologischen Selbstbildungsprozesse im Kindesalter werden anhand eines praktischen Beispiels, in dem die Methode der „Teilnehmenden Beobachtung“ angewendet wird, erläutert und kritisch reflektiert.

Mit den Kernkriterien der pädagogischen Arbeit in frühkindlichen Erfahrungs- feldern wird auch mit Blick auf vorhandene Paradigmen auf das weitgefä- cherte Feld zum Einsatz kommender Methoden in Auszügen hingewiesen. Abschließend geht es um die Beeinflussung des Lernens durch gestalttheo- retische und phänomenologische Erkenntnisse und das Aufzeigen ihrer Grenzen und Möglichkeiten.

2. Phänomenologische- und gestalttheoretische Ansätze

Die Phänomenologie ist eine Wissenschaft, die seit dem zwanzigsten Jahrhundert Einzug in das Gebiet der erziehungswissenschaftlichen Forschung gehalten hat. Es existieren unterschiedliche naturwissenschaftliche, philosophische, literarische und psychologische Ansätze, die als Forschungsgrundlage für weiterführende Studien dienen können.

Der Begriff „phainomenon“ entstammt dem Altgriechischen und wird im Sinne von „Sichtbares“ oder „Erscheinung“ verstanden. Er bildet die Basis des Begriffes „Phänomenologie“. Ebenfalls griechischen Ursprungs ist der Begriff lógos, mit der Bedeutung von „Lehre“. Als Kern des phänomenologischen Ansatzes bildet sich die Wortbedeutung als „Lehre von den Erscheinungen“ heraus (vgl. Metz-Göckel, 2011, S. 13).

Edmund Husserl begründete die Lehre von den Gegenständen auf der Basis der Lehren der beiden Philosophen Franz Brentano und Carl Stumpf (vgl. Metz-Göckel, 2011, S. 115). Die Phänomenologie nutzt Methoden, mit denen der Frage nach der Autarkie eines Verständnisses (mit all seinen Erkenntnissen) unabhängig vom Bewusstsein nachgegangen werden kann. Um eine klare und vorurteilsfreie Sicht auf die tatsächliche Erscheinung eines Gegenstandes zu erlangen, ist es notwendig die Geisteshaltung zu dem jeweiligen Objekt zu verändern (vgl. Stieve, 2008, S. 277).

Die Ansätze der Gestalttheorie stellen eine Ergänzung zur Phänomenologie dar. Gestalttheorie hat ihren Ursprung in den Anfängen des zwanzigsten Jahrhunderts und tauchte originär in den Bereichen der Gestaltpsychologie auf, die sich mit der Aufrechterhaltung von psychischen Systematiken und mit den Verläufen auf der Wahrnehmungsebene beschäftigten. Hiernach wird alles, was ein Individuum erlebt, als Realität wahrgenommen, die ein experi- mentelles Handeln möglich macht (vgl. Metz-Göckel 2011, S. 100).

Das Aufgebot an gegenständlichen Dingen und die damit einhergehenden Wirkungen sind in unterschiedliche Theorien gegliedert, die das Lernen „( … ) innerhalb behavoristischer, radikal konstruktivistischer und entwicklungspsy- chologischer Ansätze auf den Appell der Dinge hin (...)“ befragen (Stieve, 2008, S. 85).

Die beiden Begrifflichkeiten Phänomen und Gestalt verweisen bereits auf Unterbereiche, die nicht eindeutig dem Subjekt oder dem Objekt zugeordnet werden können. Dadurch wird ein Zusammenhang ersichtlich, der genauer beschreibt, unter welchen Aspekten ein Gegenstand einen gewissen Reiz auf ein Kind ausüben kann. Durch den Aufforderungscharakter der Dinge zeigt sich eine Intersubjektivität, die auch Einfluss auf die pädagogische Wechselwirkung im Dialog mit dem Kind ausübt (vgl. Schäfer / Staege, 2010, S. 269).

Die Herangehensweise und die Untersuchungen auf dem Fachgebiet der ästhetischen Frühpädagogik, unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Theorien in Bezug auf die Lernprozesse des Kindes, verweisen hierbei auf die konsequente Unterteilung in Subjekt und Objekt (vgl. Stieve, 2008, S. 85). Durch den Appell der Dinge begründet sich zunächst eine Vorkenntnis, die fest im Lernprozess des Kindes verankert ist.

„Dieses Vorwissen ist pathisch und leiblich bestimmt.“ (Schäfer / Staege, 2010, S. 273). Daher wird das Vorwissen eher als eine Empfindung bezeichnet und nicht als eine Erkenntnis. Lernen wird möglich, wenn das bisher herkömmlich Bekannte eine neue Dimension erreicht, in der etwas Unvorhergesehenes (etwa: kognitiver Konflikt) geschieht, das zu einer Modifizierung des vorherigen Kenntnisstandes führt (vgl. ebd.).

Die Aussage des Anthropologen Martinus Langeveld „ Der Gegenstand ver- langt von uns, dass wir etwas mit ihm tun“ (Stieve, 2008, S. 19) verbindet und beinhaltet zahlreiche gestalttheoretische und phänomenologische An- sätze. Gegenstände, Objekte und materielle Dinge, die durch ihre Beschaf- fenheit oder ihre eigentliche Funktion das Interesse wecken, sich mit ihnen zu beschäftigen, stehen im Mittelpunkt der Betrachtungen (vgl. Stieve, 2008, S.151).

„Eine Treppenstufe reizt das zweijährige Kind zum Heraufklettern und Herunterspringen; Türen reizen es zum Auf- und Zuschlagen, kleine Krümchen zum Auflesen, ein Hund zum streicheln; der Bau kasten reizt zum Spielen; die Schokolade, das Stück Kuchen will gegessen werden“ (Stieve, 2008, S. 19)

Dieser Effekt, den ein Gegenstand auf das Kind ausübt, wird sehr häufig be- obachtet. Er wirft die Frage auf, wie dieser Umgang mit Objekten die kindlichen Lernprozesse prägen und beeinflussen kann (vgl. Stieve 2008, S. 281). Die Appelle, die von Dingen ausgehen, vereinen sich zu einem Vorgang, der das Innere mit dem Äußeren verbindet.

„In den Aufforderungen zeigt sich etwas in einer unmittelbaren Verbindung, mit subjektiven Möglichkeiten zu handeln. Etwas ap- pelliert - auf eine mögliche Gestaltung hin - an jemanden.“

(Stieve, 2008, S. 151)

Lernprozesse werden aus phänomenologischer Sicht als Selbstbildungsprozesse angesehen, denen keine vorherigen didaktischen Überlegungen vorausgehen müssen. Es existieren viele unterschiedliche Bereiche und Theorien, auf die sich die Phänomenologie und die Gestalttheorie stützen können. Diese werden im Folgenden kurz umrissen.

In den phänomenologischen Theorien wird der Lernprozess als Wechselbe- ziehung zwischen den äußeren Faktoren im Zusammenhang mit den jeweili- gen Ereignissen einer menschlichen Biographie angesehen. Durch die vor- herrschende Körperlichkeit werden die inneren und äußeren Prozesse mitei- nander verknüpft und stützen und verstärken sich somit gegenseitig (vgl. Stieve, 2008, S. 280 f). Der Ausbau eines Lernprozesses gilt nicht nur der Erweiterung des Wissens- und Kenntnisstandes oder einer Verhaltensände- rung, vielmehr soll durch handlungsorientiertes Lernen und den Lernprozess an sich ein Individuum zu einer Selbsterkenntnis geführt werden, die eine veränderte Sicht auf die es umgebenden Dinge und Mitmenschen bewirkt.

„In Lernprozessen wird eben nicht nur isoliert ein einzelnes Verhal- ten verändert oder ein neues Wissen erworben - sondern die Be- ziehung zu Dingen, dem Anderen und sich selbst verwandelt sich insgesamt. Die Dinge verweisen auf die eigenen leiblichen Mög- lichkeiten, auf Verhaltensweisen, Dispositionen und Befindlichkei- ten“ (Stieve, 2008, S. 281).

Ob „Erleben erziehen kann?“ (Heckmair, Michl, Walser, 1995, S. 113) ist eine Frage, mit der sich verschiedene Wissenschaftsdisziplinen eingehend be- schäftigen. Eindrückliche objektbezogene Erlebnisse hinterlassen immer Spuren und soweit sich ein Bezug zur Lebensbiographie herstellen lässt, er- ziehen diese auch. Auf Phänomenologie basierende Erlebnisse sind nicht nur schmückendes Beiwerk einer eindrucksvollen Aktion oder Handlung, sondern die „stärkste pädagogische Kraft „ (vgl. Heckmair, Michl, Walser, 1995, S.113). Sobald das Erleben pädagogisiert und damit zu einem steuer- baren Prozess gemacht wird (Anstreben von Zielvorstellungen), geht es nicht mehr um das zufällige ungeplante und spontane Erlebnis mit Lernbezug, sondern darum, in Relation zu den Dingen Defizite zu verbessern oder Er- ziehungslücken geplant zu füllen. Es bestehen nach Kurt Hahn Zusammen- hänge zwischen: „Phantasie und Abenteuerlust, Mut zur Unabhängigkeit und Selbstvertrauen und körperlicher Leistungsfähigkeit und vitaler Gesundheit“

(Bauer, 2001, S. 71).

Voraussetzung hierfür ist ein kindgerechtes, phänomenologisches Anregungsmilieu, das durch den gezielten Einsatz von Gegenständen und Materialien seine erlebnisorientierte Wirkung entfalten kann.

Diesem Bereich lassen sich Befunde zuordnen, die zum Ausdruck bringen, dass viele Menschen sich zur Befriedigung ihrer elementaren Grundbedürfnisse realitätsnaher Handlungsfelder bedienen (vgl. Bauer, 2001, S. 71). Dies geht einher mit

„entwicklungspsychologischen Erkenntnissen, dass ein Mangel an explorativen Tätigkeiten und erlebnishaften, abenteuerlichen Spie- len bei Kindern und Jugendlichen zu Entwicklungsdefiziten und Persönlichkeitsstörungen führen können“ (Schleske, 1977, S. 96ff).

Wissenschaftlich belegt ist ein Zusammenhang zwischen Primär- und Sekundärerfahrungen. Das eigene aktive Erleben lässt sich kaum vom passiven Erleben durch bloßes Zuschauen trennen (vgl. Bauer, 2001, S. 72).

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Gestalttheorie, Phänomenologie und der Einfluss auf kindliche Lernprozesse
Hochschule
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
20
Katalognummer
V197461
ISBN (eBook)
9783656236603
ISBN (Buch)
9783656237785
Dateigröße
559 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gestalttheorie, phänomenologie, einfluss, lernprozesse
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Sozialpädagogin Viktoria Wloka (Autor:in), 2012, Gestalttheorie, Phänomenologie und der Einfluss auf kindliche Lernprozesse , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197461

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