Kopf- versus Bauchentscheidungen bei Jüngeren und Älteren: Der Einfluss simpler und komplexer Entscheidungsaufgaben


Masterarbeit, 2011

113 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Entscheidungsfindung und Entscheidungsarten
2.1 Entscheiden und Entscheidungssituationen
2.1.1 Simple Entscheidungssituationen
2.1.2 Komplexe Entscheidungssituationen
2.2 Bewusstes Denken
2.2.1 Arbeitsweise des bewussten Denkens
2.2.2 Bewusste Denk- und Entscheidungsstrategien
2.2.2.1 Lexikografische Strategie
2.2.2.2 Satisficing
2.2.2.3 Gewichtete Additive Strategie
2.3 Unbewusstes Denken
2.3.1 Arbeitsweise des unbewussten Denkens
2.3.2 Unbewusstes Denken mit Hilfe von Heuristiken
2.3.2.1 Rekognitionsheuristik
2.3.2.2 Take-the-Best-Heuristik
2.3.3 Theorie des unbewussten Denkens
2.3.3.1 Prinzip des unbewussten Denkens
2.3.3.2 Kapazitätsprinzip
2.3.3.3 Bottom-Up- versus Top-Down-Prinzip
2.3.3.4 Gewichtungsprinzip
2.3.3.5 Regelprinzip
2.3.3.6 Annäherungs- versus Abweichungsprinzip
2.3.4 Inkubationseffekt
2.3.5 Effekt des Nachdenkens ohne Aufmerksamkeit
2.4 Bewusstes versus unbewusstes Denken

3 Entscheidungsfindung im Alter
3.1 Kognitive Entwicklung im Alter
3.1.1 Kognitive Ressourcen älterer Menschen
3.1.2 Veränderung der Gedächtnisleistung im Alter
3.1.3 Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit älterer Menschen
3.2 Einfluss des Alterns auf Entscheidungen und Entscheidungsstrategien

4 Stand der Forschung

5 Hypothesen und Fragestellungen
5.1 Hypothesen zum Komplexitätsgrad und der Denkart beim Entscheiden
5.2 Hypothesen zu Altersunterschieden bei der Entscheidungsfindung

6 Empirischer Teil
6.1 Methode
6.1.1 Versuchsplan
6.1.2 Erhebungsinstrument
6.1.3 Material
6.1.3.1 Erstellung des Gedächtnisspannentests
6.1.3.2 Erstellung der Wohnungszettel
6.1.3.3 Erstellung der Anagrammaufgabe
6.2 Durchführung
6.3 Stichprobe
6.4 Statistische Auswertung
6.5 Ergebnisse
6.5.1 Deskriptive Auswertung
6.5.2 Hypothesenbezogene Auswertung
6.5.2.1 Ergebnisse zur Denkart und dem Komplexitätsgrad von
Entscheidungen
6.5.2.2 Ergebnisse zum Alterseinfluss auf die Gedächtnisspanne
6.5.2.3 Ergebnisse zu Altersunterschieden bei der Entscheidungsfindung
6.6 Weiterführende Auswertungen

7 Diskussion
7.1 Interpretation der Ergebnisse
7.1.1 Interpretation der hypothesenbezogenen Ergebnisse
7.1.1.1 Interpretation der Ergebnisse zum Komplexitätsgrad und zur Denkart
7.1.1.2 Interpretation der Ergebnisse zu Altersunterschieden beim
Entscheiden
7.1.2 Interpretation der weiteren Ergebnisse
7.3 Theoretische Einordnung der Befunde
7.4 Kritische Reflexion der Methodik der Untersuchung
7.5 Weiterer Forschungsbedarf

8 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Darstellung der Funktionsweise von Bauchgefühlen

Abb. 2: Fluss-Diagramm der Take-the-Best-Heuristik

Abb. 3: Beziehung zwischen Komplexitätsgrad und Qualität von Entscheidungen je nach Denkart

Abb. 4: Prozentsatz der Versuchsteilnehmer, die das attraktivste Auto wählten

Abb. 5: Häufigkeit der Aufschubentscheidungen je nach Altersgruppe und emotionaler Kompromissbereitschafts-Bedingung

Abb. 6: Mittelwerte der Attraktivitätsdifferenz nach Komplexitätsgrad und Denkart

Abb. 7: Darstellung der Regression des Alters auf die Fehleranzahl im Gedächtnisspannentest

Abb. 8: Mittelwerte der Attraktivitätsdifferenz nach Komplexitätsgrad, Denkart und Alter

Abb. 9: Mittelwerte der Attraktivitätsdifferenz nach Komplexitätsgrad, Denkart und Gedächtnisleistung

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Darstellung des Versuchsaufbaus I

Tab. 2: Darstellung des Versuchsaufbaus II

Tab. 3: Darstellung der Mittelwerte und Standardabweichungen der Wohnungsbeurteilungen

Tab. 4: Mittelwerte und Standardabweichungen des direkten, bewussten und unbewussten Denkens bei der simplen Entscheidungsaufgabe

Tab. 5: Darstellung der Mittelwerte und Standardabweichungen des direkten, bewussten und unbewussten Denkens bei der komplexen Entscheidungsaufgabe

Tab. 6: Mittelwerte und Standardabweichungen (Denkart x Komplexitätsgrad)

Tab. 7: Mittelwerte und Standardabweichungen der jüngeren Probanden (Denkart x Komplexitätsgrad x Alter)

Tab. 8: Mittelwerte und Standardabweichungen der älteren Probanden (Denkart x Komplexitätsgrad x Alter)

Tab. 9: Mittelwerte und Standardabweichungen der gedächtnisstärkeren Probanden (Denkart x Komplexitätsgrad x Fehleranzahl)

Tab. 10: Mittelwerte und Standardabweichungen der gedächtnisschwächeren Probanden (Denkart x Komplexitätsgrad x Fehleranzahl)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Wer lange bedenkt, der wählt nicht immer das Beste.“ (Goethe, 1879, S. 120).Dieser Aphorismus wird dem Dichter Johann Wolfgang von Goethe zugeschrieben und im Lichte dessen soll die gesamte vorliegende Arbeit betrachtet werden.

Menschen stehen täglich der Herausforderung gegenüber, mehr oder minder komplexe Entscheidungen in unterschiedlichen Lebenssituationen zu treffen. Sei es eine Wahlentscheidung im Supermarkt über verschiedene Zahncremesorten oder Müsliriegel, oder aber Entscheidungssituationen mit vielen zu berücksichtigen Aspekten, z.B. bei einem Haus- oder Autokauf. Diese Urteile sind vielschichtig und beinhalten unterschiedliche Elemente. Es stellt sich die Frage, auf welche Weise solche Entscheidungen getroffen werden sollten. Eine Volksweisheit, die seit jeher von Lehrern und Eltern gestützt wird, besagt, dass man erst denken und dann handeln sollte. Demzufolge sollten Entscheidungen intensiv durchdacht werden, um diese rational begründen zu können. Der Mensch sollte sich im Sinne eines Homo Oeconomicus verhalten, der als Nutzenmaximierer zu berücksichtigende Alternativen rational abwägt und so zu optimalenErgebnissen gelangt. Demzufolge denken viele Menschen, dass man gerade bei komplexen, facettenreichen und teuren Entscheidungen gründlich und bewusst überlegen sollte, um eine gute und zufriedenstellende Entscheidung zu erreichen. Es herrscht der Glaube, dass ernsthaftes Grübeln über die einzelnen Optionen die Wahrscheinlichkeit zu einer optimalen Lösung zu gelangen, erhöht. Im Gegensatz hierzu sind viele gewillt, neue Handtücher ohne langes Nachdenken zu erwerben. Bei einer neuen Küche käme dies hingegen nicht in Frage.

Neuere Forschungen zeigen jedoch, dass es nicht immer sinnvoll ist, jegliche Entscheidungen bewusst und rational abzuwägen. Demzufolge sollte man auf seinen Bauch oder seine Intuition hören, da man gerade bei komplexen Entscheidungsaufgaben nicht alle Aspekte berücksichtigen und sinnvoll gewichten kann. Hierbei spielen Zeit-, Wissens- bzw. Informations-, aber auch kognitive Ressourcenmängel eine zentrale Rolle. Der Mensch ist demnach in komplexen – im Gegensatz zu simplen – Situationen nicht in der Lage, optimale Entscheidungen mithilfe gründlichen Grübelns und Nachdenkens zu treffen.

Entscheidungen, welcheeine Herausforderung darstellen, betreffen Personen jeden Alters, insbesondere ältere Menschen. Gerade ältere Personen haben viele, zum Teil folgenreiche Entscheidungen finanzieller und medizinischer Art, aber auch bzgl. ihres Rentendaseins zu treffen.Insbesondere in der heutigen Gesellschaft, in der ein Informationsüberfluss herrscht, ist die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen in jedem Alter fundamental. Unter Berücksichtigung des demografischen Wandels, der durch eine steigende Anzahlan älteren Menschen mit höheren Lebenserwartungen und dem gegenüber stehendengeringeren Geburtsraten gekennzeichnet ist, rückt das Entscheidungsverhalten älterer Personen in den Fokus neuerer Forschungen.

Diesem stark wachsenden demografischen Segment der älteren Menschen werden jedoch (neben Altersstereotypen) auch kognitive Rückgänge und Verschlechterungenzugeordnet. Eine langsamere Verarbeitung, weniger kognitive Ressourcen und schlechtere Gedächtnisleistungen lassen vermuten, dass Ältere, gerade bei komplexen Aspekten objektiv schlechtere Entscheidungen treffen als jüngere Menschen. Dies hätte wiederum Auswirkungen auf Kaufentscheidungen und auf die Beeinflussbarkeit derPersonen.

Die Fähigkeit Entscheidungen zu treffen ist eng verbunden mit der menschlichen Existenz und Unabhängigkeit während der gesamten Lebensspanne. Kompetenzen, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sind zentrale Begriffe, die im Alter noch mehr an Bedeutung gewinnen. Es gilt geistige Funktionen und damit auch die Lebensqualität der Menschen zu erhalten.

Die vorliegende Masterarbeit verbindet bewusste sowie unbewusste Denkprozesse hinsichtlich simpler sowie komplexer Entscheidungssituationen mit den Veränderungen der Entscheidungsfindung im Alter. Es handelt sich um Prozesse rund um das Denken, das Entscheiden und die Entscheidungsfindung, das Wählen und die Eindrucksbildung.

2 Entscheidungsfindungund Entscheidungsarten

Menschen haben, wie bereits eingangs erwähnt, tagtäglich Entscheidungen zu treffen. Diese können simpler oder komplexer Natur sein, wobei jede Option einen bestimmten Nutzen oder einen subjektiven Wertenthält, der von dieser Wahlmöglichkeit abhängt (Bettman, Luce & Payne, 1998). Jede Alternative ist mit spezifischen Kosten und Nutzen verbunden, woraus sich letztendlich ein Gesamtnutzenergibt. Es stellt sich jedoch die Frage, wie man zu einer Entscheidung gelangt. Normative Theorien stützen sich auf rationales Verhalten, um aus Sicht eines Nutzenmaximierers die beste Option zu wählen (Eysenck & Keane, 2005). Demzufolge steht bewusstes Grübeln im Vordergrund. Im Gegensatz zu einem rationalen Entscheider besteht andererseits die Möglichkeit unbewusst, d.h. mit dem Bauch oder der Intuition, zu entscheiden.

In den nachfolgenden Kapiteln werden das Entscheiden, zugehörige Situationen sowie bewusste und unbewusste Entscheidungsarten näher beleuchtet und damit verbundene Theorien betrachtet. Es werden Vor- und Nachteile dieser Denkarten dargestellt.

2.1 Entscheiden und Entscheidungssituationen

Das Entscheiden steht im engen Zusammenhang mit übergeordneten Denkprozessen. Bei diesen finden Schlussfolgerungen, aber auch weitere kognitive Prozesse statt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen (Salthouse, 2006).Es handelt sich um kognitive Vorgänge, z.B.im Rahmen der Beurteilung oder Wahl zwischen verschiedenen Alternativen (Maier, 2011).

Darüber hinaus können sich Entscheidungen auf eine Wahl, die zu treffen ist, beziehen, aber auch auf zu fassende Entschlüsse oder Urteile. Dabei werden Wahlentscheidungen gewisse Präferenzen und das Abwägen zwischen einzelnen Optionen zugesprochen. Bei Betrachtung der Entschlüsse ergeben sich damit zusammenhängende Aspekte des Willens oder der Willkür. Bei der Urteilsfindung sind Normen sowie Kontextbezüge inkludiert (Pritzlaff, 2006).Menschen haben im Laufe ihres Lebens viele Entscheidungen zu treffen, die mehr oder minder simpel oder komplex sind und deren Tragweite differiert. Nachfolgend werden simple und komplexe Entscheidungsarten skizziert, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit von Bedeutung sein werden.

2.1.1 Simple Entscheidungssituationen

Menschen werden nahezu täglich mit simplen Entscheidungsaufgaben konfrontiert. Sei es beim Einkauf im Supermarkt,bei der Wahl zwischen verschiedenen Marmeladen- oder Eiscremesorten und -marken oder bei der Entscheidung über die abendliche Freizeitgestaltung. Diese Entscheidungsobjekte können weniger kostspielig und damit weniger risikobehaftet bei Fehlentscheidungen sein als die komplexeren Entscheidungsalternativen und jeweils weniger Eigenschaften besitzen. Dennoch können selbst einfache Entscheidungsaufgaben viele Optionen enthalten, zwischen denen es abzuwägen gilt (Dijksterhuis, 2004; Dijksterhuis & Smith, 2005; Eysenck & Keane, 2005).

2.1.2 Komplexe Entscheidungssituationen

Bei komplexen Entscheidungen kann es sich um Entschlüsse handeln, deren Alternativen mit vielen Abwägungen das Für und Wider betreffend verbunden sind und deren Tragweite von durchaus größerer Bedeutung sein kann als die der simplen Entscheidungen. Hierbei sind kostenintensive Entscheidungen mit vielen abzuwägenden Eigenschaften zu nennen, wie es bei einem Auto- oder Hauskauf oder der Anschaffung einer Küche der Fall ist (Dijksterhuis, 2004; Diksterhuis & Nordgren, 2006).

Gerade bei Entscheidungen, von denen man selbst betroffen ist, z.B. ein Urlaub in Frankreich, Spanien oder Italien oder die Wahl zwischen den Seychellen und der Karibik, können schwierig sein. Hierbei spielen verschiedene Eigenschaften eine zentrale Rolle. Eine Urlaubsdestination ist womöglich mit besserem Wetter, die andere mit einer schöneren Landschaft verbunden. Die eine Alternative kann teurer sein, ist eventuell auch mit einer längeren Anreise verbunden, wohingegen die andere mit einem höheren Erholungsfaktor einhergeht.

2.2Bewusstes Denken

In den folgenden Kapiteln werden Eigenschaften der beiden Entscheidungsarten – des bewussten und unbewussten Denkens bzw. Entscheidens – erläutert. Hierbei haben das bewusste und unbewusste Denken unterschiedliche Eigenschaften und sind je nach Entscheidungssituation und Voraussetzungen zu bevorzugen.

Wenn man vor einer Entscheidung steht, ergeben sich unterschiedliche Möglichkeiten eine Wahl zu treffen. Es kann eine Münze geworfen werden, deren Ergebnis zufällig und nicht selbst getroffen ist und demzufolge man handeln kann. Zudem kann bewusst, d.h. intensiv und lange gegrübelt werden, oder man entscheidet unbewusst mit Hilfe des Bauchgefühls (Dijksterhuis & Nordgren, 2006).

Das bewusste Denken beinhaltet ein intensives Auseinandersetzen mit einem Entscheidungsproblem oder Urteil. Dieses wird vor allem dann bevorzugt, wenn komplexe (Entscheidungs-) Problematiken vorliegen; gemäß der Vorstellung vieler Menschen, dass diffizile Aspekte mit ebenso aufwändigen Strategien bewältigt werden sollten, um rationale Entscheidungen zu treffen (Gigerenzer, 2008; Newell, Lagnado & Shanks, 2007). Hierbei werden die Vor- und Nachteile verschiedener Entscheidungsalternativen betrachtet, in der Hoffnung die beste Lösung ausfindig zu machen (Wilson & Schooler, 1991). Dieses Vorgehen wird rationalen Entscheidern zugeordnet (Bettman, Luce &Payne, 1998). Die Art und Weise, wie bewusstes Denken bei der Entscheidungsfindung arbeitet, wird in den folgenden Kapiteln dargestellt.

2.2.1 Arbeitsweise des bewussten Denkens

Das bewusste Denken steht im engen Zusammenhang mit dem allgemeinen Begriff des Bewusstseins. Dieses besitzt die Fähigkeit Dinge wahrzunehmen und diese zu verbalisieren, eine genaue Definition dessen ist jedoch schwierig bzw. nicht eindeutig. (Dijksterhuis & Aarts, 2010).Sloman (1996) beschreibt das bewusste Denken als regelbasiertes System, welches einen logischen Inhalt sowie logische Variablen enthält. Dabei kann über Erfahrungen nachgedacht werden, um neben der Logik in einer zielgerichteten Art und Weise zu einem Ergebnis zu gelangen (Gladwell, 2007).

Das bewusste Denken umfasst Prozesse, die von Aufmerksamkeit bzgl. bestimmter Aspekte begleitet werden (Dijksterhuis & Aarts, 2010). Dabei ist die Aufmerksamkeit des Grübelns oder des sorgfältigen Überlegens auf ein vorliegendes Problem oder eine Aufgabegerichtet, mit der man sich beschäftigtund das bzw. die man bewusst wahrnimmt (Dijksterhuis, 2004; Dijksterhuis, Bos, Nordgren & van Baaren, 2006). Diese gedanklichen Prozesse sind zudem objekt- oder aufgabenbezogen und kognitiv oder affektiv. Das Objekt und die Aufgabe sind während des Denkens im Fokus bewusster Aufmerksamkeit (Dijksterhuis & Nordgren, 2006).Dabei ist die bewusste Aufmerksamkeit unerlässlich, was sich auch darin zeigt, dass man z.B. bezogen auf mathematische Aspekte ohne diese nicht rechnen kann (Dijksterhuis et al., 2006).

Laut Dijksterhuis und Nordgren (2006) würden Laien diese Art des Grübelns lediglich als Denken bezeichnen, z.B. auch beim Vergleichen verschiedener Alternativen, bspw. bei Urlaubszielen mit den Optionen Florida und Toskana. Hier könnte der Toskana bewusst gutes Essen sowie leckerer Wein zugeordnet werden. Darüber hinaus wird die bewusste Route als mühevoll bzw. aufwändig beschrieben. Diese aufwändigen Prozesse werden zudem bewusst durch das Individuum kontrolliert (Hasher & Zacks, 1979).

Diese bewusste Denkart erfolgt strategisch und systematisch (Sloman, 1996).Eine weitere Eigenschaft des bewussten Denkens zeigt sich in der Fokussiertheit und Konvergenz. Das bewusste Denken ist auf eine begrenzte Anzahl an Attributen fokussiert, was zu Lasten anderer Aspekte geht und ist dadurch nicht sehr umfassend. Das bewusste Denken arbeitet top-down, d.h. vom Abstrakten hin zum Speziellen, und verwendet Hinweise und Heuristiken. Das bewusste Denken kann mit einer Kathedrale verglichen werden, bei der ein längeres Betrachten des imposanten Äußeren dazu führt, dass man weniger Zeithat, das spektakuläre Innere zu sehen (Dijksterhuis & Meurs, 2006).

Baumeister, Masicampo und Vohs (2011) unterscheiden beim Bewusstsein zwischen zwei Formen bzw. Ebenen. Bei der unteren Ebene handelt es sich um das Bewusstsein bzw. die Wahrnehmung in seiner bzw. ihrer grundlegenden Form, über die alle Säugetiere verfügen. Das bewusste Denken im Sinne von Reflexion oder Nachdenken wird hingegen nur den Menschen zugeschrieben.

2.2.2 Bewusste Denk- und Entscheidungsstrategien

Nachfolgend werden verschiedene Strategien erläutert, die im Rahmen des bewussten Denkens zur Anwendung kommen können. Zu diesen zählen die Lexikografische Strategie, das Satisficing sowie die Gewichtete Additive Strategie. Eine Kombination der Strategien ist ebenfalls möglich (Bettman, Luce & Payne, 1998).

2.2.2.1 Lexikografische Strategie

Die Lexikografische Strategie ist eine einfache Möglichkeit (multidimensionale) Entscheidungen zu treffen. Hierbei werden unterschiedliche Eigenschaften der vorhandenen Wahloptionen betrachtet und anschließend wird die Alternative mit dem besten Wert bzgl. des wichtigsten Attributs gewählt (Bettman, Luce & Payne, 1998; Dijksterhuis & Nordgren, 2006; Stoddard & Fern, 2002; Tversky, Sattah & Slovic, 1988).Bezug nehmend auf das Entscheidungsproblem soll eine Unstimmigkeit bzgl. verschiedener Alternativen minimiert werden (Schmitt & Martignon, 2006). Es finden verschiedene Schritte der Informationsverarbeitung statt, bei denen z.B. hinsichtlich des Risikos der einzelnen Alternativen abgewogen wird (Tversky, Sattah & Slovic, 1988). Als Beispiel sei hier ein Hauskauf angeführt. Neben einer günstigen Lage, der Nähe zur Stadt und einem niedrigen Kaufpreis sei die Größe des Hauses die wichtigste Eigenschaft. Der Lexikografischen Strategie folgend würde das größte Haus ohne Berücksichtigung anderer Eigenschaften der einzelnen Wahlalternativen gekauft werden (Dijksterhuis & Nordgren, 2006). Es findet somit eine selektive Auswahl der Attribute statt und die Verarbeitung ist über verschiedene Alternativen hinweg konsistent (Bettman, Luce & Payne, 1998). Häufig wird jedoch als wichtigste Eigenschaft entweder die Qualität oder der Preis eines Objekts angeführt, um eine Entscheidung zu treffen. Sofern das Objekt besonders hochwertig sein soll, findet der Preis keine oder weniger Beachtung als die Qualität. Falls jedoch die günstigste Alternative im Vordergrund steht, rückt deren Qualität in den Hintergrund (Stoddard & Fern, 2002).Die Strategie folgt einer strengen Regel, die Alternative mit dem besten Wert auf der wichtigsten Dimension zu wählen, weshalb sie dem bewussten Denken zugeschrieben wird (Dijksterhuis & Nordgren, 2006).

Darüber hinaus ist es für Personen, auch innerhalb von Gruppenentscheidungen, kognitiv leichter auf diese Weise Entscheidungen zu treffen als Kompromisse hinsichtlich der Attributgewichtungen einzugehen, wodurch (innere) Konflikte vermieden werden und das Begründen oder Rechtfertigen einer Entscheidung möglich ist. Es muss lediglich ermittelt werden, welche Eigenschaft die wichtigste ist, um dann die Wahlalternative mit dem höchsten Wert bei dieser Eigenschaft zu finden (Stoddard & Fern, 2002).

2.2.2.2 Satisficing

Beim Satisficing, das unter Bedingungen begrenzter Zeit oder begrenzten Wissens zur Anwendung kommt, wird das erste Objekt gewählt, das einem Erwartungslevel entspricht (Gigrenzer & Goldstein, 1996).Hierbei werden die zur Wahl stehenden Alternativen nacheinander in der Reihenfolge, in welcher sie bei den Wahlmöglichkeiten erscheinen, untersucht (Bettman, Luce & Payne, 1998). Die zugehörigen Attribute einer Wahlalternative werden hierbei mit einem zuvor festgelegten Standard bzw. Wert verglichen. Wenn dieser Standard nicht erreicht wird, wird die Verarbeitung dieser Alternative beendet, d.h. sie wird nicht länger berücksichtigt und zurückgewiesen (Dijksterhuis & Nordgren, 2006; Bettman, Luce & Payne, 1998). Ein Beispiel für das Satisficing wäre die Wahl zwischen mehreren Mietwohnungen. Die Wunschwohnung sollte unbedingt einen Balkon besitzen; weshalb jegliche Wohnungen, die dieses Kriterium nicht erfüllen, sofort ausscheiden, ohne andere Aspekte zu berücksichtigen.

Wenn eine Wahlalternative den zuvor festgelegten Standard erreicht, wird diese gewählt. Man begnügt sich rasch mit der Alternative, die gerade gut genug ist (Dijkster-huis & Nordgren, 2006). Sofern entsprechend des genannten Beispiels eine Wohnung einen Balkon besäße, würde diese gewählt werden.

Die Strategie zur Entscheidungsfindung ist alternativenbasiert, selektiv und deren Verarbeitungsintensität ist unterschiedlich, je nach exakten Werten der Ausschlusskriterien (Bettman, Luce & Payne, 1998). Sie wird dem bewussten Denken zugeordnet, obwohl Dijksterhuis und Nordgren (2006) dies nicht eindeutig bejahen. Aufgrund der strengen Regel, dass eine Alternative zu einer Zeit betrachtet wird, wird diese Strategie dem bewussten Denken zugewiesen. Hinsichtlich der Akkuratheit im Beurteilen, ob eine Eigenschaft einem vorgegebenen Standard entspricht, steht das bewusste Denken ebenfalls im Vordergrund, allerdings hängt gutes Satisficing vom Setzen des richtigen Standards ab. Hierzu ist das Bewusstsein in der Lage, sofern dieser Richtwert leicht zu bestimmen und auszudrücken ist, z.B. ein Preis, der nicht überschritten werden sollte (Dijksterhuis & Nordgren, 2006).

2.2.2.3 Gewichtete Additive Strategie

Die Gewichtete Additive Strategie lässt sich als gegensätzlich zur Lexikografischen Methode beschreiben (Bettman, Luce & Payne, 1998). Es handelt sich um eine komplexe Art und Weise der Entscheidungsfindung, die als bewusst und beratend im Sinne einer Deliberation beschrieben werden kann und bei komplexen Problemstellungen als sinnvoll erachtet wird (Dijksterhuis & Nordgren, 2006; Payne, Samper, Bettman & Luce, 2008). Es wird angenommen, dass die Entscheidungsperson die Wichtigkeit aller Attribute der unterschiedlichen Optionen beurteilen und den Eigenschaften einen subjektiven Wert zuordnen kann (Bettman, Luce & Payne, 1998). Zunächst wird die Wichtigkeit verschiedener Eigenschaften beurteilt, was bei einer Entscheidung über ein Urlaubsziel der Kulturaspekt sein könnte. Sofern die Kultur eines Urlaubslandes als wichtig erachtet wird, wird jeder Wahlalternative, d.h. jedem Urlaubsziel, ein Wert bzgl. dieser Eigenschaft zugeordnet. Die Toskana könnte neben Andalusien und der Provence beispielsweise einen sehr hohen Wert erlangen, sofern der Betrachter diese Region als exzellent, was die Kultur betrifft, erachtet (Dijksterhuis & Nordgren, 2006).Hierbei wird jeweils eine Alternative zur gleichen Zeit beurteilt und deren Attribute für die entsprechende Option untersucht (Bettman, Luce & Payne, 1998). Die zur Verfügung stehende Informationwird hierbei bewusst verarbeitet (Payne et al., 2008). Nach dem Zuordnen der Werte zu den Eigenschaften der vorliegenden Optionen wird jeder subjektive Attributwert mit der zugehörigen Wichtigkeit multipliziert (Bettman, Luce & Payne, 1998). Bezugnehmend auf das Urlaubsbeispiel könnte die Toskana hinsichtlich des Kulturgesichtspunkts einen hohen Wert erhalten, bezüglich anderer Eigenschaften (Essen, Wein) ebenfalls und daher im Vergleich zu den anderen Zielregionen insgesamt einen sehr hohen Gesamtwert erzielen. Die Gesamtsumme ergibt sich aus der Addition der Einzelbewertungen aller Attribute einer jeden Option. Demzufolge erhält jede Wahlalternative eine Punktzahl, die deren Attraktivität widerspiegelt (Dijksterhuis & Nordgren, 2006). Dieser Strategie folgend würde eine Entscheidungsperson die Alternative mit dem höchsten Gesamtwert wählen (Bettman, Luce & Payne, 1998).Payne et al. (2008) betonen zudem, dass bei Entscheidungen, die Ungewissheiten enthalten, Ergebniswahrscheinlichkeiten berücksichtigt werden sollten.

Es handelt sich um eine ausführliche, konsistente und alternativenbasierte Strategie, die jedoch hohe Anforderungen an das Arbeitsgedächtnis eines Menschen und dessen mathematische Fähigkeiten stellt (Bettman, Luce & Payne, 1998). Dijksterhuis und Nordgren (2006) beschreiben diese Art der Entscheidungsfindung als ausgeklügelt und anspruchsvoll, jedoch aufgrund des enormen Aufwands oder der vielen zu berücksichtigen Aspekte sowie deren Beurteilung als unrealistisch. Dies führt dazu, dass diese Strategie nur selten zur Anwendung kommt.

2.3 Unbewusstes Denken

Neben langem Grübeln und Nachdenken über ein Entscheidungsproblem oder ein Urteil zum Finden rational begründbarer Ergebnisse erhalten Menschen ebenfalls häufig den Rat, erst einmal über die Dinge zu schlafen (Dijksterhuis & Aarts, 2010). Der Name impliziert bereits, dass unbewusste psychische Prozesse dem Menschen nicht bewusst sind (Dijksterhuis & Aarts, 2010). Zudem taucht diese Ahnung oder das Bauchgefühl plötzlich bewusst auf, man ist sich den dahinterliegenden Gründen nicht vollständig bewusst und dennoch bringt es den Menschen dazu, gemäß diesen Gefühlen zu handeln (Gigerenzer, 2008). Automatische bzw. schnell ablaufende Prozesse, die bei Tätigkeiten wie dem Auto- oder Fahrradfahren vonstatten gehen, stehen im Zusammenhang mit dieser Art und Weise des Denkens (Aarts & Dijksterhuis, 2000; Gladwell, 2007).

Dennoch stehen dem unbewussten, assoziativen Denken – auch Intuition, Ahnung, (Bauch-) Gefühl oder „Intelligenz ohne bewusstes Denken“ (Gigerenzer, 2008, S. 24f.) genannt – viele Personen skeptisch gegenüber, da diese Entscheidungen nicht oder nur schwer bzw. nur teilweise zu rechtfertigen sind. Darüber hinaus kann es sich auch aufgrund kultureller Hintergründe merkwürdig oder falsch anfühlen, wichtige Entscheidungen schnell aus dem Bauch heraus zu treffen, auch wenn bestimmten Berufsgruppen, wie z.B. Börsenmaklern oder Notärzten, nichts anderes übrig bleibt, als ihr weiteres Vorgehen auf diese Weise zu entscheiden. Des Weiteren dienen diese Bauchentscheidungen seit jeher dem Überleben der menschlichen Spezies, wenn man plötzlich einem großen Wildtier gegenüberstand und schnell entscheiden musste, ob es besser wäre zu kämpfen oder zu flüchten (Dijksterhuis, 2004; Gigerenzer, 2008, Sloman, 1996).

Konträr zu den Ansichten der Befürworter des bewussten Denkens in jeglichen Entscheidungssituationen heben verschiedene Forscher hervor, dass intensives Nachdenken über eine Entscheidung und das Abwägen zwischen Vor- und Nachteilen nicht ausschließlich zu guten und zufriedenstellenden Ergebnissen führt, sondern auch unbewusste Denkprozessezu guten Resultaten führen können (vgl. u.a. Dijksterhuis, 2004; Gigerenzer, 2008; Pocheptsova, Amir, Dhar & Baumeister, 2009).

2.3.1 Arbeitsweise des unbewussten Denkens

Das unbewusste bzw. assoziative Denken bezieht sich auf objekt- oder aufgabenbezogene affektive oder kognitive Prozesse und existiert neben dem bewussten, regelbasierten System. Es entsteht, während die bewusste Aufmerksamkeit auf ein anderes Objekt gerichtet ist (Dijksterhuis & Nordgren, 2006; Sloman, 1996). Die zugehörige Person nimmt die ablaufenden Prozesse bei dieser Art des Denkens nicht wahr, da die Wahrnehmung auch auf das zu betrachtende Problem bzw. die Entscheidungsaufgabe gerichtet sein kann (Dijksterhuis et al., 2006).

Die Botschaften des Unbewussten werden durch nicht sichtbare bzw. wahrnehmbare Kanäle geschickt und haben eine indirekte Wirkung zur Folge. Dies kann auch anhand physiologischer Veränderungen ersichtlich sein, z.B. an den Schweißdrüsen der Hände. Das menschliche Gehirn gelangt zu Schlussfolgerungen, ohne dass diese der Person direkt bewusst sind. Das Unbewusste geht dabei so vor, dass nach dem Erfassen der Situation wichtige Informationen selektiert werden, um das Wesentliche im Fokus zu haben. Die gesamte Situation beschreibt Gladwell (2007) damit, dass sie in „dünne Scheibchen“ (S. 40) geschnitten wird.

Unbewusste Denkprozesse können eine elementare Komponente eines Entscheidungsvorgangs und sogar ausschlaggebend für eine Entscheidung sein. Demzufolge ist bewusstes Denken nicht notwendig, um zu einer Entscheidung zu gelangen (Dijksterhuis & Aarts, 2010). Dijksterhuis (2004) stellt zudem fest, dass unbewusste Denkprozesse die Qualität von Entscheidungen verbessern können.

Gigerenzer (2008) betont, dass „ein Großteil unseres geistigen Lebens...“ unbewusst geschieht und auf Prozessen beruht, „...die nichts mit Logik zu tun haben: Bauchgefühle oder Intuitionen“ (Gigerenzer, 2008, S. 11). Auch Pocheptsova et al. (2009) heben dies hervor, da zwar viele Entscheidungen aus gründlichem Überlegen resultieren können, jedoch auch zahlreiche Urteile mühelos sind und durch intuitives Denken geleitet werden.Andererseits bedeutet die Tatsache, dass Menschen ohne das Bewusstsein nachdenken können nicht automatisch, dass keine Aufmerksamkeit benötigt wird (Dijksterhuis & Aarts, 2010).

Dijksterhuis und Aarts (2010) verdeutlichen die Funktionsweise unbewusster Prozesse anhand der menschlichen Sprache. Die Prozesse, die diese steuern, sind größtenteils unbewusst. Das Sprechen ist bewusst, aber die vorherige Suche nach Wörtern und weitere Prozesse geschehen unbewusst. Grammatikalische Regeln werden aufgedeckt und befolgt, ohne diese verbalisieren zu können. Auch tatsächliches Verhalten wird demnach gewählt, lange bevor man sich dessen bewusst ist. Erst die Handlung an sich wird einer Person bewusst, nachdem sie unbewusst entschieden hat etwas Bestimmtes zu tun.Als aktiver Prozess führt unbewusstes Denken darüber hinaus zu Ideen, die weniger zugänglich sind, aber deren Kreativitätsgrad hoch ist (Dijksterhuis & Meurs, 2006; Dijksterhuis & Nordgren, 2006; Sloman, 1996). Darüber hinaus kann diese Art des Denkens höchst adaptiv agieren, ist allerdings auch zielabhängig, d.h. es muss eine Zielinstruktion vorliegen, um zu guten Ergebnissen zu gelangen (siehe Kapitel4) (Bos, Dijksterhuis & van Baaren, 2008).

Gigerenzer (2008) erklärt die Funktionsweise von Bauchgefühlen wie folgt. Sie sind das erlebbare Ergebnis unbewusster Faustregeln, die für deren Entstehung verantwortlich sind. Auf die Heuristiken treffen Umweltstrukturen sowie evolvierte Fähigkeiten ein. Letztere sind zudem Bestandteil der Faustregeln und werden im Laufe des menschlichen Lebens entwickelt. Die Umweltstrukturen sind für das gute oder schlechte Funktionieren einer Faustregel ausschlaggebend. Anhand Abbildung 1 werden diese Aspekte veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Darstellung der Funktionsweise von Bauchgefühlen

(eigene Darstellung in Anlehnung an Gigerenzer, 2008, S. 57).

Unbewusste Denkprozesse sind durchaus vorteilhaft, können jedoch nicht alle Probleme lösen. Diese sind z.B. nicht in der Lage rechnerische Operationen durchzuführen und beispielsweise die Wurzel aus „225“ zu ziehen. Ein solches Vorgehen ist dem bewussten Denken vorbehalten (Dijksterhuis, 2004).Es kann jedoch noch nicht explizit definiert werden, was unbewusstes Denken genau ist und wie es funktioniert (Dijksterhuis & Nordgren, 2006).Aarts und Dijksterhuis (2000) betonen jedoch, dass umso mehr Raum für bewusst zu verarbeitende Dinge vorhanden ist, je mehr dem Unbewussten übertragen wird.Ein weiterer Bestandteil der unbewussten Verarbeitung und Entscheidungsfindung sind Heuristiken sowie Inkubationseffekte. Diese werden in den folgenden Kapiteln gesondert erläutert.

2.3.2Unbewusstes Denken mit Hilfe von Heuristiken

Heuristiken können Bestandteil des unbewussten Denkens sein. In der vorliegenden Arbeit wird auf die Rekognitions- und die Take-the-Best-Heuristik eingegangen, da diese im Zusammenhang mit unbewussten Denkprozessen in der Literatur vorzufinden sind. Sie zählen zu denschnellen und ökonomischen Heuristiken, mit Hilfe derer ebenso unmittelbare Entscheidungen ohne großen kognitiven Aufwand getroffen werden können(vgl.Gigerenzer & Goldstein, 1996; Gigerenzer, 2008; Schmitt & Martignon, 2006; Tversky & Kahnemann, 1973).

Diese Faustregelnerlauben ein schnelles Agieren, bei dem das Unbewusste die Fähigkeit besitzt zu wissen, welche dieser Regeln in einem bestimmten Kontext sinnvoll sind. Zudem wird ihnen zugeschrieben, der Auslöser für Bauchgefühle zu sein (Gigerenzer, 2008). Gigerenzer (2008) beschreibt die menschliche Intelligenz als „adaptive[n] Werkzeugkasten (...), der über genetisch, kulturell und individuell hervorgebrachte und übermittelte Faustregeln verfügt“ (Gigerenzer, 2008, S.28).Neben der Zuordnung von Heuristiken zum unbewussten Denken gibt es jedoch auch Forscher, die diese als eine bewusste Denkstrategie ansehen (vgl. u.a. Dijksterhuis & Nordgren, 2006).

2.3.2.1 Rekognitionsheuristik

Bei der Rekognitionsheuristik handelt es sich um eine Faustregel zur Entscheidungsfindung, die auf dem (Nicht-) Wiedererkennen eines Objekts basiert. Demzufolge genügt es, einen Aspekt als bekannt einzustufen, um im Rahmen einer Entscheidungsaufgabe eine Wahlalternative zu wählen oder andere Schlussfolgerungenabzuleiten (Gigerenzer & Goldstein, 1996; Hilbig, Pohl & Bröder, 2009; Newell & Fernandez, 2006). Die Rekognition dient als Prädiktor für die Zielvariable, wobei auf leicht zugängliche Informationen zurückgegriffen wird (Gigerenzer & Goldstein, 1996; Hilbig, Erdfelder & Pohl, 2011).

Diese Faustregel wird dem adaptiven Werkzeugkasten der menschlichen Urteils- und Entscheidungsfindung, der Heuristiken und Regeln enthält, zugeordnet.Er dient als Richtlinie für intuitive Beurteilungen – nicht nur zum Entscheiden, sondern auch zum Schlussfolgern (Gigerenzer & Selten, 2001; Gigerenzer, 2008). Dabei können Aussagen über die Entscheidungshäufigkeit eines bekannten Wahlobjekts gemacht werden, da die Rekognition dessen dazu führt, dass es im Vergleich zum unbekannten Aspekt häufiger gewählt wird und schnelle Entscheidungen getroffen werden können (Boyd, 2001; Hilbig & Pohl, 2009; Pohl, 2006).

Das Prinzip der Rekognitionsheuristik besagt, dass bei zwei Objekten, zwischen denen es sich zu entscheiden gilt, dieses zu wählen ist, welches wiedererkannt wird (Gigerenzer & Goldstein, 1996). Bei dem wiedererkannten Objekt wird geschlussfolgert, dass dieses von größerer Bedeutung ist (Gigerenzer, 2008). Vorteilhaft kann dieses Vorgehen sein, wenn vorhandene Ressourcen nur in begrenzter Zahl zur Verfügung stehen und wenn verschiedene Alternativen lexikografisch (vgl. Kapitel 2.2.2.1) verglichen werden (Schmitt & Martignon, 2006).

Gigerenzer und Goldstein (1996) unterteilen den Prozess des Urteilens mit Hilfe dieser Heuristik in fünf Schritte. Das Wiedererkennungsprinzip, das zunächst zur Anwendung kommt, entspricht dem im vorherigen Abschnitt erläuterten Prinzip; sofern eines von zwei Objekten erkannt wird, wird das wiedererkannte gewählt. Sofern der Person weder das eine, noch das andere bekannt erscheint, erfolgt die Wahl zufällig. Falls jedoch beide Objekte wiedererkannt werden, kommt der zweite Schritt zur Anwendung. Dieser beinhaltet die Suche nach Hinweisreizen, wobei für beide Objekte der höchste Gewichtungsreiz aus dem Gedächtnis abgerufen wird. Im dritten Schritt wird im Rahmen der Diskriminanzregel entschieden, inwiefern Unterschiede zwischen den beiden Objekten bestehen. Es gilt zu prüfen, ob eine Alternative einen positiven Unterschied erhält und die andere nicht. Der vierte Schritt (Hinweis-Substitutionsprinzip) besagt, dass die Suche beendet wird, wenn einer der Werte einen positiven Wert besitzt. Sofern dies nicht der Fall ist, kehrt man zu Schritt zwei zurück, um einen Wert zu identifizieren, der diskriminiert. Letztendlich wird im letzten Schritt die Wahlregel maximiert. Es wird das Objekt gewählt, welches einen positiven Wert besitzt. Sofern letztlich kein Wert diskriminiert, wird zufällig entschieden. Wenn beide Objekte wiedererkannt werden, wird nach den besten Hinweisergebnissen gesucht (Gigerenzer & Goldstein, 1996).

Gigerenzer (2008) verdeutlicht das Prinzip der Rekognitionsheuristik anhand eines Beispiels. Auf die Frage hin, welche Stadt mehr Einwohner besitzt, Detroit oder Milwaukee, entschieden sich ca. 40% der Studenten eines amerikanischen Collegekurses für die falsche Alternative, Milwaukee. Fast alle deutschen Studenten wählten Detroit. Da ein Teil der Studenten nur Detroit wiedererkannte, entschieden sie intuitiv bzw. mussten sich auf ihre Bauchgefühl verlassen. Das Wissen der amerikanischen Studenten war so umfangreich, d.h. sie wussten so viel über beide Städte, dass dieses ihr Urteil beeinträchtigte. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Unwissenheit von Vorteil sein kann. Zudem erwähnen Pohl (2006) sowie Gigerenzer, Goldstein und Hoffrage (2008)den Weniger-ist-mehr-Effekt, der besagt, dass man trotz geringen Wissens zu guten und auch besseren Ergebnissen gelangen kann als wenn viele Informationen vorhanden sind.

Darüber hinaus stellt Gigerenzer (2008) den Effekt der Rekognitionsheuristik anhand eines weiteren, umfangreicheren Beispiels eines Börsenspiels der Wirtschaftszeitschrift Capital dar. Hierbei konnten die Teilnehmer zwischen 50 internationalen Aktien wählen, um sie zu kaufen, zu halten oder zu verkaufen. Unter den Aktienpaketen der über 10.000 Teilnehmer, zu denen auch der Chefredakteur der Zeitschrift zählte, befand sich zudem ein Portfolio von besonderer Relevanz. Dieses wurde aus zehn Aktien, die von halb wissenden Passanten auf der Straße am häufigsten wiedererkannt worden waren, erstellt. Es zeigte sich, dass dieses Paket um knapp drei Prozent anstieg, wohingegen das des Chefredakteurs, der seine Entscheidungen mit Hilfe ausführlicher Informationen und Rechnungen traf, nahezu 19 Prozent verlor. Darüber hinaus gab es ein Aktienpaket, bestehend aus den zehn am wenigsten wiedererkannten Aktien aus Sicht der Passanten. Dieses zeigte nahezu genauso schlechte Ergebnisse wie das des Chefredakteurs.

Im Rahmen der Heuristik steht das Schlussfolgern über Zusammenhänge im Vordergrund, nicht lediglich das Wiedererkennen (Gigerenzer, 2008).Des Weiteren unterstreichen Gigerenzer, Goldstein und Hoffrage (2008), dass es sich bei der Rekognitionsheuristik nicht um ein Gedächtnisprozessmodell handelt, sondern diese vielmehr abbildet, wie Schlussfolgerungen aufgrund der Ergebnisse von Gedächtnisprozessen abgeleitet werden.Dennochist die Rekognitionsheuristik nur eine Strategie zur Entscheidungsfindung und es können auch weitere Informationen bzw. weiterführendes Wissen neben dem Wiedererkennen zusätzlich beeinflussend einwirken (Hilbig, Pohl & Bröder, 2009; Newell & Fernandez, 2006; Pachur & Hertwig, 2006).

2.3.2.2 Take-the-Best-Heuristik

Die Take-the-Best-Heuristik unterstützt Menschen beim Treffen von schnellen Entscheidungen oder hilft, wenn nur begrenzte Ressourcen verfügbar sind (Gigerenzer & Goldstein, 1996; Schmitt & Martignon, 2006). Mit ihrer Hilfe lässt sich verdeutlichen, wie aus einem einzigen Grund heraus ein Bauchgefühl resultiert, welches akkurater sein kann als diffizile Überlegungen (Gigerenzer, 2008).Der Leitsatz dieser Heuristik beruft sich darauf, bei intuitiven Entscheidungen das Beste zu nehmen und den übrigen Rest außer Acht zu lassen (Eysenck & Keane, 2005).Das übergeordnete Ziel dieser vereinfachten Annahme beruht darin, den Aspekt mit der höchsten Gültigkeit zu wählen, da daraus ein korrektes Urteil resultieren kann (Dougherty, Thomas & Franco-Watkins, 2008).

Die Heuristik besteht aus drei Elementen – der Such-, der Entscheidungs- und der Stoppregel. Zunächst findet die Suchregel Anwendung, bei der die einzelnen Aspekte (z.B. die Eigenschaften verschiedener Entscheidungsmöglichkeiten) nacheinander betrachtet, abgearbeitet und ihnen hohe oder niedrige Werte entsprechend der subjektiven Wichtigkeit zugeordnet werden. Die Suche wird gemäß der Stoppregel unterbrochen, sobald eine Option den eigenen Anforderungen genügt bzw. wenn eine Alternative eine Entscheidung ermöglicht. Es werden keine weiteren Informationen mehr zu Rate gezogen oder vorherige Optionen erneut betrachtet. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist, wird die nächste Option betrachtet, bis man zu einer Entscheidung gelangt. Dabei zählt der maximale Rangwert als bestes Ergebnis und es entsteht eine subjektive Rangordnung der Aspekte (Gigerenzer & Selten, 2001; Gigerenzer, 2008; Gigerenzer, Goldstein & Hoffrage, 2008). Die Entscheidung wird demzufolge auf Basis von nur einem Grund getroffen (Schmitt & Martignon, 2006). Die Vorgehensweise innerhalb der Take-the-Best-Heuristik wird anhand der nachfolgenden Abbildung veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Fluss-Diagramm der Take-the-Best-Heuristik

(Gigerenzer & Goldstein, 1996, S. 6).

Gigerenzer (2008) sowie Schmitt und Martignon (2006) betonen, dass diese Art der Entscheidungsfindung unter der Anwendung von Heuristiken auch bewusste Elementeim Sinne der Lexikografischen (Vergleichs-) Strategie(vgl. Kapitel 2.2.2.1)enthält. In Teilen kann sie dem Satisficing (vgl. Kapitel 2.2.2.2) zugeordnet werden, da das erstbeste Objekt gewählt wird, welches dem Erwartungslevel entspricht (Gigrenzer & Goldstein, 1996; Gigerenzer, 2008). Darüber hinaus können mit Hilfe dieser simplen Heuristik bessere Prognosen erstellt werden als mit einer aufwändigen Strategie (Gigerenzer, 2008).

Allerdings sollte man nicht immer und überall aufgrund von Heuristiken Entscheidungen treffen, die zwar logisch richtig erscheinen, jedoch auch irreführend sein können, wenn den Entscheidungsalternativen zugrunde liegende Informationen bzw. Annahmen des Modells nicht gleichzeitig hinterfragt werden (Dougherty, Thomas & Franco-Watkins, 2008).

2.3.3 Theorie des unbewussten Denkens

Die Theorie des unbewussten Denkens, deren tatsächlicher Name Unconscious Thought Theory (UTT) lautet, wurde von Dijksterhuis begründet (vgl. Dijksterhuis & Nordgren, 2006; Dijksterhuis & Meurs, 2006).Sie bezieht sich auf Aspekte menschlicherGedanken zur Entscheidungsfindung, Einstellungsformation und -änderung, Eindrucksbildung sowie zur Problemlösung und Kreativität. Auch hier wird zwischen bewusstem und unbewusstem Denken unterschieden, das mit Hilfe von sechs Prinzipien erläutert wird. Es wird jedoch nicht von zwei separaten Systemen ausgegangen, sondern eher von Prozessen.Darüber hinaus wird geschlussfolgert, dass bewusstes Denken bei simplen Angelegenheiten zu besseren Ergebnissen führt und unbewusste Gedanken bei komplexen Entscheidungsaufgaben. Dies widerspricht der Alltagsmeinung, dass bewusstes Grübeln immer zu positiven Ergebnissen führt.

Zunächst wird angenommen, dass Menschen die Freiheit besitzen zu wählen, ob sie bewusst, unbewusst oder gar nicht nachdenken. Dies führt zu den drei Routen der Theorie; der mühelosen Route, die kein Denken erfordert, der unbewussten Route, die zwar Zeit benötigt, aber relativ mühelos erfolgt, sowie der bewussten Route, die mühevoll ist. Hierbei wird das unbewusste Denken nicht als Arbeit des assoziativen Systems angesehen und bewusste Gedanken nicht ausschließlich regelbasierten Prozessen zugeordnet.Zudem wird das unbewusste Urteilen als aktive, generative und kreative Art des Denkens betrachtet (Dijksterhuis & Nordgren, 2008).Beginnend mit dem Prinzip des unbewussten Denkens werden die Eigenschaften der Theorie in den folgenden Kapiteln näher beleuchtet.

2.3.3.1 Prinzip des unbewussten Denkens

Das Prinzip des unbewussten Denkens postuliert, dass es zwei Arten des Denkens und der Entscheidungsfindung gibt, das bewusste und das unbewusste Denken. Diese verfügen über unterschiedliche Eigenschaften, welche sie je nach Situation und Umständen geeigneter oder weniger geeignet zum Entscheiden machen. Die Einzelheiten dieser Eigenschaften beziehen sich auf die zuvor genannten Aspekte. Auch hier wird betont, dass das Hauptunterscheidungsmerkmal zwischen bewusstem und unbewusstem Denken die Aufmerksamkeit ist, die bei ersterem auf das Entscheidungsobjekt gerichtet ist und sich bei unbewussten Entscheidungsfindungsprozessen an einem anderen Ort befindet (Dijksterhuis & Nordgren, 2006).

2.3.3.2 Kapazitätsprinzip

Das Kapazitätsprinzip bezieht sich auf die Kapazität des Bewusstseins bzw. der Informationsverarbeitung, welche begrenzt ist. Nachteile können sich hierbei z.B. ergeben, wenn es sich um große Informationsmengen handelt. Durch die begrenzte Verarbeitungskapazität wird verhindert, dass alle Informationen gleichzeitig berücksichtigt werden. Es wird daher nur eine Teilmenge aller Informationen beachtet. (Dijksterhuis, 2004). Zudem zeigt sich dies darin, dass sich Menschen nicht gleichzeitig auf zwei Aspekte konzentrieren können und dass die Grenze der kurzzeitigenMerkfähigkeit von Informationenbei rund sieben Einheiten plus / minus zwei liegt(Bettman, Luce & Payne, 1998; Dijksterhuis, 2004; Gigerenzer, 2008; Miller, 1956). Das Bewusstsein kann ca. 40 bis 60 Bits pro Sekunde verarbeiten, wobei das Lesen eines einzelnen Buchstaben bereits fünf Bits erfordert. Die Anzahl der Bits hängt zwar von der Erfahrung und Übung der Person sowie von der zu bewältigen Aufgabe ab, jedoch ist die Gesamtkapazität des Bewusstseins gering. Pocheptsova et al. (2009) sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem kognitiven Geizhals und davon, dass die Ressourcenerschöpfung dazu führt, dass Menschen zum Treffen von Entscheidungen einfachere Wege nutzen.

Darüber hinaus zieht das bewusste Denken nur eine Teilmenge aller möglichen Informationen in Betracht und wenn die Kapazität einem zu großen Druck (zu vielen Informationen) ausgesetzt ist, kann dies zu Lasten der Qualität einer Entscheidung gehen (Dijksterhuis, 2004; Dijksterhuis & Nordgren, 2006). Auch Wilson,Lisle, Schooler, Hodges, Klaarenund LaFleur (1993) betonen, dass die geringere Kapazität des bewussten Denkens zu schlechteren Entscheidungen und Urteilen führen kann. Da nur eine begrenzte Anzahl an Attributen berücksichtigt wird, geht dies auf Kosten der anderen, die z.B. nicht berücksichtigt werden. Solange die Kapazität jedoch reicht, um ein bestimmtes (Entscheidungs-) Problem zu behandeln, ist das bewusste Denken von Vorteil (Dijksterhuis, 2004). Dem Bewusstsein fällt es auch leicht, eine Entscheidung gegen eine Alternative zu treffen, wenn bei einer Entscheidungsaufgabe (z.B. Wohnungswahl) viele positive, aber nur ein negativer Aspekt, der ausschlaggebend ist, wie beispielsweise ein zu hoher Preis, vorliegen (Dijksterhuis, 2004).

Die Gesamtverarbeitungskapazität des Menschen, bestehend aus bewussten und unbewussten Prozessen, ist jedoch vergleichsweise groß, da sie bei rund 11.200.000 Bits liegt. Hierbei wird deutlich, welch ein großer Anteil der Gesamtbits dem unbewussten Denken zugeschrieben wird, dem im Gegensatz zum Bewusstsein kein Verarbeitungsproblem entgegensteht. Zudem kann es große Informationsmengen integrieren (Dijksterhuis, 2004; Dijksterhuis & Nordgren, 2006).

2.3.3.3 Bottom-Up- versus Top-Down-Prinzip

Das bewusste und das unbewusste Denken unterscheiden sich auch hinsichtlich der Verarbeitungsrichtung, was anhand des Bottom-Up- und Top-Down-Prinzips verdeutlicht wird. Das Bewusstsein arbeitet schematisch, genauen Regeln folgend und damit top-down von oben nach unten. Es beinhaltet strategische Gedankenprozesse, die hierarchisch sind (Sloman, 1996). Beim Nachdenken über ein Objekt verändert sich dessen Repräsentation im Gedächtnis. Sofern beispielsweise der Toskana leckeres Essen sowie guter Wein zugeordnet werden, erhält diese Destination eine positivere Beurteilung. Hierdurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit die Toskana zu wählen (Dijksterhuis & Nordgren, 2006). Das bewusste Denken wird zudem von Erwartungen und Schemata gelenkt. Sloman (1996) vergleicht diese Art des Denkens mit einem Architekten, der alles genau plant, analysiert und sich an exakte Regeln hält.

Das Unbewusste arbeitet hingegen aschematisch und bottom-up, d.h. von unten nach oben (Sloman, 1996). Die zugehörigen automatischen Prozesse besitzen keine Hierarchie und die Informationen zum Erreichen eines Gesamturteils werden langsam integriert (Sloman, 1996; Dijksterhuis & Nordgren, 2006). Sloman (1996) verdeutlicht dies anhand einer Metapher; das Unbewusste kann mit einem Archäologen verglichen werden. Dieser sucht an mehreren Stellen und ist nicht auf einen Punkt und bestimmte Regeln fixiert.

2.3.3.4 Gewichtungsprinzip

Das Gewichtungsprinzip bezieht sich auf das Gewichten verschiedener Eigenschaften der zur Wahl stehenden (Entscheidungs-) Alternativen.Das Unbewusste ist im Gegensatz zum Bewusstsein in der Lage, die relative Wichtigkeit von Attributen auf eine natürliche Weise zu gewichten (Dijksterhuis & Nordgren, 2006). Da dem bewussten Denken diese Fähigkeit vorenthalten ist bzw. dieses schlechtim Gewichten ist, kann es zu suboptimalen Gewichtungen kommen, da der natürliche Gewichtungsprozess gestört wird, d.h. die bewusste Betrachtung natürlicher Gewichtungsschemata behindert wird (Dijksterhuis & Nordgren, 2006; Wilson & Schooler, 1991; Wilson et al., 1993).Dijksterhuis und Nordgren (2006) betonen, dass Entscheidungen und deren Qualität subjektiv sind und demnach auch das Gewichten subjektiv zu betrachten ist.

2.3.3.5 Regelprinzip

Das Regelprinzip ist das fünfte der sechs Prinzipien der Theorie des unbewussten Denkens. Hierbei geht es darum, inwiefern das bewusste und das unbewusste Denken strikten Regeln folgen bzw. dazu in der Lage sind ihnen folgen zukönnen.Dabeibeherrscht es das bewusste Denken präzise zu sein und strikten Regeln zufolgen. Aufgrund dieser Fähigkeit ist das bewusste Denken präziser bei der Entscheidungsfindung, weil es akkurat selbstgenerierte Regeln befolgen kann, z.B. bei einer Kaufentscheidung nicht über einen bestimmten Preis hinauszugehen (Dijksterhuis et al., 2006).

Das unbewusste Denken hingegen istnicht derart akkurat und agiert nicht so regelkonform wie das bewusste Denken; es liefert lediglich grobe Schätzungen. Beispielhaft sei hier die Berechnung von 13 mal 14 angeführt. Um das Ergebnis ermitteln zu können, benötigt man eine gewisse Zeit des Nachdenkens und kann die Rechenaufgabe nicht mit Hilfe unbewusster Gedanken lösen. Ein bewusster Aufwand ist unverzichtbar. Ein elementarer Grund dafür, dass das Unbewusste nicht rechnen kann bzw. keine mathematischen Fähigkeiten besitzt, liegt daran, dass es keinen Regeln folgen kann und eher assoziativ arbeitet (Dijksterhuis & Nordgren, 2006). Das bewusste Denken wird auch als regelbasiertes Denken oder Entscheiden bezeichnet, wohingegen dem Unbewussten der Begriff des assoziativen Denkens zuteilwird. Das bewusste, regelbasierte Denken kann logische Probleme behandeln (Claxton, 1997).

2.3.3.6 Annäherungs- versus Abweichungsprinzip

Das Annäherungs- und das Abweichungsprinzip beziehen sich auf die Konvergenz bzw. Divergenz der beiden Denkarten. Das bewusste Denken sowie die Gedächtnissuche lassen sich als fokussiert und konvergent beschreiben, die Gedanken führen zu einem gemeinsamen Endpunkt. Da das bewusste Denken strengen Regeln folgen kann (vgl. Kapitel 2.2.1), arbeitet es systematisch und deduktiv und nähert sich allmählich z.B. einer Entscheidung an.

Das unbewusste Denken verläuft divergent, d.h. das Auseinanderstreben der Gedanken steht hier im Mittelpunkt. Es folgt keinen rigiden Regeln, wodurch kreative Prozesse und das Finden von ungewöhnlichen Ideen in Gang gebracht werden. Aus diesem Grund wird das unbewusste Denken häufig mit Kreativitätsaspekten in Zusammenhang gebracht (Dijksterhuis & Nordgren, 2006).

2.3.4 Inkubationseffekt

Der Inkubationseffekt bezieht sich auf das Beiseitelegen von Problemen oder Entscheidungsalternativen, deren Lösung nach einer Weile der Ablenkung plötzlich im Bewusstsein auftritt und die Entscheidungsperson weiß, wie sie sich zu entscheiden hat. Dabei muss es sich nicht um ein schwerwiegendes Problem handeln, sondern es kann auch nur ein Wort oder einen Namen betreffen, das bzw. der einem zwar auf der Zunge liegt und man weiß, dass man es bzw. ihn kennt, aber einem nicht einfällt (Dijksterhuis & van Olden, 2006).

Zunächst versucht die Person bewusst eine Lösung zu finden; diese bewussten Prozesse sind jedoch unproduktiv und bringen die- oder denjenigen nicht weiter. Diese Bemühungen können vergeblich sein, weil die Person womöglich mit falschen Hinweisreizen, Heuristiken und / oder falschen Informationen versucht, den Entscheidungsprozess voran zu treiben und daher auf einen falschen Lösungspfad fixiert ist (Bos, Dijksterhuis & van Baaren, 2008; Kohn & Smith, 2009).

Das Problem wird bewusst beiseitegelegt, um sich anderen Aufgaben zu widmen (Eysenck & Keane, 2005). Es handelt sich um einen zeitlichen Abschnitt, in dem man auf bewusste Gedanken verzichtet bzw. diese zurückhält, während das Unbewusste arbeitet (Dijksterhuis & Meurs, 2006). Die Inkubationsphase wird eingeleitet, sobald die Person den Versuch, das Problem zu lösen oder die Entscheidungsalternative zu finden beendet. Eine festgelegte Zeitspanne gibt es hierbei nicht, Inkubation kann wenige Minuten bis mehrere Jahre andauern (Hélie & Sun, 2010). Dem Unbewussten wird dieAufgabe übertragen,Lösungen zu erarbeiten (Dijksterhuis, 2004).Das Unbewusste denkt nach – ihm wird ein aktiver Prozess zugeschrieben, und nach einer Weile fühlt es sich so an, als würde die Antwort plötzlich im Bewusstsein präsentiert werden (Dijksterhuis & Meurs, 2006). Die Erkenntnis, die man zuvor auf bewusste Weise zu finden versuchte, blitzt unerwartet im Verstand auf (Sio & Ormerod, 2009).

Durch die Distraktion betrachtet man das (Entscheidungs-) Problem auf eine neue Weise und verleiht ihm ein frisches Aussehen (Dijksterhuis & Nordgren, 2006). Dies bedeutet, dass falsche Denkansätze weniger zugänglich sind oder sogar ganz vergessen werden, um einen unvoreingenommenen, neuen Start bei der Betrachtung zu ermöglichen (Bos, Dijksterhuis & van Baaren, 2008). Dijksterhuis (2004) bezeichnet dies als eine Veränderung des Mental Set, d.h. der gedanklichen Zusammensetzung oder Repräsentation der Entscheidungsobjekte. Das „Set Shifting“ (Dijksterhuis & Nordgren, 2006, S. 102) wurde ursprünglich als alleinige Erklärung der positiven Effekte von Distraktion herangezogen. Dem Unbewussten wurden keine Denkprozesse zugeschrieben, sondern lediglich die Ablenkung wurde als lösungsinduzierend angesehen und vorherige falsche Denkrichtungen hierdurch korrigiert (Dijksterhuis, 2004; Dijksterhuis & Norgren, 2006).Der Inkubationseffekt an sich ist das Ergebnis unbewusster Ideengenerierung und hängt von der Länge der Inkubationsdauer, der Vorbereitungszeit und der Art des Problems ab (Ellwood, Pallier, Snyder & Gallate, 2009; Sio & Ormerod, 2009). Zudem erklären Siound Ormerod (2009), dass Aufgaben mit geringerem kognitiven Aufwand zu stärkeren Inkubationseffekten führen.

Beispielhaft sei hier eine Entscheidung zwischen zwei Urlaubszielen, Spanien und Italien, angeführt. Diese bzw. deren Eigenschaften werden zunächst miteinander verglichen und dennoch weiß die Entscheidungsperson nicht, welche der Alternativen sie wählen soll. Die Entscheidungsaufgabe wird anschließend beiseitegelegt und für eine Weile aus dem Bewusstsein gestrichen. Plötzlich taucht der Gedanke im Verstand auf, dass es die Wunschdestination Italien sein wird. Hierbei ist der Gedanke selbst bewusst, aber der Übergang vom Unentschlossensein hin zur Entscheidung bzw. Präferenz für Italien ist das Ergebnis unbewusster Denkprozesse (Dijksterhuis, 2004).

Das Konzept der Inkubation ist kontraintuitiv, da es der allgemeinen Meinung widerspricht, kontinuierlich an der Lösung eines Problems zu arbeitenstatt Pausen einzulegen, um ein Ergebnis zu erhalten (Kohn & Smith, 2009). Stattdessen sind Pausen zur Bearbeitung andersartiger Aufgaben förderlicher zur Ideengenerierung als die Beschäftigung mit ähnlichen Aufgaben oder dem Versuch kontinuierlich an dem Problem zu arbeiten (Ellwood, Pallier, Snyder & Gallate, 2009). Somit können bewusste Interventionen, in denen man das Unbewusste arbeiten lässt, sehr effizient sein (Dijksterhuis, 2004).

2.3.5 Effekt des Nachdenkens ohne Aufmerksamkeit

Der Deliberation Without Attention Effect bzw.der Effekt des Nachdenkens ohne Aufmerksamkeit beschreibt das Verhalten von bewussten und unbewussten Gedanken im Zusammenhang mit simplen und komplexen Entscheidungsaufgaben. Seine Inhalte lassen sich von den sechs Prinzipien der Theorie des unbewussten Denkens (vgl. Kapitel 2.3.3) ableiten und machen Aussagen über die Qualität einer Entscheidung je nach Komplexitätsgrad des Entscheidungsproblems und der Art des Denkens (Dijksterhuis & Nordgren, 2006).

Der Grad der Komplexität einer Entscheidungsaufgabe wird als Menge der Informationen, die eine Entscheidung beinhaltet, definiert. In Anlehnung an die Beschreibung der bereits genannten simplen sowie komplexen Entscheidungssituationen (vgl. Kapitel 2.1) sind diese im Rahmen der Theorie wiederzufinden. Demnach werden Entscheidungen, bei denen wenige Aspekte ausschlaggebend sind, als einfach bezeichnet (z.B. Zahnpasta, Marmelade, Topflappen). Dem gegenüber stehen schwierige Aufgaben, die viele wichtige Aspekte beinhalten, wie es bei Häusern oder Autos der Fallist (Dijksterhuis et al., 2006).

Bezug nehmend auf das Kapazitätsprinzip (vgl. Kapitel 2.3.3.2) kann das bewusste Denken nur eine Teilmenge aller zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigen bzw. verarbeiten (Dijksterhuis, 2004). Sofern in einem Entscheidungsprozess lediglich eine geringe Informationsmenge zu integrieren ist, ist eine vollständige Bearbeitung möglich. Hieraus resultierende Ergebnisse, d.h. Urteile oder Entscheidungen können aufgrund der Präzision als gut und richtig angesehen und bewertet werden. Falls der Umfang einer Entscheidungssituation komplexer wird und deutlich mehr oder schwerwiegendere Aspekte beinhaltet, kann das Bewusstsein aufgrund der geringen Kapazität sukzessivestockenund Schwierigkeiten haben, eine optimale Entscheidung abzuleiten. Die Qualität unbewusst getroffener Entscheidungen ist hingegen unabhängig von der Komplexität des Problems.

Gemäß dem Regelprinzip (vgl. Kapitel 2.3.3.5) ist das Bewusstsein präzise und kann strikten Regeln folgen. Vorausgesetzt die Kapazität wird nicht überanstrengt, d.h. nur eine geringe Menge an Informationen ist involviert, kann die bewusste Deliberation präzise und regelkonform arbeiten und so zu Entscheidungen von hoher Qualität führen. Diese können besser sein als die des unbewussten Nachdenkens, da letzteres keinen Regeln folgen kann und einen Präzisionsmangel aufweist (Dijksterhuis & Nordgren, 2006; Dijksterhuis et al., 2006).

Das Bottom-Up- versus Top-Down-Prinzip (vgl. Kapitel 2.3.3.3)besagt, dass das bewusste Denken hierarchisch top-down arbeitet, wohingegen unbewusste Denkprozesse Informationen bottom-up verarbeiten. Personen integrieren langsam große Informationsmengen bei unbewussten Denkprozessen zum Bilden relativ stabiler Gesamturteile. (Dijksterhuis & Nordgren, 2006; Salthouse, 1996).

Die Hypothese, die hinter dem Effekt der Deliberation ohne Aufmerksamkeit steht, bezieht die zuvor genannten Aspekte ein, und besagt, dass Entscheidungen mit Hilfe unbewusster Gedanken grundsätzlich relativ gut sind, da z.B. keine Rücksicht auf den Komplexitätsgrad genommen werden muss. Bezogen auf schwierige Entscheidungen ist die unbewusste der bewussten Entscheidungsfindung zu bevorzugen, wohingegen simple Entscheidungen zu besseren Ergebnissen führen, wenn sie bewusst getroffen werden. Dies wird anhand der folgenden Abbildung verdeutlicht. Es werden die Qualität der Entscheidung, der Komplexitätsgrad eines Entscheidungsproblems, d.h. die Menge der Informationen, und die Art des Denkens (bewusst vs. unbewusst) dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Beziehung zwischen Komplexitätsgrad und Qualität von Entscheidungen je nach Denkart

(eigene Darstellung in Anlehnung an Dijksterhuis & Nordgren, 2006, S. 103).

2.4 Bewusstes versus unbewusstes Denken

Nach Betrachtung der vorherigen Kapitel stellt sich die Frage, welche der beiden Denkarten, das bewusste oder das unbewusste Denken, der bessere Entscheidungsfinder ist. Die Beantwortung dieses Aspekts lässt sich jedoch nicht ohne Einschränkung allgemeingültig beantworten (Dijksterhuis, 2004). Es kommt auf die Entscheidungsaufgabe, den zugehörigen Kontext und weitere Aspekte an, bei denen entweder bewusste oder unbewusste Entscheidungsstrategien vorteilhafter sind. Im Folgenden wird auf die wichtigsten Merkmale der beiden Denkarten eingegangen und es erfolgt eine Gegenüberstellung dieser.

[...]

Ende der Leseprobe aus 113 Seiten

Details

Titel
Kopf- versus Bauchentscheidungen bei Jüngeren und Älteren: Der Einfluss simpler und komplexer Entscheidungsaufgaben
Hochschule
Hochschule Fresenius; Köln
Veranstaltung
Wirtschaftspsychologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
113
Katalognummer
V197404
ISBN (eBook)
9783656233916
ISBN (Buch)
9783656234487
Dateigröße
995 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entscheidung, bewusst, unbewusst, Kopfentscheidung, Bauchentscheidung, Ältere, Jüngere, denken
Arbeit zitieren
Kathrin Schütz (Autor:in), 2011, Kopf- versus Bauchentscheidungen bei Jüngeren und Älteren: Der Einfluss simpler und komplexer Entscheidungsaufgaben, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197404

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