Vom AKT zum TASKO - Die Weiterentwicklung eines Konzentrations- und Arbeitsstiltrainings für Kinder im höheren Grundschulalter


Masterarbeit, 2011

80 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINFÜHRUNG

2 DAS AUFMERKSAMKEITS-KOMPONENTEN-TRAINING (AKT)
2.1 Theoretische Grundlagen des Trainingskonzepts
2.1.1 Das Aufmerksamkeitsmodell
2.1.2 Das Störungsmodell
2.2 Die Trainingsinhalte des AKT
2.2.1 Zielgruppe und Aufbau des Programms
2.2.2 Die einzelnen Trainingsbausteine im Überblick

3 GEDÄCHTNISTHEORETISCHE GRUNDLAGEN
3.1 Das Drei-Speicher-Modell
3.2 Speichersysteme des Langzeitgedächtnisses
3.3 Netzwerk-Modelle
3.3.1 Die Entwicklung theoretischer Grundideen
3.3.2Die Bedeutung der Kontexteinbindung am Beispiel der infantilen Amnesie
3.3.3 Die Bedeutung von Bildern für das Erinnern
3.4 Neuroanatomische Grundlagen des Gedächtnisses

4 VOM AKT ZUM TRAINING FÜR ARBEITSSTRATEGIEN UND KONZENTARTION (TASKO)
4.1 Allgemeine konzeptuelle Veränderungen
4.1.1 Modifikation der Leitschritte zum Lösen einer Aufgabe
4.1.2Die Aufnahme lernmethodischer Elemente
4.1.3 Vom Einzel- zum Gruppentraining
4.1.3.1 Vorzüge eines Gruppensettings in der Therapie von Aufmerksamkeitsstörungen
4.1.3.2 Die Gestaltung des Gruppentrainings in Verbindung mit dem TASKO
4.2 Vermittlung von Gedächtnisstrategien
4.3 Ausweitung der Trainingsinhalte auf das häusliche Umfeld
4.4 Erhöhung der Verständlichkeit und Handhabbarkeit der Materialien

5 FALLDARSTELLUNG ZUR DURCHFÜHRUNG DES TASKO AUS LERNTHERAPEUTISCHER PERSPEKTIVE
5.1 Der diagnostische Prozess
5.1.1 Entwicklungsanamnese
5.1.2Schulzeugnisse
5.1.3Aktueller Behandlungsanlass
5.1.4 Leistungstestdiagnostik
5.1.5 Darstellung und Interpretation der diagnostischen Informationen im Lernstrukturmodell zur Begründung der wesentlichen Therapieziele
5.2 Der therapeutische Prozess
5.2.1 Allgemeine Rahmenbedingungen zur Durchführung des TASKO
5.2.2 Reflektion der Durchführung der einzelnen Trainingsbausteine
5.2.3 Wirksamkeit der Trainingsmaßnahmen des TASKO
5.2.4 Abschließende Gedanken zum Fall von Benny

6 RESÜMEE UND AUSBLICK

7 LITERATURVERZEICHNIS

8 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN UND TABELLEN

9 ANHANG

1 EINFÜHRUNG

Die vorliegende Arbeit knüpft an meine im Jahr 2000 erstellte Diplomarbeit im Studiengang Psychologie an, im Zuge derer ichdas Aufmerksamkeits-Komponenten-Training (AKT), ein Konzentrationstraining für Kinder, entwickelte. Die Erfahrungen während einer ersten Erprobung der Programminhalte und kritischen Reflektion des Trainingsverlaufs in der Praxisgaben Anlass zur Überarbeitung und Weiterentwicklung des Programms.Im Ergebnis eines mehrmonatigen Arbeitsprozesses, der einer umfassenden Evaluationsstudie voraus gehen sollte, entstand mit dem Training für Arbeitsstrategien und Konzentration (TASKO) ein optimiertes und inhaltlich erweitertesTrainingsmaterial. Den organisatorischenRahmen sowie die zeitlichen Kapazitäten für diesesProjekt stellte eine im ambulant-sozialpsychiatrischen Kontext durchgeführte Diplomarbeit (Kühn, 2011), die ich im vergangenen Jahr betreuen und begleiten durfte.Meine im Weiterbildungsstudiengang „Integrative Lerntherapie“parallel erworbenen Fachkenntnisse ermöglichten mir eine stärker differenzierte Perspektive bei allen theoretischen Überlegungen und konkreten Gestaltungsentwürfen, die die Neuaufbereitung des Programms maßgebend geprägt haben.

Im Folgenden sollen nun die Leitgedanken, die zur Modifikation des AKT und zur Entstehung des TASKO führten, dargestellt und begründet werden. Ferner möchte ich aufgrund der inhaltlichen Relevanz, aber auch aus persönlichem Interessediese Arbeit zum Anlass nehmen, um mich intensiver mit den aktuellen Befunden der Gedächtnisforschung auseinander zu setzen. Die abschließende Präsentation eines Fallbeispiels aus meiner praktischen lerntherapeutischen Tätigkeit soll der Reflektion erster Erfahrungenbei der Durchführung der überarbeiteten Trainingsversion dienen. Dabei erscheint es wenig angemessen, von einer exemplarischen Trainingsgestaltung oder gar -gruppe zu sprechen, da trotz der weitgehend standardisierten Durchführungsbedingungen jede Gruppe aufgrund der Individualität ihrer Teilnehmer besondere Ressourcen und Herausforderungen mit sich bringt, die jedem Trainingsdurchgang einen einzigartigen Verlauf verleihen.

An dieser Stelle danke ich Frau Annette Kühn sowie Herrn Christian Gerhardt, ohne deren umfassende und zuverlässige praktischeZuarbeit das neue Material nie entstanden wäre. Frau Kühn bewies zudem ein hohes Maß an Ideenreichtum und Kreativität beim Entwurf und der Ausgestaltung einer Vielzahl an Hausaufträgen, die das überarbeitete Trainingsprogramm ergänzen.Die von ihr organisierte Evaluationsstudie zu den Trainingseffekten führte sie in einem für eine Diplomarbeit außergewöhnlichen Umfang sowie auf einem hohen methodischen Niveau. Ein Großteil der ansprechenden Illustrationen des Materials geht auf das zeichnerische Talent von Frau Gisela Willenberg zurück, die jedes Wunschmotiv einzigartig und maßgeschneidert anzufertigen vermochte. Ebenfalls danken möchte ich der Praxisgemeinschaft C.-A. Demisch/C. Beer-Demisch für das entgegengebrachte Vertrauen in meine Arbeit mit ihren Patienten sowie die Unterstützung des Trainingsprojekts durch die zur Verfügung gestellten institutionellen, zeitlichen und materiellen Ressourcen.

2 DAS AUFMERKSAMKEITS-KOMPONENTEN-TRAINING (AKT)

2.1Theoretische Grundlagen des Trainingskonzepts

Die aufmerksamkeitstheoretischen Grundannahmen, auf denen die Trainingsinhalte des AKT und auch des TASKO basieren, bilden eine Synthese aus unterschiedlichen struktur- und handlungstheoretischen Betrachtungsweisen historischerAnsätze und gegenwärtiger Modelle.Dazu zählen unter anderem die Sowjetische Kulturhistorische Schule um Galperin (1980), die Ressourcentheorien nach Wickens (1984, nach Schöll, 1997) und der verhaltensökonomische Ansatz nach Schönpflug (1991) sowie Ansätze aus der Kognitionspsychologie, etwa von Neumann (1996) oder Schöttke und Wiedel (1993). Ein wichtiger Grundgedanke, der in den Aufmerksamkeitsmodellen und
-definitionen der genannten Autoren aus unterschiedlichen Blickwinkeln herausBeachtung erfährt, besteht darin, dass sich Aufmerksamkeit in Abhängigkeit von der konkreten Handlung oder geistigen Tätigkeit, die sie innerhalb eines speziellen Aufgabengebiets begleitet, separat entwickelt und darstellt. Diese Betrachtungsweise leitet zu einer Differenzierung mehrerer Aufmerksamkeits komponenten, denen je nach theoretischer Orientierung hinsichtlich ihrer Regulationsfunktion im Prozess der Informationsverarbeitung und Handlungsgenerierungin unterschiedlichem Ausmaß Bedeutung beigemessen wird.In den frühen Strukturmodellen fanden die Aspekte der Selektivität (vgl. Kristofferson, 1993) und der zentralnervösen Erregung („Arousal“) (vgl. Westhoff, 1991) vorrangige Beachtung. Weiterführende Ansätze erkennen darüber hinaus unterschiedliche Aufmerksamkeitsqualitäten in Abhängigkeit von der Modalität eines zu verarbeitenden Inputs (akustisch, visuell) und der jeweils erforderlichen Reaktion (manuell, sprachlich) (Wickens, 1984, nach Schöll, 1997). Die Prozessmodelle wiederum orientieren sich an handlungstheoretischen Konzepten und heben auf der metakognitiven Ebene die Kontroll- bzw. Überwachungsfunktion der Aufmerksamkeit entlang der einzelnen Teilschritte einer Handlung hervor
(z.B. Galperin, 1980, Reulecke, 1991, Roth & Schlottke, 1991).Eine ausführliche Darstellung und Einordnung der theoretischen Grundpositionen, die die Aufmerksamkeitsforschung in den vergangenen Jahrzehnten begleitet haben, findet sich bei Köhler, 2000. Die verschiedenen existierenden Konzepte von Aufmerksamkeit lassen sich wohl treffend mit den Worten Neumanns (1996) als „ lokale Modelle spezifischer Mechanismen “ (S.634) verstehen, der mehrere Perspektiven in seinem Ansatz integriert und sich damit bemüht,der Komplexität und Vielschichtigkeit dieses Konstrukts gerecht zu werden.

2.1.1 Das Aufmerksamkeitsmodell

Dem AKT liegt eine eher funktional ausgerichtete Sicht zugrunde, die Aufmerksamkeit als „ das Instrument, das notwendige Mittel, zur Ausführung geistiger Operationen, die der Organisation, Durchführung und Kontrolle von Handlungsabläufen dienen “(Köhler, 2000, S.37) auffasst. In der weiterführenden Konkretisierung des Aufmerksamkeitsbegriffs lassen sich unterschiedliche Mechanismen auf der physiologischen Ebene (neuronale und biochemische Prozesse) und auf der psychologisch-kognitiven Ebene (Aufmerksamkeitskomponenten in Abhängigkeit von der mentalen Tätigkeit) herausstellen, deren dynamisches Zusammenwirken Aufmerksamkeit als geistige Grundfunktion konstituiert. Diese manifestiert sichschließlich auf der Verhaltensebene in der Qualität eines Handlungsprozesses.Das AKT berücksichtigt auf der psychologisch-kognitiven Ebene folgende Aufmerksamkeitskomponenten, die durch die verschiedenartigen Trainingsanforderungen systematisch angesprochen werden sollen:

Die selektive Aufmerksamkeit betrifft die Fähigkeit, wesentliche Informationen bei gleichzeitiger Hemmung irrelevanter Reize wahrzunehmen (z.B. die Konzentration auf die Lehrerstimme im Unterricht).

Die analytische Aufmerksamkeit begleitet stärker gedächtnisabhängige Vergleichsprozesse, die eine detailgetreue Analyse, Identifikation und gegebenenfalls auch Interpretation sensorischer Inputs erfordern (z.B. die Unterscheidung von Kriech- und Säugetieren).

Die produktive Aufmerksamkeit ist in Verbindung mit kreativen geistigen Momenten von Bedeutung, in denen durch logisches Kombinieren Beziehungen zwischen unterschiedlichen Gedankeninhalten gestiftet werden müssen
(z.B. das Nachdenken über mögliche Lösungswege für ein Problem oder auch die Entwicklung mentaler Bilder).

Die ausdauernde Aufmerksamkeit bezieht sich auf die Sorgfalt, Kontinuität und geistige Wachheit bei der Auseinandersetzung mit einfachen, wenig komplexen Anforderungen (z.B. das übende Schreiben eines Buchstabens über eine Zeile hinweg).

Die Kontrollaufmerksamkeit stellt als metakognitive Komponente eine Art Überwachungsinstanz dar und begleitet sämtliche geistige Tätigkeiten und konkrete Handlungen, um Handlungsziele und Abweichungen von der Zielvorgabe kontinuierlich zu erheben und auszugleichen (z.B. das Bemerken von Rechtschreibfehlern während des Schreibens).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Komponentenmodell der Aufmerksamkeit (Köhler, 2000)

Durch entsprechende Strategien (beispielsweise Arbeitsstrategien oder Selbstinstruktionstechniken), die ein effektives Lösungsvorgehen ermöglichen, sowie die Aktivierung motivationaler Ressourcen können die Aufmerksamkeitsprozesse Entlastung bzw. Unterstützung erfahren. Abbildung 1 fasst die für das Trainingskonzept maßgebenden theoretischen Zusammenhänge zum Konstrukt Aufmerksamkeit auf dem Hintergrund der jeweils beteiligten Ebenen des Organismus zusammen.

2.1.2 Das Störungsmodell

Als Kernmerkmale einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bzw. eines Hyperkinetischen Syndroms (HKS) werden gemäß der gängigen KlassifikationssystemeICD-10 (International Classification of Diseases, nach Dilling & Freyberger, 2010) und DSM-IV-TR (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, nach Saß, 2003) auf der Verhaltensebene Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit sowiekognitive und emotionale Impulsivität beschrieben, die in jeweils unterschiedlich starker Ausprägung das klinische Erscheinungsbild charakterisieren können. Da das AKT vornehmlich auf die Entwicklung aufmerksamkeitskonstituierender Aspekte abzielt und nicht im Sinne eines Defizit-Modells den direkten Abbau störungskennzeichnender Symptome verfolgt, soll an dieser Stelle auf die ausführliche Beschreibung der als bekannt vorausgesetzten klinischen Verhaltensaspekte und Subtypen einer ADHS/HKS verzichtet werden. Detaillierte Ausführungen zur Störungs-definition und den diagnostischen Klassifikationskriterienfinden sich bei Steinhausen (2010a).

In der Literatur werden auf dem Hintergrund eines multifaktoriellen Geneseverständnisses unterschiedliche Faktoren diskutiert, die bei der Entstehung von Aufmerksamkeitsdefiziten eine Rolle spielen.Als primärer Kausalfaktor gilt Döpfner et al. (2010) zufolge die genetische Disposition in Interaktion mit vermittelnden neurobiologischenund neuropsychologischen Prozessen. Darüber hinausfindenpsychosoziale Bedingungen als Moderatoren der Stärke und des Verlaufs einer Störung (Döpfner & Steinhausen, 2010) sowie in Einzelfällen beteiligteToxine (pränatale Expositionen), Allergene und infektiöse Faktoren (Steinhausen, 2010b)Beachtung.In der Folge gelingt es den betroffenen Kindern nicht oder nur in geringem Ausmaß, sich Lern- und Arbeitsstrategien sowie handlungsbezogene Basisfertigkeiten zur Selbststeuerung anzueignen, die sie für einen umfassenden Wissenserwerb und die effektive Entwicklung von schulischen und alltagsbezogenen Fertigkeiten benötigen (vgl. Neuhaus, 1997, Roth&Schlottke, 1991).Metaanalysen gelangen zu dem Schluss, dass sich gute Lerner durch ein ausgeprägtes metakognitives Wissen, geeignete Lernstrategien und exekutive Kontrollfähigkeit auszeichnen, die als wichtigste Bedingungen für den Erwerb von Wissen gelten (Lauth, 1999, S.79).Die Kinder spüren, dass sie mit ihren Leistungen unter ihren geistigen Möglichkeiten bleiben und ihrem Eigenanspruch nicht genügen können. Kontinuierliche Misserfolgserfahrungen wirken frustrierend und vermindern auf der einen Seite die Lernmotivation und Anstrengungsbereitschaft (effort control). Andererseits nimmt das Selbstkonzept Schaden, was sich in einer reduziert wahrgenommenen Selbstwirksamkeit sowie geringem Selbstvertrauen und Selbstwert mit gesteigerter Misserfolgserwartung ausdrückt (vgl. Lauth, 1999, S.80). Diese innerpsychischen Erfahrungen und Einstellungen wirken wiederum beeinträchtigend auf die Konzentrationsfähigkeit (vgl. Abb. 2, nach Köhler, 2000). Ein wichtiges Ziel des AKT besteht darin, dieses negative Wirkgefüge zu unterbrechen und die bislang verzögerte Entwicklung der Aufmerksamkeitsfähigkeit anzuregen und unterstützende kognitive und handlungsbezogene Basisfertigkeiten zu vermitteln. Der Verfestigung und Ausweitung bestehender Defizite soll dadurch entgegengewirkt werden (Köhler, 2000).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Modell zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Aufmerksamkeitsstörungen (in

Anlehnung an Köhler, 2000)

2.2Die Trainingsinhalte des AKT

2.2.1 Zielgruppe und Aufbau des Programms

Die Trainingsaufgaben richten sich an Kindermit Aufmerksamkeitsdefiziten,insbesondere mit kognitiv impulsivem Arbeitsverhalten, und sind für die Altersgruppe deretwa 9 bis 11-jährigen konzipiert. Jüngere Kinder haben entwicklungsbedingt in der Regel noch Schwierigkeiten bei der Anwendung metakognitiver Problemlösestrategien und sind in ihren Überlegungen zumeist noch an die konkrete Anforderung einer Aufgabenstellung gebunden. Dadurch gelingt es ihnen nicht immer, erlernte Prinzipien und Arbeitstechniken auf andersartige Aufgabenformate und -inhalte zu generalisieren und analog einzusetzen (vgl. Oerter & Dreher, 1998). Die Durchführung des AKT erfolgt als Einzeltraining. Das Programm umfasst 16 Sitzungen von jeweils 50-minütiger Dauer und setzt sich aus insgesamt 32 Einzelaufgaben - jeweils acht Übungen zu jeder der vier psychologisch-kognitiven Aufmerksamkeitskomponenten (selektive, analytische, kognitive und ausdauernde Aufmerksamkeit) - zusammen. Der Trainingsaufbau richtet sich nach dem sogenannten konzentrischen Prinzip (Barchmann et al., 1988). Das bedeutet, dass sich ab der neunten Trainingssitzung jede Einzelaufgabe auf einem höheren Anspruchsniveau wiederholt. Anhang 1 gibt einen Überblick über die Einzelaufgaben und ihre Zuordnung zu den vier Aufmerksamkeitsaspekten nach der überarbeiteten Version des TASKO.

2.2.2Die einzelnen Trainingsbausteine im Überblick

Das AKT versteht sich als kognitiv-verhaltenstherapeutische Intervention im Rahmen eines multimodalen Behandlungskonzepts. Aus der beschriebenen Aufmerksamkeitstheorie (Abschnitt 2.1.1) und dem vorgestellten Störungsmodell (Abschnitt 2.1.2)ergeben sich unterschiedliche therapeutische Ansatzpunkte und Trainingsziele, die in Abbildung 3 nachvollzogen werden können.Neben dem Training der Aufmerksamkeitsfähigkeit (A) im Sinne der vorgestellten Komponenten (vgl. Abb.1) kommen dabei verschiedenen kognitiven Strategien (B) bzw. handlungsbezogenen Basisfertigkeiten zur Unterstützung eines effektiven Arbeitsprozesses sowie der Stärkung der Persönlichkeit (C) des Kindes im Hinblick auf die Motivation und das Selbstkonzept eine besondere Bedeutung zu. Durch folgende Grundbausteine bzw. Gestaltungsmerkmale des AKT soll eine Weiterentwicklung in diesen drei Kernbereichen realisiert werden:

Training der Aufmerksamkeitskomponenten (A)

Durch die verschiedenartigen Anforderungen der Trainingsaufgaben sollen die genannten Aufmerksamkeitskomponenten auf sämtlichen Sinnesebenen angesprochen und dadurch verstärkt werden. Die Anhänge 2-5 zeigenje ein Übungsbeispiel zu jedem der vier Aufmerksamkeitsaspektein der überarbeiteten Version des TASKO.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Trainingsziele des AKT/TASKO

Vermittlung metakognitiver Problemlösungsstrategien (B)

Beim Lösen einer jeden Aufgabe bietenvier Leitschritte Orientierungim Lösungsprozess und unterstützen ein planvolles kleinschrittiges Vorgehen. Im ersten Schritt („1. Verstehen!“) geht es darum, die Aufgabenstellung genau zu erfassen.Im nächsten Schritt („2. Planen!“) schließen sich Überlegungen zum konkreten Lösungsvorgehen an. Währenddes Arbeitens macht sich das Kind fortlaufend bewusst, an welcher Stelle besondere Aufmerksamkeit und Sorgfalt geboten sind
(„3. Aufpassen!“). Abschließend erfolgt die Prüfung der Ergebnisse auf Richtigkeit
(4. Kontrollieren!“)

Training der Selbstinstruktion und -verbalisation (B)

Zur Unterstützung eines reflexiven Arbeitsstils (Wagner, 1994) erlernen die Kinderin Anlehnung an die Vorgaben von Meichenbaum und Goodman (1995),im Trainingsverlauf ihre Denkprozesse durch selbstinstruierendes Sprechen anzuleiten und zu verbalisieren. Die Trainingssitzungen gliedern sich dabei wie folgt (vgl. Anhang 6): Lautes Sprechen mit Modell (Sitzungen 1 bis 4), lautes Sprechen ohne Modell (Sitzungen 5 bis 8) flüsterndes Sprechen (Sitzungen 9 bis 12), inneres Sprechen (Sitzungen 13 bis 16).

Entwicklung der visuellen Wahrnehmungsfähigkeit (B)

Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen zeigen gehäuft impulsive Wahrnehmungsstile, gekennzeichnet von unregelhaften Blickbewegungsmustern (Wagner, 1994). Das Einüben einer visuellen Abtaststrategie im Trainingsverlauf soll den Kindern zu einer systematischen und detailgetreuen visuellen Verarbeitung verhelfen.

Anleitung zur Strukturierung von Umgebungsreizen (B)

Das Gelingen einer adäquaten Informationsverarbeitung hängt von der Fähigkeit, Wahrnehmungsinhalte sinnvoll zu strukturieren und zu selektieren,ab (vgl. Neumann, 1996). Neben dem direkten Training begriffsbildender Funktionen im Rahmen von Kategorisierungsaufgaben bringen einzelne Aufgabenstellungen Sortierstrategien zum Einsatz, die das Lösen der entsprechenden Anforderung erleichtern.Einige Aufgabeninstruktionen machen das Kind dabei auf die Möglichkeit der Verwendung bestimmter Gedächtnisstrategien aufmerksam, die jedoch im Rahmen des AKT nicht systematisch eingeübt werden.

Erfahrung von Wertschätzung und Erfolgserlebnissen (C)

Die Grundhaltung des Trainers gegenüber dem Kind sollte leistungsunabhängig von Wertschätzung und Anerkennung geprägt sein. Indem er sich dabei an der individuellen Bezugsnorm orientiert und bereits kleine Teilerfolge wahrnimmt und würdigt, hilft der Trainer dem Kind, dasoft überzogen negative und von Misserfolgserwartung geprägte Selbstbild zu korrigieren.Die Ermöglichung von Erfolgserlebnissen bildet nach Czerwenka (2008) ebenfalls ein zentrales Prinzip für ein soziales Miteinander. Misserfolgen räumt er dabei eine durchaus funktionale Bedeutung ein, da „ Erfolge, die nach anfänglichen Fehlern erreicht wurden, …besonders persönlichkeitswirksam “ seien (S.18). Der konstruktive und entdramatisierende Umgang mit Fehlern spielt im AKT eine entscheidende Rolle und wird vom Trainer im Rahmen der Modellphasen demonstriert oder im direkten Gespräch und Austausch mit dem Kind erarbeitet. In einer Durchführungsanweisung zum AKT finden sich entsprechende Hinweise zum therapeutischen Umgang mit dem Kind sowiekurze Erläuterungen anhand konkreter Beispiele.

Unterstützung der Lernmotivation (C)

Neben der Erfahrung persönlicher Erfolge beim Erreichen von Zielzuständen unterstützen folgende Gestaltungsmerkmale des Trainings die Entwicklung einer adäquaten motivationalen Basis im Verhalten des Kindes:

- Induktion eines Problem- und Zielbewusstseins des Kindes in einem Einführungsgespräch am Trainingsbeginn (vgl. Heckhausen, 1989)
- ansprechende, kindgemäße Aufmachung der Materialien, begleitet von einer Eule, die als Leitfigur durch die Übungen führt
- mittleres Schwierigkeitsniveau der Einzelaufgaben zur Unterstützung einer internalisierenden Erfolgsattribution (Heckhausen, 1998, Barchmann et al., 1988)
- aufgabengebundene Ergebnisrückmeldungen in Form von Lösungswörtern oder -bildern (vgl. Schneider et al., 1993)

Einedifferenzierte Beschreibung und Begründung der Trainingsinhalte und verschiedenen Übungsbausteine des AKTfindet sich bei Köhler, 2000.

3 GEDÄCHTNISTHEORETISCHE GRUNDLAGEN

Da dem Training der Merkfähigkeit im Zuge der Überarbeitung des AKT ein zunehmender Stellenwert eingeräumt wurde, widmet sich dieses Kapitel zunächst einigen relevanten Erkenntnissen, theoretischen Modellen und Leitgedanken, die die Gedächtnisforschung bis heute geprägt haben. Daran anknüpfend ist es dem Leser leichter möglich, die Entwicklung und Gestaltung der in Abschnitt 4.2 beschriebenen Gedächtnistechniken, die im TASKO Einsatz finden,nachzuvollziehen.

In der Literatur besteht Übereinstimmung darüber, dass das menschliche Gedächtnis das Ergebnis eines außergewöhnlich komplexen Zusammenspiels mehrerer im Gehirn weit verteilter und verzweigter, lokal schwer einzugrenzender Regionen darstellt (Lepach, 2010, Baddeley, 2009, Comer 1995, Markowitsch, 1992, Klimesch, 1988). Die Forschungsbefundezur anatomischen, physiologischen und biochemischen Basis für Gedächtnisprozesse erfassen vermutlich erst einen Bruchteil der kaum voneinander zu trennenden Vorgänge und Wirkmechanismen, die an der Speicherung und dem Abruf von Informationen beteiligt sind. Mit Blick auf mögliche Implikationen für ein Gedächtnistraining sollen die von Lepach (2010) unterschiedenen zeitbezogenen, inhalts- und prozessorientierten Ansätze sowie wesentliche neuroanatomische Grundlagen im Folgenden dargestellt werden.

3.1 Das Drei-Speicher-Modell

Die traditionelle Gedächtnisforschung versteht Gedächtnisleistungen als Funktion der Zeit und unterteilt das Gedächtnis gemäß der Grundidee von Atkinson und Shiffrin (1968, nach Baddeley, 2009, S.41) in Orientierung an der Zeitachse in Ultrakurzzeit, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis (Markowitsch, 1983, S.1, Baddeley, 2009, S.41). Im Verständnis dieses sogenannten Drei-Speicher-Modells (vgl. Abb. 4) ist ein vorbewusster sensorischer Speicher im Millisekundenbereich (Ultrakurzzeitgedächtnis), der sich auf sämtliche Sinnesmodalitäten erstreckt und die physischen Eigenschaften eines Wahrnehmungseindrucks erfasst, dem bewusst zugänglichen Kurzzeitgedächtnis vorgeschaltet. Gemäß der Aufmerksamkeitsrichtung gelangen die als relevant bewerteten Informationen zunächst in den Kurzzeitspeicher und bleiben dort mehrere Sekunden erhalten. Seine Kapazität ist im Erwachsenenalter auf etwa 7 Merkeinheiten, im Grundschulalter auf etwa 4-5 Einheiten begrenzt (Schneider & Büttner, 1998). Im Zuge der Enkodierung werden die nach subjektivem Bedeutungsgehalt relevanten Informationen dauerhaft in dem prinzipiell unbegrenzten Langzeitgedächtnis abgelegt (vgl. Lepach, 2010). Analog folgen entlang der Dimension Zeit die Verarbeitungsstadien Informationsaufnahme, -enkodierung, -speicherung und, als eigenständige Funktion, der Informationsabruf (vgl. Markowitsch, 1983, S.2, Lepach, S.15).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Gedächtnissysteme nach Atkinson und Shiffrin, 1971, in Anlehnung an Baddeley, 2009

Das Drei-Speicher-Modell liefert eine erste Kernstruktur zur Beschreibung von Informationsverarbeitungsprozessen, gestaltet sich jedoch weniger flexibel und erlaubt ein geringeres Maß an Interaktion der beteiligten Komponenten, als es aus heutiger Sicht, gerade auch mit Blick auf neuropsychologische Befunde, plausibel erscheint (Baddeley, 2009, S.42).

In Abgrenzung zum Kurzzeitgedächtnis beschreibt Baddeley (2009, S.52f.) das Arbeitsgedächtnis als ein fluides, den Exekutivfunktionen zuzuordnendes Speichersystem, das als eine Art Ansammlung verschiedener interagierender Subsysteme zu verstehen ist und der Kontrolle und Koordination sämtlicher Informationen und Handlungen dient. Seine Aufgabe besteht darin, Gedächtnisinhalte während des gleichzeitigen Ablaufs übergeordneter kognitiver Operationen modalitätsspezifisch in einem visuellen Notizblock und einer phonologischen Schleife sowie einem multidimensionalen episodischen Puffer, der den Kontakt zum Langzeitgedächtnis herstellt, bis zur weiteren Verwendung kurzfristig bereitzustellen (vgl. auch Lepach, 2010, S.10ff).

3.2 Speichersysteme des Langzeitgedächtnisses

Innerhalb des Langzeitgedächtnisses werden hinsichtlich inhaltlicher Charakteristika, wie Abbildung 5zeigt, auf der deklarativen Wissensebene das episodische und das semantische Gedächtnis als explizite Systeme von einem prozeduralen impliziten Gedächtnis unterschieden (vgl. Baddeley, 2009).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Systeme des Langzeitgedächtnisses nach inhaltlichen Kriterien, angelehnt an Baddeley, 2009, S.10

Implizite (prozedurale) Komponenten beziehen sich im Wesentlichen auf klassisch konditionierte Verhaltensweisen, visuelle und auditive Priming-Effekte sowie motorische Handlungsabläufe. Diese automatisierten und weitgehend unbewussten Verhaltensmuster und Fertigkeiten betreffen etwa das Wiedererkennen von Personen oder feinmotorische Abläufe wie Schreiben oder Klavierspielen. Explizite (deklarative) Anteile beziehen sich auf Faktenwissen bzw. allgemeines Weltwissen (semantisch) sowie persönliche Erfahrungen, Ereignisse und Situationen (episodisch), auf die das Bewusstsein in der Regel unmittelbar zugreifen kann. Letztere sind nach Läsionen gedächtnisrelevanter Hirnregionen weitaus häufiger von Beeinträchtigungen betroffen als prozedurale Gedächtnisanteile (Comer, 2003, S.662). Eine Differenzierung der Gedächtnissysteme nach inhaltlichen Kriterien liegt angesichts einer Vielzahl neuropsychologischer Befunde zu den Verhaltensmustern von Patienten mit retrograder (den Zeitraum vor der Erkrankung betreffend) oder anterograder (den Zeitraum nach der Erkrankung betreffend) Amnesie (vgl. Eysenck, 2009, S.115) sehr nahe.

3.3 Netzwerk-Modelle

3.3.1Die Entwicklung theoretischer Grundideen

Die unter dem stärker funktional ausgerichteten Prozess-Aspekt betrachtete Langfristigkeit der Informationsverarbeitung und -speicherung hängt von der Tiefe des Enkodierens ab, die mit einer semantischen Merkmalserfassung über die rein physikalischen Reizeigenschaften (etwa visuell oder phonologisch) hinaus zunimmt (Craik & Lockhart, 1972 nach Baddeley 2009, S.99f. und Klimesch, 1988, S.52). Bereits in den 60er und 70er Jahren gelangten verschiedene Wissenschaftler zu der Erkenntnis, dass Informationen im Zuge der mnestischen Verarbeitung hinsichtlich ihrer physikalischen, funktionalen und insbesondere semantischen Merkmale in Einheiten („chunks“) zusammengefasst und organisiert und in Anlehnung an die subjektiven Erfahrungen in semantischen Kategorien abgebildet werden (Baddeley, 2009, S.104). Abbildung 6veranschaulicht dazuein klassisches Beispiel von Collins und Quillian (1969, nach Klimesch, 1988). Frühen Untersuchungen zufolge können Aufgabenstellungen, die semantisches Wissen innerhalb vorgegebener spezifischer Kategorien abfragen, schneller beantwortet werden als solche, die sich auf allgemeinere, umfassendere Begriffsklassen beziehen, was als Argument für eine hierarchische Ordnung der Inhalte des Gedächtnisses galt (vgl. Eysenck, 2009, S.116f.). Weitere Untersuchungen konnten zeigen, dass logisch hierarchisch strukturiertes verbales Material deutlich bessere Behaltenseffekte zur Folge hat als die Präsentation derselben Items in zufälliger Anordnung (Baddeley, 2009, S.105). Die klassischen hierarchischen Netzwerkmodelle lassen jedoch wichtige, in neueren Modellen ergänzte Einflussfaktoren und Strukturmerkmale, wie etwa die Typikalität (Klimesch, 1988, S.149f.), als Maß für die Übereinstimmung eines untergeordneten mit einem Oberbegriff, und die Gebrauchshäufigkeit von Elementen einer Kategorie (Markowitsch, 1992, S.228) oder vielfältige horizontale Merkmalsverknüpfungen (Klimesch, 1988, S.150f, Eysenck, 2009, S.119f) unberücksichtigt.

[...]

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Details

Titel
Vom AKT zum TASKO - Die Weiterentwicklung eines Konzentrations- und Arbeitsstiltrainings für Kinder im höheren Grundschulalter
Hochschule
Universität Hamburg  (Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft)
Veranstaltung
Lerntherapie, Psychologie
Note
1,00
Autor
Jahr
2011
Seiten
80
Katalognummer
V197401
ISBN (eBook)
9783656233923
ISBN (Buch)
9783656552291
Dateigröße
1461 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Frau K. legt hier eine überaus anspruchsvolle Arbeit vor. Aufgrund persönlicher Vorkenntnisse und Vorarbeiten als Diplom-Psychologin kann sie bereits auf einem hohen Niveau ansetzen... Besonders beeindruckend dabei ist die hoch differenzierte theoretische Untermauerung aller Änderungsschritte im Programm. Die Einlassungen zum Stand der Gedächtnisforschung erfolgen auf theoretisch allerhöchstem Niveau. Aber trotzdem versteht sie es, neuere Erkenntnisse unmittelbar in Handlungsüberlegungen zu übersetzen und... in einen konkreten Fall zu übertragen. (aus dem Gutachten von Prof. Dr.)
Schlagworte
Gedächtnistraining, Lernpsychologie, ADHS, Konzentrationstraining, Lernstrategien, Aufmerksamkeitstraining, Integrative Lerntherapie
Arbeit zitieren
Sabine Köhler (Autor:in), 2011, Vom AKT zum TASKO - Die Weiterentwicklung eines Konzentrations- und Arbeitsstiltrainings für Kinder im höheren Grundschulalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197401

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