Lorca: Romance de la Guardia Civil Española und die Übertragungen von Beck und Koppenfels ins Deutsche

Eine Übersetzungsanalyse


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Interne Kohärenz und ästhetische Besonderheiten der Zieltexte
a) Beck
b) Koppenfels

3. Ästhetische Besonderheiten des Ausgangstextes
4. Differentialanalyse der Zieltexte mit dem Ausgangstext
a) Lorca / Beck
b) Lorca / Koppenfels

5. Vermutungen zur Übersetzungskonzeption

6. Bemerkungen zum Kometenschweif

7. Zusammenfassung

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wird ein Ausgangstext in eine Zielsprache übertragen, gibt es meist nicht nur eine Übersetzung, vorallem keine einzig richtige. Auch von Lorcas Zigeunerromanzen gibt es nicht nur eine Übertragung vom Spanischen ins Deutsche. Versucht haben sich u.a. Helmut Kossodo (1949) Enrique Beck (1982), Martin von Koppenfels (2002) und Gustav Siebenmann (2007). Verschiedene Zieltexte sind das Resultat, einige mehr, andere weniger gelungen aus heutiger Sicht.

Viele Umstände wie z.B. (fremd-)sprachliche und kulturelle Kenntnisse, Zeit und Zeitpunkt der Übertragung, eventuell bereits zuvor vorhandene Zieltexte („Kometenschweif“) usw. beeinflussen den jeweiligen Übersetzer in seiner Arbeit. Darum scheint es nur umso notwendiger, nicht von richtig oder falsch zu sprechen bei der Beurteilung der entstandenen Zieltexte. Vielmehr soll im Mittelpunkt die mögliche Absicht des Übersetzers stehen und dessen Herangehensweise an den Text - soweit man dies rekonstruieren kann - und natürlich die Konsequenzen für den Rezipienten im Hinblick auf Verständnis, Wirkung und sprachliche Ästhetik.

Der Ausgangstext, der dieser Ausarbeitung zugrunde liegt, ist Federico García Lorcas Romance de la Guardia Civil Española aus dem Werk Romancero Gitano (1928). Dieses umfasst 18 Romanzen, welche als gemeinsames Thema die Kultur, das Leben und die Widrigkeiten der Zigeuner in Spanien aufweisen. Lorcas Sprache ist dabei voller Symbolik und Metaphorik, sodass u.a. die Nacht, der Tod und der Mond auch als Leitmotive genannt werden können.

In der Romance de la Guardia Civil Española thematisiert Lorca einen unerwarteten, grausamen und brutalen Übergriff der spanischen Guardia Civil auf die Zigeuner. Die Stadt Jerez de la Frontera in Andalusien wird dabei zerstört, viele Zigeuner überleben diesen Angriff nicht, werden verwundet oder können gerade noch flüchten. Der Leser wird in die Sichtweise der Zigeuner versetzt und nimmt an ihren Gefühlen und ihrer Situation Anteil. Lorca versteht es, durch Sprache diese Situation eindrucksvoll zu vermitteln und sie den Leser nachempfinden zu lassen, er baut eine drückende, düstere und verstörende Stimmung auf und beschreibt zudem detailliert und bildhaft das zu verurteilende Vorgehen der Guardia Civil.

Thema dieser Arbeit sei es, zu untersuchen, ob das Verständnis und die Wirkung, die Lorca beim Leser erzielt, gelungen ins Deutsche übertragen werden und es Abweichungen gibt. Grundlage sei der Göttinger Transferansatz nach Frank und Kittel (2004). Ich werde mich im Folgenden dabei auf die Zieltexte von Beck und Koppenfels beschränken.

2. Interne Kohärenz und ästhetische Besonderheiten der Zieltexte

Um die jeweiligen Zieltexte möglichst unvoreingenommen einzuschätzen, wird vorerst noch kein Vergleich mit dem Ausgangstext angestrebt. Der deutschsprachige Leser kennt oder versteht in den meisten Fällen nicht den Ausgangstext, sodass er Ausgangs- und Zieltext also auch nicht miteinander vergleichen könnte. Im Grunde ist auch jeder Zieltext ein Original für sich, da es ja, wie in der Einleitung bereits erwähnt, nicht nur eine adäquate Übertragung geben kann. Dennoch muss jeder Zieltext im Sinne des Lesers in sich geschlossen und stimmig sein. Der Übersetzer sollte möglichst nichts weglassen und nichts hinzufügen, wenn es nicht unbedingt nötig ist, es also das kulturelle oder sprachliche Empfinden des Lesers unbedingt fordern würde. Für den Prozess der Übertragung gilt es, so eng wie möglich und so frei wie nötig am Ausgangstext zu bleiben, was natürlich auch von der jeweiligen Intention des Übersetzers abhängt und somit unterschiedlich umgesetzt wird.

Die beiden Zieltexte sollen im Folgenden zuerst einzeln eingeschätzt werden im Hinblick auf inhaltliche und sprachliche Kohärenz sowie ästhetische Besonderheiten oder Auffälligkeiten.

a) Beck: Romanze von der spanischen Guardia Civil

Im Großen und Ganzen wirkt Becks Romanze in sich schlüssig und nachvollziehbar. Der überraschend drohende Angriff und der Überfall der Guardia Civil auf die Stadt und auch auf die Zigeuner wird beschrieben, ebenso wie deren Leid und Flucht. An einigen Stellen könnten sich beim Leser jedoch Verständnisschwierigkeiten im Hinblick auf kulturhistorisches Vorwissen auftun. So könnte z.B. unklar sein, wer Pedro Domecq sein soll (Strophe 3/ Vers 13) oder Rosa von den Camborìos (7/13).

Während auf inhaltlicher Ebene eher wenig Schwierigkeiten für den Leser zu finden sind, gibt es auf sprachlicher Ebene einige Auffälligkeiten zu erwähnen. Dass Beck die Guardia Civil unübersetzt gelassen hat, ist nicht zu kritisieren, da man von einem Leser dieser Romanze zumindest ein Mindestmaß an kultureller Kenntnis erwarten darf. Das Wort „Capas“ (1/2) hat Beck unübersetzt gelassen, was nicht nötig gewesen wäre.

Meist nutzt Beck einen klaren und prägnanten Ausdruck, der den Inhalt unterstützt. Gerade im ersten Vers verknappt er Sätze zu Wortgruppen, wodurch diese wie abgehackt wirken und beim Leser ein Bild von galoppierenden Pferden gut transportieren. An anderen Stellen widerum baut er mittels Enjambements lange Sätze über mehrere Verse auf, wie z.B. „Durch der Straßen halbes Dunkel / fliehen die Zigeunerinnen, die ganz alten, mit den Pferden / - müd und schläfrig - und mit ihren / Einmachtöpfen voller Münzen.“ (6/13-17) Beim Lesen des Ganzen wirkt dies etwas inkosequent. Bei „Heil'ge Jungfrau und Sankt Josef / haben ihre Kastagnetten / in des Zugs

Gedräng verloren, / und sie gehn zu den Zigeunern, / um zu sehen, ob sie sich finden.“ (3/1-5) beispielsweise - abgesehen von der Inkosequenz der Zeichensetzung im genannten Zitat („Heil'ge“ mit und „gehn“ ohne Apostroph) - empfindet es der Leser vielleicht als nicht störend, da hier inhaltlich nichts Schlimmes passiert, was durch eine verknappte Sprache wiedergegeben werden müsste, im Gegensatz zum vorherigen Beispiel, in welchem die Zigeunerinnen fliehen. Die Hetz und Angst würden verknappte Sätze hier auch gut verdeutlichen. Der Stil wird also nicht einheitlich oder nachvollziehbar für den Leser durchgezogen, wirkt dadurch aber abwechslungsreich.

Auffällig sind auch die häufigen Wechsel der Stilebenen. Obwohl der Ausdruck wie bereits erwähnt meist einfach und gut verständlich ist, wirkt er an manchen Stellen antiquiert, überladen oder einfach unpassend für die heutige Zeit. Einige repräsentative Textstellen dazu sind: „nächt'ge Mahre“ (1/9), „Honigseim“ (2/4), „die Hochverdiente“ (4/4), „Ein Geraun von Immortellen“ (5/3), „Gespinstnotturno“ (5/6).

Ansonsten unterstützt die Sprache angemessen den Inhalt, so u.a.: „Um der Überraschung Ecke“ (2/18), die Unwissenheit der Zigeuner widerspiegelnd, dann „plündern“ (6/4), „Lang gezogne Schreie flogen“ (6/9) und „Hufe stampfen Brisen nieder“ (6/11). Hier wird auch die Bildhaftigkeit und Metaphorik deutlich, mit der Beck die Situation dem Leser bildhaft näher bringt. Der Leser wird eindeutig auf die Seite der Zigeuner gezogen, er erlebt den Überfall aus ihrer Perspektive. Die Guardia Civil wird als brutal und rücksichtslos charakterisiert, was z.B. in Strophe 1 Zeile 4-5 deutlich wird: „Ihre Schädel sind aus Blei, / darum weinen sie auch nie.“

Die Romanze besteht aus 8 Strophen und wirkt ähnlich wie ein Musikstück. Öfters wiederholt sich der Ausruf „Stadt, o Stadt du der Zigeuner!“ wie bei dem Refrain eines Liedes. Auch die kurzen Sätze erinnern zuweilen an ein Staccato in der Musik. Die einzelnen Strophen gliedern das Gedicht wie eine Geschichte, zuerst wird berichtet, wie die Guardia Civil sich nähert, dann wird die Stadt vorgestellt und das Treiben der Zigeuner in ihr, danach werden Maria und Joseph im weihnachtgeschichtlichen Kontext erwähnt, in der nächsten Strophe widerum, wie sich die Guardia Civil nähert, dann der Angriff, die Verteidigung und Flucht und schließlich der Abzug der Guardia Civil, nachdem von den Verlusten und dem Leid der Zigeuner in der vorletzten Strophe berichtet wurde. Dem Leser kommt dies vor wie ein Spannungsbogen, der sich aufbaut. Den Höhepunkt stellt der Überfall auf die Stadt und die Zigeuner dar.

Ein Reimschema ist nicht festzustellen, es liegen Blankverse vor. Metrum der Romanze ist der vierhebige Trochäus. Zu den ästhetischen Besonderheiten sei noch zu sagen, dass die Zeichensetzung, was Apostrophe betrifft, manchmal inkosequent durchgeführt worden ist. Abgesehen davon finden sich neben den Enjambements auch Metaphern, Personifikationen, rhetorische Fragen und Interjektionen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Lorca: Romance de la Guardia Civil Española und die Übertragungen von Beck und Koppenfels ins Deutsche
Untertitel
Eine Übersetzungsanalyse
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Romanistik)
Veranstaltung
Traducción y transposición
Note
1,7
Autor
Jahr
2011
Seiten
15
Katalognummer
V197291
ISBN (eBook)
9783656235675
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lorca, Romancero Gitano, Guardia Civil Española, Übersetzungsanalyse, Beck, Koppenfels, Kometenschweif
Arbeit zitieren
Nadine Kutzschbach (Autor:in), 2011, Lorca: Romance de la Guardia Civil Española und die Übertragungen von Beck und Koppenfels ins Deutsche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197291

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