Ursachen der Pest im Urteil der Zeitgenossen

Ein Vergleich des Pariser Pesttaktrats und der Pestschrift des ibn Hatimah


Hausarbeit, 2012

11 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Einleitung

Die Pest: Allein ihre Erwähnung reicht aus, um bei vielen Menschen Angst und Schrecken auszu-lösen. Dabei liegt der letzte größere Ausbruch der Seuche in Europa beinahe 300 Jahre zurück[1] und heutzutage kann die Krankheit mit Hilfe von Antibiotika behandelt werden. Dass die Pest dennoch so tief im kollektiven Gedächtnis der Europäer verwurzelt ist, liegt in erster Linie an der Pandemie in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Der sogenannte „Schwarze Tod“, den genuesische Händler von der Krim kommend auf ihren Schiffen mit sich führten und durch ihren Aufenthalt in verschiedenen Hafenstädten im Mittelmeerraum verbreiteten, erfasste in mehreren Schüben beinahe den ganzen Kontinent und forderte im Zeitraum von 1347-1352/53 Millionen Menschenleben. Da es kaum verlässliche Zahlen in den Quellen gibt, ist die Zahl der Toten schwer zu schätzen; so sollen in Europa zwischen 25-40% der Gesamtbevölkerung der Seuche zum Opfer gefallen sein.[2] Ende des 19. Jahrhunderts haben Ärzte herausgefunden, dass die Beulenpest auf Flöhe zurückzu-führen ist, die von infizierten Ratten auf den Menschen übergingen bzw. dass die Lungenpest direkt von Mensch zu Mensch durch eine Tröpfcheninfektion übertragen wird.[3] Dieses Wissen war den Menschen des Mittelalter nicht bekannt. Was sie neben dem massenhaften und scheinbar wahllosen Sterben zutiefst erschüttert haben muss, war die damalige Unkenntnis über die Ursachen der Krank-heit. So zogen die Ärzte des 14. Jahrhunderts – aus heutiger Sicht – rechts abstruse Ursachen als Gründe für den Ausbruch der Pest heran, die letztendlich die Hilflosigkeit im Umgang mit der Pandemie zeigen. Hier setzt meine vorliegende Arbeit an. Anhand des Pariser Pestgutachtens von 1348 und der Pest-schrift des aus Almeriah stammenden Ali ibn Hatimah aus dem selben Jahr führe ich die verschie-denen Ursachen auf, die nach Meinung der Pariser Ärzte bzw. des andalusischen Gelehrten verant-wortlich waren für das große Sterben. Beim der Darstellung des Pariser Pestgutachtens, auf dem mein inhaltlicher Schwerpunkt liegt, gehe ich zuerst auf die siderischen Ursachen und die Miasma-Theorie ein, um dann die individuellen Ursachen und am Ende den göttlichen Einfluss zu erläutern. Bei der Schrift ibn Hatimahs folge ich schematisch dem Aufbau der Quelle, der dem des Pariser Pestgutachtens recht ähnlich ist. Im Schlussteil stelle ich dann einen Vergleich zwischen beiden Schriften dar und arbeite Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede heraus. Der Pariser Pestgutachten gilt als eines der wichtigsten medizinischen Dokumente aus der Zeit der ersten Pestwelle. Daher mag es überraschen, dass kaum vollständige, ins Deutsche übersetzte, text-kritische Editionen vorliegen. Dafür verantwortlich ist vielleicht die kontroverse Bewertung des Textes. Für manchen Forscher gilt es als „das allerwichtigste literarische Dokument zum Schwarzen Tod“, andere sehen darin „eine Mischung von Altweibersagen und Hexengebräu“.[4] Schwieriger gestaltete sich die Suche nach arabischen Quellen zur Pest. Zumeist liegen Übersetzungen ins Lateinische vor, es gibt einige wenige Übersetzungen ins Englische, aber kaum etwas auf Deutsch. Eine breitere Erschließung islamischer Quellen zu diesem Thema wäre gerade im Hinblick auf Vergleiche zwischen Orient und Okzident hilfreich.

2.2 Siderische Ursachen und Miasma-Theorie

Nach der Einleitung, in der die Magister den Grund ihrer Arbeit und deren Aufbau darlegen, widmen sie sich in ihrer Ursachenforschung zuerst den siderischen Gründen, die zum Ausbruch der Pest führten. Demnach sei eine bestimmte Planetenkonstellation für den Ausbruch der Pest haupt-verantwortlich.[5] Um dies zu verstehen, muss man sich die zeitgenössische Vorstellung von den Gestirnen vergegen-wärtigen. In der Mitte des 14. Jahrhunderts galt in der Astronomie das antike, auf Ptolemaios zurückgehende geozentrische Weltbild. Demnach stand die Erde im Mittelpunkt und um sie herum drehten sich die Sterne und Planeten, einschließlich der Sonne. Die Stellung der Planeten zuein-ander hatte eine große Bedeutung und übte auch Einfluss auf die Erde aus. Am bedeutendsten war die sogenannte Konjunktion, die den Stand zweier Planeten mit gleicher ekliptikaler Länge be-zeichnet.[6] 1345 erkannten die Astronomen sogar eine „maxima coniunctio“[7] dreier Planeten, nämlich des Saturn, des Jupiter und des Mars. Diese seltene astronomische Erscheinung sorgte bei den Zeit-genossen für Entsetzen, denn damit einher gingen verpestete Luft, sowie Sterblichkeit und Hunger. Bedingt wurden diese Katastrophen durch die Eigenschaften, die den Planeten zugeschrieben wurden. Der Jupiter galt als mäßig warm und feucht, der Saturn als sehr kalt und trocken und der Mars als äußerst warm und trocken. Hinzu kam, dass die beiden letztgenannten Planeten zu den übelwollenden Gestirnen gerechnet wurden. Somit überwogen bei der beschriebenen Planeten-konstellation die üblen, feuchten und warmen Eigenschaften, was als umso gravierender betrachtet wurde, da Wärme und Feuchtigkeit gemeinhin als Nährboden für die Ausbreitung von Krankheiten galten.[8] Darüber hinaus hätten die Planeten die üblen Dämpfe der Erde angezogen und diese Dämpfe hätten sich durch die Trockenheit des Mars entzündet, wodurch „vielfache Blitze […] Funkenregen, pestbringende Dämpfe und Feuerstürme“ die Erde heimgesucht hätten.[9] Ausschlaggebend für den Ausbruch der Pest waren also die durch die große Konjunktion bedingten schlechten Dämpfe auf der Erde, welche die Luft verpestet hätten. Obwohl diese ungesunde Luft in bestimmten Gegenden, z.B. über Sümpfen, Seen und in tiefen Tälern, permanent vorhanden sei, wurden die Dämpfe durch die ungünstige Konstellation der Planten und deren Folgen noch einmal erheblich verstärkt. Auch Erdbeben, welche die im Erdinneren befindlichen schlechten Dämpfe nach außen dringen ließen, wurden somit als Ursache für den Ausbruch der Seuche hinzugezogen.[10] Diese Miasma-Theorie hielt sich bis ins 19. Jahrhundert. Somit konnte begründet werden, weshalb so viele Menschen gleichzeitig an der Seuche erkrankten, schließlich atmeten sie alle die gleiche Luft.

[...]


[1] Von Marseille ausgehend wütete die Pest von 1720-1722 in Südfrankreich. Hierzu: Winkle, Stefan. Geißeln der Menschheit. Kulturgeschichte der Seuchen. Düsseldorf ³ 2005. S.495-498.(fortan: Winkle, Geißeln).

[2] Bulst, Neithard. Der „Schwarze Tod“ im 14. Jahrhundert. In: Pest. Die Geschichte eines Menschheitstraumas, hg. v. Mischa Meier. Stuttgart 2005. S.142-144.

[3] Winkle, Geißeln. S.422.

[4] Vgl. Schwalb, Andrea Birgit. Das Pariser Pestgutachten von 1348. Eine Textedition und Interpretation der ersten Summe. 1990. S.1f.(fortan: Schwalb, Pestgutachten).

[5] Ebd. S.44.

[6] Vgl. ebd. S.59.

[7] Zitiert: ebd. S.30.

[8] Vgl. ebd. S.60.

[9] Zitiert: ebd. S.45.

[10] Ebd. S.46f.

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Ursachen der Pest im Urteil der Zeitgenossen
Untertitel
Ein Vergleich des Pariser Pesttaktrats und der Pestschrift des ibn Hatimah
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Friedrich-Meineke-Institut)
Veranstaltung
Krankheit & Tod im Mittelalter
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
11
Katalognummer
V197172
ISBN (eBook)
9783656237280
ISBN (Buch)
9783656238294
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ursachen, pest, urteil, zeitgenossen, vergleich, pariser, pesttaktrats, pestschrift, hatimah
Arbeit zitieren
Christian Stielow (Autor:in), 2012, Ursachen der Pest im Urteil der Zeitgenossen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197172

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