Ludwig der Fromme - Herrschaft in Aquitanien


Hausarbeit, 1999

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Hauptteil
1. Zur Vorgeschichte und Einsetzung Ludwigs des Frommen in Aquitanien
2. Ludwigs Herrschaft in Aquitanien
a) Die Herrschaftsgrundlagen des Königtums
b) Die aquitanischen Reichsversammlungen
c) Die Verfügung über das Königsgut
d) Allgemeine Regierungsmaßnahmen und Handlungen Ludwigs
e) Ludwigs Urkundentätigkeit - die aquitanische Kanzlei
f) Der Unterkönig als Richter
3. Die Übernahme der Herrschaft über das Gesamtreich

III. Schluß

IV. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die vorliegende Arbeit soll die Herrschaft Ludwigs des Frommen als Unterkönig in Aquitanien untersuchen. Dazu wird es zunächst nötig sein, kurz auf die Vorge- schichte Aquitaniens einzugehen, um die Situation deutlich zu machen, aus der heraus Ludwig von seinem Vater Karl dem Großen als Unterkönig eingesetzt wurde.

Daraufhin wird zu ermitteln sein, welche Herrschaftsinstitutionen und -mittel damals in Aquitanien eingesetzt wurden und wie weit Ludwigs eigener Anteil an der Anwendung dieser Einrichtungen ging. Welche Aufgaben hatte Ludwig als Unterkönig, welche Rechte und Handlungsfreiheiten besaß er? Welches Handeln und Eingreifen wird tatsächlich auf Ludwig - in Abgrenzung von seinem Vater Karl - zurückgeführt und wie ist diese Darstellung zu erklären?

Weiterhin sollen kurz die außenpolitischen Beziehungen und Ludwigs Kirchenreformhandlungen einbezogen werden, um das Herrschaftsbild des Unterkönigs abzurunden, der schließlich zum Mitkaiser erhoben wurde und nach Karls Tod dessen Nachfolge antrat.

Als Hauptquelle wird die Vita Hludowici imperatoris des sogenannten Astro- nomus dienen, die als einzige ausführlich zum Geschehen vor dem Jahr 814, in dem Karl der Große starb, Stellung nimmt. Die Vita ist 1995 zusammen mit Thegans Gesta Hludowici imperatoris in neuer Übersetzung und kritischer Be- handlung von Ernst Tremp herausgegeben worden.1 Thegan, der Anfang des 9. Jahrhunderts als Geistlicher tätig war, schrieb die Gesta noch zu Lebzeiten Lud- wigs des Frommen, vermutlich zwischen Herbst 836 und August 837. Historische Objektivität muß angezweifelt werden, wo Thegan mit seiner Schrift in die Zeit- geschichte eingreifen will. Dies betrifft aber nicht den in der vorliegenden Arbeit untersuchten Zeitraum, was sich negativ in der sehr knappen Behandlung nieder- schlägt: Nur in den ersten sieben der 58 Kapitel wird die Zeit bis zu Karls Tod be- handelt. Insgesamt wird der Gesta ein hoher Informationsgehalt zugesprochen, da sie von anderen schriftlichen Quellen - besonders von der offiziellen Hagiogra- phie der fränkischen Reichsannalistik - unabhängig berichtet.

Der anonyme Verfasser der Vita Hludowici imperatoris wird aufgrund seiner Tä- tigkeit als Hofastronom Ludwigs des Frommen als ”Astronomus” bezeichnet. Im Prolog äußert er, daß er nach 814 selbst am Hof tätig war. Sein Interesse an Aqui- tanien und die daraus resultierende, auf Berichten des Adhemar aufbauende Be- richterstattung über die Verhältnisse dort wie an der Spanischen Mark - aufgrund der sonst zu diesem Teil von Ludwigs Leben schwachen Quellenlage für das hier behandelte Thema besonders wichtig - verweisen darauf, daß der Astronomus vielleicht selber zur in Aquitanien angesiedelten fränkischen Führungsschicht ge- hörte. Die Vita entstand wohl bald nach Ludwigs Tod, vermutlich in den Winter- monaten der Jahre 840/41 und baut auf Quellen wie dem oben genannten Mönch Adhemar, Einhards Vita Karoli und den Reichsannalen auf. Sie ist geprägt durch das Bild Ludwigs des Frommen als dem idealen christlichen Herrscher, dennoch aber um Sachlichkeit bemüht, was in vereinzelter Kritik an Ludwig deutlich wird. Der hohe Quellenwert wird teils durch eine fehlerhafte Chronologie und Lücken- haftigkeit des Berichts gemindert.

Als weitere Quellen werden die Diplome Ludwigs, vereinzelt auch der dritte Bio- graph Ermoldus Nigellus sowie Einhard oder die Annales Regni Francorum her- angezogen.

Die Arbeit orientiert sich besonders an der Vita des Astronomus. Schon zu Leb- zeiten scheint Ludwig an seinem Vater gemessen worden zu sein, und auch das Interesse und die Aufmerksamkeit der Forschung sind erst seit kurzer Zeit ge- weckt, Ludwigs Regierung nicht nur im Schatten Karls des Großen, sondern ei- genständig und ohne Vorurteile zu beleuchten. Die wenigen Untersuchungen set- zen aber aufgrund der Loslösung von Karl meist erst nach dessen Tod und bei der Übernahme des Gesamtreichs durch Ludwig ein. Positiv hervorgehoben seien Egon Boshof2 und Gustav Eiten3, die sich eingehender mit dem hier behandelten Thema befassen.

II. Hauptteil

1. Zur Vorgeschichte und Einsetzung Ludwigs des Frommen in Aquitanien

König Pippin gelang 768 die Wiedereingliederung Aquitaniens in das Franken- reich. De facto blieb der größte Teil der Gascogne jedoch selbständig.4 Als der Spanienfeldzug Karls des Großen im Jahre 778 scheiterte und mit der Vernichtung der Nachhut bei Roncesvalles endete5, war Aquitanien demnach erst kurze Zeit unterworfen, was eine Festigung der politischen Verhältnisse erforder- lich machte.6 Wichtige Verteidigungs- und Verwaltungspositionen wurden von Karl mit fränkischen Vasallen und Grafen, die Klöster mit fränkischen Äbten be- setzt7, um die Einrichtung des Unterkönigreiches Aquitanien 781 vorzubereiten, das Ludwig nach seiner Krönung zum Unterkönig zugewiesen wurde.8 Ludwig war selbst 778 in Aquitanien geboren worden9, vielleicht erschien er dadurch vor- bestimmt, in diesem Land zu herrschen, das nicht nur wegen seiner geographi- schen Lage schwer unter Kontrolle zu halten war, sondern auch eine eigene histo- risch-politische Tradition besaß.10 So könnte jedenfalls die Aussage des Astronomus interpretiert werden, Karl habe Ludwig bei dessen Taufe das Reich übergeben, „[...] das dieser bereits durch seine Geburt erworben hatte.“11 Das Zu- geständnis einer scheinbar selbständigen Herrschaft konnte den Aquitaniern vielleicht den Eindruck einer gewissen Unabhängigkeit bieten.12

Aufgrund seines kindlichen Alters schickte Karl mit dem Unterkönig eine Art Re- gentschaftsrat nach Aquitanien, schuf somit die Grundlagen des Herrschaftsappa- rates für seinen Sohn.13 Die Einsetzung Ludwigs verrät - gemäß seines Alters - keinerlei selbstbestimmtes Handeln. Auch fand keine Huldigung durch das Volk statt, lediglich der Wille Karls war relevant.14 Die Errichtung des Unterkönigrei- ches hatte demnach sowohl Verteidigungs- wie auch Verwaltungsfunktionen, mußte aber nicht der Sicherung der Dynastie in der Zukunft dienen.15 Das Reich war während Karls Regierungszeit so groß geworden, daß es notwendig und mög- lich war, einzelne Gebiete an seine Söhne zu verteilen, ohne daß die eigentliche Basis seiner Herrschaft geschmälert worden wäre.16

2. Ludwigs Herrschaft in Aquitanien

a) Die Herrschaftsgrundlagen des Königtums

Das fränkische Großreich zu beherrschen, setzte zunächst den Willen des Volkes voraus, das den König durch die Wahl legitimierte. Dies war bei der Erhebung Ludwigs zum Unterkönig nicht geschehen. Zur Verwaltung des riesigen Reiches waren aber bestimmte Institutionen notwendig, die auch das aquitanische Teilreich zu nutzen wußte, selbst wenn sich das Herrschafts- und Verwaltungsgefüge im heutigen Verständnis wenig institutionalisiert darstellte.17

Anhand verschiedener Herrschaftsinstitutionen, die einem mittelalterlichen Herrscher zur Verfügung standen, soll die Stellung des Unterkönigreiches Aquitanien und dessen Königs näher untersucht werden: inwieweit waren diese Einrichtungen vorhanden, und wie eigenständig war Ludwig befähigt, sie zu nutzen?

b) Die aquitanischen Reichsversammlungen

Die erste allgemeine Reichsversammlung18, die vom Astronomus erwähnt wird, ist zeitlich wohl zwischen den Jahren 787 und 789 einzuordnen.19 Die Versamm- lung in Septimanien war die Reaktion auf die Gefangennahme des Herzogs Chorso von Toulouse durch den Basken Adelrich, der von Chorso den Treueid forderte und erhielt. Ludwig berief die Versammlung nach Aussage des Astronomus nicht allein, sondern zusammen mit den „Vornehmen“ ein, „[...] durch deren Rat die öffentlichen Angelegenheiten des Aquitanischen Reiches verwaltet wurden [...]“.20 Ludwig wird hier also nicht als eigenverantwortlich dar- gestellt. Dagegen fällt allerdings die Betonung der eigenständigen Stellung des Unterkönigreiches in der Formulierung „res publica Aquitanici“21 auf. Der Baske bekam auf die Weigerung, zur Versammlung zu erscheinen, Geiseln gestellt, so daß es schließlich zu einer friedlichen Einigung kam, bei der Adelrich sogar Ge- schenke erhalten haben soll.22

Im folgenden Sommer wurde Ludwig sogleich von Karl nach Worms zitiert. Vor beiden Königen mußte sich der Baske dort erneut den Anschuldigungen stellen, die gegen ihn vorgebracht wurden; er wurde daraufhin geächtet und verbannt. Auch über Chorso, dem eine Mitschuld an den Ereignissen zugesprochen wurde, verhängte man hier seine Strafe - manifestiert im Entzug des Herzogtums.23 Deutlich wird, daß das Unterkönigreich und seine Vertreter in dieser Situation keineswegs unabhängig von Karl waren. Dieser war mit dem allzu milden Vorge- hen seines Sohnes, das ja bereits im Prolog des Astronomus erwähnt wird, nicht einverstanden und glich es - jedoch ohne Ludwig auszuschließen oder ihn bloßzu- stellen - selbst aus.24

Auf den nächsten beiden Reichsversammlungen in Toulouse empfing Ludwig der Fromme jeweils Gesandte der Nachbarn seines Reiches mit Geschenken, die wahrscheinlich zu Bündnisverhandlungen gekommen waren und von Ludwig in Frieden entlassen wurden.25 Wie bedeutend mögliche Verhandlungen jedoch waren und inwiefern die aquitanische Versammlung hier handlungsbefugt war, ist aus den Quellen nicht zu entnehmen.26

Um 800 wurde die Grafschaft Fezensac nach dem Tod ihres Grafen neu verliehen, was einen Baskenaufstand hervorrief. Diesmal erreichte Ludwig scheinbar selb- ständig, daß die schuldigen Basken vor ihm erschienen und hielt strenges Gericht über sie - ein Eingreifen Karls wird jedenfalls nicht erwähnt.27 Die Versammlung von 812 hatte erneut aufständische Basken zum Inhalt.

[...]


1 Thegan, Die Taten Kaiser Ludwigs, hg. und übers. von ERNST TREMP (MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum 64) Hannover 1995, sowie Astronomus, Das Leben Kaiser Ludwigs, ebd. Die folgenden Informationen über die zwei Biographen wurden dieser Ausgabe ent- nommen.

2 EGON BOSHOF, Ludwig der Fromme, Darmstadt 1996 (nachfolgend zitiert: Boshof).

3 GUSTAV EITEN, Das Unterkönigtum im Reiche der Merowinger und Karolinger (Heidelberger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 18) Heidelberg 1907 (nachfolgend zitiert: Eiten).

4 Vgl. FISCHER WELTGESCHICHTE, Bd. 10. Das frühe Mittelalter, hg. und verfaßt von JAN DHONDT, Frankfurt am Main 1968, S. 13; vgl. Boshof, S. 32.

5 Vgl. Die Reichsannalen zum Jahr 778 in: Quellen zur karolingischen Reichsgeschichte, 1. Teil, unter Benützung d. Übers. von O. Abel und J. v. Jasmund neu bearb. von REINHOLD RAU (Aus- gewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 5) Nachdruck Darmstadt 1980 (künftig zitiert: Reichsannalen).

6 Vgl. Astronomus, Das Leben Kaiser Ludwigs, hg. und übers. von ERNST TREMP (MGH Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum 64) Hannover 1995, c. 2 (nachfolgend zitiert: Astron.); vgl. Boshof, S. 21f.

7 Vgl. Astron. c. 3; vgl. Boshof, S. 28; vgl. Eiten, S. 37f., der herausstellt, daß die eingesetzten Grafen nicht aufgrund Ludwigs Minderjährigkeit zur Verwaltung eingesetzt wurden, sondern wohl an die Stelle von früheren aquitanischen Grafen traten.

8 Zur Bewertung der Verteilung der Teilreiche unter den beiden jüngeren Söhnen, während die bei- den älteren Söhne zunächst am Hof bei Karl blieben vgl. BRIGITTE KASTEN, Königssöhne und Königsherrschaft: Untersuchungen zur Teilhabe am Reich in der Merowinger- und Karolingerzeit (Schriften der MGH 44) Hannover 1997, S. 138ff. (nachfolgend zitiert: Kasten); vgl. RUDOLF SCHIEFFER, Die Karolinger, durchges. und erg. Aufl. Stuttgart u.a. 21997, S. 81 (nachfolgend zitiert: Schieffer). Zur politischen Bedeutung der Königserhebung Ludwigs und Pippins vgl. PETER CLASSEN, Karl der Große und die Thronfolge im Frankenreich, in: FLECKENSTEIN, JOSEF, Ausgewählte Aufsätze von Peter Classen, unter Mitw. von Carl Joachim Classen u. Johan- nes Fried, Sigmaringen 1983, S. 211 (nachfolgend zitiert: Classen), der sie unabhängig von einem bestimmten Land sehen will, während Eiten, S. 18f., den Akt nicht mit der eigentlichen Erhebung zu Königen gleichsetzt.

9 Vgl. Astron. c. 3.

10 Vgl. Classen, S. 212; vgl. PIERRE RICHÉ, Die Karolinger. Eine Familie formt Europa, aus d. Franz. übers. und hg. von CORNELIA und ULF DIRLMEIER, Stuttgart 1987, S. 164f. (künftig zitiert: Riché).

11 Astron. c. 3; die Chronologie des Astronomus ist an dieser Stelle etwas durcheinander, die Ernennung zum Unterkönig gehört ins Jahr 781, in dem auch die Krönung stattfand.

12 Vgl. Eiten, S. 37.

13 Vgl. Astron. c. 4.

14 Vgl. WALTER SCHLESINGER, Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Bd. 1. Germanen, Franken, Deutsche, Göttingen 1963, S. 92f.

15 Vgl. Boshof, S. 30; vgl. Eiten, S. 36f.; vgl. Classen, S. 211.

16 Vgl. Kasten, S. 136.

17 Vgl. JOHANNES FRIED, Die Formierung Europas 840-1046 (Oldenbourg Grundriß der Geschichte 6) München 21993, S. 54ff.; vgl. auch: OTTO BRUNNER, Moderner Verfassungsbegriff und mittelalterliche Verfassungsgeschichte, in: HELLMUT KÄMPF (Hrsg.), Herrschaft und Staat im Mittelalter, Sonderausgabe Darmstadt 1984.

18 Zum Begriff der Reichsversammlung, deren Inhalte Recht und Politik bildeten, vgl. Riché, S. 158.

19 Vgl. Astron. c. 5 mit Anm. 73.

20 Vgl. Astron. c. 5.

21 Astron. c. 5.

22 Vgl. Astron. c. 5.

23 Vgl. Astron. c. 5.

24 Vgl. Boshof, S. 55f.

25 Vgl. Astron. c. 5; vgl. c. 8. mit Anm. 112.

26 Vgl. Eiten, S. 42, wobei dieser den Verhandlungen Ludwigs mit den Nachbarn jede wirkliche Relevanz abspricht.

27 Vgl. Astron. c. 13.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Ludwig der Fromme - Herrschaft in Aquitanien
Hochschule
Universität Münster  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Ludwig der Fromme und seine Biographien
Note
2,0
Autor
Jahr
1999
Seiten
18
Katalognummer
V197099
ISBN (eBook)
9783656231288
Dateigröße
436 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Astronomus, Aquitanien, Königtum, König, Mittelalter, Regierung, Unterkönig, Karl der Große, Vita Hludowici imperatoris, Thegan, Gesta Hludowici imperatoris, Ludwig der Fromme
Arbeit zitieren
Christina Wagner-Emden (Autor:in), 1999, Ludwig der Fromme - Herrschaft in Aquitanien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/197099

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